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"Vor drei Jahren
nun spielte die Robbi Allmann Band in
Heidelberg. Der Club hieß Schwimmbad Musik
Club und faßte knapp zweihundert Leute. Und
eine dieser knapp zweihundert war Rita."
(Thommie Bayer "Eine Überdosis
Liebe. Von einem, der auszog...", 1985) "Er war Indianer.
Die verträumten Besserwisser, die
freundlichen Versager, die Anarchos mit
Charme und die Pulloverträger mit den
blutenden Herzen drunter sind die hierzulande
eingetragenen seelischen Rechtsnachfolger der
Indianer" (Thommie Bayer "Eine
Überdosis Liebe. Von einem, der
auszog...", 1985)
"Wer jetzt noch
ein Yuppie sein will, der kann auf jeden Fall
nicht rechnen."
(Thommie
Bayer "Der neue Mann und das Meer",
1995) |
Beatles
oder Rolling Stones, diese Frage polarisierte die
68er Generation - den 78ern ist dieser Gegensatz
egal, denn in ihrer Brust schlagen zwei Herzen.
Und Thommie BAYER befriedigt den Beatles-Anteil
der 78er.
Als ich Thommie BAYER das erste Mal 1980 sah, da spielte
er mit seiner Band (Robbi Allmann alias Thommie
Bayer Band) im Heidelberger
Schwimbad
Musik Club. Ich war einer der knapp 200 namenlosen
Leute, die sich von den teils melancholisch-romantischen, teils
persiflierenden Texten von Der letzte Cowboy bis Rock 'n' Roll (ist wenn man's
trotzdem macht) bezaubern ließ.
Die Texte von Thommie BAYER vermitteln den Zeitgeist der
1960er
bis 1980er Jahre durch die Augen eines
distanzierten Beobachters, der die feinen
Unterschiede sprachlich auf den Punkt bringt.
BAYER war ein Popliterat als
dieser Begriff noch gar nicht populär war. Er
beschrieb nicht die Oberflächenstruktur der
Generation
Golf, sondern die der
78er,
jene Generation also, die mit der
Selbsterfahrungs- und Alternativkultur erwachsen
geworden ist.
BAYER
beschreibt eine Zeit, in der sich das Bewusstsein
noch nicht an Marken und Werbeslogans, sondern an
Idealen und Utopien abrackerte, die Authentizität
und Wir-Gefühl versprachen. In diesen Jahren war
für Thommie BAYER die entscheidende Frage, ob
einer Cowboy oder Indianer war.
Indianer
waren gut und Cowboys böse und es wird klar, der
Kult-Song der Band über den letzten Cowboy
stammt nicht aus der Feder von BAYER, sondern von
Bernhard LASSAHN. Aber der letzte Cowboy war im
Grunde seines Herzens eigentlich ein Indianer,
weil er "sowas verstehen kann".
Die Welt war
noch in Ordnung als man in den Wäldern der
Provinz unbeschwert Cowboy und Indianer spielen
durfte ("Ich war der Häuptling auf dem Werscher Berg"). Es interessierte noch
nicht, dass GITTE einen Cowboy als Mann wollte.
Winnetou war angesagt oder die edle Rothaut aus
der Lederstrumpf-Verfilmung. Und wer Fußballfan
war (seit Wembley war das praktisch jeder), der
war für Gladbach (auch wenn er nicht wusste, wo
das lag) und gegen den 1. FC Bayern München.
Die Welt
geriet erst mit der Pubertät aus den Fugen und
als publik wurde, dass die Indianer in Reservaten
dahinvegetierten, sich CHER von SONY trennte,
Feministinnen ernsthaft den Cowboy als Macho
diskriminierten, aber Indianer links liegen
ließen (denn Indianer kennen keinen Schmerz) und
Gladbach nicht mehr um die Meisterschaft spielte,
sondern irgendwann sogar abstieg.
Cochise
sangen Die Indianer sind noch fern,
aber Matthias HORX verkündete bald darauf das Ende der
Alternativen und Thommie BAYER sang Heut
gibt es keine Indianer mehr. Nicht der
Kapitalismus, sondern der postmoderne Cowboy mit
den stahlblauen Augen hat gesiegt und das cosmopolitane Cowgirl fährt im nächsten Urlaub
"500 Meilen westwärts" (glaubt man der
Cosmopolitan vom August 2000).
Als ich Thommie BAYER Mitte der
1990er Jahre das letzte Mal
sah, da fing für ihn der Himmel über dem Boden
an. "Bis man dreißig ist, will man
bloß Indianer oder Cowboy sein. Aber ab dreißig
kriegt man erst die Chance, dem einen oder andern
Verein beizutreten." Welchem Verein er wohl
jetzt angehört?
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