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Zitate: Die bessere Hälfte schenk ich mir
"«Ich
bin so toll, warum bin ich Single?»
Angestrengt las ich das gleichnamige Buch.
Ich habe die Antwort sofort wieder vergessen,
weil sie mir so falsch und belanglos
erschien. Ich habe überhaupt viel
Vergessenswertes zu diesem Thema gelesen, in
humorlosen Ratgebern, heiteren
Wochenendbeilagen, wohlmeinenden
Frauenzeitschriften. Einiges - ich war jung
und brauchte das Geld - schrieb ich sogar
selbst."
(aus: Petra Mikutta "Die bessere Hälfte
schenk ich mir. Single aus
Leidenschaft", 2000) "Der
ökologisch korrekte Mensch ist Vegetarier
und spart Wasser, Energie, Kraftstoff, Geld,
sogar Wohnraum. Er ist Mitglied einer
Kleinfamilie, in der drei, maximal vier
Menschen sich einen Kühlschrank, Herd und
PVC-Fußboden teilen. Verglichen damit ist
der typische Großstadt-Single eine
menschliche Ölpest."
(Petra Mikutta "Die bessere Hälfte
schenk ich mir. Single aus
Leidenschaft", 2000)
"Ich
schaffe es nicht, mich völlig von Klischees
zu befreien, schon gar nicht, wenn ich
träume.
Darum habe ich mir die Zukunft meines Kindes
noch nie als Single erträumt, obwohl ich
selbst aufrichtig gern Single bin."
(aus: Petra Mikutta "Die bessere Hälfte
schenk ich mir. Single aus
Leidenschaft", 2000)
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Die alleinwohnende (Karriere-)Frau mit
und ohne Kind als Zielgruppe
Single-Ratgeber
befassen sich meist nur mit einer einzigen Frage:
wie finde ich einen Partner? Petra MIKUTTA beschäftigt
sich dagegen mit dem (Über)Leben als
Single in der Paargesellschaft.
In den 1990er
Jahren ist eine Single-Industrie entstanden, die
nur ein Ziel kennt: die Überwindung des
Single-Daseins. Ihre Zielgruppe definiert sie als
Einpersonenhaushalt, weil sie dort ein Heer von
zahlungskräftigen, unfreiwilligen Partnerlosen
vermutet. 13 Millionen Menschen soll dieses
Potential umfassen. Der "Mythos
Single" hat sich - im positiven wie
im negativen Sinne - während der
sozialpolitischen Debatte der 1990er Jahre im
gesellschaftlichen Bewusstsein festgesetzt, so
dass alle anders lautenden empirischen
Forschungsergebnisse ignoriert werden.
Die "Lebensform
Einpersonenhaushalt" gibt es nicht.
Die Lebensstile von Singles sind so
unterschiedlich wie jene von Familien. MIKUTTAs
Zielgruppe liegt quer zum Klischee der
Single-Gesellschaft.
Zum einen bezieht sie Singles mit Kind
ein. Diese Gruppe fällt nicht unter die
statistische Kategorie
"Einpersonenhaushalt", sondern wird als
Alleinerziehende separat von der
Normalfamilie und den Haushalten, in denen keine
oder nicht permament Kinder leben, geführt
.
Zum
anderen wendet sie sich an Partnerlose, die ihr
partnerloses
Alleinwohnen nicht als völlig
unakzeptabel ansehen (wollen). Den kleinsten
gemeinsamen Nenner könnte man mit dem Slogan
"Lieber allein als gemeinsam einsam"
(Mario Hené) umschreiben. Partnerschaften werden
nicht völlig abgelehnt, aber der Traummann muss
es schon sein. Damit sind wir beim dritten
Zielgruppenkriterium. MIKUTTA hat ihr Buch
ausschliesslich für weibliche Singles
geschrieben. Männer müssen also weiterhin auf
den ultimativen Single-Guide warten. Bis dahin müssen sie sich
mit Büchern wie Die
Single Bibel für 'ihn'" oder Die
Kunst, der Frau fürs Leben zu entgehen
begnügen oder MIKUTTAs Buch gegen den Strich
lesen, was angesichts biologistischer
Selbstwertsteigerung nervtötend ist. Man muss
Sätze überlesen können wie "Aus
genetischen Gründen sind Männer oft (...)
Versager", "Die Fähigkeit, über sich
hinauszuwachsen, ist zweifellos an das
X-Chromosom gekoppelt. Daher sind alle Frauen
potentielle Superwomen", "Männer
dagegen sind ganz anders. Sie haben dieses
Ypsilon-Chromosom - womit sie, rein genetisch,
weniger mit uns verwandt sind als jede
Schimpansin". Wir lernen von MIKUTTA:
Männer sind von der Venus und Frauen vom Mars -
und nicht umgekehrt!
Abgesehen
davon lernt Mann etwas über das
Männerbild
alleinlebender "Yuppie"-Frauen.
Hier liegt dann aber auch gleich die größte
Einschränkung. Die vorgestellten glücklichen
Single-Frauen gehören mehrheitlich zur
Minderheit der Besserverdienenden. Sie sind
Redakteurinnen, Schauspielerinnen,
Archtitektinnen, Managerinnen,
Geschäftsführerinnen oder Journalistinnen und
leben auf der Sonnenseite des Single-Daseins.
Finanziell gut ausgestattet ist es ihnen möglich
Hausarbeit und Kindererziehung der
Dienstleistungsgesellschaft (Putzhilfen,
Kinderfrauen, Babysittern, Haushaltshilfen usw.)
anzuvertrauen. Allein das Klischee von
den Rabenmüttern, das in Michel HOUELLEBECQs Bestseller
Elementarteilchen eine
zentrale Rolle spielt, trübt das Bild der alleinerziehenden Powerfrau, weswegen MIKUTTA
diesem heiklen Thema das Kapitel
"Kinderkram" widmet.
Die Schattenseiten des Single-Dasein in der
Neidgesellschaft
Nichtsdestrotrotz
bleiben auch die Schattenseiten des
Single-Daseins nicht ausgeklammert.
MIKUTTA hat sich immer auch bemüht
Gegenbeispiele zum ungetrübten Single-Dasein
aufzuführen. Es kommen Single-Frauen zu Wort,
denen bezahlte Dienstleistungen zu teuer sind und
die auf Freunde oder Verwandte zurückgreifen
müssen; Singles, die ihre eigene Existenz erst
noch mühsam aufbauen müssen oder Frauen, die
lieber Hausfrau als Karrierefrau wären und sich
dem flexiblen Kapitalismus gegenüber resistent
erweisen.
Das
Single-Dasein ist nicht nur ein "Reich der
Freiheit", sondern auch ein "Reich der
Notwendigkeit". Zum Überleben als Single
gehört ein Beruf als finanzielle Basis des
Lebensstils, wenn man nicht gerade zu den
glücklichen Erben oder zu Renten-, Pensions-
oder Sozialhilfeempfängern gehört. Ein
wichtiger Aspekt ist das soziale Netzwerk, das
sich Singles aufbauen müssen.
Freundinnen/Freunde sowie Tiere haben u.a. die
Funktion eines Partnerersatzes.
Der Einfluss von Klischees auf das
Lebensgefühl von Singles
Im
Kapitel Die ist doch nicht normal geht es um
den Einfluss von Klischees auf das
Lebensgefühl von Singles. Die Ursachen
dieser Stereotypen sieht MIKUTTA einerseits in
Neidgefühlen von Verheirateten und andererseits
in Ängsten und Unsicherheiten bezüglich der
eigenen Lebensform von Nicht-Singles. Aber auch
Singles haben "Feindbilder" entwickelt,
um ihren Lebensstil zu rechtfertigen. Geht es
ihnen gut, dann vergleichen sie die Nachteile des
Verheiratetseins mit den Vorteilen des
Single-Daseins. An schlechten Tagen ist es
dagegen umgekehrt.
Männer sind für
Single-Frauen ein leidiges Thema. Bei den
Geschiedenen überwiegen die negativen
Erfahrungen mit dem Ex-Ehemann, die Witwen sind
dagegen auf ihren verstorbenen Ehemann festgelegt
und die Ledigen haben negative Erfahrungen mit
dem Zusammenleben gesammelt. Dennoch ist die
Sehnsucht
nach dem Traummann geblieben.
MIKUTTA
bringt die Ansprüche auf einen ganz und gar
unromantischen Nenner: Der Mann soll keine
zusätzliche Belastung, sondern eine Entlastung
im Alltag sein. Dem widerspricht jedoch
einerseits das gesellschaftliche Ideal der
romantischen Liebe, das bei der Partnersuche
bestimmend ist und andererseits - was
gravierender ist - das Heiratsverhalten der
Männer aus der gleichen Schicht.
Das Single-Dasein
ist zu einer mehr oder weniger langen
Lebensphase
im modernen Normallebenslauf geworden.
Diese Tatsache wird in der Gesellschaft aus
unterschiedlichen Gründen ignoriert. Aus diesem
Grund ist MIKUTTAs Buch trotz aller
Beschränktheit ein wichtiger Beitrag.
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