2008
BÜCHNER, Gerold (2008): Gesund schrumpfen.
BERLINER ZEITUNG-Tagesthema
Demographischer Wandel: Die Bundesregierung fördert Initiativen
gegen den Bevölkerungsschwund. Zwei Gebiete wurden für
Vorzeigeprojekte ausgewählt. Brandenburg entwickelt eigene
Ansätze,
in: Berliner Zeitung v. 09.01.
OESTREICH, Heide (2008): Kaum Krippenplätze in Cloppenburg.
Neue Zahlen zum Kita-Ausbau:
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bieten die wenigsten
Plätze für unter dreijährige Kinder an. Betreuungsquote
insgesamt gestiegen. Milliardenschweres Bundesprogramm
angelaufen,
in: TAZ v. 09.05.
WISDORFF, Flora
(2008): Keine Mitte, nirgends.
Rheinland-Pfalz: Wer
studiert hat, geht weg aus Pirmasens und kommt nicht wieder -
Was mit einer Stadt passiert, der die Leistungsträger fehlen,
in: Welt v. 17.05.
|
Pirmasens,
Foto: Bernd Kittlaus 2018 |
HORDYCH, Harald (2008): Omi et Orbi.
Deutsche Zukunft: Ein
lehrreicher Besuch in Bad Orb, wo die Menschen heute schon älter
sind als in anderen Städten,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.06.
KÜHL, Christiane (2008): Leben mit offener Richtung.
Kunst und Soziologie haben oft
denselben Gegenstand: den Menschen. So in Wittenberge, wo man
gemeinsam den Alltag in einer schrumpfenden Stadt untersucht,
in: TAZ v. 09.07.
STERNBERG, Jan
(2008): Die Sozialkapitalisten aus Jottwehdeh.
Perspektivenwechsel: Alle kennen Wittenberge als Klischee des
Niedergangs. Aber niemand weiß Bescheid, sagen sich Forscher und
Künstler,
in: Freitag Nr.30 v. 25.07.
POSSEMEYER, Ines (2008):
Demografie - Wie sich Europa erneuert.
Die meisten Grenzen
sind gefallen, Billigflieger verbinden alle Winkel des
Kontinents - und Millionen Europäer haben sich auf den Weg
gemacht, neue Chancen, ein besseres Leben zu suchen. Ein
GEO-Team hat fünf Orte des demografischen Wandels bereist,
in: Geo,
September
HAHN, Michael (2008): Pyramide und
Tannenbaum.
Die Rottenburger
Bevölkerungsstruktur weicht vom Landesdurchschnitt ab,
in: Schwäbisches Tagblatt v. 10.09.
Justizvollzuganstalt und
ledige Theologen sorgen bei den über 40jährigen Männern für
einen außergewöhnlichen Männerüberschuss in
Rottenburg.
HOLLSTEIN, Miriam (2008): Heitere Rückkehr der Frauen.
Viele junge hoch qualifizierte
Frauen wollen Ostdeutschland nicht ungebildeten Männern
überlassen. Sie ziehen zurück in ihre Heimat, um diese zu
verändern,
in: Welt am Sonntag v. 05.10.
BERTELSMANNSTIFTUNG
(2008): Deutschland wird immer älter.
Bertelsmann Stiftung veröffentlicht Bevölkerungsprognose 2025 –
Daten und Fakten für rund 3.000 Kommunen im Internet abrufbar,
in:
Pressemitteilung
BertelsmannStiftung
v. 08.12.
ZÜTPHEN, Thomas von
(2008): Exodus der Neuzeit.
Demografie: Nach einer Demografiestudie der BetelsmannStiftung
altert Deutschland bis 2025 rasch,
in: Focus Nr.50 v. 08.12.
Der Focus
präsentiert eine Grafik zur Bevölkerungsentwicklung 2006-2025
und eine Tabelle ausgewählter, überalterter Städte.
HONNIGFORT, Bernhard (2008):
Der Osten vergreist,
in:
Frankfurter Rundschau v. 09.12.
2009
GROBECKER, Claire/KRACK-ROBERG, Elle/SOMMER, Bettina (2009):
Bevölkerungsentwicklung 2007,
in: Wirtschaft und Statistik,
Heft 1, S.55-67
Aus der folgenden Tabelle
ist die Abwanderung aus Ostdeutschland (ohne Berlin) für die
Jahre 2000 bis 2007 ersichtlich:
Tabelle: Abwanderung aus
den neuen Bundesländern |
Jahr |
Abwanderungsverlust |
2000 |
75.958 |
2001 |
97.590 |
2002 |
80.824 |
2003 |
58.350 |
2004 |
51.675 |
2005 |
48.976 |
2006 |
54.144 |
2007 |
54.805 |
2008* |
51.008 |
2009* |
32.319 |
|
Quelle:
WIST 1/2009, Tabelle 4,
S.59; * Zahlen für 2008 und 2009
aus WIST 5/2011, Tabelle 4
S. 424 |
Im Jahr 2011 haben
GROBECKER & KRACK-ROBERG die Darstellung der
Wanderungsverhältnisse wieder geändert. Statt wie bislang den
Wanderungssaldo von Berlin den neuen Bundesländer zuzuschlagen
(Reduzierung des Abwanderungsverlustes), erhöht er nun den
Abwanderungsverlust. Eine Erklärung für diese veränderte
Darstellung wird nicht gegeben.
Der Abwanderungsverlust der
neuen Bundesländer beträgt vom Jahr 2000 bis 2009 605.649
Personen. Für den Zeitraum 1991 bis 1999 ergeben sich
je nach Zählweise ein Abwanderungsverlust zwischen 461.910
und 535.345 Personen.
LINK, Rainer (2009): Lütjenburg im
Dorfpunk-Fieber.
Schleswig-Holstein: Eine Kleinstadt in Ostholstein
wird berühmt,
in: DeutschlandRadio v. 20.04.
HAIMANN, Richard (2009): Die Deutschen
sind ein mobiles Volk.
Jeder zehnte Bundesbürger
wechselt im Jahr seinen Wohnort. Ländliche Gebiete werden
entvölkert, während Großstädte gewinnen,
in: Welt v. 06.06.
MARON, Monika (2009): Bitterfelder Bogen. Ein Bericht, S.
Fischer Verlag
KLINGHOLZ, Reiner (2009): Herr Minister, wir schrumpfen!
Im
Grundgesetz ist die "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse"
angemahnt: das Konstrukt der alten Bundesrepublik, die nur
Wachstum kannte. Das ist längst eine Illusion. Ein Plädoyer für
eine neue Demographiepolitik,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.
Das Berlin-Institut
soll das Demografiebewusstsein in der deutschen Bevölkerung
verankern. Die Studien der Institution werden deshalb gerne mit
großem publizistischem Getöse veröffentlicht. Wo gehobelt wird,
fallen eben auch Späne -
weswegen manche Kampagne zum Bumerang geworden ist. Im
letzten Jahr erklärte der
Island-Fan KLINGHOLZ die Insel zum
Primus in Sachen Nachhaltigkeit. Kurz danach versank das Eiland
in einer nachhaltigen Finanzkrise. In
der FAZ ist KLINGHOLZ nun in Sachen Ostdeutschland
unterwegs.
TIEFENSEE, Wolfgang (2009): Der Letzte
macht das Licht aus.
Man soll schwach bevölkerte
Regionen nur noch versorgen, nicht mehr fördern,
meint Reiner Klingholz. So spricht die
Wissenschaft. Die Politik kann sich das nicht leisten,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 04.07.
DRÖSSER, Christoph
(2009): Republik in Schieflage.
Deutschlands Bevölkerung schrumpft - doch nicht überall in
gleichem Maße. In manchen Regionen ist die Zahl der Geburten
größer als die der Todesfälle, manche ziehen Zuwanderer an,
andere verlieren Einwohner. Blick auf ein Land im Wandel,
in: Die ZEIT Nr.29 v. 09.07.
PLATTHAUS, Andreas
(2009): Geht doch rüber!
Den Frauen
hinterher: Zwanzig Jahre nach 1989 macht die Entvölkerung in
Ostdeutschland Schlagzeilen. Wir sind den umgekehrten Weg
gegangen,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung
v. 01.08.
FISCHER, Konrad
(2009): Kommunen im Wickelkrieg.
Aus Angst
vor dem drohenden Einwohnerverlust liefern sich Städte und
Gemeinden eine teure Werbeschlacht um junge und bauwillige
Familien,
in: Wirtschaftswoche Nr.34 v. 17.08.
NEU, Claudia (2009)(Hrsg): Daseinsvorsorge. Eine
gesellschaftswissenschaftliche Annäherung, VS Verlag für
Sozialwissenschaften
SIEMS, Dorothea (2009): Ein einig Volk von Rentnern.
Demografie-Studie: Deutschlands
Bevölkerung schrumpft und altert unaufhaltsam - Ost-Länder
besonders betroffen,
in: Welt v. 19.11.
2010
KRÜGER, Isabel (2010): Überalterung im
Osten.
Das Statistische Bundesamt
stellt bedrohliche Zahlen vor: Die Bevölkerung im Osten
Deutschlands wird in den kommenden 50 Jahren schneller
zurückgehen als der Westen des Landes,
in: Tagesspiegel v. 24.02.
SCHMIDT-TYCHSEN, Ingo (2010): Angst vor sozialer Ansteckung.
Brandenburg: Die ostdeutsche Gesellschaft
zerfällt immer mehr. Dies ist das Ergebnis einer in der
brandenburgischen Kleinstadt Wittenberge realisierten
Langzeitstudie, die von der Bundesregierung mit 1,7 Millionen
Euro unterstützt wurde,
in: Tagesspiegel v. 03.03.
NUTT, Harry (2010): Als die Forscher in der Stadt blieben.
Brandenburg: Niedergang einer Kommune,
in: Frankfurter Rundschau v. 03.03.
DAS MAGAZIN-Titelgeschichte:
Stadt oder Land?
Das ewige Hin und Her, wo es sich besser leben lässt |
BOMBOSCH, Frederik (2010): Die neuen
Siedler.
Der Begriff "Raumpioniere" klingt ziemlich gut. Er adelt Leute,
die in Landschaften ziehen, wo kaum mehr jemand leben will. Fragt
sich, wer sie sind und was sie suchen,
in: Das Magazin,
April
MEIER, André (2010): Stadt, Land,
Sex.
Die Großstadt galt seit jeher als Hort der Verführung. Heute
versuchen die Metropolen, ihre wilde Vergangenheit schamhaft zu
kaschieren, und tun nicht mehr viel für ihren schlechten Ruf,
in: Das Magazin,
April
"Vorzeitige Defloration droht eher auf der Dorfdisco oder dem
Feuerwehrball als im großstädtischen Technotempel. (...).
Fast rührend muten (...) die Versuche des Feuilletons an, mit der
Skandalisierung solch bizarrer Vergnügungsstätten wie dem Berliner
Techno-Club Berghain den
Mythos vom Sündenbabel Großstadt
aufrechtzuerhalten.
Früher hießen die Szene-Klubs Tresor, Bunker oder E-Werk und
signalisierten knallharte Urbanität. Der Name Berghain
symbolisiert hingegen Schäferspielereien und ländliche Idylle. Wer
das für einen Zufall hält, liegt schief", meint André MAIER.
NOVY, Beatrix (2010): Städte
vergreisen, Dörfer verwaisen.
Teil 3 der
Serie über die Auswirkungen des demografischen Wandels,
in: DeutschlandRadio v. 04.04.
NATH, Dörthe (2010): Zu schön, um wieder
wegzugehn?
Mecklenburg-Vorpommern-Städtevergleich:
Schwerin ist langweilig, voller Rentner - Greifswald ist
quirlig, voller Räder. Wie unterscheidet sich eine Uni-Stadt von
einer Kleinstadt ohne staatliche Hochschule?
in:
TAZ v. 24.04.
RÖTZER, Florian (2010): Boom der Großstädte.
Während die Bevölkerung in
Deutschland schrumpft, wachsen die Großstädte und werden in der
Wissensgesellschaft auch wirtschaftlich bedeutsamer,
in: Telepolis v. 12.05.
KLOEPFER, Inge (2010): Alt braucht Jung.
Nordrhein-Westfalen: Deutschland wird älter. Bad Sassendorf hat das Problem aktiv
angepackt - und bewusst alte Menschen angesiedelt. Das hat die
Einwohnerzahl stabilisiert und die Immobilienvermögen. Jetzt
subventioniert Bad Sassendorf den Zuzug junger Familien - um nicht zu
überaltern,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.05.
MÜLLER, Rainer (2010): Wohnlotsen am
Wattenmeer.
Niedersachsen: Schon in
wenigen Jahren könnte in Cuxhaven jedes vierte Haus leer stehen.
Jetzt versucht die Stadt an der Nordsee gegenzusteuern,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 20.06.
"Altenwalde (ist) ein ganz
normales Wohngebiet in Cuxhaven. (...). Früher war Altenwalde
ein Dorf, drei Kilometer südlich vom Stadtzentrum, heute ist es
eingemeindet und zu einem typischen Vorort geworden. In den
anderen Wohngebieten der 52.000-Einwohner-Sadt sieht es ähnlich
aus. Mehr als die Hälfte des Stadtgebietes besteht aus Bauten,
die zwischen 1950 und 1975 errichtet wurden - und ein Großteil
davon sind Einfamilienhäuser. Cuxhaven (...) ist von drei Seiten
vom Wattenmeer umgeben. Im Süden des historischen Zentrums
liegen die ausgedehnten Einfamilienhausgebiete wie ein zweites
Watt, aus dem sich nicht das Meer, sondern die Bevölkerung
langsam zurückzieht",
berichtet Rainer MÜLLER
anlässlich der Ergebnisse einer geförderten Untersuchung der
Stadt zum demografischen Wandel und des städtischen
Wohnungsmarktes.
"Mit den Häusern sind auch
ihre Bewohner in die Jahre gekommen: 27 Prozent aller Cuxhavener
sind bereits 65 Jahre oder älter. Im Rest des Landes sind es
weniger als 20 Prozent. Statistisch gesehen werden daher in
Cuxhaven bis 2030 mehr als 6.000 Einfamilienhäuser »freigesetzt«
- das wären zwei Drittel des Einfamilienhausbestandes.
In Zukunft übersteigt das Angebot wegen der demographischen
Entwicklung bei weitem die Nachfrage: Die Stadt wird nicht nur
älter, sie schrumpft. Die Forscher gehen für das Jahr 2030 von
einer Bevölkerungszahl von 39.000 aus, rund ein Viertel weniger
als heute. (...).
Cuxhaven ist kein Extremfall. Arbeitslosigkeit und Abwanderung
sind im Ruhrgebiet oder den ostdeutschen Ländern wesentlich
stärker ausgeprägt. Was Cuxhaven von anderen Mittelstädten
unterscheidet: Seine Bevölkerung ist bereits heute so alt, wie
das für Deutschland in 30 Jahren erwartet wird. Cuxhaven ist in
Zukunft überall",
erzählt uns MÜLLER zur
Zukunft der Stadt und Deutschlands. Was den Artikel
unglaubwürdig werden lässt, das ist die scheinbare Präzision,
mit der die Entwicklung ablaufen soll:
"Auf präzise 2145 wurde der
»Angebotsüberhang« an Häusern prognostiziert, von denen sich
1.162 in Stadtrandlagen wie Altenwalde befinden."
Die vorgegaukelte Präzision
soll ein "zielgerichtetes Gegensteuern" ermöglichen. Das soll
mit dem
Wohnlotsen-Projekt erreicht werden. "Best Practice" ist
ein Schlagwort das solche Projekte begleitet.
BANSE, Juliane/MÖBIUS, Martina/DEILMANN, Clemens (2010): Wohnen
im Alter 60+. Ergebnisse einer Befragung in der Stadt Döbeln,
IÖR Text Nr.160, Juli
USLAR,
Moritz (2010): Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung,
Köln: Kiepenheuer & Witsch
REINECKE, Stefan (2010): "Der Osten verschwindet".
Deutsche Einheit: 20 Jahre nach
der Wiedervereinigung ist der Kampf zwischen Ossis und Wessis
vorbei. Der Osten spaltet sich selbst sozial auf, sagt der
Soziologe
Wolfgang Engler,
in: TAZ v. 02.10.
REIMANN, Katja (2010): Das Dorf am Ende
des Lebens.
Keine Alten-WG, kein Pflegeheim,
kein Generationenhaus: Im Emsland entsteht ein ganzer Ort nur
für Menschen jenseits der 60. Wer hier wohnt, flieht vor der
Welt in die Ruhe – und in die Gewissheit: Den Nachbarn geht’s
wie mir,
in: Tagesspiegel v. 18.10.
BERTELSMANNSTIFTUNG
(2010): Starker Geburtenrückgang in Deutschland.
Elterngeneration schrumpft bis 2025 um mehr als eine Million
Menschen,
in:
Pressemitteilung
BertelsmannStiftung
v. 02.11.
"Nicht die geringe
Geburtenrate, sondern vielmehr die Abnahme der sogenannten
Elterngeneration (Menschen zwischen 22 und 35 Jahren) spielt die
entscheidende Rolle für den fortschreitenden
Bevölkerungsrückgang in Deutschland. Sie wird nach Berechnungen
der Bertelsmann Stiftung in den kommenden 15 Jahren erheblich
schrumpfen. Während der Anteil der Elternjahrgänge an der
Gesamtbevölkerung im Jahr 2006 noch bei 16,8 Prozent (13,79
Millionen) lag, wird er bis zum Jahr 2025 auf 15,7 Prozent
(12,64 Millionen) sinken. Dies bedeutet einen Rückgang um 1,15
Millionen Menschen",
behauptet die neoliberale
Privatstiftung. Das Konzept der Elterngeneration ist jedoch
unterkomplex, weil es das differentielle Geburtenverhalten nicht
berücksichtigt, sondern für alle Bundesländer aus den
Frauenjahrgängen im gebärfähigen Alter (15-49-Jährigen) nur die
22-35-Jährigen herausgreift. Das durchschnittliche
Erstgebäralter liegt jedoch im Westen höher als im Osten und in
den Städten höher als im ländlichen Raum.
Nationalkonservative sprechen
hier gerne von
"Ungeborenen". Die Neoliberalen berücksichtigen zwar
Wanderungen, aber auch ihr
Konzept des Geburtenverhaltens ist unzureichend, zumal wenn
die Geburtenrate linear in die Zukunft fortgeschrieben wird.
Sachsen wird mit einem
Rückgang von 30,6 Prozent der Elterngeneration ein großer
Schwund prognostiziert.
Keine 10 Jahre später wird Sachsen als Beispiel für eine
falsch eingeschätzte Entwicklung der notwendigen
Kinderbetreuungs- und des Lehrerbedarfs gelten.
Fazit: Die neoliberale
Privatstiftung hat mit ihren Fehlprognosen massiv dazu
beigetragen, dass Deutschlands Bildungssystem den
Geburtenanstieg nicht angemessen berücksichtigt hat.
SCHOLL, Joachim (2010): Schreibtischtäter
im Kuhstall.
Zwei Neuerscheinungen
porträtieren die deutsche Provinz. Gespräch mit Barbara Bollwahn
und Moritz von Uslar,
in: DeutschlandRadio v. 08.12.
KLINKHAMMER, Gudrun (2010): Wenn Leere einzieht, wo einst Leben war.
Die kleine Gemeinde Hellenthal in der Eifel verliert. Die Deutschen
werden immer weniger und zugleich älter - Neue Serie zum
demografischen Wandel
in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 23.12.
PETER, Tobias
(2010): Die Jugend regiert ganz leise.
Die Wähler werden
älter, doch Monheim macht einen 27-Jährigen zum Bürgermeister,
in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 27.12.
BISKUP, Harald
(2010): Rollstuhl-Karawane ins Jugendzentrum.
Arnsberg wurde zur
"seniorenfreundlichen Stadt" gewählt - Die Zukunftsagentur im
Rathaus macht aus Ruheständlern hilfreiche Ehrenamtler, die
mitten im Leben bleiben - Realschüler trainieren Rentner an
Handys und PC,
in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 31.12.
2011
HÖHNER, Jens (2011): Die verlorene Jugend.
In der Kleinstadt leben, wenn der 18. Geburtstag noch fern ist: Das
ist nicht immer leicht - Bergheim hat das Problem erkannt und kämpft
um den Zuzug von Familien,
in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 08.01.
Jens
HÖHNER stellt die Kreisstadt
Bergheim im
Regierungsbezirk Köln vor, die eine Abwanderung der erwerbsfähigen
Bevölkerung mit Prämien für Kinder beim Erwerb von Bauland
verhindern möchte:
"Wer erstmals Bauland erwirbt
und ein Grundstück aus dem Besitz der Stadt erwirbt, erhält pro
Kind eine Prämie von 3000 Euro".
Die umstrittene
Bertelsmann-Stiftung, die in Deutschland die Debatte um die Agenda
2010 prägte, bietet ein Tool namens Wegweiser-Kommunen an, mit dem
für jede Gemeinde über 5000 Einwohner eine Bevölkerungsprognose
bis zum Jahr 2025 abgerufen werden kann. Für
Bergheim wird eine Stagnation der Bevölkerungszahl (bei ca.
62.000 Einwohnern) aber bei steigendem Alter der Bevölkerung
ausgewiesen.
Die
Gemeinde wird dem Demografiemuster 6: Städte und Gemeinde im
ländlichen Raum mit geringer Dynamik zugeordnet. Die
Beschreibungen der charakteristischen Entwicklungen entsprechen
den Problemen, die HÖHNER schildert.
Es
werden zudem Handlungsempfehlungen für diesen Gemeindetyp gegeben.
Arnsberg, das
zum gleichen Demografiemuster wie Bergheim gehört, gilt der
Bertelsmann-Stiftung als Vorbild für eine seniorenfreundliche
Stadt, wie sie von BISKUP in der Serie geschildert wird.
Bergheim
versucht dagegen einen eigenen Weg, der eher wenig Erfolg
verspricht,
wenn Doppelverdiener-Familien zunehmen, die lieber in
innenstadtnahen Stadtgebieten von Großstädten wie dem nahe
gelegenen Köln wohnen möchten. Das Bauland, das Bergheim
propagiert, ist dagegen eher für Alleinverdiener-Familien mit
höherer Kinderzahl attraktiv.
Erfolg
oder Misserfolg städtischer Strategien hängen immer auch mit
zukünftigen Entwicklungen auf dem Felde der Lebensformen zusammen.
Man darf also gespannt sein, wie die Situation in 10 Jahren
aussieht.
HORDYCH, Harald (2011): Daheim ist daheim.
Wer von
der Kleinstadt in die Großstadt geht, hat es geschafft. Aber was
ist eigentlich mit denen, die wieder zurückkehren? Sind sie
Verlierer? Oder heimliche Gewinner?
in: Süddeutsche Zeitung v. 15.01.
EICHHORN, Daniel & Holger OERTEL (2011): Kleinräumige
Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Greiz – Herausforderungen
für die Kommunalplanung aus demografischer Sicht, IÖR Text
Nr.164, Juni
Aus der
folgenden Tabelle ist die Bevölkerungsentwicklung von 2000 bis
2009 und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung 2010 bis
2025 des IÖR ersichtlich:
Tabelle:
Bevölkerungsentwicklung des Landkreises Greiz in Thüringen |
Bevölkerung |
Stand der
Bevölkerungsentwicklung
zum 31.12. des Jahres |
Bevölkerungsprognose 2010 bis 2025
Variante "Status Quo"
(jeweils zum 31.12. des Jahres) |
2000 |
2005 |
2009 |
2010 |
2015 |
2020 |
2025 |
unter 15-Jährige |
15.331 |
11.259 |
11.159 |
|
|
|
|
15-44-Jährige |
50.750 |
44.201 |
34.957 |
|
|
|
|
45-64-Jährige |
34.704 |
34.407 |
35.148 |
|
|
|
|
65
Jahre und älter |
23.084 |
26.453 |
27.739 |
|
|
|
|
Insgesamt |
123.869 |
116.320 |
109.003 |
106.633 |
98.634 |
90.540 |
82.295 |
15- bis 45-jährige Frauen |
24.226 |
20.879 |
16.280 |
|
|
|
|
|
Quelle: 2011
Tabelle 2, S.18 und Tabelle 4, S.27; eigene Darstellung
|
Im Jahr 2015
lebten im Landkreis Greiz statt der prognostizierten 98.634
Einwohner 101.114 Menschen (vgl. Kreiszahlen für Thüringen –
Ausgabe 2016, Thüringer Landesamt für Statistik, S.39). Im Jahr
2010 waren es 107.555 statt 106.633. Die tatsächliche
Bevölkerungsentwicklung stellt sich somit für die Jahr 2010 bis
2015 positiver dar als prognostiziert.
Die Autoren gehen auch für
die Gemeinden innerhalb des Landkreises von einer
differenzierten Bevölkerungsentwicklung bis 2025 aus:
"Auf Gemeinde- bzw.
Gemeindeclusterebene gibt es große Unterschiede (...). Für alle
Gemeinden/Gemeindecluster ergibt sich ein Bevölkerungsrückgang.
Überdurchschnittliche Bevölkerungsverluste sind insbesondere in
Langenwolschendorf (-35,2 %),
Seelingstädt (-33,7 %),
Hohenleuben (-33,4 %) und Hohenölsen (-33,1 %) zu erwarten.
Relativ günstige Bevölkerungsentwicklungen weisen dagegen die
Gemeinden
Caaschwitz (-0,7 %),
Korbußen und
Bethenhausen (Cluster 9, -6,8 %) sowie
Hartmannsdorf und
Crimla (Cluster 1, -10,7 %) auf. (...). Für die beiden
größten Städte im Landkreis
Greiz und
Zeulenroda-Triebes ergibt die
IÖR-Bevölkerungsvorausberechnung einen Einwohnerverlust von
-29,9 % und -27,2 %."
Die Gemeinde
Hohenölsen wurde 2013 aufgelöst.
Die
Website des Landkreises Greiz führt zur aktuellen
Gemeindestruktur folgendes aus:
"Der Landkreis Greiz besteht
aus neun Städten und 37 Gemeinden. Elf davon haben eine eigene
Verwaltung. Bei den übrigen wird die Verwaltung durch eine der
drei im Landkreis existierenden Verwaltungsgemeinschaften oder
eine erfüllende Gemeinde wahrgenommen." (Seitenabruf:
03.04.2017)
HUMMEL, Katrin (2011): Ein Leben unter Niveau.
Viele
junge Frauen kehren den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands den
Rücken. Zurück bleiben alleinstehende Männer, die nicht nur die
Frau fürs Leben, sondern oft auch Arbeit suchen. Oder nicht
einmal mehr das. Im Kyffhäuserkreis in Thüringen ist es
besonders schlimm,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 06.08.
BERTELSMANNSTIFTUNG
(2011): Zahl der über 80-Jährigen wird bis 2030 stark zunehmen.
Bevölkerungsprognose mit Daten und Fakten für rund 3.200
Kommunen,
in:
Pressemitteilung
BertelsmannStiftung
v. 26.10.
KLINGHOLZ, Reiner/KRÖHNERT, Steffen/KUHN, Eva/KARSCH,
Margret/BENNERT, Wulf (2011): Die Zukunft der Dörfer.
Zwischen Stabilität und demografischem Niedergang,
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, November
Die Autoren
stilisieren das Dorf zum Pionier der Postwachstumsgesellschaft,
weil es dazu aufgrund der demografischen Entwicklung angeblich
keine Alternative gibt:
"(I)n der modernen
Wissensgesellschaft, entstehen aus der kritischen Masse von
klugen Köpfen und Ideen neue Unternehmen und die Jobs der
Zukunft. Gerade junge Menschen finden im Leben auf dem Lande
kaum mehr Erfüllung.
Der demografische Wandel verstärkt die Landflucht. Der
allgemeine Bevölkerungsrückgang in Deutschland, der sich bis
2050 auf mindestens zwölf Millionen Menschen summieren dürfte,
wird überwiegend entlegene ländliche Regionen treffen. Aber
nicht nur Deutschland ist von diesem Trend betroffen: Alle
Nationen mit stagnierenden oder gar rückläufigen
Bevölkerungszahlen – von Portugal über Mittel- und Osteuropa bis
nach Japan – erleben den gleichen Niedergang weiter ländlicher
Gebiete.
Viele deutsche Dörfer nehmen damit voraus, was für immer mehr
Regionen der Welt Alltag werden könnte: Sie werden zu
Testfeldern der (demografischen) Post-Wachstumsgesellschaft. Und
darin liegt eine große Chance – auch für das Land."
(2011, S.4)
Um das zu belegen, werden uns
zwei Landkreise, der hessische Vogelsbergkreis und der
thüringische Landkreis Greiz, vorgestellt. Letzterer wird
folgendermaßen charakterisiert:
"Im Kreis Greiz gibt
es 233 Orte, für die eine eigenständige Einwohnerstatistik
geführt wird. Von diesen 233 Orten haben nur 17 mehr als 1.000
Einwohner. In 20 Dörfern leben zwischen 500 und 1.000 Einwohner.
197 Orte haben weniger als 500 Bürger, und bei drei Vierteln
dieser kleinen Dörfer liegt die Einwohnerschaft unter der Grenze
von 250. (...).
In den kleinsten Dörfern, etwa Horngrund und Ölsengrund
(Gemeinde Hohenölsen), Rüßdorf (Gemeinde Teichwolframsdorf) oder
Wüstenroda (Gemeinde Pölzig) lebten 2009 nicht einmal 20 Bürger.
(...).
Den stärksten Einwohnerverlust zwischen 2004 und 2009 erlebte
Nattermühle (Gemeinde Steinsdorf) mit einem Minus von 88
Prozent. Dieser Extremwert erklärt sich daraus, dass dort ein
Heim für Asylbewerber geschlossen wurde. Als Ort existiert
Nattermühle praktisch nicht mehr, nur neun Einwohner sind dort
noch verblieben. Ansonsten bewegt sich die Entwicklung der
Einwohnerzahl zwischen einem Verlust von 29 Prozent in Eubenberg
(Ortsteil von Arnsgrün) und einem Zuwachs von 41 Prozent in
Kleindraxdorf (Gemeinde Hohenölsen). Beides sind sehr kleine
Orte, wodurch Verlust oder Zugewinn von wenigen Einwohnern
prozentual stark ins Gewicht fallen. Insgesamt haben fast 200
der 233 analysierten Orte zwischen 2004 und 2009 mehr als zwei
Prozent ihrer Bevölkerung verloren, 19 Orte sogar mehr als 15
Prozent. Demgegenüber haben 24 Orte mehr als ein Prozent
Bevölkerung hinzugewonnen, zwölf Orte sogar mehr als fünf
Prozent." (2011, S.37),
Die Autoren gehen in
der Broschüre Die Zukunft der Dörfer von einem Ortsbegriff aus, der nichts mit der
Struktur der politischen
Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften im Landkreis Greiz
zu tun hat. Die beschriebene Gemeinde
Hohenölsen wurde bereits 2013 aufgelöst und existiert damit
in dieser Form gar nicht mehr.
"Nimmt man (...) die
Einwohnerdichte als Kriterium für Ländlichkeit und betrachtet
solche Gemeinden als „ländlich“, in denen sich nicht mehr als
150 Einwohner je Quadratkilometer – ein häufig verwendeter
Grenzwert – finden, so leben nur etwa 17 Millionen Deutsche in
ländlichen Gemeinden",
erklären die Autoren ihr
Verständnis von "ländlichem Raum", bieten uns aber keine
explizite Definition des Begriffs "Dorf" an. Implizit
sind damit jedoch Orte mit weniger als 500 Einwohnern gemeint,
denn nur diese werden
einer Risikobewertung unterzogen. Während auf Seite 37 von
233 Orten gesprochen wird, von denen 197 weniger als 500
Einwohner haben, wird auf Seite 50 nur noch von 196 Orten mit
weniger als 500 Einwohnern gesprochen.
Wikipedia erklärt uns zur Entwicklung es Dorfes in
Deutschland:
"Traditionell stellte das
Dorf – im Gegensatz zum kleineren Weiler – als Gemeinde der
Bauern eine politische Einheit dar. Vor der Schaffung von
Gemeinderäten im 19. Jahrhundert gab es im deutschsprachigen
Raum den Ortsvorsteher, den Dorfschulzen. Durch die
Gebietsreformen der 1970er bis 1990er Jahre sind die meisten
Dörfer in Deutschland keine Gebietskörperschaften mehr, sondern
wurden zu Ländlichen Gemeinden zusammengefasst oder in
benachbarte Städte eingemeindet. Einen Kompromiss mit Resten von
Eigenständigkeit der Dörfer stellen die Samtgemeinden dar."
(Seitenabruf: 04.04.2017)
Der Humangeograph Gerhard
HENKEL unterscheidet in seinem Aufsatz
Geschichte
und Gegendwart des Dorfes unterschiedliche
Siedlungsgrößen der Dörfer:
"Gemeinhin unterscheidet man
vier Größenstufen des deutschen beziehungsweise
mitteleuropäischen Dorfes:
- das kleine bis mäßig große Dorf mit 20 bis 1OO Hausstätten
beziehungsweise 100 bis 500 Einwohnern,
- das mittelgroße Dorf mit 1OO bis 4OO Hausstätten
beziehungsweise 500 bis 2000 Einwohnern,
- das große Dorf mit 400 bis 1000 Hausstätten beziehungsweise
2000 bis 5OOO Einwohnern und
- das sehr große Dorf mit mehr als 1000 Hausstätten und 5000
Einwohnern.
Für die beiden letztgenannten Größenstufen werden vielfach auch
die Bezeichnungen »Großdorf« und »Stadtdorf« gebraucht, womit
die statistische Nähe zur städtischen Siedlungen deutlich wird."
(2016, S.10)
Das Berlin-Institut
beschränkt sich also bei seiner Dorfbetrachtung auf die kleinste
Siedlungsgröße des Dorfes. HENKEL beziffert die Anzahl der
Dörfer in Deutschland auf rund 35.000 Ortschaften, wobei er die
Heterogenität der Dörfer herausstreicht.
Der Landkreis Greiz
widerspricht auf der Orts- bzw. Siedlungsebene jenen angeblichen Zusammenhängen,
die mit dem
Begriff der Abwärtsspirale verbunden werden, was die
Autoren ratlos zurück läßt:
"Für die Dörfer des Kreises
Greiz lassen sich kaum Zusammenhänge zwischen der Entwicklung
der Einwohnerzahl und den vor Ort erhobenen Indikatoren zur
Siedlungsstruktur ausmachen. Weder sind im Gesamteindruck als
attraktiv bewertete Orte im Mittel besonders stabil, noch
solche, in denen der bauliche Zustand besonders positiv bewertet
wurde. Orte mit klarem Ortsmittelpunkt entwickeln sich im Mittel
ebenso wie solche ohne zentralen Platz. Lediglich die
landschaftliche Attraktivität der Umgebung zeigt den erwarteten
Einfluss: Jene Orte, deren Einbettung in die Landschaft mit der
Bestnote bewertet wurde, zeigen im Schnitt eine
Bevölkerungszunahme." (2011, S.43)
Auch bei der Infrastruktur
ist die Sache keineswegs so klar wie dies meist dargestellt
wird, denn obwohl die Infrastrukturspannbreite auf der Ortsebene
im Landkreis Greiz gering ist, wird dies durch die gute,
überörtliche Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen
wieder wett gemacht. Die in den Medien gerne intonierte Melodie,
dass ein Dorf stirbt, wenn das letzte Gasthaus schließt, ist in
dieser Schlichtheit nicht haltbar.
Ab Seite 50 wird die
Zukunftsfähigkeit der Dörfer des Landkreises Greiz nach 6
Indikatoren bewertet: Dorfgröße, Bevölkerungsentwicklung
2004-2010, Anteil der unter 18-Jährigen im Jahr 2009, Vereine je
1.000 Einwohner im Jahr 2011, offensichtlicher Leerstand im Jahr
2011, Fahrzeit zum Oberzentrum in Minuten.
Die folgende Tabelle
ermöglicht einen Vergleich mit der Studie des IÖR, die ganz
andere Gebiete beim Landkreis Greiz betrachtet:
Tabelle:
Vergleich der betrachteten Gebiete des Landkreises Greiz in den Studien des IÖR und des Berlin-Instituts und der Bewertung
hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit |
Gemeinde bzw. Gemeindecluster |
Bevölkerungsverluste
gemäß IÖR bis 2025 |
Orte
mit weniger als 500 Einwohner gemäß
Berlin-Institut |
Risikobewertung (hoch = 15-18; niedrig = 3-6 Punkte) |
Langenwolschendorf |
-
35,2 % |
|
keine |
Seelingstädt |
-
33,7 % |
Zwirtzschen |
15-18 |
|
|
Seelingstädt Dorf; Friedmannsdorf |
10 |
|
|
Chursdorf |
9 |
|
|
Bahnhof Seelingstädt |
keine |
Hohenleuben |
-
33,4 % |
Hohenleuben |
keine |
|
|
Brückla |
9 |
Hohenölsen |
-
33,1 % |
Horngrund |
15-18 |
|
|
Neudörfel |
12-14 |
|
|
Kleindraxdorf |
10 |
|
|
Ölsengrund |
9 |
Greiz |
-
29,9 % |
Eubenberg; Rothenthal; Mühlenhäuser |
15-18 |
|
|
Thalbach; Schönbach |
12-14 |
|
|
Dölau;
Tremnitz |
11 |
|
|
Raasdorf; Caselwitz; Gablau; Hohndorf |
9 |
|
|
Moschwitz; Untergrochlitz; Reinsdorf; Waltersdorf; |
8 |
|
|
Kurtschau; Pansdorf; Sachswitz |
7 |
|
|
Cossengrün; Leiningen |
3-6 |
|
|
Irchwitz; Schönfeld |
keine |
Zeulenroda-Triebes |
-
27,2 % |
Büna
|
15-18 |
|
|
Frotschau; Piesigitz; Quingenberg; Zadelsdorf |
12-14 |
|
|
Mehla |
11 |
|
|
Wolfshain; Dörtendorf; Läwitz; Niederböhmersdorf |
10 |
|
|
Dobia |
9 |
|
|
Kleinwolschendorf; Schönbrunn; Förthen; Leitlitz;
Silberfeld; Weckersdorf |
8 |
|
|
Pahren; Merkendorf; Stelzendorf |
7 |
|
|
Arnsgrün; Bernsgrün |
3-6 |
Hartmannsdorf und Caaschwitz |
-
10,7 % |
Hartmannsdorf |
8 |
Korbußen und Bethenhausen |
- 6,8
% |
Bethenhausen |
3-6 |
Hartmannsdorf und Crimla |
- 0,7
% |
Crimla |
9 |
|
|
Die Tabelle zeigt, dass stark
schrumpfende Gemeinden wie Langenwolschendorf bei der
Betrachtung des Berlin-Instituts herausfallen, weil es Orte mit
mehr als 500 Einwohner sind und deshalb nicht als Dörfer zählen.
Ein Vergleich wird zudem
erschwert durch falsche Einordnungen (Kleinwolschendorf,
Dörtendorf, Förthen, Läwitz, Leitlitz, Pahren mit Stelzendorf
und Weckersdorf werden z.B. vom Berlin-Institut als Gemeinden
geführt, obwohl sie seit den 1990er Jahren Stadtteile von
Zeulenroda-Triebes sind.
Zudem fanden nach den beiden
Untersuchungen Eingemeindungen statt, die in der Retrospektive
zu Verzerrungen führen können. In Greitz eingemeindet wurden
nach den Untersuchungen die Ortsteile Cossengrün, Hohndorf (mit
Gablau, Leiningen, Pansdorf, Tremnitz) und Schönbach und die
Gemarkung Eubenberg des Ortsteils Arnsgrün.
Zu Zeulenroda-Triebes gehören
Arnsgrün mit Büna, Bernsgrün mit Frotschau sowie Schönbrunn,
Pöllwitz mit Dobia sowie Wolfshain, Silberfeld mit Quigenberg
und Zadelsdorf.
STUTTGARTER ZEITUNG-Tagesthema:
Deutschland vergreist.
Demografen warnen: Die Altersstruktur der Bevölkerung verschiebt
sich dramatisch. Betroffen sind vor allem ländliche Gebiete und
der Osten |
LINK, Christoph
(2011): Angst vor der großen Leere.
Demografie: Der starke
Rückgang der Bevölkerung trifft zuerst strukturschwache Gebiete.
Im Süden steht die Region Pirmasens beispielhaft für das
Problem. Man erprobt in der Pfalz längst Strategien gegen
Abwanderung - seit Jahrzehnten ist man betroffen,
in: Stuttgarter Zeitung v. 21.11.
|
Pirmasens,
Foto: Bernd Kittlaus 2018 |
2012
HÄHNIG,
Anne (2012): Da sind sie wieder.
Wanderungsbilanz: Jahrelang wanderten Ostdeutsche in die alten
Länder ab. Eine große Untersuchung zeigt: Das kehrt sich um,
in:
ZEIT Online v. 18.07.
WAGNER, Thomas (2012): Wo reiche Rentner unter sich sind.
Baden-Württemberg: Eine Reportage aus Überlingen am
Bodensee,
in: DeutschlandRadio v. 26.08.
"Überlingen
liegt am Bodensee und hat 22.000 Einwohner. Mehr als die
Hälfte sind über 45 Jahre alt. Damit ist Überlingen, nach
Baden-Baden, die Stadt mit dem zweithöchsten
Altersdurchschnitt in Deutschland. Und jeden Tag ziehen noch
mehr Rentner zu, denn Überlingen bietet außer Seeblick, Ruhe
und Kultur noch einen vermeintlichen Vorteil: Man ist unter
sich",
heißt es auf der Website.
Der Beitrag zeichnet ein betont einseitiges Bild vom
Rentnerdasein. Den Grund erfährt man nicht im
PDF-Manuskript, sondern auf dem
MP3-Mitschnitt:
"Reporter Thomas Wagner
lebt am schönen Bodensee und er ist noch nicht im
Rentenalter. Dass er später ebenso unbeschwert seinen
Lebensabend genießen wird wie die Rentner am Bodensee heute,
das ist ziemlich unwahrscheinlich. Immerhin weiß er nun wie
es sein könnte. Wunderbar nämlich."
Es geht also um den Aufstand der Jungen (eher der nicht
mehr so ganz Jungen!) und die viel beschworene
Generationengerechtigkeit. Die zunehmende Polarisierung
zwischen Arm und Reich innerhalb den jüngeren Generationen
gerät dagegen aus dem Blick.
STATISTISCHES LANDESAMT BADEN-WÜRTTEMBERG (2012):
Durchschnittsalter in Baden-Württemberg: 43 Jahre.
Büsingen am Hochrhein mit der ältesten, Riedhausen mit
der jüngsten Bevölkerung,
in: Pressemitteilung Statistisches Landesamt
Baden-Württemberg v. 30.08.
"Die regionalen
Unterschiede beim Durchschnittsalter für die 1.101 Gemeinden
im Land fielen sogar noch höher aus als auf der Ebene der
Stadt- und Landkreise. Hierbei haben insgesamt 10 Kommunen den
hohen Wert der Stadt Baden-Baden (47,8 Jahre) noch
übertroffen. Mit im Durchschnitt 51,7 Jahren hatte Ende 2011
die Ex- bzw. Enklave
Büsingen am Hochrhein im Landkreis
Konstanz die älteste Bevölkerung in Baden-Württemberg (Frauen:
52,5 Jahre, Männer: 50,8 Jahre). Es folgten
Untermarchtal aus
dem Alb-Donau-Kreis (50,7 Jahre) sowie die vom Kurbetrieb
geprägte Kommune
Badenweiler
(49,6 Jahre) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald,
meldet das Statistische
Landesamt Baden-Württemberg. Dagegen beläuft sich der
Altersdurchschnitt in Überlingen - gemäß einer
Reportage von Thomas WAGNER "die
Stadt mit dem zweithöchsten Altersdurchschnitt in Deutschland"
nach einer
Tabelle des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg
auf 47,0 Jahre im Jahr 2011 (2010: 46,7 Jahre; 2009: 46,4
Jahre; 2005: 45,2 Jahre; 2000: 43,9 Jahre; 1995: 42,9 Jahre).
GRAWE, Simone (2012): Wohnkonzept für Singles und Senioren.
Bebauungsplan für Wohnpark:
Bad Laer geht neue Wege,
in: Neue Osnabrücker Zeitung Online v. 17.09.
KERSTEN,Jens/NEU,
Claudia/VOGEL, Berthold (2012): Demografie und Demokratie.
Zur Politisierung des Wohlfahrtsstaates, Hamburg: Hamburger
Edition
BORSTEL, Stefan von
& Dorothea SIEMS (2012): Kommunen fürchten Folgen der Alterung.
Städte-
und Gemeindebund fordert vor Merkels Demografie-Gipfel
"komplettes Umsteuern" im Sozialstaat,
in: Welt v. 04.10.
2013
RADEMACHER, Christian (2013): Deutsche Kommunen im
demographischen Wandel. Eine Evaluation lokaler
bevölkerungspolitscher Maßnahmen, Springer VS
HENZLER,
Claudia (2013): Bis zum letzten Mann.
SZ-Thema Die Provinz verwaist:
Von Nordfriesland bis Heidesheim: Gemeinden versuchen alles,
damit ihre Einwohner bleiben. Sie sanieren ihre Städte, fördern
die Industrie: Es ist ein Wettstreit, den nicht alle gewinnen
werden,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 12.01.
SCHMOLLACK, Simone (2013): Stadt-Land-Gefälle.
Kitas: In den Metropolen
fehlen Betreuungsplätze, auf dem Land nicht, sagen
Lobbyverbände,
in: TAZ v. 27.02.
FABER, Kerstin & Philipp OSWALT
(2013)(Hrsg.): Raumpioniere in ländlichen Regionen. Neue
Wege der Daseinsvorsorge, Edition Bauhaus, Spector Books
MARTIN, Ralph (2013): Geht aufs Land, darauf kommt's jetzt an.
Gentrifizierung: Die Stadt
kann keine Avantgarde sein - viel zu teuer. Trend ist nicht
Berlin, sondern das Umland der Hauptstadt,
in:
TAZ v. 30.03.
MACHOWECZ,
Martin (2013): Sollen wir die Dörfer aufgeben?
Landflucht: Eine
Streitschrift aus
Sachsen-Anhalt provoziert: Der Staat könne sich seine Provinz nicht
mehr leisten,
in: Die ZEIT Nr.15 v. 04.04.
KÜHNTOPF, Stephan & Susanne
STEDTFELD (2012): Wenige junge Frauen im ländlichen Raum:
Ursachen und Folgen der selektiven Abwanderung in
Ostdeutschland. BiB Working Paper 3/2012. Wiesbaden:
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Veröffentlichung
07.08.2013)
KLINGHOLZ, Reiner & Eva /KUHN (2013): Vielfalt statt
Gleichwertigkeit.
Was
Bevölkerungsrückgang für die Versorgung ländlicher Regionen
bedeutet, September
KAMANN, Matthias (2013): Leere Landschaften.
Studie zum demografischen
Wandel sieht politischen Handlungsbedarf,
in: Welt
kompakt v. 10.09.
Bericht über
das Diskussionspapier
Vielfalt statt Gleichwertigkeit.
HÄHNIG, Anne (2013): Zurück für die Zukunft.
Immer mehr Ostdeutsche im
Westen liebäugeln damit, wieder in der alten Heimat zu leben.
Nun haben Forscher Abertausende Daten ausgewertet. Nie wusste
man so viel über die Rückkehrer wie jetzt,
in:
Die ZEIT Nr.51 v.
12.12.
KNÖDLER, Gernot (2013): Überwiegend Schwund im Norden.
Wandel: In Norddeutschland
werden in Zukunft immer weniger Menschen leben. Vor allem die
Jungen zieht es in die Städte. Das heißt aber nicht, dass
ländliche Gebiete in Zukunft keine Chance mehr hätten,
in:
TAZ Nord v. 14.12.
Gernot KNÖDLER berichtet
über Prognosen der Bertelsmann-Stiftung, der PROGNOS AG und
des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung,
Lobbyorganisationen einer neoliberalen Politik, die die
Vergangenheit einfach in die Zukunft fortschreibt.
Viel interessanter wäre.
Was ist aus den Prognosen der Vergangenheit geworden?
Stattdessen immer mehr vom Gleichen, obwohl sich längst Trends
entwickelt haben, deren Auswirkungen unberücksichtigt bleiben.
Selbst das Bundesinstitut
für Bevölkerungsforschung bzw. das Statistische Bundesamt hält
den Indikator Geburtenrate (TFR) nicht mehr für allein
aussagekräftig, der aber in allen Prognosen der neoliberalen
Lobbyorganisationen weiterhin uneingeschränkt verwendet wird.
Keine Berücksichtigung
findet in den Prognosen der
Paradigmenwechsel in der Familienpolitik hin zur
Bevölkerungspolitik, der einerseits zu höherer
Müttererwerbstätigkeit, höheren Kinderzahlen von
Akademikerinnen bei weiterer Zunahme der Spätgebärenden und
andererseits zu einer Spaltung der Gesellschaft in Niedriglöhner und
besserverdienende Zwei-Karriere-Familien führt. Letztere
führen zur Ausweitung des Niedriglohnsektors durch die
Ausweitung der haushaltsnahen Dienstleistungen. Und wie steht es mit der Berücksichtigung der
Beschäftigungskrise in den Mittelmeerländern?
Die fortschreitende
Spaltung der Gesellschaft, die durch die Hartz-Gesetzgebung
beschleunigt wird, führt vermehrt zur erzwungenen
Multilokalität, deren Erforschung gerade erst beginnt.
Dieses Phänomen, das die Städte verändern wird, wird in dem
Bericht nur kurz gestreift:
"Dass
Familien und Alte in die Großstädte zurückkehrten, hält
Gans für eine Mär.
Es sei die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen, die in die
großen Städte ziehe. Dabei spiele vermutlich eine Rolle,
dass die Beschäftigungsverhältnisse der unter 35-Jährigen nicht mehr
so stabil seien. Ein Häuschen zu bauen, sei unter diesen
Umständen schwierig. Paare mit Arbeitsplätzen in
verschiedenen Städten seien auf eine gute Verkehrsanbindung
angewiesen. In den Städten lasse sich der Alltag einfacher
organisieren."
Dabei wird übersehen, dass
der Arbeitsmarkt keineswegs nur für die Jungen schwierig ist,
sondern Multilokalität auch im mittleren Erwachsenenalter
zunimmt. In dem Aufsatz
Die Ausweitung der Zwischenzone (Soziale Welt, Heft 3,
2013) beschreiben Natalie
GRIMM, Andreas HIRSELAND und Berthold VOGEL die Auswirkungen
der neuen Arbeitsmarktpolitik, deren Ziel nicht mehr die
Lebensstandardsicherung, sondern lediglich die Erhöhung der
Erwerbstätigenquote um jeden Preis ist.
Statt uns auf die neuen Verhältnisse einzustellen, lesen
wir die Zukunft lediglich als Fortschreibung vergangener
Zeiten. Die Zukunft lässt sich jedoch nur als Bruch mit der
Vergangenheit verstehen. Die Folgen dieses Bruches können noch
übersehen werden, weil die Kontinuitäten der Vergangenheit
eine Zeitlang weiterwirken werden. Wer jedoch Augen zum Sehen
hat, der lässt sich von den Prognosen neoliberaler
Lobbyorganisationen nicht blenden.
GEISSLINGER, Esther (2013): In der ersten Reihe.
Seniorenschwemme:
Im ehemaligen Fischerdorf
Timmendorfer Strand steigen die Preise für Wohnraum.
Finanzstarke Senioren machen sich breit. Es droht eine
Entwicklung wie auf Sylt,
in:
TAZ Nord v. 21.12.
2014
HAIMANN, Richard (2014): Senioren lösen neue Wanderungsbewegung
aus.
Die ältere Generation zieht
in kleine Städte in reizender Landschaft und reichem
Kulturangebot. Schrumpfende Orte haben nun wieder eine Zukunft;
denn durch die Senioren entstehen neue Arbeitsplätze,
in:
Welt Online v. 08.03.
Richard HAIMANN macht PR im
Sinne der Immobilienwirtschaft. Schon vor einiger Zeit wurde
Investoren aufgrund der Überhitzung des Wohnungsmarktes in
Metropolen und dort insbesondere der angesagten Szeneviertel,
nunmehr die Investition in "Städte der zweiten Reihe" als
lukrativ empfohlen. Nun also werden die scheinbar dazu
passenden Statistiken der Öffentlichkeit als angeblich neuer
Trend präsentiert.
Gibt es aber einen neuen
Trend? Die Wanderungsbewegungen von 2009-2012 sollen das
belegen. Aber unterscheiden die sich von früher und wenn ja
warum? HAIMANN erklärt Weimar als Vorbild dieses angeblich
neuen Trends.
Bereits im Jahr 2006 schrieb aber das auf die Demografie
fixierte Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung:
"Während sich das
wirtschaftsschwache Ostthüringen zu einer der am stärksten
überalterten Gegenden der Republik entwickelt, stellt Jena
die jüngste Stadt im Osten dar. Sie zählt mit Weimar, Erfurt
und Eisenach (...) als Region der Stabilität im
schrumpfenden Ostdeutschland".
Weimar gehörte bereits seit
längerem zu den Städten mit positivem Wanderungssaldo.
Bereits im Jahr 2008 berichtete die FAS über die
Attraktivität von Weimar für Rentner.
Es ist eines der
demografischen Märchen, dass Deutschland schrumpft, denn im
Gegenteil wächst Deutschland derzeit. Und innerhalb von
Deutschland gibt es große Unterschiede bezüglich der
demografischen Entwicklung von Gemeinden und Regionen.
ZSCHIECK, Marco (2014): Sterbende Landschaften.
Brandenburg: Der
Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz fordert, stark
schrumpfende Orte einfach aufzugeben. Die Landesregierung will
davon nichts wissen: Ein Rückzug aus der Fläche sei die falsche
Konsequenz,
in: TAZ v.
26.05.
Die taz berichtet
unkritisch über Reiner KLINGHOLZ, dessen Berlin-Institut Propaganda
in Sachen Demografisierung gesellschaftlicher Probleme
betreibt.
Christian RADEMACHER hat deutsche Kommunen im demographischen
Wandel untersucht. Seine Analyse hat ergeben, dass der
Bevölkerungsrückgang keineswegs automatisch zum
wirtschaftlichen Niedergang führt. Demnach widersprechen fast
die Hälfte der Kreise, die er untersucht hat, diesem
angeblichen Trend.
Politik muss nicht einfach
den demografischen Wandel ergeben hinnehmen, sondern trifft
Weichenstellungen über die zukünftige Entwicklung.
Journalisten, die das verschleiern oder erst gar nicht
thematisieren, kommen ihrer Pflicht zur Aufklärung nicht nach.
Man sollte die Propaganda,
die KLINGHOLZ in den vergangenen Jahre in Umlauf gesetzt hat,
genauer unter die Lupe nehmen. Wo sind also die kritischen
Journalisten, die sich der Wahrheit und nicht nur dem
Mainstream verpflichtet fühlen?
Das Problem der
Demografisierung wird von Journalisten erst seit kurzem
überhaupt thematisiert -
wenngleich auch nur im Internet - und auch nur
unzureichend, da der herrschende Diskurs zum Thema
demografischer Wandel bereits den Status einer unhinterfragten
Selbstverständlichkeit erreicht hat, der auch das Denken in
alternativen Sichtweisen beeinflusst.
KLOEPFER,
Inge (2014): Glanz und Elend.
Eichstätt in Oberbayern
boomt, Gelsenkirchen im Ruhrgebiet schrumpft. Kann es sein, dass
das mit zwei sehr unterschiedlichen Einstellungen zum Leben zu
tun hat?
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 01.06.
Der Artikel von Inge
KLOEPFER zeigt, wie unseriöse Berichterstattung über wachsende
und schrumpfende Kommunen in Deutschland aussieht. KLOEPFER
vergleicht nicht die Stadt Eichstätt im Landkreis Bayern mit
der Großstadt Gelsenkirchen, sondern den Landkreis Eichstätt
mit der Großstadt Gelsenkirchen anhand der Arbeitslosenquote:
Landkreis Eichstätt: "Die
Arbeitslosenquote liegt hier bei 1,4 Prozent Prozent. Hinter
Eichstätt verbirgt sich nicht bloß das barocke Juwel. Es ist
ein blühender Landreis mit 125 000 Einwohnern. (...).
Steht Eichstätt am einen Ende der Arbeitsmarktstatistik,
befindet sich Gelsenkirchen am anderen. Die Arbeitslosigkeit
beträgt hier 15,5 Prozent.
Eigentlich sind beide Zahlen schwer vergleichbar (...). Aber
man kann jeweils die gleiche Frage stellen: Woher kommt der
dauerhafte Erfolg, woher die so nachhaltige Misere? Und man
kann in jedem der Fälle von einer Pfadabhängigkeit sprechen,
von Entwicklungsprozessen, die sich im Laufe der Zeit nahezu
verselbständigen."
KLOEPFER redet von
Pfadabhängigkeit, d.h. es wird ein Muster unterstellt, dass
der Niedergang von Kommunen quasi vorprogrammiert sei. Der
Politikwissenschaftler Christian RADEMACHER kritisiert in
seiner exzellenten Studie
Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel
gerade solche geschichtskonservativen Annahmen, die einer
Empirie oftmals nicht standhalten.
"Eichstätt hat, was viele
gerne hätten: eine stetig wachsende Bevölkerung, seit Jahren
die niedrigste Arbeitslosigkeit",
verklärt KOEPFER die
Entwicklung des Landkreis Eichstätt. Wie aber sieht die
Wirklichkeit aus? Der Landkreis besteht
gemäß Wikipedia (online abgerufen am 4. Juni 2014) aus
zwei Städten (Eichstätt und Beilngries), 17 Gemeinden, 11
Märkten, 4 Verwaltungseinheiten und einem kreisfreien Gebiet.
Die Bundesagentur für
Arbeit führt gemäß RADEMACHER die Arbeitslosenquote nur bis
auf Kreisebene, d.h. amtliche Daten stehen für die Städte und
Gemeinden des Landkreises nicht zur Verfügung. Lediglich der
Wegweiser Kommune der Bertelsmann Stiftung weist für
Kommunen über 5000 Einwohner eine Schätzung aus, die gemäß
RADEMACHER einigermaßen stimmig ist (vgl. 2013, S.184f.).
Lediglich 7 Kommunen (Eichstätt, Beilngries, Altmannstein,
Gaimersheim, Kipfenberg, Kösching und Großmehring haben im
Jahr 2012 mehr als 5000 Einwohner und können verglichen
werden. KLOEPFERs Berichterstattung beruht also in erster
Linie auf Spekulationen. Widerspricht nur eine einzige Kommune
dem Bild einer stetig wachsenden Bevölkerung, das KLOEPFER
zeichnet, dann fällt ihre Argumentation zusammen wie ein
Kartenhaus. Hier die Daten für die Kommunen:
Kommune |
Merkmal |
Wikipedia |
Wegweiser |
EICHSTÄTT
(Stadt) |
Bevölkerung 2012 |
13 146 |
13 684 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 6,0 % |
|
Jugendquotient |
|
29,0 |
|
Altenquotient |
|
31,3 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
2,1 % |
BEILNGRIES |
Bevölkerung 2012 |
8 781 |
8 796 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 1,1 % |
|
Jugendquotient |
|
32,0 |
|
Altenquotient |
|
27,2 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
1,6 % |
GAIMERSHEIM |
Bevölkerung 2012 |
11 339 |
11 601 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 5,9 % |
|
Jugendquotient |
|
36,1 |
|
Altenquotient |
|
28,3 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
1,2 % |
KÖSCHING |
Bevölkerung 2012 |
9 101 |
9 157 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 10,3 % |
|
Jugendquotient |
|
35,7 |
|
Altenquotient |
|
26,5 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
2,1 % |
ALTMANNSTEIN |
Bevölkerung 2012 |
6 778 |
6 754 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
- 2,9 % |
|
Jugendquotient |
|
33,4 |
|
Altenquotient |
|
33,3 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
1,8 % |
GROßMEHRING |
Bevölkerung 2012 |
6 655 |
6 6696 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 4,5 % |
|
Jugendquotient |
|
31,8 |
|
Altenquotient |
|
24,4 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
1,8 % |
KIPFENBERG |
Bevölkerung 2012 |
5 587 |
5 757 |
|
Bevölkerungs-entwicklung
2005-2012 |
|
+ 0,6 |
|
Jugendquotient |
|
31,9 |
|
Altenquotient |
|
25.0 |
|
Arbeitslosen- quote |
|
1,5 % |
Man sieht auf den ersten
Blick, dass die Kommunen des Landkreis Eichstätt keineswegs
von einer stetig wachsenden Bevölkerung geprägt sind, wenn man
die Kommunen über 5.000 Einwohner betrachtet. Die Bertelsmann
Stiftung ordnet 6 Kommunen dem Demografietyp 1 (Kleinere
stabile ländliche Städte und Gemeinden)
zu. Lediglich Gaimersheim
wird dem Demografietyp 3 (Prosperierende
Kommunen im Umfeld dynamischer Wirtschaftszentren) zugeordnet.
Die Demografietypen der Bertelsmann Stiftung sind umstritten,
weil die Datengrundlage intransparent ist. Aufgrund der
mangelhaften Datenlage in Deutschland bieten sie jedoch
zumindest einen ersten Anhaltspunkt für die Betrachtung
kommunaler Entwicklungen.
Für den Landkreis
Eichstätt wird für 2012 im Wegweiser Kommune eine
Arbeitslosenquote von 1,7 % angegeben, liegt also um 0,3 %
höher als bei KLOEPFER angegeben. Vernachlässigt man diese
Differenz, dann lässt sich zumindest zeigen, dass sich die
einzelnen Kommunen über 5.000 Einwohner im Landkreis Eichstätt
stark unterscheiden. Die Arbeitslosenquote differiert zwischen
1,2 % (Gaimersheim) und 2,1 % (Eichstätt), d.h. die
Arbeitslosigkeit in Eichstätt ist fast doppelt so hoch wie in
Gaimersheim.
KLOEPFER suggeriert,
dass die Unterschiede zwischen schrumpfenden und wachsenden
Kommunen auf Mentalitätsunterschieden zwischen Stadt und Land
beruhen:
"Das Wunder von
Eichstätt erklärt sich (...) durch die Kleingliedrigkeit des
Landkreises mit vielen Gemeinden.
(...).
In Gelsenkirchen regiert indes die Anonymität einer
Großstadt."
Demnach müssten kleinere
Kommunen besser da stehen als größere Kommunen. Gaimersheim
hat mit 1,2 % die niedrigste Arbeitslosenquote im Landkreis
Eichstätt. Sie ist nach Eichstätt aber die zweitgrößte Kommune
des Landkreises. Die kleinste Kommune mit mehr als 5.000
Einwohnern hat dagegen eine Arbeitslosenquote von 1,5 %.
Fazit: Es besteht kein
linearer Zusammenhang zwischen "Mentalität" (Land vs. Stadt)
und kommunaler Entwicklung.
Das größte
Bevölkerungswachstum von Kommunen mit mehr als 5.000
Einwohnern (2005 - 2012) weist im Landreis Eichstätt die
Kommune Kösching mit 10,3 % auf, obwohl sie dem Demografietyp
1 ("stabil") zugeordnet wird, genauso wie Altmannstein (- 2,9
%). Die Demografietypen der Bertelsmann Stiftung wären also
falsch interpretiert, wenn man sie im Sinne eines einfachen
Zusammenhangs zwischen Bevölkerungsentwicklung und kommunale
Entwicklung interpretiert.
Fazit:
Bevölkerungsrückgänge bzw. -anstiege sind kein geeigneter
Indikator, die die weitere Entwicklung von Kommunen bestimmen
("Entwicklungspfade" gemäß KLOEPFER). Stattdessen bedarf es
eines genaueren Blicks auf die demografische und ökonomische
Situation von Kommunen sowie auf das kommunale Handeln. Dies
legt auch die exzellente Studie
Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel
von Christian RADEMACHER nahe
KONICZ, Tomasz (2014): Raum ohne Volk.
Der Boom der deutschen
Metropolregionen geht mit der Entvölkerung weiter Landstriche in
der Peripherie der Bundesrepublik einher,
in:
Telepolis v.
23.07.
Deutschland ist durch ein
Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung gekennzeichnet.
Insbesondere die Großstädte wachsen, während die Peripherie
verödet. Ursache ist die Wissensökonomie, deren
Konzentrationsprozesse von der Politik zusätzlich verschärft
werden. Der neoliberalen Standortlogik folgend, geraten
schrumpfende Kommunen in einen Abwärtssog. Anders als es das
private Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale
Entwicklung propagiert, ist
Schrumpfung aber kein Problem des demografischen Wandels an
sich, sondern ein ökonomisches Problem, das demografische Folgen
zeitigt. Schrumpfungsprozesse verstetigen sich in ökonomisch
abgehängten Regionen, während andernorts Großstädte an ihre
Wachstumsgrenzen gelangen. Statt dem jedoch politisch entgegen
zu wirken, erfolgt das genaue Gegenteil. Die boomenden Städte
überbieten sich mit der Schaffung von neuem Wohnraum. Was aber
wenn neue wirtschaftliche Entwicklungen diese Trends obsolet
machen? Was aber, wenn die Bevölkerungsentwicklung ganz anders
verläuft und sich nicht an die Bevölkerungsvorausberechnungen
hält? Die Zukunft ist offen auch wenn
Bevölkerungswissenschaftler das Gegenteil verkünden. Die
Demographisierung gesellschaftlicher Probleme bietet scheinbaren
Halt in unsicheren Zeiten.
Dies könnte jedoch fatale Folgen für die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands haben.
ROST, Norbert (2014): Von Hoyerswerda lernen.
Aufstieg und Fall der
Lausitzer Braunkohle und ihrer Städte: Hoyerswerda und
Weisswasser mahnen, wie wacklig unsere fossile Industriekultur
sein kann,
in:
Telepolis v. 27.07.
FARKAS, Christoph (2014): Guten Morgen, Limbach-Oberfrohna!
Bleiben ist ein Abenteuer,
in:
TAZ v. 16.08.
WOLDING, Philipp (2014): Mit dem Rollator zum Krafttraining.
Deutsche werden immer älter
und pflegebedürftiger. Fachkräfte, die sich um die Betagten
kümmern, fehlen. Im fränkischen
Rödental will man das Dilemma
nun mit einem Experiment lösen. Ein Besuch im
seniorenfreundlichsten Ort Deutschlands,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 17.08.
FRIGELJ, Kristian (2014): Rollatoren und Kinderwagen in Bad
Sassendorf.
Ein Kurort in NRW zieht
Rentner und Familien an,
in:
Welt v. 06.09.
ROHRBECK,
Felix (2014): Sie hassen die Provinz.
Wo sie hinziehen, explodieren
die Mieten. Wenn sie wegziehen verrotten die Häuser: Immer mehr
Deutsche wollen in den besonders angesagten Städten wohnen. Wie
soll das gehen? Und was bedeutet das für die Übrigen?
in: Die
ZEIT Nr.40
v. 25.09.
Deutschland schrumpft nicht - entgegen aller Prognosen.
Nun stürzen sich die Ursachenforscher auf die Polarisierung
zwischen wachsenden und schrumpfenden Städten. Möchte man mit
altbekannten Problemen Aufmerksamkeit erregen, dann belegt man
sie mit modischen Attributen. War früher der Schmetterling ein
solches Symbol, so ist es jetzt der Vogelschwarm:
Schwarmstädte machen angeblich den Unterschied zwischen
wachsenden und schrumpfenden Städten.
Das Wanderungsverhalten
junger Menschen sei entscheidend hat Harald SIMONS von der
Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur
herausgefunden. Dabei wird jedoch nur das innerdeutsche
Wanderungsverhalten betrachtet, obwohl Deutschlands Wachstum
seit mehreren Jahren entscheidend von der Einwanderung
dominiert wird. Von diesen Wanderungen profitieren aber nur
Städte im Gegensatz zum Land. Und es profitieren vor allem
jene Städte, in denen bereits eine größere ethnische Gruppe
existiert. Dazu benötigt man keine Schwarmthese.
Arbeitsplätze machen keinen
Unterschied? Aber sicher, doch nicht in der simplen Weise wie
uns ROHRBECK erläutert.
"Überall sind junge
Menschen abgewandet, vom platten Land und aus Städten wie
Duisburg, Remscheid, Salzgitter und Bremerhaven".
Das ist nun wahrlich kein
neuer Trend seit dem Jahr 2000, sondern die Probleme altindustrieller Städte im Westen existieren
bereits seit den 1970er Jahren (vgl. HÄUßERMANN & SIEBEL "Die
schrumpfende Stadt und die Stadtsoziologie", 1988). Neu ist jedoch eine
Stadtpolitik, die die Starken stärkt und die Schwachen
schwächt. Das ist neoliberale Standortpolitik und kein
Schwarmproblem. Hochschulen und
Universitäten können Wachstum und Schrumpfung nicht erklären?
Auch das ist nichts Neues, sondern wird durch
Eliteuniversitäten im Gegensatz zum Rest noch verstärkt.
Halle an der Saale wird von
ROHRBECK als typisch für eine Schwarmstadt vorgestellt.
Nur, weil selbsternannte Prognostiker falsch lagen! Das taten
sie nicht nur dort, sondern z.B. auch bei Berlin.
Überhaupt liegen kleinräumige Bevölkerungsprognosen
langfristig gesehen selten richtig.
Also vergesst den Schwarm!
Nur weil ein paar Kreative das Privileg haben ihren
Arbeitsplatz und die Stadt zu wählen, in der sie leben wollen,
gilt das noch lange nicht für die Mehrheit der Bevölkerung.
Zumal jene Gruppe von Menschen, die derzeit im Mittelpunkt
dieser modischen Theorie steht, die 20-35jährigen, in Zukunft
ihre Bedeutung als Trendsetter verlieren wird.
Monokausale Ansätze sind
zum Scheitern verurteilt, weil die Situation von Städten
aufgrund der vielen verschiedenen Einflussfaktoren zu
unterschiedlich sind. Die Debatte um die Reurbanisierung bzw. Renaissance der Städte
zeigt diese Vielfalt von Einflussfaktoren auf.