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Rezension

 
       
   

Regine Schneider

 
       
   

Die Liebe kommt, die Liebe geht (2001).
Warum lebenslange Zweisamkeit uns nicht glücklich macht

 
       
     
       
   
     
 

Das Paar auf Zeit

"Der Bedeutungswandel von Ehe und Familie ist vor allem auch ein Wandel in der Lebenszeitstruktur: Wir sehen uns heute mit einem neuen Modell von Paarbeziehungen konfrontiert, das in den Augen mancher Beobachter die traditionelle Ehe bereits abzulösen begonnen hat: das temporäre Paar, das Paar auf Zeit (...). In diesem Modell wird ernst gemacht mit der Unmöglichkeit, Liebe und Dauerhaftigkeit zu vereinen. Das Bemühen um Beständigkeit wird sozusagen über Bord geworfen: Liebe dauert eben nicht ewig, und wenn sie endet, endet auch die Beziehung. Es gibt keinen zwingenden Grund zur Eheschließung mehr. Es genügt, für die Zeit der Paarbeziehung zusammenzuleben (...).
Grundlage der Paarbildung beim Liebespaar auf Zeit ist nicht mehr die lebenszeitliche Absicherung im Rahmen einer Paarbeziehung oder Ehe, sondern das momentane Gemeinschafts- und Glücksgefühl. Eine Trennung erscheint nicht als Ausdruck des Scheiterns, sondern ist prinzipiell von vornherein angelegt, weil die Menschen sich ändern und weil die Liebe vergeht. Während früher (aber auch heute noch in vielen Fällen) 'ewige Treue', also Exklusivität und Permanenz (lebenslange Monogamie), selbstverständlich waren, gilt beim Paar auf Zeit zwar noch der Anspruch auf Ausschließlichkeit, aber jener auf Dauerhaftigkeit ist aufgegeben: 'Treue auf Widerruf', Treue auf Zeit. Die lebensgeschichtliche Existenz als Paar tritt stärker hinter die individuellen Biographien zurück. Der Lebenslauf stellt sich dar als wechselnde Abfolge von Phasen des Alleinlebens/Alleinseins (Single) und der paarweisen Existenz.
(...)
Doch es gibt wenig Anzeichen dafür, daß dieses Modell der 'seriellen Monogamie' auch im ländlichen und im Arbeiter-Milieu (oder im Harmonie-, Unterhaltungs-, Integrations- oder Niveaumilieu) normbildende Kraft gewinnen und zu einem festen Bestandteil des 'Lebensentwurfs' werden könnte. Im Alternativmilieu, und zum Teil auch bei den Akademikern, wo diese Tendenzen am deutlichsten in Erscheinung treten, ist eine Trennung (oder eine Scheidung) zwar kaum weniger schmerzhaft als anderswo. Doch wird sie hier weniger als Zeichen einer gescheiterten Entwicklung interpretiert, sondern eher als notwendige Konsequenz einer prinzipiell unvermeidlichen inneren Auflösung einer Liebesbeziehung."
(aus: Günter Burkart "Lebensphasen - Liebesphasen" 1997, S.251f.)

Die Vorteile der seriellen Monogamie

SCHNEIDERs Buch Die Liebe kommt, die Liebe geht propagiert die serielle Monogamie als Beziehungsform, die unserer Gegenwartsgesellschaft angemessen ist. Die serielle Monogamie ermöglicht nach SCHNEIDER den Spagat zweier anscheinend unvereinbarer Ansprüche des modernen Menschen an ein gutes Leben: zum einen stillt sie die "Sehnsucht nach Zweisamkeit, nach der ganz großen Liebe, nach Geborgenheit in der Beziehung" und zum anderen ermöglicht sie, dass die modernen Werte Freiheit, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung gelebt werden können.

Was versteht man unter serieller Monogamie?

Unter serieller Monogamie wird im allgemeinen eine Beziehungsform verstanden, die Treue in der Partnerschaft an das Bestehen einer Liebesbeziehung knüpft. Vergeht die Liebe, dann wird die Partnerschaft aufgekündigt. Solange sich die Partner jedoch lieben, werden keine anderen Partner oder Affären geduldet. Der gegenwärtige Partner ist sozusagen die ganz große Liebe auf Widerruf bzw. die Beste aller Lieben, die gerade zur Verfügung steht.

Die Individualisierungsthese als problematischer Rahmen

SCHNEIDER wendet sich gegen jene Kritiker, die die serielle Monogamie als Katastrophe beklagen und weiterhin in Beziehungsratgebern "Rezepte für ewig währende Partnerschaften" empfehlen. Die Autorin möchte dagegen die Chancen aufzeigen, die sich aus der sukzessiven Monogamie ergeben können. SCHNEIDER sieht diese Beziehungsform als "zwangsläufige Folge der gesellschaftlichen Entwicklung und hier liegt das Hauptproblem des Buches.

Die Autorin beruft sich zum einen auf allgemeine gesellschaftliche Trends, die zuerst der Soziologe Ullrich BECK Anfang der 1980er Jahre unter dem Schlagwort vom "neuen Individualisierungsschub" zusammengefasst hat. SCHNEIDER knüpft jedoch nicht an dessen kulturpessimistische Sicht an, sondern an den naiven Optionismus à la Matthias HORX. Zum anderen übernimmt SCHNEIDER die kulturpessimistische Sicht der Bevölkerungswissenschaft und der Familiensoziologie. Die Autorin propagiert vor diesem Hintergrund zwei weit verbreitete Mythen: zum einen die Polarisierung zwischen einem Familien- und einem Nichtfamiliensektor und zum anderen den Trend zur Ein-Kind-Familie. Die Autorin reduziert damit komplexe Ursachenzusammenhänge auf einen simplen monokausalen Zusammenhang: der hedonistische Individualismus führt einerseits zur Durchsetzung der seriellen Monogamie und andererseits zum Niedergang der traditionellen Familie. Diese Sicht untermauert SCHNEIDER mittels Experten- und Betroffeneninterviews. Als Experten kommen der Psychologe Michael THIEL, der Trendforscher Peter WIPPERMANN, der Familiensoziologe Wassilos FTHENAKIS, der Philosoph Gerd B. ACHENBACH, der Jurist Joachim KUDOWEH und der Bevölkerungswissenschaftler Hans W. JÜRGENS zur Wort.

Individualisierte Familie contra Feudal-Familie

Der Trendforscher Peter WIPPERMANN aus dem Umkreis des Zeitgeistforschers Matthias HORX bringt mittels trendiger Wortbildungen wie "Convenience-Familie", "Chillout-Familie", "Grüntee-Familie" und "Feudal-Familie" seine Sicht der individualisierten Familie zum Ausdruck. Die Begriffe "Chillout-Familie" und "Feudal-Familie" zeigen jedoch, dass es in der modernen Gesellschaft keine allgemeinen Trends gibt, sondern dass plurale Wertvorstellungen miteinander konkurrieren.

Den Begriff "Chillout-Familie" verwendet WIPPERMANN für allein erziehende Partnerlose, deren Hedonismus seinen Ausdruck in der Mutter-Kind-Symbiose findet. MADONNA soll das Vorbild dieses Typus der Alleinerziehenden sein.

Die "Feudal-Familie" entspricht dagegen dem traditionellen Familienmodell. Offensiv propagiert wurde dieses Modell bis vor kurzem nur von Journalisten wie Karin JÄCKEL . Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im April und weiteren Urteilssprüchen, die zur Rehabilitation der Hausfrau und Vollzeitmutter beigetragen haben, und der Neuausrichtung der Familienpolitik bei den Regierungsparteien SPD und Grüne, kann von einer fehlenden Akzeptanz dieses Familienmodells der Neuen Mitte keine Rede mehr sein. Nach WIPPERMANN ist dieser Familientyp zwar in Zukunft nur von einer elitären Minderheit zu verwirklichen, "weil sich kaum ein Mann solch eine Familie allein leisten könne", nichtsdestotrotz erhält gerade dadurch dieses Familienmodell seine Attraktivität in der breiten Bevölkerung. Die Feudal-Familie kann zum Status-Symbol in einer Gesellschaft werden, die traditionelle Kernfamilien als Leistungsträger wieder entdeckt.

Die Vereinbarungsfrage von Beruf und Familie ist oftmals keine Frage der Vereinbarkeit von zwei Vollzeitberufen mit Familienarbeit wie das gerne im öffentlichen Diskurs unterstellt wird, sondern meist ist der eine Partner der Haupternährer, während der andere für den Zuverdienst sorgt. In der Regel ist der Haupternährer immer noch männlich. Wenn man also nicht mehr ein Alleinernäher- sondern ein Haupternährer-Modell statt eines Zwei-Verdiener-Modells als gegenwärtig dominierendes Familienernährer-Modell unterstellt, dann kommt man der Familienwirklichkeit in Deutschland ziemlich nahe.

 Während WIPPERMANN die Attraktivität der Feudal-Familie (siehe hierzu auch LIEBOLD "Meine Frau managt das ganze Leben zu Hause...") unterschätzt, so überschätzt er andererseits solche Zeitgeist-Phänomene wie die "Chillout-Familie". Das Problem solcher Zeitgeistbegriffe ist, dass sie zwar plausibel klingen, weil sie hervorragend in den Kontext der Gegenwartsdebatten passen, andererseits aber empirische Belege für ihre Verbreitung fehlen. Sicher gibt es solche "Chillout-Mamas", die sich durch Kinder selbst verwirklichen möchten. Dazu müssen Mütter aber keine Alleinerziehenden sein.

Der Begriff "Alleinerziehende" ist an sich schon fragwürdig, weil er in erster Linie politische und juristische, aber keine sozialen Sachverhalte in den Mittelpunkt rückt. Der Begriff blendet die Dimension "Partnerschaft" aus, weshalb er fälschlicherweise mit Partnerlosigkeit assoziiert werden kann. Alleinerziehende Partnerlose sind jedoch nur eine Teilgruppe. Alleinerziehende können mit Partnern zusammenwohnen oder auch Distanz- bzw. Fernbeziehungen unterhalten oder sie können unfreiwillig partnerlos sein. Die "Chillout-Familie" ist deshalb vor allem ein medienwirksames Etikett, dessen Plausibilität sich zum einen aus der Annahme eines allgemeinen Trends zum hedonistischen Individualismus und zum anderen aus der Ungenügsamkeit der Begrifflichkeit ergibt.

Das Problem des familien- und bevölkerungspolitischen Blicks

Das dichotome Begriffspaar "Familien- und Nichtfamiliensektor" ist ein weiteres Beispiel für die Unzulänglichkeit einer Begriffsbildung, die Familien auf Familienhaushalte reduziert und damit die Familienrealität mit historischen Verhältnissen zwangsverkoppelt. Wer historische Vergleiche auf der Basis der Haushaltsstatistik anstellt, ohne die damit verbundenen historischen Gegebenheiten mitzureflektieren, der läuft Gefahr Fehlschlüsse zu produzieren. Die Rede vom Familiensektor klammert sowohl den historischen Wandel bei den Wohnverhältnissen als auch den Wandel der Einkommensverhältnisse aus bzw. konstruiert daraus ein apokalyptisches Szenario. Die Wohnungsnot der 1950er Jahre erscheint dann z.B. als familiäres Solidarverhalten, das heutzutage angeblich nicht mehr existiert. Das Fehlen von Optionen wird damit als verschwundener Gemeinsinn fehlinterpretiert.

Sätze wie: "Bei den Dreißig- bis Vierunddreißigjährigen hat sich der Familiensektor von 60 Prozent auf 40 Prozent reduziert. Bei den Fünfunddreißig- bis Fünfundvierzigjährigen von 70 Prozent auf 30 Prozent" (S.147) sollen das Verschwinden der Familie belegen. Sie belegen aber vor allem, dass Journalisten selten begreifen, was sie schreiben. Das macht bereits die vorangestellte Erklärung deutlich:

Die Liebe kommt, die Liebe geht

"Zum Nicht-Familiensektor gehören sowohl Singles als auch Paare, die unverheiratet zusammenleben, aber keine Kinder haben und/oder wollen".
(2001 S.147)

SCHNEIDER legt damit nahe, dass der Nichtfamiliensektor nur die Kinderlosen beinhaltet. Dies ist jedoch falsch. Eltern, deren Kinder nicht mehr im Elternhaushalt leben, gehören ebenfalls zum Nicht-Familiensektor. Aussagen über die Motive ("keine Kinder wollen") der angeblich Kinderlosen sind im Begriff gar nicht mitgedacht bzw. können daraus nicht abgeleitet werden. Das Begriffspaar ist also nicht in der Lage Eltern und Kinderlose zu unterscheiden. Es ist vielmehr ein ideologisches Konstrukt, das die Zahl der Kinderlosen überschätzt und die Anzahl der Eltern unterschätzt und somit bevölkerungspolitischen Interessen der Dramatisierung des Bevölkerungsrückgangs entgegenkommt .

In gleicher Weise argumentiert SCHNEIDER, wenn sie den Mythos von der Ein-Kind-Familie propagiert. Die Autorin verallgemeinert milieuspezifische Verhaltensweisen zu gesellschaftsweiten Trends:

Die Liebe kommt, die Liebe geht

"paradoxerweise haben die Gegner des Kinderkriegens und die, die sich ein Kind wünschen, das gleiche Motiv: Selbstverwirklichung (...). In einer Zeit, wo die traditionellen Geschlechterrollen sich aufgelöst haben, ist Mutterschaft die letzte Bastion für Frauen, um ihre Weiblichkeit auszuleben. Kinder werden einerseits instrumentalisiert, aber auch idealisiert. Das Neue: Um diese Bedürfnisse für die Eltern zu befriedigen, reicht ein Kind. Und so kommen auf jede Mutter nur noch durchschnittlich 1,3 Kinder."
(2001, S.154)

Wenn die Geburtenrate in Deutschland bei 1,3 Kinder pro gebärfähiger Frau liegt, dann ist das etwas völlig anderes als wenn SCHNEIDER schreibt, dass auf jede Mutter nur noch durchschnittlich 1,3 Kinder kommen. Beides wäre nur identisch, wenn es in Deutschland keine kinderlosen Frauen im gebärfähigen Alter gäbe, was bekanntlich nicht der Fall ist. Diese Konstruktion eines engen Zusammenhanges zwischen der Höhe der Geburtenrate und der Anzahl der Kinder pro Familie ist weit verbreitet (z.B. GREENBERG "Kleine Prinzen", Focus Nr.31 vom 30.07.2001). Sowohl die Bevölkerungsstatistik als auch die Haushaltsstatistik sind als Datenbasen ungeeignet, wenn damit Lebensverhältnisse beschrieben werden sollen. Sowohl haushaltsübergreifende Sozialzusammenhänge wie die multilokale Mehrgenerationen-Familie als auch die Dauerhaftigkeit von Paar- und Familienkonstellationen wird in diesen Statistiken nur unzureichend abgebildet. Dieser Missstand ist umso unverständlicher je stärker sozialstaatliche Regelungen in angeblich private Lebensstile eingreifen. Weder der Erfolg, noch der Misserfolg von staatlichen Maßnahmen kann gemessen werden. Deshalb ist es nicht besonders erstaunlich, dass in der öffentlichen Debatte vor allem Spekulationen und Vorurteile dominieren. Das Buch von SCHNEIDER spiegelt dieses Problem wider.

Die Autorin möchte in dem Buch zwar die Chancen der seriellen Monogamie herausarbeiten, auf weiter Strecke bleibt SCHNEIDER jedoch der bevölkerungspolitisch motivierten und familienpolitisch verengten Debatte verhaftet. Aus diesem Grunde beherrscht der Grundkonflikt zwischen Selbstverwirklichung und Partnerschaft/Familie das Reden über die serielle Monogamie.

Unverkennbar ist der pädagogische Impetus, der in dem Buch als Lösung propagiert wird. Sowohl der Soziologe FTHENAKIS als auch der Bevölkerungswissenschaftlicher JÜRGENS sehen in einer Bildungsoffensive eine Möglichkeit zur Stabilisierung von Paar- und Familienarrangements. Den beiden Wissenschaftlern geht es jedoch in erster Linie um das Wohl des Kinder, das primär als Kontinuität elterlicher Partnerschaft definiert wird. Das Wohl der Partner ist deshalb zu allererst eine abgeleitete Kategorie aus diesem kurzschlüssigen Verständnis von Kindeswohl. Eheführerscheine und Partnerpolitiken sollen in diesem Sinne für die notwendige Stabilität der Beziehungen mit Kindern sorgen.

Die serielle Monogamie als Liebesarrangement

SCHNEIDER formuliert im letzten Abschnitt das von ihr propagierte Beziehungsideal folgendermaßen:

Ideal der Lebensabschnittspartnerschaft

"Bei allem geht es vielleicht nicht mehr darum, den »einzig Richtigen« zu finden (...), sondern vielmehr darum, gemeinsam eine zu zwei ausgeprägten Individualisten passende Partnerschaft aufzubauen. Und das mehrmals im Leben."
(2001)

Serielle Monogamie wird damit von SCHNEIDER gleichgesetzt mit dem Ideal der Lebensabschnittspartnerschaft. Sukzessive Monogamie ist heutzutage jedoch eher die nicht intendierte Folge der Suche nach dem »einzig Richtigen«. Partnerschaft endet deshalb oftmals nicht im beidseitigem Einvernehmen. Auch der von SCHNEIDER idealisierte Lebensabschnittspartner dürfte nicht so "pflegeleicht" bei Trennungen zu handhaben sein, vielmehr werden unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten bei den Partnern dieses Paararrangement noch trennungsanfälliger machen.

Partnerschaft und Elternschaft können in Konflikt geraten. Wenn die Liebe vergeht, dann muss die Partnerschaft aufgekündigt werden, so fordert es das romantische Liebesideal, dessen nicht beabsichtigte Konsequenz die serielle Monogamie vielfach ist. Aus männlicher Sicht hat der Brite Hanif KUREISHI dieses Thema in den Mittelpunkt seines Buches Rastlose Nähe gestellt.

Rastlose Nähe

"Ein Mann beschließt, sein Leben radikal zu ändern, und verläßt Frau und Kinder. Rettungslos erfüllt von dem Wunsch nach Veränderung und der Sehnsucht nach unabhängiger Liebe, bricht Jay aus seinem gesicherten Familienleben aus. Er stürzt sich in das, von dem er glaubt, daß es ihn glücklich macht: mehr vergnügtes Leben"
(2001)

KUREISHIs Buch ist eine Provokation für alle, die das Kindeswohl zu allererst als Kontinuität elterlicher Partnerschaft definieren. Es zeigt aber andererseits die Konflikthaftigkeit eines Trennungsprozesses in seiner gesamten Tragweite. SCHNEIDER dagegen propagiert die Abkehr vom romantischen Liebesideal. Die Lebensabschnittpartnerschaft ist eine Partnerschaft auf Zeit, die verlängert werden kann, wenn beide Partner dies wünschen. Ein solcher Kontrakt stellt hohe Anforderungen an beide Partner. Inwieweit sich diese spezielle Form der seriellen Monogamie in der modernen Gesellschaft durchsetzen wird, muss sich erst zeigen.

 

Neokonservative wie Susanne GASCHKE predigen in Anlehnung an LUHMANNs Buch Liebe als Passion stattdessen die Rückkehr zur Doppelmoral als Lösung, d.h. Sex in der Ehe soll nicht auf den Partner beschränkt bleiben müssen, aber auch nicht wie in der "offenen Zweierbeziehung" in der Ehe kommuniziert werden müssen. Statt der rigiden Treuevorstellung, wie sie bei der seriellen Monogamie tatsächlich gelebt wird, muss Treue nach GASCHKE nur noch kommunikativ simuliert werden. Wer Antwort auf die im Untertitel gestellte Frage Warum lebenslange Zweisamkeit uns nicht glücklich macht erwartet, der wird in dem Buch keine befriedigende Antwort finden. Zu klischeehaft sind die dargestellten Ursachen in der Tradition der Individualisierungsthese. Andererseits ist die Zielgruppe des Buches nicht unbedingt die breite Bevölkerung, sondern offensichtlich ist die Neue Mitte anvisiert. Da die beschriebenen Trends eher für moderne Milieus gelten, in denen Selbstverwirklichung und Hedonismus zentrale Werte sind, werden sich Teile der Zielgruppe im Buch wieder finden, während sich der konservative Teil der Alten Mitte in seinen Vorurteilen bestätigt fühlen darf.

Leistet das Buch, was es verspricht?

SCHNEIDER möchte mit ihrem Buch auch einen Beitrag zur aktuellen Debatte leisten. Die Autorin geht davon aus, dass die verschiedenen Beziehungsformen in der gesellschaftlichen Anerkennung gleichwertig sind. Einzig bei der juristischen "Gleichstellung und Anerkennung von Beziehungsstilen vor allem mit Kindern außerhalb der christlichen Ehe" sieht SCHNEIDER Defizite. Die Vorstellung, dass heutzutage alle Lebensstile in der Gesellschaft als gleichwertig anerkannt sind, ist das Hauptproblem einer Individualisierungsthese, die einen naiven Optionismus vertritt. Es gibt jedoch eine Vielzahl von unterschiedlichen, qualitativen Studien, die Diskriminierungen nachweisen konnten. Die Kontroverse "Familien versus Singles" zeigt zudem deutlich, dass weder Alleinwohnen oder Partnerlosigkeit, noch das Leben ohne Kinder im Erwachsenenalter als legitime Lebensweisen anerkannt sind. Bei den Beziehungsformen sind Vorbehalte gegen Paare ohne gemeinsame Wohnung weit verbreitet. Der Beitrag zur aktuellen politischen Debatte ist gering, da sich in dem Buch nur der Mainstream der Neuen Mitte wieder findet. Die Kontroversen werden nicht einmal in Ansätzen benannt.

Das Phänomen "serielle Monogamie" wird nicht in allen Facetten behandelt, sondern auf das Konzept "Lebenspartnerschaft" zugespitzt. Bei einem Buch über das Thema sukzessive Monogamie erwartet man zudem, dass die Dimension "Partnerschaft" die zentrale Perspektive bestimmt. Dem ist nicht so. Das Thema wird - wie in der Soziologie und Bevölkerungswissenschaft üblich - dem Thema Elternschaft untergeordnet. Da SCHNEIDER die gegenwärtige Kontroverse nicht benennt, aber nichtsdestotrotz pointiert Stellung bezieht, muss der Leser selbst bereits umfangreiche Vorkenntnisse besitzen, wenn er diesen Beitrag im Rahmen der Debatte einordnen möchte. Vielleicht ist das Dilemma des Buches auch nur darin begründet, dass die Autorin ausschließlich die Chancen der seriellen Monogamie zum Thema macht und damit die Erwähnung von Gegenpositionen für unnötig hält. Wie dem auch sei. Die Konsequenz ist ein Buch, das die zentralen Kontroversen unbenannt lässt und Konflikte zwischen den Dimensionen Partnerschaft und Elternschaft zugunsten politischer Parteinahme unterschlägt.

Wer sich heutzutage auf das Schlagwort von der "kinderfeindlichen Gesellschaft" beruft, der muss dies nicht mehr belegen, sondern kann sich auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens stützen. Nichts anderes tut SCHNEIDER. Wenn sie jedoch argumentiert, dann geht sie leichtfertig mit statistischen Daten um (siehe die Anmerkungen zum "Familiensektor" und zum Trend zur Ein-Kind-Familie). Wem ein oberflächliches Buch zum Einstieg ins Thema genügt, der mag an dem Buch gefallen finden. Wer eine aktuelle und fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema "serielle Monogamie" sucht, der dürfte auf dem deutschen Sachbuchmarkt schwerlich fündig werden.

 
     
 
       
   

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© 2002 - 2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 06. August 2001
Update: 03. Februar 2019