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Buchrezension

 
       
   

Bernhard Finkbeiner & Hans-Jörg Brekle

 
       
   

Frag Mutti & Frag Vati
erschienen 2006/2007 im Fischer Verlag

 
       
     
       
   
     
 

Tipps für die alltägliche Lebensführung - eine Marktlücke

Am Anfang stand ein Problem, das nach Bewältigung verlangte, wie Bernhard FINKBEINER auf stern.de erläutert:

Frag' Mutti

"Herr Finkbeiner, wie sind Sie auf frag-mutti.de gekommen?
Spontan. Hans-Jörg und ich haben im selben Haus in Ludwigsburg gelebt, ich habe Zivildienst gemacht, er gearbeitet. Und mittags wollten wir was kochen. Also sind wir zum Aldi und haben Würstchen, Kartoffeln und Tiefkühlgemüse gekauft. Dann wollten wir die Kartoffeln kochen ... ähem: Mit Salz? Mit wie viel Salz? Wie lang? Mit oder ohne Schale? Und wie kriegt man die Schale runter? Hans-Jörg hat schließlich seine Mutter angerufen. Und nach dem Telefonat aus einer Laune gesagt: »Frag-Mutti.de«"

FINKBEINER & BREKLE haben - im Gegensatz zu vielen anderen, die vor den gleichen Problemen der alltäglichen Lebensführung standen - weiter gedacht und ihre Idee dann auch umgesetzt. Seit dem Jahr 2003 existiert die Website www.frag-mutti-de, zu der mittlerweile www.frag-vati.de hinzugekommen ist. Im Jahr 2006 ist dann das erste dazugehörige Buch Frag Mutti erschienen und dieses Jahr ist Frag Vati hinzugekommen. Internet und Buch haben jeweils ihre speziellen Vor- und Nachteile und ergänzen sich deshalb ideal.

FISCHBEINER & BREKLE wenden sich mit ihren Websites und Büchern nicht an Könner, sondern an Anfänger in Sachen Haushaltsführung. Bücher, die praktische Anleitung versprechen, haben eine lange Tradition. Das Besondere an den beiden Büchern ist die Hauptzielgruppe: junge Männer, die sich mit Problemen der Haushaltsführung im engeren Sinne (Frag Mutti) und der alltäglichen Lebensführung im weiteren Sinne (Frag Vati) konfrontiert sehen. In diesem Sinne ist Frag Mutti das unkonventionellere Buch, weil Kochen, Putzen, Waschen und Bügeln traditionell der weiblichen Sphäre zugehören, während Heimwerken, Renovieren, Autopflege oder Grillen typisch männliche Tätigkeiten sind. 

Warum die Selbständigkeit von Männern einerseits zu wünschen übrig lässt, aber andererseits notwendiger denn je ist

Seit den 1990ern Jahren erregen zwei Phänomene die Öffentlichkeit: zum einen der Anstieg der Einpersonenhaushalte und zum anderen die Zunahme der Nesthocker. Auf den ersten Blick scheint beides nichts miteinander zu tun zu haben. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass sowohl das Alleinwohnen als auch das Wohnen bei den Eltern zum Anstieg der Einpersonenhaushalte beiträgt . Ursache ist die Suburbanisierung seit den 1980er Jahren, die insbesondere durch den Bau von Einliegerwohnungen das Wohnen bei den Eltern veränderte. Das Alleinwirtschaften im Sinne der amtlichen Statistik ist also nicht gleichbedeutend mit selbständigem Alleinwohnen.

Während jedoch Nesthocker in der Regel Pseudo-Selbständige sind, erfordert das Alleinwohnen notgedrungen eine gewisse Selbständigkeit, obwohl sowohl die Haushaltstechnisierung als auch die Dienstleistungsgesellschaft dazu beiträgt, dass auch weniger Selbständige überleben können, zumindest wenn sie über die nötigen Geldmittel oder umfangreiche Netzwerke verfügen.

Während die erregte Öffentlichkeit lange Zeit nur die allein lebende Karrierefrau mit dem Anstieg der Einpersonenhaushalte in Verbindung brachte, zeigen die Fakten ein anderes Bild. Insbesondere seit den 1990er Jahren hat sich der Anteil der allein lebenden Männer überproportional erhöht . Gleichzeitig wohnen Männer länger als Frauen im "Hotel Mama", weshalb ihnen oftmals die Voraussetzungen zur selbständigen Haushaltsführung fehlen.

Männer kommen jedoch von zwei Seiten unter Druck. Zum einen verlangt der Arbeitsmarkt eine größere Mobilität. Die Ausbildung, das Studium, der Beruf verlangen des Öfteren einen Umzug oder zumindest einen Zweitwohnsitz. Zum anderen verlangt das moderne Partnerschaftsideal, dass der Mann im Haushalt gleichberechtigt mithilft.

Simplify your love

"Seien Sie vorsichtig bei einem Partner, der niemals wirklich allein gewohnt hat. Wenn ein Mann von der Vollversorgung im Hotel Mama direkt in die Bequemlichkeitszone bei seiner künftigen Frau zieht, dann ist das eine schwere Hypothek für eine Partnerschaft. Auch das klassische Modell einer schutzbedürftigen hilflosen Frau, die sich nach den starken Schultern eines Mannes sehnt, ist keine gute Basis für eine dauerhafte Beziehung."
(2006, S.43)

Die Alpha-Mädchen (Spiegel vom 11.06.2007) verlangen vom Mann eine größere Selbständigkeit als es der traditionelle Macho bislang gewohnt war. Wer also nicht zu den Modernisierungsverlierern gehören möchte, der sollte sich beizeiten das nötige Knowhow aneignen. FINKBEINER & BREKLE helfen mit ihren Websites und Büchern dabei.

Das Defizit der Sozialwissenschaften und warum sie an Pionieren wie Finkbeiner & Brekle nicht mehr vorbeikommen werden

Die Sozialwissenschaften haben die Lebensphase der jungen Männer zwischen dem Auszug aus dem Kinderzimmer bis zur Familiengründung bislang sträflich vernachlässigt. Die Dominanz des Feminismus und der Familienforschung hat dazu geführt, dass wir über junge Mädchen und Frauen bedeutend mehr wissen als über junge Männer. Dem französischen Soziologen Jean-Claude KAUFMANN verdanken wir zwei wichtige Bücher, die sich mit den Problemen der Paarbildung im Zusammenhang mit der alltäglichen Lebensführung beschäftigen. In Schmutzige Wäsche und in Kochende Leidenschaft stehen der Alltag des Waschens und Kochens im Mittelpunkt. In letzterem Buch wird auch die Weitergabe von Praxiswissen von einer Generation zur anderen problematisiert.

Kochende Leidenschaft

"Es findet (...) keine völlige Unterbrechung der Weitergabe statt. Sichtbar ist vor allem die Bewegung des Widerstands, die die Jungen dazu treibt, ihre Vorgehensweise selbst zu bestimmen, und ganz speziell die Frauen, sich zu weigern, gezwungenermaßen zu den Fahnen der Haushaltspflichten zu eilen. Unter der Oberfläche findet jedoch weiterhin implizit oder bloß unauffälliger Weitergabe statt.
             (...).
Im Elternhaus hat der Heranwachsende mehr als Esser denn als richtiger Koch einige extravagante Erfahrungen gemacht, etwas unauffälliger unendlich viele Einzelheiten beobachtet und sich sogar mit manchen Geräten (oft mit der Mikrowelle, manchmal auch der Pfanne) vertraut gemacht. Später, wenn der junge Mensch seine eigenen vier Wände bezieht, wird sich die Bewegung des Lernens beschleunigen; von einem Tag auf den anderen wird der Küchenchef und sei es nur von zwei bescheidenen Eiern auf dem Teller. (...). In der Folge nimmt sein Lernen vor allem die Form eines Experiments mit Versuch und Irrtum an. Er ist Autodidakt, und er brüstet sich damit. Er spürt, dass seine Handgriffe allmählich automatisch werden, dass sich ein richtiger kulinarischer Stil zu etablieren beginnt. (...). Die Gewürze sind häufig die Hauptwaffe des Anfängers. (...).
             Den jungen Küchenchef, den die im Entstehen ergriffene Erfahrung bereits beruhigt und der sich mehr um die Genießbarkeit seiner Errungenschaften sorgt, leitet nichtsdestoweniger ein Ideal der Innovation. (...). Bücher werden zu Rate gezogen, Bestandsaufnahmen mit Freunden ausgetauscht. Manchmal wird sogar schnell die Mutter (oder der Vater) angerufen. »Ich wusste nicht, wie man Nudeln kocht, überhaupt nicht. Da habe ich meine Mutter angerufen. Ich stellte Fragen à la: 'Nudeln oder grüne Bohnen, macht man die am besten in der Pfanne, oder wie kocht man sie in Wasser?' Jetzt geht es mehr um Ideen« (...). Welch wundersames Band der kulinarischen Herkunft, eine Weitergabe, auf die die Eltern nicht mehr gefasst waren."
(2006, S.279f.)

Die Generation @ kann nun dank FINKBEINER & BREKLE sowie anderer Pioniere des Internets nicht nur Bücher zur Rate ziehen, sondern auch das Web zur Problemlösung heranziehen.  Der Austausch von Praxiswissen wird damit neu organisiert. Die Weitergabe geschieht nicht mehr allein in lokalen Zusammenhängen, entweder innerhalb einer Familie (von Generation zu Generation) oder innerhalb von Cliquen bzw. Verwandtschaften, sondern erweitet sich auf virtuelle Gemeinschaften. Horizontale Verflechtungen (zwischen Gleichaltrigen) können dadurch die mangelhafte vertikale Weitergabe (von Generation zu Generation) kompensieren.

Der Einfluss des Internets reicht bis in die Gestaltung des Buches hinein. Nicht nur, dass Links genannt werden, die eine weiterführende Information gewährleisten, sondern zu jedem Tipp gibt es mehrere Kommentare, die die mögliche Meinungsvielfalt wiedergibt. Das sieht dann folgendermaßen aus:

Frag Vati

"Mal wieder das falsche Buch von Omi zum Geburtstag geschenkt bekommen? Neben Weiterschenken gibt's noch die Möglichkeit, den Schmöker der örtlichen Bücherei zu spenden. Die freuen sich (haben eh kein Geld), und alle haben was davon. Englische und fremdsprachige Sachen gibst du einfach in der örtlichen Schule ab.

Was meint die Jury?

: Sehr soziale Einstellung. Das lob ich mir. Endlich mal einer der wenigen, die nicht aus jedem Dreck Geld machen wollen. Ich werde es in Zukunft genauso angehen

: Man kann sie auch für teuer Geld bei eBay verchecken!

: Dann versuch mal unbekannte Bücher da loszuwerden!

: Die richtige Präsentation bringt's, da muss halt eine gute Beschreibung her!

: Man kann sie aber auch bei www.tauschticket.de tauschen... Wobei, spenden ist doch edler.

: Super Idee. Habe gerade meine Charles-Bukowski-Sammlung in der örtlichen Grundschule abgegeben."
(2006, S. 44)

Männer lesen bekanntlich seltener Bücher als Frauen. Die Autoren versuchen dem mit amüsanten Geschichten rund um Ingos Imponiergehabe, das durch die Sichtweise von Freundin Kathrin auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird, entgegenzuwirken. Die kurzen Tipps sind mit 1 bis 5 Sternen bewertet. Der obige Buchtipp wurde mit 4 Sternen bewertet. Die Tipps im Buch rangieren meistens zwischen 4 oder gar 5 Sternen.

So mancher Kurztipp hat mitunter hohen Unterhaltungswert, aber nur geringen Gebrauchswert. In der Sprache der Autoren bewegt sich das "frei zwischen genial und etwas durchgeknallt". Wessen Neugier bereits geweckt ist, oder wer gerade verzweifelt auf der Suche nach einem brauchbaren Tipp ist, der wird darüber hinweglesen.

Dazwischen gibt es aber auch zahlreiche längere, informative Texte und bildliche Darstellungen, die Orientierung zu diversen Problemen der alltäglichen Lebensführung vermitteln. Und nicht zuletzt ermöglicht ein - Suchmaschine genanntes - Register  das schnelle Auffinden von Problemlösungen.          

Fazit: Die Bücher und Websites von Finkbeiner & Brekle ermöglichen einen guten Einstieg bei Problemen der alltäglichen Lebensführung

Die Generation @ geht neue Wege und das ist gut so. Die Weitergabe von Praxiswissen ist nicht länger allein Familiensache oder in den Händen traditioneller Medienmacher, sondern wird durch das Internet zur Sache Gleichaltriger mit ähnlichen Problemen der alltäglichen Lebensführung. Originalität und Innovation sind mitunter wichtiger als die bloße Tradierung von Praktiken. FINKBEINER & BREKLE zeigen mit ihren Websites und Büchern wie moderne Wissensvermittlung im Bereich der alltäglichen Lebensführung aussieht. 

 
     
 
       
   

weiterführender Link

 
       
     
       
   
 
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 25. Juni 2007
Update: 03. Februar 2019