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Sommerthema 2005

 
       
   

Eine Reise nach Teneriffa

 
       
   

Was man als Alleinreisende alles erleben kann.
Auf den Spuren der Romanfigur Christine Perlacher (
Hans Pleschinski "Leichtes Licht", zuerst 2005 veröffentlicht)

 
       
     
       
   
     
 

Norden oder Süden - Das ist hier die Frage

Bisher haben wir uns eher allgemein mit dem Alleinreisen beschäftigt. Was gesagt wurde, das gilt sozusagen für jeden x-beliebigen Urlaubsort. Im Folgenden spielt dagegen der konkrete Urlaubsort eine größere Rolle. Ob man auf Teneriffa den Norden oder den Süden bevorzugt, das ist eine Grundsatzentscheidung.

Leichtes Licht

"»Wohin geht's?«
Sie zuckte zusammen.
»In den Norden«, wandte sie sich halb zu ihrer Nachbarin, die sie freundlich anblickte.
»Wir haben in Los Cristianos gebucht. Zum fünften Mal. Strandwandern tut unseren Beinen gut.«
»In Cristianos haben Sie vielleicht mehr Sonne als ich.«
Die Nachbarin wiegte den Kopf.

»Aber im Norden (...) ist die Landschaft gewaltiger. Die Küste ist felsig und grün. Die Brandung donnert ungeheuerlich.«
»Brandung ist nichts für uns. Wir waten durchs Wasser (...).«"
(2005, S.40)

Wir haben uns also mit Christine für den Norden Teneriffas entschieden. Wohin im Norden ist damit die nächste Frage.

Puerto de la Cruz

Puerto de la Cruz, kurz Puerto genannt, ist der Urlaubsklassiker der Insel und auch Christine hat sich entschlossen, dort ihren Kurzurlaub zu verbringen.

Straßen und Plätze in Puerto de la Cruz

Das Leben spielt sich im Süden weniger drinnen als auf Straßen und Plätzen ab. PLESCHINSKI warnt jedoch davor die südländischen Menschen über einen Kamm zu scheren und hebt deshalb die feinen Unterschiede hervor.

Leichtes Licht

"Viele Jalousien und Fenster im Altstadtviertel standen offen. Als Passant spähte man nie aufdringlich in die fremden Wohnungen, nahm aber dennoch gern flüchtige Eindrücke mit. Bewohner putzten Schuhe, strickten, Familien saßen ums Abendessen. Die Tapeten in den Wohnräumen von Tenerifinos waren bunt. Die Anrichten, Sessel und Sofas erinnerten sofort an Möbel in altdeutscher Manier, aber in leichterer Konstruktion und mit dem Schwung hispanischer Schnitzschnörkel. Aus Porzellanschüsseln auf Wachstuchdecken dampften an einem Wochentag gewiß Gemüsesuppen, eher Teigwaren als Fleisch und teurer Fisch. Hinter keinem Fenster wurde gelärmt. Das Trugbild von turbulenten, bramabasierenden südländischen Menschen bei ihrer Familienzusammenkunft um den Tisch stimmte bei den Bewohnern der jahrhundertlang entlegenen, ausgebeuteten Vulkaninsel im Atlantik überhaupt nicht. Ziemlich still scheint unter den Deckenlampen gelöffelt zu werden, wobei aus mancher Zimmerecke der Fernseher plärrte. Von Madrid aus gesehen, galten die Tenerifinos vielleicht als die Ozean-Tiroler der iberischen Welt, deren Dialekt auf dem Festland niemand verstand."
(2005, S.101)

In der abendlichen Rushhour ist Gelassenheit erforderlich.

Leichtes Licht

"Die abendliche Betriebsamkeit störte sie nicht. Autos, Jeeps und Pick-ups schoben sich langsam durch die Calle Doctor Ingram. (...). Motorradfahrer in hochgekrempelten Jeans, selten mit Helm, stützten sich, wenn sie nicht gleich an Kleinlastern vorbeikamen, solange mit einem Fuß auf der Gehsteigkante ab. Niemand hupte, wenige eilten. Die Passanten wechselten zwischen den Stoßstangen von einer Seite der Calle zur anderen hinüber, brachten die späte Rush-hour noch mehr ins Stocken und bummelten an Schaufenstern von Likör-Bodegas, Bademodegeschäften, geöffneten Fincavermietungen vorüber."
(2005, S.100)

In den Fußgängerzonen von Puerto ist man dagegen unter seinesgleichen.

Der Plaza del Charco ist der belebteste Platz in Puertos Altstadt.

Leichtes Licht

"Hinter der Douglas-Parfümerie und der San-Francisco-Coffee-Bar tat sich die Plaza del Charco auf.
Palmen im Laternenlicht umsäumten das weite Geviert. An den Eckkiosken des Promenadentreffs leerten sich die Zeitungsständer, wurde Maronen und Teide-Postkarten verkauft. Die Gitter des Pelzgeschäfts neben ihr rasselten herab. (...). Hier auf dem Brunnenrand des Charco gestikulierte eine Riege alter Insulaner, lachte, mit wenigen Zähnen, ließ eine Pulle kreisen und paffte ungeniert in die abendliche Luft. Über den Tischen der Restaurantterrassen vermischten sich Sprachen mit Eau de Cologne und Düften von Paella und Crème Catalan. Die Kellner schleppten rotfruchtig gefüllte Karaffen, vielleicht schon Nachbestellungen, an ihr vorüber. Sie gab den Weg frei: Auf der Querstange einer Art von Wanderkruzifix mit Lotterielosen wippte ein Papagei im Rhythmus mit dem Gang und Ruf des Verkäufers: »Aqui viene la buena suerte!« hörte man die heisere Stimme: »Quien no gata, no gana!« Der silberne Pirat am Gassenzugang hatte ein weiteres Jahr durchgehalten und prangte mit Stulpenstiefeln und Dreispitz neben dem Bronzekopf Alexander von Humboldts, des naturkundlichen Inselprominenten. Jede zweite Felsspitze nannte sich Punto Humboldt."
(2005, S.126)

Wer es dagegen idyllischer mag, der bevorzugt dagegen die Plaza de la Iglesia, einen parkähnlichen Kirchplatz in der Altstadt von Puerto.

Essen gehen

Puerto bietet für jeden Geschmack etwas. Problematischer ist jedoch die Situation des Alleinessens.

Leichtes Licht

"So einfach war es nicht mit dem Essengehen. (...). Die Gourmettempel würde sie (...), wie jedes Jahr, nur durchwandern und wieder ins Freie treten. Es bereitete wenig Vergnügen, als Einzelreisende vor den Aquarien mit Langusten an einem piekfein gedeckten Tisch Platz zu nehmen, mit drei Sorten Gläsern. Die Steifheit nähme kein Ende, wenn ein Kellner die Zusatzkarten für Weine und Desserts aufschlug und aus der Ecke auf das moderate Nachschenken lauerte. Rauschzustände, ein Entschweben blieben dabei aus. Als Single-Kundin wurde sie ohnehin nur halbherzig begrüßt. Solo nähme sie einen Tisch mit mehreren Stühlen in beschlag und fühlte sich infolgedessen verpflichtet, zumindest von den teureren Menüs auszuwählen Erst falls sie am nächsten Abend wiederkäme, damit quasi ihren Anlauf zum Stammgast signalisierte, würde die Begrüßung jovialer ausfallen. Beim dritten Besuch schließlich (...) ließe die Aufmerksamkeit des Personals für die einzelne Fremde, die ohnehin fürs Lokal schon eingefangen zu sein schien, wieder spürbar nach. Oliven zum Aperitif würden vergessen, der Gazpacho lauwarm serviert. Sie kannte diese Abläufe. Zudem wirkten Einzelgäste armselig, als hätten sie ihre Familie bei einem Unfall verloren, als wären sie mit allem, bestenfalls nur noch mit sich selbst nicht - was jedoch auch keinen Betrachter begeisterte -, gescheitert. (...).
Nein, einfache Tavernen waren am besten. Sich an einen Tisch mit Papierdecke hinhocken, die Zigaretten auspacken und sich nicht irritieren lassen!"
(2005, S.107f.)

In Touristenzentren wie Puerto ist man jedoch eher auf EinzelesserInnen eingestellt als in abgelegenen Dörfern.  AlleinesserInnen sind aber auch in der angeblichen Single-Gesellschaft Deutschland keineswegs so selbstverständlich akzeptiert wie das sein sollte. Dies jedenfalls beklagte die Redakteurin der Zeitschrift Feinschmecker, Gabriele HEINS, unlängst in der taz.

Das Nachtleben genießen

Das Nachtleben spielt sich vorzugsweise in Kneipen, Pianobars und Diskotheken statt. Christine fühlt sich für die normalen Diskotheken bereits zu alt.

Leichtes Licht

"Keine Frage, mit dem Tanzen haperte es längst.
Öfters plante sie, nachts zum Abfeiern, zur Selbstbestätigung, zur Rückverwandlung?, in eine Disko loszuziehen, sich bis zum Morgengrauen auszutoben. Wie einst lasziv-heiter einen Tänzer zu umschlingen. Seit drei, vier Jahren blieb es bei der Phantasmagorie, und sie sog statt dessen im Einschlafen den Duft frischgewaschener Bettwäsche ein.
(...).
Sie zog mittlerweile Restaurants vor. Wichen Ausbruch und Eros den Vorspeisen mit Balsamico, Haselnußöl und marinierten Zwiebeln?" (2005, S.71f.)

Aber neben diesen Diskotheken für die jüngere Generation, gibt es auch Tanzlokale für die ältere Generation.

Leichtes Licht

"Sie tanzte nicht mehr gut. Und die Gelegenheiten für Standardtänze ... eins, zwei, Tangodrehung, vorwärts und zurück! ... waren begrenzt und nicht sehr lockend. Nur im Café de Paris, neben dem Hotel Valle del Mar, kurven die Paare bis in die Morgenstunden selbstverständlich mit Cha-Cha-Cha über die schwarzen Marmorfliesen".
(2005, S.75)

Wer wert auf In-Lokalitäten legt, der sollte sich in aktuellen Publikationen und Szene-Zeitschriften informieren.

Nahkampf im Terassencafé

Der Kampf um einen begehrten Platz für sich allein im Terassencafé am Meer, nimmt bisweilen skurrile Züge an. Bücher sind nicht nur zum Lesen da, wie man von Christine lernen kann.

Leichtes Licht

"Ein Buch in der Tasche zu haben blieb gerade tagsüber auf der Insel von rein praktischem und dem allergrößten Nutzen. - Auf Restaurantterrassen liebte sie besonnte Tische am Meer, wo die Gischt fast übers Weinglas stäubte. Solche Plätze zwischen Land und Wasser wurden allerdings auch gern von Ehepaaren und Rentnerkolonnen ins Visier genommen. Mitunter erkundigten sich die Co-Touristen, ob am idealen Tisch, wo der Gast aß, döste und bräunte, noch Plätze frei wären. Dann mußte sie unwillig, aber notgedrungen bejahen. Während die Invasoren unbekümmert ihre Gespräche darüber weiterführten, daß in Düsseldorf das Garagentor klemmte, welches Abführmittel das durchschlagendere Ergebnis zeitigte, daß die Nacht frischer sei als der Tag, und Omelette bestellte, zog sie plötzlich ihre Waffe aus der Tasche. Gedrucktes, das unvermittelt auf der Tischplatte lag, verwirrte die Leute. - Die Plaudereien verhaspelten sich angesichts eines per se mysteriösen Buchumschlags. Ließen sich die Störenfriede durch das bloß drohende Lesen einer Sitzenden noch nicht vertreiben, würde sie das Werk mutig in der Mitte aufschlagen. (...) Über den Rand ihres Taschenbuchs konnte sie zudem sanft vernichtende Blicke über die Fäkalkolporteure schweifen lassen. Viele, die den Meerestisch okkupiert hatten, sahen sich bereits während dieser Kampfphase nach einem freien Platz im hinteren Terrassenbereich um."
(2005, S.110)

Baden in Puerto

Die Badenanlagen der Costa Martiánez, die von dem auf Lanzarote geborenen Künstler César MANRIQUE entworfen worden sind, gelten als Vorbild der heutigen Spaßbäder. Christine ist diesen Neuerungen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen.

Leichtes Licht

"Trotz des diesigen Wetters waren die Liegestühle des Wasserparks um den Lago Martiánez vermietet. Der legendäre Architekt des Archipels, wie hieß er noch?, hatte das frühe Wellnessareal für die Lavagestade entworfen.

Ein künstlicher See, Wasserfälle und Fontäne, Terrassen auf etlichen Ebenen, im Untergeschoß das Revuetheater - von Gemäuer und Türmchen nach alter Inselbauweise umfaßt -, böengeschützt und gleichsam im Meer selbst. In diesem Gehege döste, las und schwamm, wer die Brandung fürchtete."
(2005, S.97)

Am Meer entlang

Wer es bequem haben möchte, der bummelt auf der breiten Promenade Paseo San Telmo am Meer entlang. Christine liebt dagegen das Abenteuer.

Leichtes Licht

"Unweit der Innenstadt donnerte der Atlantik auf die Betonklötze, die als immense Brandungsbrecher, übersät von krabbelndem Schalengetier, in die Fluten versenkt worden waren. Von der Auftürmung, vom Ozeansaum aus sähe sie die Lichter der Bergstraßen und des Casino Taoro glimmen. Wer spät in der Nacht den Weg oberhalb der Steinquader nahm, jenseits des Amüsierplatzes auf dem Randpfad einen Spaziergang wagte, mußte damit rechnen, daß vor ihm plötzlich meterhohe salzige Fontänen aus dem Dunkel zischten und ihn in Gischtregen tauchten. Man sprang immer, so achtsam man auch gewesen war, zu spät beiseite, schrie durchnäßt auf, vernahm sein eigenes Lachen nicht, weil das Meer es übertoste. Aus dem Finstern würden die Kräfte und schaumbewehrten Massen im Nu wieder auf sie zu wogen. Es war der herrlichste, gewaltigste Mitternachtsweg, der zu finden war."
(2005, S.118f.)

In den Parks

Christine blickt zwar des öfteren hoch zum Casino de Taoro, aber dorthin begleiten dürfen wir sie nicht, obwohl es dort den reizvollen Parque de Taoro mit Wasserfällen gibt.

Im Botanischen Garten kann man exotische Pflanzen und ungewöhnliche Bäume bewundern.

Shopping in Santa Cruz

Was tun, wenn es doch einmal regnet? Christine würde dann in die Hauptstadt Santa Cruz fahren. In Santa Cruz geht es weniger touristisch, dafür aber großstädtischer zu.

Leichtes Licht

"An Tagen, wenn vorübergehend Regen über die Strände des Nordens prasselte, konnte man rasch die Expreßlinie 102 in die Hauptstadt nehmen, um unter den Shoppingarkaden zu bummeln, sich im Corte Inglés bunte spanische Teekannen anzuschauen, sich durch die Kosmetikabteilung zu salben und zu bestäuben und sich durch Kaufen Swing und Tagesfülle zu verschaffen."
(2005, S.81f.)

Wem die Großstadt zu hektisch ist, der kann sich bei Regen auch den Innenhöfen, Galerien oder Museen von Puerto widmen.

 
     
 
     
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 22. Mai 2005
Update: 22. November 2018