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Wer wir sind
Wir sind nach 1947 und vor
1965 geboren. Wir waren also zu jung für die Rebellion
der 68er und zu alt für die Rebellion der Generation Golf.
In unsere Jugend bzw. Postadoleszenz fiel der stärkste Anstieg
der Einpersonenhaushalte in den alten Bundesländern. Zwischen 1973 und 1986 - also innerhalb von nur 13 Jahren
- stieg der Anteil der Bevölkerung in den Einpersonenhaushalten um 5 % (9,8 % - 15 %). Von 1986 bis 2002,
also innerhalb von 16 Jahren, beträgt der Anstieg dagegen nur
noch 2,2 %
.
Diagramm: Darstellung der
Haushaltsentwicklung |
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Quelle:
Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 3 Haushalte
und Familien 2002; in den Jahren 1983 und 1984 fand
keine Erhebung der Haushaltszahlen statt |
Einpersonenhaushalte heißen
seit den 1990er Jahren auch Single-Haushalte. Das haben wir der
Single-Rhetorik der 68er-Generation zu verdanken. An erster
Stelle ist hier der Soziologe Ulrich BECK zu nennen, der mit
seinem Bestseller Das ganz normale Chaos der Liebe den
Begriff der Single-Gesellschaft populär gemacht hat
.
Spätestens seit der
Jahrtausendwende gelten wir als demografischer Schrecken.
Unsere Jahrgangsstärken liegen zwischen 806 000 (1948 Geborene)
und 1 065 000 (1964 Geborene). Seit 1971 erreichte kein
westdeutscher Jahrgang mehr unsere Stärke.
Der Begriff
"Single-Generation" ist in den Medien bisher noch nicht
etabliert. Vereinzelt werden Schriftsteller wie Michel HOUELLEBECQ
("Elementarteilchen") oder Nick Hornby
("High Fidelity") als Sprachrohre einer
Single-Generation bezeichnet und der Piper-Verlag bewirbt Sasha CAGENs Buch Quirkyalone als "Bibel einer neuen
Single-Generation".
Single-Generation als Kampfbegriff und als
deskriptiver Begriff
Die Website
www.single-generation.de
versteht sich als Plattform all derjenigen, die
Phänomenbezeichnungen wie Single, Single-Haushalt oder
Single-Gesellschaft
für die Beschreibung ihrer Lebensweise
als unbrauchbar ablehnen.
Single-Generation wird dadurch zum subversiven Begriff. Damit
wird einerseits eine Fremdbeschreibung aufgegriffen,
nämlich jene, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden
uns verordnet hat. Andererseits werden die Implikationen, die damit verbunden sein
sollen, als Propaganda entlarvt.
Diese subversive Perspektive muss
unterschieden werden vom Beschreibungsbegriff
Single-Generation, der im Abschnitt Wer wir sind,
verwendet wurde.
Wenn auf dieser Website von Autoren der Single-Generation
die Rede ist, dann ist dies eine beschreibende Aussage, die
diese Autoren als 1948 -1964 Geborene ausweist. Ansonsten bleibt
offen, wie sie zu dieser Einordnung stehen.
In der gegenwärtigen
Generationendebatte (siehe hierzu ausführlich den
Einführungsbeitrag
) hat der Generationenbegriff
unterschiedliche Bedeutungen angenommen. Wir verwenden ihn im
Sinne des Kohortenbegriffs und nicht im Sinne von Karl
MANNHEIM oder gar von Heinz BUDE, der mit Generation Berlin
eine Geisteshaltung jenseits einer Altersgruppe bezeichnet.
Wir sind uns bei unserer Herangehensweise der damit verbundenen Abgrenzungsproblematik durchaus bewusst. Da diese Website
sich im Kern mit der Kontroverse Familien contra Singles
beschäftigt, ist sowohl die Bezeichnung als auch die Abgrenzung
zu rechtfertigen.
Der Soziologe Heinz BUDE hat in dem Buch
Das Altern einer Generation, die 68er als 1938 - 1948
Geborene definiert.
Jutta STICH hat in ihrer Studie
Alleinleben - Chancen und
Defizite dagegen die 68er auf die Jahrgänge 1943 -
1947 eingegrenzt. STICH beschreibt die
68er als Pioniere
des Alleinlebens. Sie waren damit die Wegbereiter der
Single-Generation. Wir haben die Wohnformen der 68er für
unsere Zwecke neu erfunden.
Aus den Kommunen wie sie das Magazin Stern mit
Rainer LANGHANS und Uschi OBERMAIER in den Hauptrollen
inszenierte, sind bei uns Wohngemeinschaften geworden, in
denen wir tatsächlich gelebt haben. Das möblierte Unterzimmer
wurde dagegen in den 1970er Jahren durch Appartements
ersetzt, weil es Einliegerwohnungen erst in den
Reihenhaussiedlungen der 1980er Jahre gab
.
Auf dieser Website werden die 68er als 1937 - 1947 Geborene
definiert.
Als weder die Zaungäste der 78er-Generation (Reinhard MOHR) noch
die Individualisierungsthese von Ulrich BECK erfunden war, da
hatte bereits Jochen SCHIMMANG, Jahrgang 1948, den Bruch
zwischen 68er-Generation und Single-Generation in dem Buch
Der schöne Vogel Phönix
(2013 neu aufgelegt) literarisch verarbeitet.
Der schöne
Vogel Phönix
"Das
Buch erzählt von Murnau, der im Jahre 1968 zwanzig Jahre
alt war. Es erzählt von den Hoffnungen, die damit
verbunden waren, im Jahre 1968 zwanzig Jahre alt zu sein,
und vom Altern dieser Hoffnungen. Es erzählt von einer
Jugend in Ostfriesland und von Berlin in den frühen 70er
Jahren, erzählt drei »Liebesgeschichten«, erzählt von
vielen Umzügen und einigen Reisen, von Geschichten, die
nur im Kopf passiert sind, und von Geschichten, die
wirklich passiert sind. Über ein Jahrzehnt hinweg erzählt
es eine individuelle Geschichte, die zugleich eine
kollektive ist. Die geschriebene Geschichte ist auf der
letzten Seite zu Ende, die wirkliche nicht. Murnau, der
nie geboren werden wollte, macht immer noch weiter, aber:
»Überleben ist schwieriger geworden«.
Der autobiographische Bericht eines Dreißigjährigen, der
die Spätphase der antiautoritären Bewegung, Studium,
Kaderarbeit für eine K-Gruppe und den Bruch mit dieser
Gruppe, Schwierigkeiten beim Übergang ins Berufsleben,
Hoffnungen, Desillusionierung und Depressivität dieser
Jahre durchaus repräsentativ, also nachvollziehbar: zum
Wiedererkennen und Sichunterscheiden, verfolgt,
mitgemacht, erlebt hat. Der schöne Vogel Phönix ist das
nützlich schöne Buch eines sensiblen, subjektiven,
kritischen und - in dieser Verbindung nicht
selbstverständlich - selbstkritischen Berichterstatters."
(Klappentext 1979) |
In dem Buch beschreibt SCHIMMANG die Single-Generation als
Überbleibsel nach dem Zerfall der 68er-Bewegung. Als
Zu-Spät-Gekommener geriet der Protagonist Murnau in die Berliner
K-Gruppen-Szene. Nachdem die politische Religion ihren Glanz
verloren hatte, blieb nur noch das Unglück der Elementarteilchen
übrig
. In den späteren Romanen schildert SCHIMMANG
immer wieder die Lebensverhältnisse männlicher Singles
.
SCHIMMANG steht sozusagen für einen Paradigmenwechsel. Was
Christian KRACHT mit Faserland für die Generation Golf
ist, das ist Jochen SCHIMMANG mit Der schöne Vogel Phönix
für die Single-Generation. Ein erstes Zeugnis einer neuen
Generation.
Mit Generation Golf werden von Florian
ILLIES im gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2000 die 1965 bis 1975
Geborenen bezeichnet. ILLIES hat in seinen Büchern die
Generation Golf zur Familien-Generation stilisiert
. 1999 hatte
der 1975 geborene Benjamin von STUCKRAD-BARRE im Manifest des
popkulturellen Quintetts Tristesse Royale das Heiraten
bereits als Rebellion gegen die Rebellion bezeichnet. Und
Joachim BESSING, Jahrgang 1971, Herausgeber des Manifests hat
im Jahr 2004 mit dem Buch Rettet die Familie! den
entschiedensten Beitrag zu dieser Thematik geliefert
.
Für die Sozialwissenschaften hat Markus KLEIN die These vom
Wandel des Wertewandels mit der Generation Golf als
Träger des Wandels vertreten
. Der
Politikwissenschaftler Franz WALTER hat diese These in die
Parteienforschung übernommen
(vgl. Zurück zum alten Bürgertum: CDU/CSU und FDP
in der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte v.
27.09.2004).
Als die Website www.single-generation.de im Juni 2002 in
Betrieb ging, da zeichneten sich diese Veränderungen erst in
Umrissen ab.
Bereits die ältere Website www.single-dasein.de, die
bereits seit Juni 2000 in Betrieb ist und von der die älteren
Beiträge übernommen worden sind, hatte diese Veränderungen lange
vor ihrer medialen Durchsetzung, antizipiert. Der Wertewandel
hat in Wirklichkeit auch nicht erst nach der Jahrtausendwende
stattgefunden, sondern vollzieht sich bereits seit Anfang der
1990er Jahre
. Der erste Familienwahlkampf fand bereits 1994
statt. Ein Jahr später erschien dann die Bestandsaufnahme Die
"Single-Gesellschaft" von Stefan HRADIL.
Die "Single-Gesellschaft"
"Singles stellen Leitfiguren dar. Sie
können daher eine erhebliche indirekte Außenwirkung entfalten,
indem sie »atmosphärische« Verschiebungen der kulturellen
und politischen Wertvorstellungen bewirken. So vertreten dann
auch andere Gruppierungen die Belange von Singles als die
eigenen".
(1995, S.158) |
Single-Gesellschaft als
Kampfbegriff der 68er-Generation
Der Begriff
Single-Gesellschaft ist von Ulrich BECK 1986 im Buch
Die Risiko-Gesellschaft in die deutsche Debatte eingeführt
worden, aber
erst nach der Wiedervereinigung populär geworden. Der soziologische bzw.
sozialstatistische Single-Begriff prägt seit den 1990er Jahren die sozial- bzw. familienpolitische Debatte.
In diesem Kontext hat er seine positiven Elemente in zunehmendem
Maße verloren
. Singles
gelten als narzisstisch, egoistisch, unsozial, autistisch,
kinderfeindlich oder gar als Sozialschmarotzer. Der Begriff
Single-Gesellschaft suggeriert, dass diese Widerlinge die
Gesellschaft bestimmen
.
Mittels Single-Rhetorik
wird eine Minderheit als Mehrheit dargestellt
. Solche mediale
Propaganda vermittelt Menschen, die als Singles bezeichnet
werden, ein völlig falsches Bild ihrer Situation. Und zugleich
erzeugt es Ressentiments bei denjenigen, die entweder gar nicht
wissen, dass sie gemeint sind oder sich als selbstgefällige
Eltern bestätigt fühlen
. Ganz zu
schweigen von denjenigen, die sich als Opfer fühlen
("unfreiwillige Singles") und mit ihrem mangelnden
Selbstwertgefühl sowieso schon genug zu kämpfen haben
.
Wenn wir uns subversiv als
Mitglieder der Single-Generation bezeichnen, dann wenden wir uns
gegen diese Klischees, die über uns in den Medien kursieren. Es
handelt sich hier auch um einen Generationenkonflikt. Die
68er-Generation verweigert uns, der Single-Generation,
die Selbstbestimmung unserer Lebensform
. Wendeten sich die
68er einst mit dem Begriff Single ihrerseits gegen
unpolitische Erklärungen ihrer Lebensweise
, so hat
sich im Laufe ihrer Machtergreifung die Kritik auf die
Nachgeborenen verschoben. Wir, die Single-Generation,
sagen hiermit der 68er-Generation und ihrer Deutung unserer
Lebensweise den Kampf an.
Wir wenden uns aber auch
gegen Angehörige der Generation Golf, die weiterhin dem Geiste
der 68er-Generation verhaftet bleiben. Viele, die sich
heutzutage als Anti-68er generieren denken weiterhin in den
Schablonen der 68er-Generation. Zu nennen wäre hier z.B.
Susanne GASCHKE, Jahrgang 1967. Sie bezeichnet sich zwar als
Angehörige der Generation Berlin, gehört jedoch zur
Golf-Kohorte
.
Leben im statistischen Untergrund
Unsere
Single-Generation ist gezwungen im statistischen Untergrund zu
leben.
Die 68er-Generation vermisst
uns weiterhin nach den Koordinaten der 1950er Jahre. Unsere
Lebensweise wird in Begriffen von Familienstand und Haushalt
eingeordnet, aber damit fallen wir durch alle Raster.
Diese verkalkte Republik
verweigert uns eine faire Behandlung! Sie will uns nicht zur
Kenntnis nehmen, weil wir ihren Normen nicht entsprechen. Wir
leben in haushaltsübergreifenen Beziehungen und sind
mobil wie keine Generation zuvor.
Was würde man von einem
Briefmarkensammler halten, der eine Lupe besitzt, um den Wert
seiner Briefmarken einschätzen zu können. Würden wir ihn nicht
für verrückt erklären, wenn er sich mit dieser Lupe nun auf die
Suche nach Elektronen begeben würde? So verhält es sich jedoch
mit der traditionellen Sozialforschung! Sie sieht nichts. Für
Elementarteilchen bräuchte man ein Elektronenmikroskop und keine
Lupe. Unser Briefmarkensammler findet nichts, also phantasiert
er sich etwas zusammen. Genauso verhält sich die
Sozialforschung. Weil sie über den Single nichts weiß, außer
dass er jenseits der Normalfamilie lebt
, können
Journalisten und Politiker alles Mögliche in die
Single-Lebensweise hineininterpretieren. Wer will sie daran hindern,
wenn nicht wir?
Schluss mit lustig!
Auf dieser
Website werden die traditionellen Kategorien der Sozialforschung
einer kritischen Prüfung unterzogen. Es werden Ansätze
vorgestellt, die ein neues Bild der Single-Generation und
ihrer Nachfolger entwerfen.
Des Weiteren wird die
Kontroverse Familien contra Singles dokumentiert.
Viele aus unserer eigenen
Generation sind inzwischen im Establishment der Alten oder
Neuen Mitte angekommen.
Wir wenden uns gegen diese
Besitzstandswahrer, die uns und den nachfolgenden Generationen
die Anerkennung ihrer Lebensweise verweigern wollen.
Der Schweizer Historiker
Albert TANNER hat in der Neuen Zürcher Zeitung vom
08.10.2005 das Problem der neuen Verteilungskämpfe auf
den Punkt gebracht:
Die Schweiz nach der "Entbürgerlichung".
Eine Bürgerlichkeit als Lebensmodell für die Zukunft?
"Generell
dürften im 21. Jahrhundert angesichts des angespannten
Arbeitsmarkts die Individualisierungstendenzen im Sinne
individueller Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung oder die
Subjektivierung der Werte und Normen mit ihrer Überhöhung der
Individualität wieder stärker von den ökonomischen Ressourcen
und vom Bildungsstand abhängig werden: Selbstverwirklichung nur
mehr für die akademischen Mittelschichten und die
individualisierte Kulturszene, Autonomie und Eigeninitiative nur
für liberale Newcomer. So dürften auch die Entwürfe für eine
neue Bürgerlichkeit, die in den letzten Jahren in einer Art
diskursiver Bastelarbeit entwickelt wurden, weitgehend ein
Phänomen der Lebensführung und des Lebensstils von
privilegierten Segmenten der mittleren und oberen Schichten
darstellen und letztlich wohl in erster Linie der Abgrenzung
nach unten dienen. Vieles deutet darauf hin, dass die
entscheidenden Bruchlinien
zwischen jenen verlaufen werden, die ihr Leben in
Selbstbestimmung und Selbstverantwortung organisieren
können, und
jenen, die auf sozialstaatlichen Schutz
und staatliche Förderung angewiesen sind. Es ist zu hoffen, dass
sich daraus nicht eine neue Form der Klassengesellschaft
entwickelt."
(NZZ 08.10.2005) |
Es geht bei
den Verteilungskämpfen der Zukunft primär nicht um demografisch
erzeugte Konflikte, sondern um die Ausgrenzung größer werdender
Bevölkerungsteile.
Wir werden von der Teilhabe
an den Errungenschaften der modernen Gesellschaft
ausgeschlossen. Dagegen wehren wir uns.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Dies
ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem
nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend
die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt.
Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard
Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die
Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank
Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster
Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der
Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
Es wird aufgezeigt, dass sich die
nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles
im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die
nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen." |
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