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Herbstthema

 
       
   

Unsere Zukunft, unsere Rente

 
       
   

Der bevorstehende Kampf um die Stabilisierung des Rentenniveaus. Eine Einordnung seiner Bedeutung in der gegenwärtigen Rentendebatte   
 

 
     
       
     
   
     
 

Zitat:

Alles im Fluss

"In 26 Folgen haben SZ-Autoren (...) beleuchtet, was bei der privaten, betrieblichen und gesetzlichen Alterssicherung in Deutschland gut und schlecht läuft, wie alte Menschen ihr Leben gestalten und welche neuen Geschäftsmodelle es rund um den Ruhestand gibt"
(Thomas Öchsner in der SZ v. 16.09.2016)

Alles im Fluss?

In der 26teiligen Serie Unsere Zukunft, unsere Rente hat uns die SZ die Vorstellungen der oberen Mittelschicht zur Umgestaltung der Alterssicherung und des Ruhestands vorgestellt. Das geschah nicht zufällig gerade jetzt, sondern ganz gezielt im Vorfeld der Veröffentlichung des Alterssicherungsberichts 2016, ein Bericht, der nur einmal pro Legislaturperiode veröffentlicht wird, und des jährlich erscheinenden Rentenversicherungsberichts.

Im Herbst soll gemäß der Zeitschrift Wirtschaftswoche (Cordula TUTT & Jurik CASPAR "Nahles' Wahlkampfschlager", 16.09.2016 ) die Prognose der zukünftigen Rentenentwicklung bis 2045 fortgeschrieben werden. Diese endete bislang im Jahr 2030. Schon seit Monaten wird die Öffentlichkeit durch die unterschiedlichen Akteure auf dem Feld der Alterssicherung durch interessengeleitete Sichtweisen auf dieses Konfliktfeld vorbereitet. Es sind in erster Linie die Wirtschaftsinteressen, die uns in den Mainstreamzeitungen präsentiert werden. Die Interessen der Bevölkerung bleiben dagegen unterbelichtet bzw. es werden die Interessen der oberen Mittelschicht mit den Interessen der Bevölkerung gleichgesetzt. Dies führt dazu, dass über kritische Stimmen jenseits dieser dominanten Interessen nur am Rande, meist aber gar nicht berichtet wird. Deshalb sollen in diesem Herbstthema die Einseitigkeiten der bisherigen Debatte am Beispiel der SZ-Serie aufgezeigt werden.

Die Dimensionen der Alterssicherung und des Ruhestands als Themen der öffentlichen Debatte

Die Alterssicherung kann unterschieden werden in gesetzliche Rentenversicherung (GRV), betriebliche Altersvorsorge (bAV) und private Altersvorsorge (pAV). Betriebliche und private Altersvorsorge funktionieren nach dem Kapitaldeckungsverfahren, während die GRV nach dem Umlageverfahren organisiert ist. Entlang dieser beiden  Prinzipien haben sich seit der Debatte um die Riester-Rentenreform in Deutschland die organisierten Interessen aufgestellt. Die Befürworter des Umlagesystems gelten den Mainstreamzeitungen als rückständige Blockierer eines modernen Alterssicherungssystems. Dabei wird der Begriff der Generationengerechtigkeit zur Rechtfertigung der kapitalgedeckten Altersvorsorge missbraucht, denn die Frage der Generationengerechtigkeit ist keine Frage von Kapitaldeckung contra Umlagesystem, sondern eine Frage der politischen Ausgestaltung der Alterssicherung. In der gegenwärtigen Debatte wird Generationengerechtigkeit auf Konflikte zwischen den Altersgruppen reduziert, wobei die Unterschiede innerhalb der jeweiligen Altersgruppen unterbelichtet bleiben.

Bei den Fragen wie der Ruhestand zukünftig gestaltet werden soll, geht es zum einen um die Erhöhung bzw. Flexibilisierung des Renteneintrittsalters und zum anderen um die Ausdehnung der Erwerbstätigkeit im Rentenalter. Der Ruhestand erhält damit eine andere Qualität. Die Älteren werden differenziert in junge Alte und alte Alte. Erstere sollen verstärkt einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich zumindest ehrenamtlich engagieren bzw. Hilfestellungen für die eigenen Kinder und Enkelkinder leisten. Die alten Alten gelten als pflegebedürftig, wobei diese Phase idealerweise so kurz wie möglich sein sollte. Der traditionelle Ruhestand gilt in dieser Sicht als überholt (vgl. "Leben im Ruhestand" von Tina DENNINGER u.a., 2014). Die neuen Alten sind keine passiven Transferempfänger, die ihren Kindern oder dem Staat zur Last fallen, sondern folgen dem sozialstaatlichen Aktivierungsparadigma. Sie werden zu produktiven Alten im Gegensatz zu unproduktiven Alten in früheren Zeiten. In der folgenden Tabelle werden die Themen der SZ-Serie im Überblick dargestellt:

Themen Serienfolgen Experten Porträts
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) 1; 16; 22; 24, 26 Interview mit Jens SPAHN (CDU); Ulrike MASCHER (VdK); Ursula STAUDINGER (Altersforscherin); Wolfgang PROSINGER (Sachbuchautor); Interview mit Franz MÜNTEFERING (SPD) Hartmut MEHDORN (Manager);
kapitalgedeckte Altersvorsorge (bAV und pAV) 2; 4; 6; 7, 8; 9; 10; 14; 26 Axel KLEINLEIN (bdV); Roland WEBER (Debeka); Kerstin BECKER-EISELEN (Verbraucherzentrale); Frank GRUND (Bafin); Roland HARSTORFF (Versicherungsberater); Peter SCHWARK (GDV); Niels HAUHAUSER (Verbraucherzentrale); Carsten ZIELKE (Beratung von Finanzdienstleistern);
Werner SIEPE (Finanzmathematiker); Günter SIEPE (Steuerberater); Julius REITER (Anwalt); Dirk ULBRICHT (iff); Christoph BUTTERWEGGE; Andreas Beck (Institut für Vermögensaufbau); Fleur PLATOW (Sachbuchautorin); Annegret STOLBERG (HSBC); Annabel OELMANN (Verbraucherzentrale); Ruth STEINERT (Finanzberaterung); Constanze HINTZE (Vermögensberatung);
Ulrich PFAFFELHUBER (DUK Versorgungswerk); Lehman Bank-Opfer
Rentnerlobby, Rentnerdemokratie 3 Wahlforschung Ulrike MASCHER (VdK)
Rentendebatte 5; 10 Axel BÖRSCH-SUPAN (Autor); Friedrich BREYER (Autor); Hans-Günter HOCKERTS (Historiker); Gerhard MACKENROTH (Soziologe) Norbert BLÜM (ehemaliger Minister)  
Rentensysteme im internationalen Vergleich 11; 21 Philipp VORNDRAN (Vermögensverwalter); Volker BOUFFIER (Ministerpräsident); Peter BOFINGER (Ökonom); Hermann-Josef TENHAGEN (Finanztip);  
Pflegebedürftigkeit 12; 13; 18 Claus FUSSEK (Sachbuchautor); Sophie BOISSARD (Korian); Dietmar FISCHER (Unternehmensberatung); Matthias STEINER (Augustinum); Verena QUERLING (Verbraucherzentrale); Christine SOWINSKI (KDA); Monika SCHNEIDER (BAG; Artur FRANK (SeniorPalace);
Lebensqualität 15    
Wohnort; Kreuzfahrt; Seniorendorf (Frankreich) 17, 21 Manfred GOGOL (Geriatrie); Frieder LANG (Altersforscher); Gérard PINNEBERG (Les Senioriales);  
Nachlass/Erbschaft/Tod 19; 20; 24 Sabine MOOSBURGER (Familienberatung); Anonymus (Nachlassverwalter); Bernhard KLINGER (Anwalt); Axel WOLF (Immobilienmakler); Daniela SPÄT (SOS Kinderdorf); Marie-Theres FIMBERGER (Agentur für digitalen Nachlass); Christopher EILER (Columba)  
Ehrenamt/Hinzuverdienst 22; 25 Holger SCHÄFER (IW); Stefan HARDEGE (DIHT); Ursula KÖSTER (Sozialwissenschaftlerin); Christoph BUTTERWEGGE Lutz NOCINSKI (Rent-a-rentner); Karl-Heinz KOCK (Kölner Zeitbank)
Rentner als kaufkräftige Zielgruppe 23 Ursula FRIEDSAM (Seniorenmesse "Die 66"); Gundolf MEYER-HENTSCHEL (Seniorenmarketing)  

Auf den ersten Blick ist erkennbar, dass das Schwergewicht der Serie auf der kapitalgedeckten Altersvorsorge liegt. Bei den Experten dominieren Verbraucherschützer, Finanzdienstleistungsbranche und Unternehmer. Kritiker des derzeitigen Alterssicherungssystems bzw. des produktiven Altersbildes sind stark unterpräsentiert. Lediglich Ulrike MASCHER (VdK), Christoph BUTTERWEGGE (Sozialwissenschaftler) und Peter BOFINGER (Ökonom) können als  Stimmen in der Rentendebatte bezeichnet werden, die nicht dem vorherrschenden neoliberalen Paradigma zuzuordnen sind.

Wenn in Mainstreamzeitungen von Lobbyismus geredet wird, dann sind damit immer nur die Sozialverbände und Gewerkschaften gemeint, während der Lobbyismus der Wirtschaftsverbände als Expertentum oder Beratung geadelt wird. Während also die Interessen der Rentner, der Armen oder Geringverdiener als unberechtigt gelten und als "hohe Ansprüche", "Vollkaskomentalität" oder "Gerontokratie" diffamiert werden, werden allein die Profitinteressen der Wirtschaft zum Maßstab der Debatte gemacht. Die Profitinteressen werden in der Rentendebatte als Kostenfrage thematisiert, während die Nutzenfrage weitgehend ausgeblendet wird.

Die Vorstellungen politischer Akteure zur Rentenpolitik 

In der nachfolgenden Tabelle werden Studien, Konzeptpapiere und Gesetzesentwürfe aufgelistet, die von April bis September 2016 in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Damit soll die Bandbreite der Debatte sichtbar gemacht werden, die in der SZ-Serie unterbelichtet ist.

Datum Institution/Verfasser/Auftragsgeber Veröffentlichung
12. 04.2016 WDR 5 Die Projektion: Ausblick ins Jahr 2030
15.04.2016 Gutachten von Peter HANAU & Marco ARTEAGA im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Rechtsgutachten zu dem »Sozialpartnermodell Betriebsrente« des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
15.04.2016 Gutachten von Dirk KIESEWETTER u.a. für das Finanzministerium. Optimierungsmöglichkeiten bei den Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung
17.05.2016 Gutachten der Beratungsgesellschaft PWC im Auftrag des Lobbyverbandes Wirtschaftsrat der CDU e.V., das der FAZ zugespielt wurde FAZ v. 17.05.2016
17.05.2016 INSM-Gutachten  von Jochen PIMPERTZ (IW Köln) Reform der Alterssicherung
25.05.2016 Eckart BOMSDORF Zügige Einführung eines einheitlichen Rentenwertes in Ost und West. Anregungen zu einem »Rentenüberleitungsabschlussgesetz« im Ifo Schnelldienst Nr.10/2016
03.06.2016 Die Grünen Abschlussbericht der Grünen Rentenkommission
05.06.2016 Konzeptpapier von Peter WEIß, rentenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Eva WELSKOP-DEFFAA, Chefin der Arbeitsgruppe Rente in der CDU und Mitglied des Bundesvorstandes von Ver.di Rente 4.0 - Das Konzept der dynamischen Rente für die Arbeitswelt der Zukunft
13.06.2016 Studie der Prognos AG im Auftrag des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) Perspektive 2040
06.07.2016 Positionspapier der parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion Gute und zukunftsfeste Renten solidarisch sichern!
07.07.2016 Rentenpolitisches Grundsatzpapier der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) Nachhaltige Finanzierbarkeit und Leistungsfähigkeit unserer Alterssicherungssysteme sicherstellen
07.07.2016 DIW-Diskussionspapier von Tim BÖNKE u.a. The joint distribution of net worth and pension wealth in Germany
20.07.2016 Der Referentenentwurf des BMAS wird dem Bundeskanzleramt vorgelegt Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung
(Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz)
20.07.2016 Diskussionspapier der IG Metall Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung
01.08.2016 IW Köln-Studie von Tobias HENTZE Effekte der Niedrigzinsen auf die betrieblichen Pensionsrückstellungen in Deutschland
09.08.2016 Positionspapier des Sozialverband VdK Deutschland Rentenpolitische Forderungen des Sozialverbands VdK Deutschland
15.08.2016 Deutsche Bundesbank Exkurs Zur längerfristigen Entwicklung der Alterssicherung im Monatsbericht August
23.08.2016 Sozialverband Deutschland (SoVD) Bekämpfung von Altersarmut. Vorschläge und Forderungen des SoVD
06.09.2016 Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) startet Rentenkampagne Kurswechsel: Die gesetzliche Rente stärken!
14.09.2016 Kabinettsbeschluss Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben
(Flexirentengesetz – FlexiG)

Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Reformvorhaben bis zum Ende der Legislaturperiode

Die in der Präambel des Koalitionsvertrags vom 17. Dezember 2013 beschriebenen Rentenvorhaben wurden bis auf die solidarische Lebensleistungsrente bereits in Angriff genommen.

Zitat:

Altersarmut verhindern – Lebensleistung würdigen

"Die Erfolgsgeschichte der steigenden Beteiligung Älterer am Erwerbsleben in Folge der Rentenreformen wollen wir fortschreiben. Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in der Rente auszahlt. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einführen. Angesichts verlängerter Lebensarbeitszeit ermöglichen wir langjährig Beschäftigten einen um zwei Jahre früheren abschlagsfreien Rentenzugang. Die Erziehungsleistung der Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, werden wir stärker würdigen."
(Aus: Koalitionsvertrag Deutschlands Zukunft gestalten v. 17.12.2013)

In Kapitel 2.3, das mit sozialer Sicherheit überschrieben ist, werden folgende Rentenvorhaben aufgezählt:

1) Arbeiten bis 67 gestalten: Damit ist zum einen die abschlagsfreie Rente ab 63 gemeint, die mit dem Rentenpaket 2014 verabschiedet wurde, und die Neugestaltung flexiblerer Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand (kurz: Flexi-Rente, die gerade vom Bundeskabinett beschlossen wurde.
2) Erwerbsgeminderte besser absichern: Mit dem Rentenpaket 2014 wurden Verbesserungen beschlossen, die jedoch in der öffentlichen Rentendebatte selten erwähnt werden. Stattdessen wird das Rentenpaket 2014 meist auf die von den Arbeitgebern bekämpfte Rente ab 63 und die Mütterrente reduziert.
3) Private und betriebliche Altersvorsorge stärken: Verbesserungen in diesem Bereich werden von Arbeitgebern (Wegfall der Haftung), der Finanzdienstleistungsbranche (Wegfall der Garantien und damit Risikoabwälzung auf die Versicherten), und nicht zuletzt von den Gewerkschaften (Stärkung der eigenen Machtposition) gefordert werden. Ein entsprechendes Gesetz soll noch verabschiedet werden. In der Medienberichterstattung ist es eines der großen Themen.
4) Lebensleistung in der Rente honorieren: Die solidarische Lebensleistungsrente wird von allen politischen Akteuren als unzureichend bzw. als mit zu hohen Kosten verbunden bekämpft. Nichtsdestotrotz soll an dem Gesetz weiter festgehalten werden.
5) Kindererziehung besser anerkennen (Mütterrente): Verbesserungen bei der Mütterrente wurden mit dem Rentenpaket 2014 beschlossen. Lediglich der CSU gehen die Verbesserungen nicht weit genug, weshalb sie weitere Verbesserungen in der Rentendebatte ins Spiel gebracht hat.
6) Minijobs: Verbesserungen sind durch die geplante Flexi-Rente (siehe Punkt 1) geplant.
7) Eigenständige Alterssicherungssysteme erhalten
8) Angleichungsprozess Ost-West fortsetzen. Ein Gesetzesentwurf zur Ostrentenangleichung wurde von Andrea NAHLES im Vorfeld der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ans Kanzleramt geschickt. Seitdem wird über die Finanzierung des Vorhabens gestritten.
9) Modernes Entschädigungsrecht. Dieser Punkt wird in der öffentlichen Rentendebatte ausgeklammert.

Wird es einen Rentenwahlkampf um die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung geben?

Schon seit Monaten beschwören Neoliberale einen Rentenwahlkampf im Herbst 2017, den es unter allen Umständen zu verhindern gelte. Die schon im Frühjahr publik gewordene Rentenkampagne der Gewerkschaften zur Stärkung der gesetzlichen Rente, die Anfang September gestartet wurde, gilt den Befürwortern der kapitalgedeckten Altersvorsorge, als Anlass um eine solche Stärkung - auch mittels purer Demagogie zu diffamieren. Der Hintergrund dieser bevorstehenden Debatte ist der Tatsache geschuldet, dass die Festlegung des Niveaus der gesetzlichen Rente über 2030 hinaus, auf der politischen Agenda steht. Nicht nur die Gewerkschaften und die Sozialverbände, sondern vor allem die Arbeitgeber (mittels deren Lobbyorganisationen IW Köln, BDA und INSM) und die Versicherungswirtschaft bzw. Finanzdienstleistungsbranche (GDV, Prognos AG, Deutsche Bank) haben sich im Vorfeld positioniert, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die entscheidende Frage ist also, inwiefern mit einer Festlegung des Rentenniveaus über 2030 hinaus, ein solcher Rentenwahlkampf verhindert werden kann. Außerdem wird von Neoliberalen versucht, dem Thema Rente mit einem Steuersenkungswahlkampf Konkurrenz zu machen. Ob die Rente eine entscheidende Rolle bei der Bundestagswahl 2017 spielen wird, ist längst nicht sicher und entscheidet sich vor allem in den nächsten Monaten.

Die Debatte um eine notwendige Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Verharmlosung zukünftiger Altersarmut als neoliberale Strategie

Bis zur Riester-Reform Anfang des Jahrtausends wurde die gesetzliche Rente als Mittel zur Erhaltung des Lebensstandards im Rentenalter betrachtet. Seit der Riester-Reform propagieren die neoliberalen Kräfte dagegen die private Altersvorsorge als notwendiges Mittel, um den Lebensstandard im Alter halten zu können. Die gesetzliche Rente wird durch die Absenkung des Rentenniveaus, die in der so genannten Rentenformel angelegt ist,  in ihrer Funktion jenseits der Armutsbekämpfung immer mehr geschwächt. Die Befürworter einer Stabilisierung bzw. Erhöhung des Rentenniveaus sehen darin einen Legitimationsverlust, während Neoliberale die Absenkung als notwendigen Beitrag zur Beitragssatzstabilisierung sehen. Statt das Rentenniveau zu stabilisieren wollen die Neoliberalen mit einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus, den Beitragssatz stabilisieren. In der Kopplung des Renteneintrittsalter an die durchschnittliche Lebenserwartung wird von Neoliberalen der Königsweg zur Verhinderung von Rentendebatten gesehen. Öffentliche Diskussionen sind Neoliberalen ein Dorn im Auge. Kritiker haben deshalb den Begriff Postdemokratie für solche Formen der Ausschaltung demokratischer Beteiligungsprozesse geprägt. Weil der demografische Wandel als Argument zur Installation solcher technokratischer Politikformen missbraucht wird, kann man hier auch von einer Demografisierung gesellschaftlicher Probleme sprechen.

Die Debatte um die Bekämpfung der Altersarmut ist zum einen durch Definitionskämpfe geprägt und zum anderen lenkt sie vom berechtigten Interesse der Rentner an der Erhaltung ihres Lebensstandards im Alter ab. Neoliberale setzen Altersarmut mit der Angewiesenheit auf Grundsicherung im Alter gleich, während Sozialverbände und Gewerkschaften von einem Armutsbegriff ausgehen, der bei 60 % des Medianeinkommens - also oberhalb des Grundsicherungsniveaus - liegt. Neoliberale setzen bei der Erhaltung des Lebensstandards auf die private Altersvorsorge, während die Gewerkschaften neben der gesetzlichen Rentenversicherung die betriebliche Altersvorsorge ausbauen wollen. Diese Form der Kapitaldeckung unterliegt jedoch den gleichen Kapitalmarktrisiken wie die private Altersvorsorge, weswegen Kritiker der Kapitaldeckung alle Formen der Alterssicherung jenseits der gesetzlichen Rente ablehnen. Derzeit gibt es also prinzipiell drei Lager hinsichtlich des zukünftigen Alterssicherungsmixes:
1) Diejenigen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) die einzig sinnvolle Sicherungsform sehen (z.B. Martin W. BIRKWALD von der Linkspartei).
2) Diejenigen, die neben der GRV nur in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) eine adäquate Lösung sehen (z.B. IG Metall)
3) Diejenigen, die in erster Linie die kapitalgedeckte Altersvorsorge (bAV) stärken wollen (Versicherungswirtschaft und Finanzdienstleistungsbranche)

Die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge als Königsweg?

Bereits im Januar 2015 legte das Bundesarbeitsministerium einen umstrittenen Entwurf Neues Sozialpartnermodell Betriebsrente zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge vor (vgl. Johannes STEFFEN, Sozialpolitik-Portal, März 2015) . Dabei steht die Stärkung im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen im Mittelpunkt. Die DGB-Zeitschrift Soziale Sicherheit befasste sich in ihrem Juni-Heft 2016 ausgiebig mit dieser Thematik. Problematisch ist, dass sowohl die Entgeltumwandlung als auch das Riestern über die Rentenformel zur Schwächung der gesetzlichen Rente beiträgt (zur Entgeltumwandlung vgl. Judith KERSCHBAUMER "Vorschläge zur Stärkung der bAV für Geringverdiener", Soziale Sicherheit, Heft 6, 2016; Florian BLANK "Die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung – Regulierung, Verbreitung und verteilungspolitische Aspekte", Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung 3, 2014). Eine weitere Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge könnte also noch stärker zu Lasten der gesetzlichen Rente gehen, weswegen die Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente unter diesem Gesichtspunkt eine sinnvolle Strategie ist.

Den Nutzen einer Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge für die Gewerkschaften und die Arbeitgeber hat Astrid WALLRABENSTEIN in ihrem Beitrag Stärkung der betrieblichen Altersversorgung - warum eigentlich und zu welchem Ziel? in der Zeitschrift Soziale Sicherheit, Heft 6, 2016, beschrieben. Mit sanftem Zwang sollen die Arbeitnehmer zur betrieblichen Altersvorsorge "überredet" werden. Inwiefern Geringverdiener im Gegensatz zu Besserverdienenden davon profitieren würde, das steht auf einem anderen Blatt. Schon jetzt profitieren vor allem Besserverdienende von einer betrieblichen Altersversorgung. Da die Lebenserwartung analog zur Einkommenshöhe steigt, könnten Besserverdienende durch das Versicherungsprinzip überproportional profitieren.

Fazit: In den nächsten Monaten steht die Debatte um Eckpunkte der Rentenentwicklung nach 2030 auf der politischen Agenda, die uns bis zur Bundestagswahl begleiten könnte

Die von der Regierung geplanten Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode werden die Alterssicherung weiter in Richtung Kapitaldeckung verschieben und damit die gesetzliche Rentenversicherung weiter schwächen. Eine Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente über 2030 hinaus, wird die Debatte in diesem Herbst bestimmen. Mehr als die Festlegung auf einem niedrigen Niveau ist nicht zu erwarten. Die Gewerkschaften ziehen in dieser Frage nicht an einem Strang, weil sie teilweise (z.B. IG Metall und IG BCE) mit Versorgungswerken in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) involviert sind. Ihnen ist deshalb eher an einer guten Aushandlungsposition in Sachen bAV gelegen. Die Rentenkampagne zur Stärkung der gesetzlichen Rente dient insbesondere zur Verbesserung der Verhandlungsposition in der zweiten Säule. Hauptsächlich der DGB und mit Abstrichen Ver.di werden deshalb die treibenden Kräfte in Sachen gesetzlicher Rente sein. Spezielle Aspekte der geplanten Rentenreformen werden in weiteren Themen auf dieser Website ausführlicher behandelt werden.

 
     
 
       
   

Die Artikel der SZ-Serie

 
       
   

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 1): Samstagsessay.
Kein Auslaufmodell: Die Rente ist besser als ihr Ruf. Viele Leistungen: Sie bietet weit mehr als private Anbieter. Aber dennoch: Reformen sind notwendig

ÖCHSNER, Thomas (2016): Alt, aber gut.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (1): Banken wanken, Versicherer schwächeln, doch die gesetzliche Rentenversicherung wird auch in Zukunft eine Säule der Alterssicherung bleiben. Wir sollten sie nicht kaputt reden,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 09.07.

Ein Loblied auf die gesetzliche Rente im neoliberalen Wirtschaftsteil der SZ? Richtig, da ist etwas faul! Thomas ÖCHSNER will lediglich die Kollateralschäden neoliberaler Propaganda beseitigen. Neoliberale haben die gesetzliche Rente nämlich in den letzen 10 Jahren so schlecht geredet, dass die Parolen von Horst SEEHOFER zur Altersarmut auf fruchtbaren Boden fallen. Aus einzig diesem Grunde erläutert uns nun ÖCHSNER die Vorzüge der gesetzlichen Rente. Sie sei kein Auslaufmodell, sondern viel besser als ihr Ruf, lautet die revidierte neoliberale Formel in Zeiten der Rentendebatte.

"Rentenversicherung hat mehr als 125 Jahre überlebt. Darunter zwei Weltkriege, eine Hyperinflation, die deutsche Einheit, die New-Economy-Blase und die Finanz- und Eurokrise. An den Aktienmärkten können sich Billionen Euro in Luft auflösen und Zertifikate der US-Pleitebank Lehman über Nacht wertlos werden, die Rente kommt trotzdem pünktlich.
Es ist ein Glücksfall, dass die gesetzliche Alterssicherung nicht vom Auf und Ab der Aktienkurse und Zinsen abhängt und niemand an ihr Geld verdient. Weder wenn der Beitrag eingezahlt, noch wenn die Rente ausgezahlt wird, kann irgendeine Bank, Versicherung oder Drückerkolonne Provisionen für sich abzweigen. Es gibt keine Gebühren, keine Werbung, die das Geld der Versicherten wegfrisst. Die Rentenversicherung mag wie eine angestaubte Behörde aus vergangenen Zeiten wirken, aber sie arbeitet effizient. Die Verwaltungskosten belaufen sich auf 1,4 Prozent ihrer Gesamtausgaben. Bei Riester-Verträgen können sie um ein Vielfaches höher sein",

erklärt uns ÖCHSNER. Selbst die Rendite soll besser sein, als uns die Befürworter der Privatisierung lang Zeit vorgemacht haben. Und Leistungen, die auf dem Kapitalmarkt nie zu erhalten wären, bietet uns die gesetzliche Rentenversicherung.

Trotz all dieser Vorzüge wird uns die Privatisierung der Altersvorsorge als alternativlos dargestellt - einzig die Argumente der Neoliberalen haben sich geändert. Da die Rendite kein plausibles Argument mehr ist, wird uns die zukünftige Arbeitsmarktsituation in düsteren Farben gemalt. Dabei ist es nur kurze Zeit her, da uns die Vollbeschäftigungsgesellschaft gedroht hat. Neoliberale lieben Horrorszenarien, wenn sie ihnen passen. Dass diese ständig den Erfordernissen angepasst werden, scheint niemandem aufzufallen.

Was uns in den restlichen Teilen dieser Serie, die einem plumpen neoliberalen Ideologieskript folgt, erwartet, das erzählt uns ÖCHSNER zum Schluss:

"Deutschland braucht eine florierende Wirtschaft, ein flexibles Rentenalter, steigende Einkommen, fleißige Zuwanderer, Ganztagsschulen und viele Milliarden für die Bildung, damit junge Menschen nicht von der Schule ohne Abschluss gehen oder keinen Beruf erlernen. Wer in jungen Jahren lange von der Hand in den Mund oder von Hartz IV lebt, wird auch im Alter auf staatliche Hilfe angewiesen sein. Nötig ist vielleicht auch eine steuerfinanzierte Mindestrente für langjährig Versicherte".

Und der Gegner wird auch gleich genannt, auf den die Serie abzielt: diejenigen, die für eine Anhebung oder Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente plädieren. Uns wird also die Stärkung der privaten Altersvorsorge, die zu Lasten der gesetzlichen Rente gehen wird, als alternativlos dargestellt werden.

Die SZ-Serie flankiert - bestimmt nicht zufällig - den Dialog Alterssicherung von Andrea NAHLES.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 2): Warum die Riester-Rente gescheitert ist

GENTRUP, Anna (2016): Erst Hoffnungsträger, nun Sorgenkind.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (2): Die rot-grüne Regierung unter Schröder wollte die deutsche Altersvorsorge novellieren, heraus kam das Riester-Modell. Es gerät jedoch immer mehr unter Druck: Zu bürokratisch, zu kompliziert und zu teuer, monieren die Kritiker. Letztlich subventioniere der Staat die Versicherer,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 12.07.

Anna GENTRUP macht sich das Schlagwort von Horst SEEHOFER von der gescheiterten Riester-Rente zu eigen, nur um der SPD-Linken, die für eine Abschaffung der Riester-Rente plädiert, Paroli zu bieten. Gescheitert heißt bei GENTRUP nämlich nur, dass die Riester-Rente verbessert werden muss. Dazu zieht sie Verbraucherschützer zu Rate, denn diese stützen das System, bei dem sie höchstens mangelnde Effizienz beklagen.

GENTRUP schildert uns erst einmal langatmig, warum die Riester-Rente 2001 überhaupt eingeführt wurde. Der Frontalangriff auf die gesetzliche Rente wurde mit Argumenten geführt, die sich nun als nicht mehr haltbar erwiesen haben. Da sind zuerst einmal die hohen Kosten der privaten Altersvorsorge, die von Gegnern der gesetzlichen Rente verheimlicht werden, wenn diese auf das hohe Sozialbudget der Rentenversicherung blicken:

"Ein Grund für die heftige Kritik sind die hohen Summen, die der Staat für diese Vorsorge aufbringen muss. (...). 2015 erhielten Riester-Sparer etwa drei Milliarden Euro an Zulagen, seit dem Riester-Start 2002 zahlte der Staat 25 Milliarden Euro. Dazu kommt der Aufwand für die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA). (...). Die Behörde hat rund 1400 Beschäftigte und wird von der Deutschen Rentenversicherung betrieben. 148 Millionen Euro sieht der Bundeshaushalt 2016 für die Verwaltungskosten der ZfA vor."

Einzig Axel KLEINLEIN ("Chef des Bundes der Versicherten") wird hierzu zitiert. Der Arbeitsministerin Andrea NAHLES wird jenes Reformvorhaben zugeschrieben, das GENTRUP uns kurz zuvor noch als Wunsch der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU vorgestellt wurde: Die Riester-Rente sollte "nicht vollständig mit der Grundsicher verrechnet" werden, was uns bei NAHLES dann als "neue Sparanreize" für Sozialhilfeempfänger verkauft wird.

Die staatlich gesponserte Stiftung Warentest wird dahingehend zitiert, dass Sparer "dank staatlicher Förderung eine ganz ordentliche Rendite auf ihre eingezahlten Riester-Beiträge" erhalten würden. Liest man jedoch weiter, dann bleibt davon gar nicht mehr übrig, wenn man nicht zu den privilegierten Eltern, sondern zu den Kinderlosen gehört. Aber auch bei den Eltern gibt es Eltern erster und zweiter Klasse, was eine Differenz von 125 Euro pro Jahr ausmacht. Während Kinderlose eine Rendite zwischen 3-5 Prozent erzielen könnten, seien es bei Eltern bis zu 7 Prozent. Dumm nur, dass von dieser Rendite am Ende bei den Auszahlungen abzüglich der Steuern kaum noch etwas übrig bleibt - je nach Produkt, auf das der Kunde hereingefallen ist.

Eine Mitarbeiterin einer Verbraucherzentrale erklärt uns, dass Bank- und Fondssparpläne gute Riester-Produkte seien, aber letztere auch nur, wenn man genügend Geld zurücklegen kann. Uns werden angeblich unabhängige Verbraucherschützer als Berater empfohlen, aber wer ist heutzutage überhaupt unabhängig? Die Stiftung Warentest z.B. ist nicht unabhängig, sondern hängt am Staatstropf - genauso wie die Verbraucherzentralen.

Lebensversicherer werden uns als die wahren Profiteure der privaten Altersvorsorge beschrieben. Bei ihnen könne die staatliche Förderung, die Kinderlose erhalten, völlig aufgefressen werden:

"Bei der Allianz machten schon die Verwaltungskosten von 153 Euro jährlich die Grundzulage wieder zunichte",

wird eine Verbraucherschützerin zitiert. Hinzu kommen noch die Abschlusskosten:

"Die Kosten fressen in den ersten fünf Jahren einen groß Teil der staatlichen Zuschüsse auf. Der Staat subventioniert indirekt die Versicherer und nicht die Bürger mit Niedrigeinkommen".

Der Versicherungsmathematiker KLEINLEIN kritisiert, dass die Lebenserwartung von den Lebensversicherern zu hoch kalkuliert wird. Dem Anwalt der Versicherer geht es lediglich um die Effizienz von Vorsorgeprodukte, deshalb fordert er nur günstige Produkte staatlich zu fördern. Wie das jedoch umgesetzt werden soll, das wird uns nicht erklärt.

Die Riester-Rente ist für GENTRUP nur gescheitert, weil sie derzeit nicht die Rentenlücke schließen kann, die angeblich durch die demografischen Herausforderungen (welche?) aufgebrochen ist:

"Effektiv bei der Verhinderung der Altersarmut ist das System nicht, die meisten Riester-Verträge, die heute in Kraft sind, laufen auf Zusatzrenten von weniger als 100 Euro im Monat hinaus."

Warum also diesem Unsinn nicht ein Ende machen? Private Altersvorsorge sollte wieder eine Vorsorgeform der Besserverdienenden werden, denn diese können es sich leisten die Profite der Finanzdienstleistungsbranche mitzusubventionieren. Der Staat dagegen wäre besser beraten die gesetzliche Rente zu stärken.

FROMME, Herbert (2016): Die Zweifel der Versicherer.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (2): Hohe Kosten, kleine Summen und Garantien machen Probleme,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 12.07.

Herbert FROMME klagt uns das Leid der Lebensversicherer, die die Riester-Verträge am liebsten abwickeln würden, weil sie damit derzeit unter Druck sind. Lediglich Schweizer Firmen wie Swiss Life, Basler und Helvetia tun dies öffentlich, während deutsche Anbieter bei der Rentendebatte mitsprechen wollen und deshalb doppeltes Spiel betreiben. Sparer mit niedrigen monatlichen Sparraten werden uns von FROMME als Problem beschrieben:

"Fünf Euro monatliche Verwaltungskosten für einen Vertrag erscheinen nicht viel. Aber wenn der Beitrag nur zehn Euro beträgt, wird es schwierig."

Daneben wird die Bürokratie durch den Zulagenprozess, der Garantiezins und die Verpflichtung zu Rückstellungen als Hemmnis für die Profite der Versicherungen beschrieben.

Fazit: Während Lebensversicherer unprofitable Altersvorsorge-Produkte einfach abwickeln können, sind die Versicherten die Dummen, wie uns das Manager-Magazin im Juni aufgezeigt hat (vgl. Britta LANGENBERG "Spiel des Lebens").

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 3): Wer die Interessen der Senioren vertritt

ÖCHSNER, Thomas (2016): Lobbyistin der Alten.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (3): Zu Besuch bei der wohl einflussreichsten Rentnerin Deutschlands: Wenn die VdK-Präsidentin Ulrike Mascher auftritt, wird sie in Berlin gehört. Trotzdem hätte sie gerne noch mehr zu sagen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 13.07.

Thomas ÖCHSNER erzählt uns wenig über den Einfluss des VdK und kompensiert das mit Biografischem zu Ulrike MASCHER. Einzig, dass sie als parlamentarische Staatssekretärin unter Walter RIESTER für die Riester-Rente mitverantwortlich war, ist in diesem Zusammenhang relevant. Der VdK zählt lediglich 1,7 Millionen Mitglieder, was bei 20 Millionen Rentner eher kein Machtbeleg ist, sondern eher die Ohnmacht dieser "Altenlobby" anzeigt.

"Kein Politiker kann die Präsidentin eines Verbandes übergehen, der von sich sagen kann, die Interessen von mehr als 20 Millionen Rentner und Wähler zu vertreten",

schwadroniert ÖCHSNER. Der Verband vertritt die Interessen seiner Mitglieder, aber noch lange nicht der älteren Wähler. Jeder Unternehmensverband hat hier mehr Einfluss auf die Politik, wie die derzeitigen Reformen zeigen, die von Arbeits- und Finanzministerium vorangetrieben werden. Vom VdK ist da nirgendwo etwas zu sehen.

Von einer Präsidentin, die die Riester-Rente mitzuverantworten hat und die sich heute auf ihren "damals guten Glauben" beruft, will sich nicht jeder vertreten lassen. Denn auch damals konnte man wissen, was man damit anrichtet, höchstens man schaute weg.

Die Rentengarantie wird uns als einziger Erfolg dieser angeblichen Altenlobby präsentiert und auch das ist noch mehr als fraglich. Die FAZ jedenfalls schrieb diese Rentengarantie der SPD-Linken und den Gewerkschaften zu und nicht dem VdK.

Den Vorwurf der Rentnerdemokratie kontert MASCHER mit dem Hinweis darauf, dass die Rentner als Eltern auch das Wohl ihrer Kinder im Blick hätten.

LUDWIG, Kristina (2016): Die Macht der Rentner.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (3): Eine Altersgruppe entscheidet über die Zukunft der Bundesrepublik,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 13.07.

Kristina LUDWIG hat nach Zeichen für eine Rentnerdemokratie gesucht, aber wenig wirklich Handfestes gefunden, denn das Einkommen ist wesentlich entscheidender als das Alter. Hinzu kommt, dass der Wähler auf die Regierungsbildung kaum Einfluss hat, denn selten wird diese direkt von Wählern vorbestimmt, sondern ist Ergebnis von Koalitionsgesprächen. Aus vergangenen Wahlen lassen sich auch keine Mehrheitsverhältnisse zukünftiger Wahlen herleiten, denn sonst könnte man das Wählen ja gleich bleiben lassen, oder? Wir haben es in der Bundesrepublik nicht mit einer Rentnerdemokratie oder Gerontokratie zu tun, sondern mit einer Klassengesellschaft, die mit einem angeblichen Generationenkonflikt diesen Sachverhalt zu verschleiern sucht.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 4): Die Betriebsrente soll zur dritten Säule der Alterssicherung werden

 TAUBER, Jonas & Herbert FROMME (2016): Vorsorgen über die Firma.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (4): Arbeitsministerin Andrea Nahles will unbedingt die betriebliche Altersversorgung ausbauen. Sie soll das Absinken der gesetzlichen Rente auffangen. Bisher ist das System komplex und lohnt sich in vielen Fällen für Arbeitnehmer nicht,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 19.07.

TAUBER & FROMME erzählen uns, dass der Renten-Dialog mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern von Andrea NAHLES unter Ausschluss der Presse stattgefunden hat. Jedoch haben die Autoren von einem Teilnehmer ein Stimmungsbild erhalten, das darauf hindeutet, dass die Stärkung der gesetzlichen Rente um jeden Preis verhindert werden soll. Dazu soll die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge dienen, die im Geheimen vorangetrieben wird.

Die Arbeitgeber ist vor allem die Arbeitgeberhaftung ein Dorn im Auge, weshalb die Abschaffung dieser Haftung oberste Priorität hat. Neu hinzugekommen ist unter dem öffentlichen Druck, der das Scheitern der Privatvorsorge konstatiert, die Stärkung der kapitalgedeckten, betrieblichen Altersvorsorge durch "staatliche Förderungen für Geringverdiener" und sanfter Zwang  durch eine "Opt-out"-Regel.

TAUBER & FROMME erklären uns, dass die gesetzliche Rente angeblich wegen demografischen Gründen unter Druck ist, während die private Vorsorge durch den Niedrigzins genauso wie die betriebliche Altersvorsorge unter Druck ist. Hier sollen offenbar die Rückstellungen der Unternehmen bzw. Versicherer, die diese als zu hoch empfinden, reduziert werden.

"Seit 2002 hat jeder Beschäftigte das Recht, betriebliche Altersvorsorge in Form der sogenannten Entgeltumwandlung zu betreiben",

erklären uns TAUBER & FROMME. Dazu gibt es 5 Durchführungswege:
1) Direktzusage von Unternehmen
2) Direktversicherung bei einem Lebensversicherer
3) Pensionskassen, deren Hochzeit gemäß den Autoren zwischen 2003 und 2005 lag. Hier gibt es bereits erste Kürzungen:

"Talanx-Tochter Neue Leben Pensionskasse (kündigte als) der erste Anbieter an, die garantierten Betriebsrenten für 80.000 Arbeitnehmer abzusenken."

4) Pensionsfonds
5) Unterstützungskassen

NAHLES will nach Aussagen der Autoren Branchenlösungen ausbauen:

"Bei der Chemie-Altersvorsorge sind 80 Prozent der Beschäftigten Mitglied, die Metallrente hat 25.000 Unternehmen als Mitglieder",

schreiben TAUBER & FROMME zu diesem Modell und stellen dazu zwei Kernfragen:

"Sind die Lebensversicherer außen vor oder, wie heute bei Metall- und Chemierente, Teil des Systems? Und wer haftet, wenn es Probleme gibt?

Offenbar gibt es dazu noch keine Vorstellungen. Es besteht also die große Gefahr, dass hier Regelungen zu Lasten der Arbeitnehmer getroffen werden.

Schon heute hat die Entgeltumwandlung große Nachteile. Wenn die Unternehmen keinen Zuschuss zugeben, dann schmilzt der Ertrag durch die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung. Außerdem wird gerne das Problem der nachgelagerten Besteuerung verschwiegen. Die Entgeltumwandlung schwächt außerdem die gesetzliche Rente. Nur wenn Unternehmen zur betrieblichen Altersversorgung eine Berufsunfähigkeitsversicherung anbieten, wäre dies für Arbeitnehmer lukrativ, erklären uns die Autoren.

FROMME, Herbert  (2016): Ungewöhnlich hohe Kosten.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (4): Konzerne und Makler machen Geschäfte zu Lasten der Mitarbeiter,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 19.07.

Herbert FROMME beschreibt für den Krankenhaussektor wie dort durch die Abhängigkeit des Arbeitnehmers von der Wahl des Anbieters einer betrieblichen Altersvorsorge durch den Arbeitgeber sich unlukrative Altersvorsorgeprodukte durchsetzen können.

FROMME, Herbert  (2016): Deckungsmittel in dreistelliger Milliardenhöhe.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (4),
in: Süddeutsche
Zeitung v. 19.07.

Herbert FROMME nennt uns Zahlen zur Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge, die noch aus dem Jahr 2013 stammen, bzw. zur Höhe der Rückstellungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge von Ende 2014.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 5): Samstagsessay.
Sinkendes Rentenniveau: Die Kaufkraft im Ruhestand wird trotzdem steigen
Junge Beitragszahler: Mehr Kinder erhöhen die Leistungen
Flüchtlinge: In die Ausbildung muss viel investiert werden

BÖRSCH-SUPAN, Axel & Friedrich BREYER (2016): Vorsicht, Falle!
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (5): Von Riester bis Babyboom. Eine nüchterne Betrachtung der Tagsachen ist angebracht. Die fünf meistverbreiteten Irrtümer in der Rentendebatte,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 23.07.

Es ist mehr als peinlich, wenn nun BÖRSCH-SUPAN & BREYER die Rendite der gesetzlichen Rente schlechtrechnen müssen, weil die kapitalgedeckte Altersvorsorge nicht jene Rendite bringt, die uns von ihren Verfechtern Anfang des Jahrtausends bei Einführung der Riester-Rente versprochen wurde.

Die Deutsche Rentenversicherung prahlt nun damit, dass die gesetzliche Rente eine Rendite von 3 % bringt, während die Riester-Rente für viele eine Verlustrechnung ist. Nun wollen uns BÖRSCH-SUPAN & BREYER weismachen, dass die Rechnung der DRV falsch sei, indem sie z.B. den Bundeszuschuss als Einnahmequelle herausaddieren wollen. Der Bundeszuschuss hat jedoch mit der Altersrente gar nichts zu tun, sondern ist nötig, weil die Deutsche Rentenversicherung mit gesamtgesellschaftlichen Aufgaben belastet wurde, die überhaupt nichts mit Altersrente zu tun haben. BÖRSCH-SUPAN & BREYER erzählen uns dazu folgendes Lügenmärchen:

"Auf der Ausgabenseite muss man für einen Renditevergleich (...) jene Kosten der Leistungen herausrechnen, die eine Riester-Rente nicht enthält, nämlich die Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner (etwa 18 Milliarden Euro), für Rehabilitationsleistungen (sechs Milliarden Euro) und für die Erwerbsminderungsrente (13 Milliarden Euro), so dass von den Gesamtausgaben von 272 Milliarden Euro noch 235 Milliarden Euro verbleiben, die die Altersrenten finanzieren."

Bei dieser Aufzählung fehlen gänzlich die Kosten für die Deutsche Einheit und die Anerkennung von Kindererziehungszeiten, die BÖRSCH-SUPAN & BREYER einfach unter den Tisch fallen lassen. Denn seit wann zahlen Versicherungen Müttern eine Rente für die sie keinen einzigen Cent einbezahlt haben? Und erst Recht gibt es keinen Bonus für Ostrentner. Man darf also bezweifeln, dass - wenn man alle versicherungsfremden Leistungen tatsächlich herausaddiert - reine Rentenleistungen durch Bundeszuschüsse finanziert werden müssen. Das Umgekehrte ist richtig: Beitragszahler werden die Kosten versicherungsfremder Leistungen aufgebürdet. Bestes Beispiel: Die Mütterrente aus dem Jahr 2014.

Den zweiten Irrtum hat uns BÖRSCH-SUPAN in der FAZ und sonstigen neoliberalen Mainstreamzeitungen bereits zur Genüge im Zusammenhang mit den WDR-Berechnungen vom April erläutert.

Der dritte Irrtum, den uns BÖRSCH-SUPAN & BREYER präsentieren ist ein Popanz:

"Dadurch, dass die Babyboomer der 1960er Jahre demnächst in den Ruhestand gehen, bricht für die Rentenversicherung eine schwierige Phase an. Von 2040 an wird sich die Situation der Rentenversicherung wieder entspannen."

Angeblich verschleiert der erste Satz die wahren Zusammenhänge, denn die Autoren sind Verfechter der bevölkerungspolitischen These von der Unterjüngung, d.h. die Babyboomer haben nicht für genügend Nachwuchs gesorgt. Man könnte es auch anders sehen, z.B. so, dass die 68er-Generation zu wenig Arbeitsplätze und Kinderbetreuungsplätze für die Babyboomer geschaffen haben, um deren Familiengründungen zu ermöglichen. Außerdem wurde und wird weiterhin jenen, die gerne Nachwuchs hätten, aber nicht ins traditionelle Familienbild passen, die Gelegenheit zum Kinderkriegen ganz verweigert. Statt Anfang der 1990er Jahre bereits den Ausbau der Kinderbetreuung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie voranzutreiben, wurden Frauen in die Massenarbeitslosigkeit getrieben.

Hinzu käme dann noch gemäß BÖRSCH-SUPAN & BREYER die steigenden Lebenserwartung:

"Seit 1970 hat sich wegen der steigenden Lebenserwartung die Rentenbezugszeit von 9,6 auf mehr als 17 Jahre fast verdoppelt, ohne dass sich das Renteneintrittsalter dementsprechende angepasst hat.
Daher verschlimmert sich die Situation der Rentenversicherung zwischen 2030 und 2040 recht dramatisch."

Die Verlängerung der Rentenbezugsdauer mag richtig sein, die Begründung dafür jedoch nicht, denn diese hat wenig mit der steigenden Lebenserwartung zu tun, sondern mit der Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit und der damit verbundenen Zunahme eigenständiger Renten von Frauen, die im Vergleich zu Männern früher in Rente gehen. Hinzu kommt die Frühverrentungspraxis seit den 1990er Jahren, die ebenfalls nichts mit der steigenden Lebenserwartung zu tun hatte, sondern mit der Massenarbeitslosigkeit und der Entsorgung der Alten durch die Unternehmen. Wir vermissen also die Herausrechnung dieser Faktoren bei den Autoren, die uns lediglich die Babyboomer als Sündenböcke für ihre verfehlte Politik präsentieren wollen.

Nach 2040 soll sich die Situation der Rentenversicherung angeblich nicht entspannen. Hier werden die Autoren zu Hellsehern, denn solche langfristigen Vorausberechnungen sind mit großen Unsicherheiten verbunden. Da alle Berechnungen von einer konstanten Geburtenrate von 1,4 Geburten pro Frau ausgehen, die bereits jetzt nicht mehr stimmt, lässt sich über die Zeit nach 2030 lediglich spekulieren.

Mit Irrtum vier gehen BÖRSCH-SUPAN & BREYER dann auf die Geburtenrate ein, beziehen sich dabei jedoch nur auf 25- bis 35-Jährigen (1981 - 1991 Geborene), denen das Kinderkriegen mit Hinweis auf die staatlich subventionierte Kinderbetreuung schmackhaft gemacht wird. Dies steht argumentativ im Widerspruch zum Irrtum drei und belegt implizit, dass die Babyboomer schlechtere Voraussetzungen in Sachen Kinderkriegen hatten, weil die Politik ihre Hausaufgaben nicht rechtzeitig erledigt hatte.

"Und in der Tat ist die Geburtenrate in den vergangenen Jahren auf fast 1,5 Kinder im Leben einer Frau gestiegen. Wenn dieser Trend anhält, wird sich die Situation der Rentenversicherung noch deutlich verbessern."

Auch diese Argumentation steht im Widerspruch zum Irrtum drei und belegt, dass es sich bei den Aussagen von BÖRSCH-SUPAN & BREYER über die Situation nach 2030 nur um Spekulationen handelt.

Der Irrtum fünf befasst sich mit der Zuwanderungseuphorie des Jahres 2015, wonach uns erklärt wurde, dass Flüchtlinge das Finanzierungsproblem der deutschen Rentenversicherung lösen würde. Das war vor allem hilflosen Politikern geschuldet, die damit ihre Ohnmacht angesichts der Flüchtlingsströme vertuschen wollten. Fakt ist aber, dass Deutschlands Bevölkerung wächst, statt wie prognostiziert, zu schrumpfen. Wer also wie BÖRSCH-SUPAN & BREYER versuchen die Zuwanderung nur unter dem Gesichtspunkt einer angeblichen Rettung der Rentenversicherung zu thematisieren, der verschleiert alle anderen Aspekte dieser Zuwanderung für unsere Wirtschaft.

Fazit: Was uns da als Irrtümer aufgezeigt wird, soll davon ablenken, dass die Zukunft der Rentenversicherung keine Frage des demografischen Wandels ist, sondern der politischen Entscheidungen. Nach den Prophezeiungen unserer Apokalyptiker hätte unser Rentensystem schon längst kollabieren müssen, stattdessen subventionieren wir auch noch die Versicherungsindustrie, die mit der kapitalgedeckten Altersvorsorge Profite zu Lasten der Kunden macht. Und es sieht ganz danach aus, dass die Politik deren Profite noch vergrößern will, indem die Arbeitnehmer mit (sanftem?) Zwang in die Kapitaldeckung getrieben werden.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 6)

MÜLLER, Benedikt (2016): Selbstversuch ohne Testsieger.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (6): Was ein Berufseinsteiger erlebte, als er sich zur Altersvorsorge beraten ließ,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 25.07.

Benedikt MÜLLER beschreibt uns Beratungen zu Altersvorsorgeprodukten bei Commerzbank, Sparkasse und HUK Coburg. Die Zielgruppe:

"Berufseinsteiger, Mitte 20 (...). Jeden Monat könnte der Kunde 200 Euro zur Seite legen. Bislang habe er weder eine Lebensversicherung noch einen Bausparvertrag".

Die drei Beratungen werden von Andreas BECK ("Leiter des Instituts für Vermögensaufbau in München") und Niels NAUHAUSER ("Verbraucherzentrale Baden-Württemberg") bewertet. Der Leser wird also mit fünf Meinungen konfrontiert und einem Fazit, das wohl kaum befriedigend ist:

"Wer sich wirklich aufrafft, einen Teil seines Einkommens anzulegen, der hat immerhin einen ersten Schritt gemacht. Der größte Fehler wäre wohl, vor lauter Verunsicherung gar nichts zu unternehmen."

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 7): Die Lebensversicherung war nie als private Altersvorsorge gedacht

KRIEGER, Friederike & Patrick HAGEN (2016): Umstrittene Policen.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (7): An die 90 Millionen Lebensversicherungsverträge liegen in den Schubladen der Deutschen. Die meisten garantieren den Kunden eine lebenslange Rente und zwingen zum Sparen. Doch es gibt Zweifel,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 26.07.

KRIEGER & HAGEN lassen zuerst ein Lobbyisten der GDV zu Wort kommen, der uns den Vorzug der klassischen Lebensversicherung erklärt. Demnach können sich diejenigen unter uns glücklich schätzen, die besonders lang leben. Die Versicherungswirtschaft hat dazu eigens eine Kampagne geschaltet, denn angeblich werden wir viel älter als wir glauben.

In Zeiten des Niedrigszinses wollen die Versicherer die Risiken auf die Versicherten verlagern. Dazu wurden "kapitalmarktnahe Produkte" erfunden:

"Damit meinen sie meistens Investmentfonds, die sie in einen Versicherungsmantel packen. Als Garantie versprechen sie nur noch den Kapitalerhalt. Das Risiko, am Kapitalmarkt Geld zu verlieren, trägt bei Klassik-Angeboten der Versicherer; bei den neuen Verträgen liegt das Risiko zum größten Teil beim Kunden."

Einer, der immer zitiert wird, ist Axel KLEINLEIN vom Bund der Versicherten (BdV), der von "kapitalbildenden Lebensversicherungen" nichts hält (nur für wenige wegen Steuerspareffekten interessant) und stattdessen Risikolebensversicherungen propagiert:

"Bevor sich Verbraucher um die Altersvorsorge Gedanken machen, sollten sie zunächst Schulden tilgen und sich gegen existenzbedrohende Risiken absichern",

heißt sein Credo. Niels NAUHAUSER von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fordert eine höhere Beteiligung der Versicherten an den Gewinnen der Lebensversicherer:

"Gewinne, die entstehen, weil nicht alle Versicherten so lange leben wie erwartet, müssen komplett und zeitnah den überlebenden Versicherten gutgeschrieben werden. Zurzeit bekommen sie mindestens 90 Prozent dieser Gewinne, der Versicherer maximal zehn Prozent."

Zum Schluss kommt mit Carsten ZIELKE, Jahrgang 1968, wieder ein Lobbyist der Finanzdienstleistungsbranche zu Wort ("Beratung und Lobbyarbeit in Regulierungsfragen" heißt es dazu in seiner Kurzvita auf seiner Unternehmensseite). Er wird uns als Berater der EU-Kommission präsentiert. Seine Vorschläge könnten aber genauso gut von Versicherern stammen. Und er verherrlicht den Zwang zum Vorsorgesparen in Form von Lebensversicherungen. Zentral ist jedoch der Kampf gegen die Regulierung. Die Verpflichtung zu Rückstellungen soll aufgeweicht werden, weil sonst Leistungskürzungen drohen würden.

"Der GDV und die Verbraucherschützer des BdV drängen die Regierung deshalb dazu, die Berechnungsmethode für diese Reserve zu ändern."

ZIELKE geht das nicht weit genug, sondern er will den Garantiezins abschaffen und risikantere Anlagemöglichkeiten erlauben. Dazu soll die Zinszusatzreserve in Eigenkapital umgewandelt werden und eine Kapitalerhöhung durch die Eigner durchgeführt werden. Warum dies in dieser Form erfolgen soll, verrät uns der Artikel nicht, sondern Philipp KROHN (vgl. "Folgen der Finanzkrise drehen Altersvorsorge um", FAZ 01.07.2016)

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 8): Damit das Geld im Alter reicht.
Was von der Vorsorge übrig bleibt - nach Steuern und Inflation

ÖCHSNER, Thomas (2016): Hallo Zukunft.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (8): Was haben Jüngere im Ruhestand zu erwarten? Die jährliche Renteninformation liefert erste Hinweise. Wie viel aber die Bezüge am Ende wert sind, hängt von mehreren Faktoren ab,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 02.08.

"Die 31 Millionen Versicherten, die mindestens 27 Jahre alt sind und fünf Jahre Beitragszeiten erworben haben, erhalten jedes Jahr einen Brief von der gesetzlichen Rentenversicherung",

beschreibt Thomas ÖCHSNER das Prozedere der Renteninformation, die vor allem auf Betreiben der Finanzdienstleistungslobby eingeführt wurde, um die Notwendigkeit der kapitalgedeckten Altersvorsorge ("Versorgungslücke") aufzuzeigen. Im Grunde handelt es sich hier um eine kostenlose Werbebroschüre, die - wenn es mit rechten Dingen zuginge, die Finanzdienstleistungsbranche zu bezahlen hätte.

ÖCHSNER erklärt uns deshalb die Renteninformation auch im Sinne einer Werbebroschüre für die Zusatzvorsorge. Während die Renteninformation in ihren Anfängen als unzureichende Werbemaßnahme angefeindet wurde, sieht nun die Sache ganz anders aus, denn die Sachlage hat sich umgekehrt: Statt hoher Inflation wie Anfang des Jahrtausends - und selbst noch vor einigen Jahren - beschworen, haben wir nun fast schon eine Deflation. Nun müssen sich die Finanzdienstleister vorwerfen lassen, dass sie die Inflationsangst missbrauchen. ÖCHSNER zitiert dazu Niels NAUHAUSER von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:

"Es ist nicht seriös, wenn Finanzberater unter Annahme von bestimmten Inflationsraten ihren Kunden vorrechnen, welche riesigen Versorgungslücken sie haben, ohne zu berücksichtigen, dass die Renten ja auch steigen."

Steigende Renten? Die FAZ verkündete uns in diesem Jahrtausend immer wieder das Ende der dynamischen Rente, d.h. Nullrunden ohne Ende. Während die Renteninformation jährliche Rentensteigerungen von ein und zwei Prozent annimmt, warnt uns eine Tabelle der SZ vor der Inflationsfalle. In vier Varianten (0,5 %, 1 %, 1,5 % und 2 %) wird uns die Teuerungsrate über 5, 10, 15, 20 und 25 Jahre präsentiert, um den Kaufkraftverlust einer Standardrente aufzuzeigen.

Bei ÖCHSNER gerät nun die Renteninformation zur gesetzlichen Rente als bessere Information als diejenige für die kapitalgedeckte Altersvorsorge:

"Im Gegensatz zur Renteninfo weisen die Versicherer aber nicht auf mögliche Kaufkraftverluste durch die Inflation hin. Dabei könnten solche Zahlen den einen oder anderen womöglich inspirieren, noch mehr für die Altersvorsorge zu tun."

ÖCHSNER war wohl noch nicht bei einem Verhaltensökonomen zur Therapie, sonst wüsste er, dass eher das Gegenteil der Fall sein würde, denn dann wäre ja die kapitalgedeckte Altersvorsorge im Vergleich zur gesetzlichen Rente noch unattraktiver. Im Teil fünf der SZ-Serie mussten ja bereits BÖRSCH-SUPAN & BREYER die Rendite der gesetzlichen Rente schlechtrechnen, damit sich das Elend der Kapitaldeckung nicht ganz so dramatisch darstellt wie es tatsächlich ist.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Wenn der Fiskus zweimal zulangt.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (8): Fachleute warnen vor einer Doppelbesteuerung der Renten,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 02.08.

Thomas ÖCHSNER befasst sich nur am Rande mit dem Problem der Doppelbesteuerung, sondern vielmehr mit dem Phänomen, dass durch die stufenweise Umstellung von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung immer mehr Rentner der Rentenbesteuerung unterliegen, wobei der Artikel die Ursachen dieser Problematik nur sehr unzureichend aufzeigt. Denn keineswegs werden die Renten von Jahr zu Jahr höher besteuert, sondern jeder Neurentnerjahrgang unterliegt einer festgelegten Rentensumme, die nicht besteuert wird. Wären es nämlich Prozentanteile wie ÖCHSNER erklärt, dann würden sich höhere Renten nicht in dem Maße auf die Besteuerung auswirken als feste Summen, die nur im ersten Rentnerjahr einem Anteil von derzeit 28 Prozent steuerfreiem Rentenanteil entspricht. Dieser steuerfreie Anteil verringert sich mit jeder Rentensteigerung, weil sich die steuerfreie Summe nicht der Steigerung anpasst, sondern gleich bleibt. In diesem Sinne gibt es eine negative Dynamik bei der Rentenbesteuerung zu Lasten der Rentner.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 9): Verlorene Vorsorge.
Was, wenn das Geld fürs Alter plötzlich weg ist?

HAMPEL, Lea (2016): Erschüttert.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (9): Sie galten in Baken als "alt" und "doof", ihnen drehten Berater Lehman-Zertifikate an. In der Finanzkrise kämpften Senioren dann jahrelang um Teile ihrer Altersvorsorge. Vor allem verloren sie eins: Vertrauen ins System,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 04.08.

Lea HAMPEL stellt uns eine Betroffene der Lehman-Pleite, die uns sozusagen als typischer Fall präsentiert wird:

"Etwa 40.000 Deutsche haben zwischen 2006 und 2008 insgesamt rund 700 Millionen Euro in unterschiedliche Papiere der Lehman Bros. Bank investiert. (...). Sie waren alle unterschiedlich, aber hatten eines gemeinsam: Sie wollten aus ihrem Ersparten ein bisschen mehr machen, um den Lebensabend ein bisschen bequemer zu haben."

Zu deutsch: private Altersvorsorge ist keine Lebensnotwendigkeit, sondern purer Luxus. Oder wie es HAMPEL formuliert:

"Gelitten hat nicht die große Sicherheit, sondern der kleine Luxus."

Damit wird die Bewegung der "Lehmann-Opfer", die sich in der "Interessengemeinschaft Lehman Zertifikateschaden" zusammenschlossen, zu einer Bewegung Privilegierter stilisiert. Entschädigungen gab es damals für die "Leichtgläubigen", die auch als "zu gierig" galten, nur im Einzelfall.

Entsprechend dieser Verharmlosung der Praktiken von Finanzdienstleistern, erscheint die Sache letztendlich als eine Art Kavaliersdelikt. Es traf die Doofen und Gierigen. Uns könnte das nicht passieren ist die Botschaft. Als einziges Problem erscheint deshalb HAMPEL den Vertrauensverlust, den Finanzberater in der Bevölkerung seit damals erlitten haben und durch den das Ansehen der kapitalgedeckten Altersvorsorge geschmälert wurde.

Tatsächlich wurde aus dem damaligen Geschehen kaum etwas gelernt, denn sonst könnten uns Politiker und Medien nicht immer noch die Kapitaldeckung als sicherere Alternative zur gesetzlichen Rente verkaufen. Erfolgreich hat sich die Devise durchgesetzt: Wer die falschen Altersvorsorgeprodukte gewählt hat, ist selber schuld!

DOHMEN, Caspar (2016): Wenn das Leben anders spielt.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (9): Trennung, Arbeitslosigkeit, Verschuldung: Wie sorgt man nach Schicksalsschlägen vor? Die Immobilie als Klumpenrisiko,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 04.08.

Caspar DOHMEN führt uns zuerst in eine Schuldnerberatungsstelle der Caritas, um uns mit möglichen Schicksalsschlägen zu konfrontieren. Danach sind wir reif für Dirk ULBRICHT, Geschäftsführer des Instituts für Finanzdienstleistungen:

"Er kritisiert eine »mangelhafte Berücksichtigung der Wechselfälle des Lebens«"

Sein einziger Rat jedoch, der uns als Mantra bereits in den Ohren dröhnt: Lebensversicherungen nicht kündigen, sondern beitragsfreistellen. Das eint die Beraterbranche, Verbraucherschützer, Politiker und Finanzdienstleister. Die Sorge, die Erfolgsstatistik der kapitalgedeckten Altersvorsorge könnte beschädigt werden. Kündigung lässt sich nicht mehr als Erfolg vermarkten, während man Beitragsfreistellung noch als Erfolg verbuchen kann - man muss das ja nicht publizieren!

Danach kommt - wie in der SZ üblich - Axel KLEINLEIN (BdV) zu Wort, um uns wieder Kündigungen - höchstens im Einzelfall - anzuraten. Welche Einzelfälle das seien? Keine Antwort!

40 Prozent der Haushalte, wird uns mitgeteilt, hätten keine diesbezüglichen Sorgen - sie ignorieren die private Altersvorsorge schlichtweg. Denen wird jedoch die Immobilie, die sie vielleicht als alternative Form der Altersvorsorge ansehen, als "Klumpenrisiko" präsentiert: "jede dritte Ehe innerhalb von 25 Jahren" wird geschieden, falls das jemand noch nicht oft genug gehört haben sollte!

Der Ratschlag von ULRICHT: ein Ehevertrag für Immobilienbesitzer sei Pflicht. Dumm nur, dass Eheverträge das Scheidungsrisiko erheblich erhöhen, dies meldeten jedenfalls gewisse Medien.

Bisher haben wir vor allem gelernt, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge offenbar keine Lösung für Schicksalschläge vorsieht. Das wird dann von Christoph BUTTERWEGGE bestätigt:

"Entscheidend sei für die meisten Menschen bei Schicksalsschlägen (...) welche Leistungen sie aus den kollektiven Sicherungssystemen erhielten."

Warum also die kapitalgedeckte Altersvorsorge nicht ganz einstampfen oder den Reichen überlassen und stattdessen die gesetzliche Rente stärken? Eine Antwort auf diese Frage suchen wir in der SZ vergeblich.

Zum Schluss wird uns die Schuldnerberatung als Lösung für vorhersehbare Krisen präsentiert.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 10): Samstagsessay.
Der Fakt: Die Rentenreform von 1957 veränderte die Bundesrepublik von Grund auf
Das Problem: Die Reformer vergaßen die junge Generation
Die Lösung: Länger arbeiten und rechtzeitig mehr privat vorsorgen

PIPER, Nikolaus (2016): Die Rentenschlacht.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (10): Im Jahr 1957 beschloss die große Mehrheit des Bundestages eine grundlegende Reform der Altersversorgung. Die damalige Entscheidung prägt die Gegenwart - im Guten wie im Schlechten,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 06.08.

Nikolaus PIPER, neoliberaler Einpeitscher bei der SZ, erklärt uns die Geschichte der Rentenversicherung aus einseitiger Sicht, in der die Interessen der Wirtschaftslobby allein zählen und zudem nationalkonservative Elemente zur Rechtfertigung der privaten Altersvorsorge dienen. Man kann sich die ersten zwei Drittel des Artikels sparen. Entscheidend ist allein der Versuch die Erkenntnis des Volkswirtschaftlers Gerhard MACKENROTH, dass Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren keinen Unterschied machen, zu widerlegen:

"Tatsächlich gibt es, anders als Mackenroth suggerierte, durchaus Unterschiede zwischen den Rentensystemen. »In einem Umlageverfahren sind die Rentner an hohen Löhnen interessiert, bei einer kapitalgedeckten Verfahren an hohen Gewinnen«, sagt heute Norbert Blüm".

Die Präferenz für das eine oder andere System, will uns PIPER damit sagen, stärkt entweder unzulässig die Gewerkschaften oder die zu Recht die Arbeitgeber. PIPER will uns also weismachen, dass die gesetzliche Rente die Arbeitgeberseite schwächt, während die Kapitaldeckung diese stärkt. In dieser Sicht sind die Arbeitnehmer Störfaktoren, statt Faktoren, die Arbeitgebern erst zu ihren Gewinnen verhelfen.

Die Dynamisierung der Rente wird uns von PIPER als "größtes Gift" verkauft, wobei er sich dabei auf Ludwig EHRHARD beruft. Bei der Kapitaldeckung gibt es eine solche Dynamisierung von vornherein nicht, weshalb uns ständig wiederholt werden muss, dass wir immer auch die Inflation bei der privaten Altersvorsorge mitberücksichtigen müssen. Schön für die Profite der Finanzdienstleister, schlecht für die Versicherten. Ein weiteres Mantra der Profiteure der Finanzdienstleister wäscht uns zusätzlich das Gehirn: Nicht die Altersvorsorge sei unlukrativ, sondern wir müssten eben nur mehr Sparen, um das Niedrigzinsumfeld zu kompensieren. Die Finanzdiensleister freuen sich über diese Sicht der dummen Ameisen.

Und was hat es mit dem nationalkonservativen Element auf sich? Das kommt immer dann ins Spiel, wenn der berüchtigte Generationenvertrag ins Spiel kommt. Das ist eine Erfindung der katholischen Soziallehre, die vom Bund der katholischen Unternehmer in die deutsche Sozialpolitik eingespeist wurde. Angeblich ist das Rentensystem auf eine demografische Balance angewiesen, als ob wir es mit geschlossenen Systemen zu tun haben. Dass Märkte offen seien steht im krassen Gegensatz zu solcher Demografietheologie. Tatsächlich hängt das Funktionieren des Rentensystems lediglich von dem Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben ab - und dieses ist in weit geringerem Maße von der Demografie abhängig, sondern von politischen Entscheidungen und der Wirtschaftsentwicklung eines Landes.

Die Demografie ist in erster Linie eine Ideologie, die den Interessen der Wirtschaftslobbyisten entgegenkommt, während die Interessen der Arbeitnehmer ignoriert werden. PIPER weis genau, wie er uns verdummt, meint er. Er propagiert die Rente mit 70 - klingt human, wenn inzwischen die Rente mit 73 gefordert wird - und mehr private Altersvorsorge. Die Finanzbranche dankt es ihm!

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 11): Rentenmodelle.
Wie klappt Vorsorge, wie viel gibt der Staat aus? Antworten aus unterschiedlichen Ländern

THEILE, Charlotte (2016): Die können das.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): Die Schweizer organisieren ihr Rentensystem ziemlich sozialistisch, vor allem aber vielseitiger als die Deutschen: Alle müssen einzahlen - und vom Geld der Reichen profitieren Menschen mit geringem Einkommen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Charlotte THEILE preist das Drei-Säulen-Modell der Schweiz als vorbildlich. Dazu wird uns Philipp VORNDRAN ("Kapitalmarktstratege der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch") vorgestellt, der ein Loblied auf die Schweizer singt und staatliche Regulierung wie alle Neoliberalen dort ablehnt, wo sie die Profite und Risiken schmälert. Erst wenn die Sache schief läuft, soll der Staat mit Rettungsaktionen einspringen, so diese Staatsauffassung. Wo das endet, hat die Finanzmarktkrise seit 2008 gezeigt.

Weil die Deutschen Garantien wollen, diffamiert sie VORNDRAN als in Finanzsachen ungebildet:

"Viele Deutsche setzen (...) beim Sparen auf Sicherheiten und Garantien. (...). Vorndran hält das für ein Zeichen mangelnder Finanzbildung."

Für den Verbraucherschützer Hermann-Josef TENHAGEN ("Finanztip") sind Garantien nur in Zeiten der Niedrigzinsphase ein Problem.

"Neben dem linearen System, das niedrigen Einkommen kaum eine Chance auf eine vernünftige Rente lasse, seien die Gebühren der Finanzprodukte für die Lücken in der Altersvorsorge verantwortlich",

zitiert THEILE den Verbraucherschützer. "Lineares System" ist hier als Gegenbegriff zum Schweizer Modell zu sehen, denn:

"Anders als in Deutschland gibt es beim Einzahlen keine Obergrenze. Ausgezahlt aber werden aus der AHV - umgerechnet höchstens 2140 Euro im Monat, der Mindestbetrag ist 1070 Euro".

Oder anders formuliert: Weil es in Deutschland eine Beitragsbemessungsgrenze gibt, ist die Umverteilung von oben nach unten begrenzt. Jedoch entspricht der Mindestbetrag lediglich einer Grundsicherung, da die Lebenshaltungskosten in der Schweiz wesentlich höher sind.

Erst ganz zum Schluss weist THEILE darauf hin, dass auch in der Schweiz nicht alles Gold ist, was glänzt (vgl. Helmut STALDER "AHV-Fonds dreht ins Minus", NZZ 12.08.2016). Ihr Fazit:

"Die Schweiz hat gegenüber Deutschland (...) einige grundsätzliche Vorteile: Es gibt keine Exit-Option für Gutverdiener aus der allgemeinen Vorsorge. Und: Das System fördert Eigenverantwortung und Finanzbildung."

Der letzte Satz ist der neoliberalen Sicht von VORNDRAN geschuldet. Wer in der Kapitaldeckung kein überlegenes System sieht, der wird dieser Sicht nicht folgen wollen. Österreich zeigt im Gegensatz zur Schweiz, dass ein Umlagesystem durchaus mit der Kapitaldeckung mithalten kann.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Vierzehnmal Geld.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): Österreich,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Thomas ÖCHSNER redet das österreichische Modell schlecht, das von dem Wirtschaftsweisen Peter BOFINGER als vorbildlich angesehen wird. ÖCHSNER stellt dagegen die neoliberale Sicht in den Vordergrund, bei der einzig die Kosten relevant sind, aber nicht der Nutzen:

"Der Rentenbeitrag liegt bei 22,8 Prozent - in Deutschland sind es 18,7 ohne Beiträge für die Riester-Rente. (...) Der Steuerzahler alimentiert das System mit elf Milliarden Euro im Jahr. Bezieht man die Zuschüsse auf die Staatsausgaben, geben nur wenige Länder wie Griechenland oder Portugal mehr für die Altersversorgung aus."

Nicht umsonst finden sich in dieser Aufzählung von Staaten lediglich die südeuropäischen Schuldenstaaten, denn hier geht es einzig um Diffamierung. Nicht nur die Kosten der Arbeitnehmer für die Riester-Rente, auch die Kosten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung in Deutschland bleiben bei dieser Betrachtung außen vor.

SIBI (2016): 800 Fonds zur Auswahl.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): Schweden,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Das schwedische System wird nicht kritisiert, denn der Artikel stellt die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Form von Pensionsfonds in den Vordergrund. Außerdem wird die schwedische Renteninformation hervorgehoben:

"Der orange Brief zeigt auch,  wie sich die steigende Lebenserwartung auf die Rente auswirkt. Er rechnet vor, wie viel länger ein Versicherter arbeiten muss, um dieselbe Summe zu erhalten wie bei einer Rente mit 65 ohne steigende Lebenserwartung. Ein Beispiel: Wer 1983 geboren wurde, müsste demnach bis 69 Jahre einzahlen."

Das muss man vor dem Hintergrund der derzeitigen Rentendebatte als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.

TU (2016): Im Minus.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): Spanien,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Beim spanischen System wird vor allem die Mindesteinzahldauer und die Kopplung der Rentenleistungen an diese hervorgehoben. Außerdem werden in Spanien bestimmte Berufsgruppen mit schwerer oder gefährlicher Arbeit bevorzugt behandelt. Mit Hinweis auf das "gigantische Defizit", das drohe, wird dem Leser nahe gelegt dies als negativ zu bewerten.

KWE (2016): Risiko statt Staat.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): USA,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Risiko statt Staat, die Schlagzeile steht im krassen Widerspruch zum in den USA existierenden Umlagesystem, das als Fürsorgesystem beschrieben wird und aus dem rund 60 Millionen Menschen ein Transfereinkommen beziehen. Die neoliberalen Republikaner wollen das ändern. Das Risiko bezieht sich lediglich auf das staatlich begünstigte Vorsorgen mit Investmentfonds.  

NH (2016): Pflege ist Privatsache.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): Japan,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Über das japanische Rentensystem erfahren wir so gut wie nichts, sondern es wird uns das Ideal der Altersversorgung in der Familie erklärt. Die so genannten "Yomes", also Frauen an denen die Altenpflege hängen bleibt, wird uns als unersetzlich beschrieben.

GIE (2016): Zu wenige Kinder.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (11): China,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 11.08.

Über China erfahren wir, dass dort lediglich die Beamten auf eine gute Altersversorgung hoffen können. Die Ein-Kind-Politik wird als Problem der Altersversorgung beschrieben. Wer da nicht sofort an die deutsche Kindermisere denkt, der hat den Sinn dieses Artikels nicht verstanden.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 12)

KAHLWEIT, Cathrin (2016): Zuhause am Plattensee.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (12): Hier kostet das Einzelzimmer nur 1600 Euro, und der Pfleger schaut beim Nägelschneiden nicht auf die Stoppuhr: Seniorenheime in Osteuropa locken mit niedrigen Preisen. Für einen Platz in Deutschland reicht das Geld oft nicht. Aber darf man das, die Alten ins Ausland abschieben? Und wie geht es ihnen dort?
in: Süddeutsche
Zeitung v. 13.08.

Heribert PRANTL hat im Artikel Der Oma-Export (SZ, 02.11.2012) als "gerontologischen Kolonialismus" angeprangert. Cathrin KAHLWEIT präsentiert uns nun eine Pflegeheimidylle im südungarischen Nemensbück, nur 15 Kilometer vom berühmten Plattensee entfernt:

"Am Ortsrand von Nemesbück leben knapp fünfzig Senioren, die Mehrheit sind Deutsche und Österreicher, ein paar Schweizer und eine Amerikanerin sind auch darunter, aber nur drei Ungarn.
Die meisten haben eine Beziehung zur Region."

Als Prototyp einer solchen Heimbewohnerin wird uns eine 95-jährige Deutsche aus Göppingen präsentiert, deren Tochter in der Nähe wohnt:

"Heimat, sagt sie, das sei nicht Göppingen, sondern die Familie",

wird sie von KAHLWEIT zitiert, die damit das Klischee von den einsamen und vernachlässigten Alten in ausländischen Heimen widerlegen will. Der "Alten-Export" wird von KAHLWEIT anhand eines Österreichers, der sich allein nicht mehr versorgen konnte, als humanere Alternative zum Betreuungsimport beschrieben:

"Üblicherweise wird in solchen Fällen eine 24-Stunden-Pflegerin aus Osteuropa in den Westen geholt - mit hohen sozialen Folgekosten: zerrissene Familien in Moldawien, Polen oder Rumänien, elternlose Kinder, deren Mütter und Väter sich um andere Menschen kümmern und Geld nach Hause schicken, damit die Zurückgebliebenen ein Auskommen haben. Schwarzarbeit und Ausbeutung sind Massenphänomene, die mit dieser importierten Betreuung einhergehen."

Gemäß KAHLWEIT wird der Alten-Export in deutschen Medien mittlerweile als Massenphänomen angeprangert:

"Immer mehr deutsche Familien, heißt es, verschickten ihre Omas und Opas in osteuropäische Heime. (...). Aus Kostengründen. Aus Bequemlichkeit. Aus Lieblosigkeit gar."

Der berüchtigte Pflegekritiker Claus FUSSEK, der in Deutschland "desaströse Zustände in vielen deutschen Heimen" sieht und das schlechte "Preis-Leistungs-Verhältnis" beklagt, wird von KAHLWEIT als Experte gegen die Alten-Export-Kritiker angeführt.

"In Deutschland ist Pflege eine Art Teilkasko-System: Einen Teil der Kosten übernimmt die Pflegeversicherung, in die jeder Arbeitnehmer einzahlt, ein Teil wird aus der Rente finanziert, und wenn beides nicht reicht, muss die Familie den Rest beisteuern. Viele Alte wollen ihren Kindern nicht zur Last fallen, viele Familien können die zusätzlichen Kosten nicht stemmen.
Beim Heimkosten zwischen 3.000 Euro und 5.000 Euro monatlich und Zahlungen aus der Pflegeversicherung je nach Pflegestufe bis 1.600 Euro ist da häufig ein großer Batzen auszugleichen. Zudem werden Heime immer teurer, die Renten steigen kaum und die alten Menschen leben immer länger",

beschreibt uns KAHLWEIT das Dilemma von pflegebedürftigen Rentnern in Deutschland. Aber wie viele Pflegebedürftige leben überhaupt in ausländischen Heimen. Als erste Annäherung zitiert KAHLWEIT aus der Pressemeldung Rund 1,75 Millionen Renten werden ins Ausland gezahlt der Deutschen Rentenversicherung Bund zu den Auslandsrenten im Jahr 2015.

"Im Jahr 2015 ließen sich nach Angaben der Bundesanstalt für Versicherte gerade mal 400 Deutsche ihre Rente in die Slowakei überweisen, etwa 4000 nach Ungarn, 2400 nach Tschechien."

Aber Auslandsrentner sind nicht unbedingt Heimbewohner. KAHLWEIT stellt uns deshalb u.a. einen deutschen Unternehmer vor, der in diesem Sektor tätig ist:

"Der deutsche Unternehmer Artur Frank, der Rentner und Pflegebedürftige in die Slowakei, nach Tschechien, Polen und Ungarn vermittelt und dafür eine Provision von den jeweiligen Heimen erhält, hat bis dato etwa 350 Klienten betreut. Er hat acht Heime entweder selbst mit aufgebaut oder kooperiert mit ihnen; darunter auch das Haus am Plattensee. Frank gilt derzeit als der bekannteste Makler für diese Kundschaft. Der ehemalige Pharma-Unternehmen hat 2006 seine Firma SeniorPalace gegründet".

Im letzten Drittel gerät der Artikel dann zur kostenlosen PR für den Alten-Export nach Osteuropa, denn die dortigen Heime würden gute medizinische Versorgung und pflegerische Betreuung zu niedrigen Preisen bieten. Deren eigenes Marketing z.B. im Internet, scheint eher wenig erfolgreich zu sein, wenn man KAHLWEIT glauben darf:

"Viele Heime in den Visegrad-Staaten wären wohl durchaus interessiert an westeuropäischer Kundschaft und betreiben ein entsprechendes Marketing; aber der Run hält sich in Grenzen."

Die Ursache: Die Slowaken z.B. können sich die slowakischen Heime aufgrund ihrer Rente genauso wenig leisten wie Deutsche die deutschen Heime. Diese Absurdität des Kapitalismus wird von KAHLWEIT jedoch nicht aufgegriffen, stattdessen ist am Schluss wieder Idylle angesagt, denn schließlich ist ja Ferienzeit.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 13): Exklusive Seniorenheime.
Die Betreiber bieten reichlich Platz, Service und Luxus - gegen viel Geld

WILKE, Felicitas (2016): Unter seinesgleichen.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (13): Dachterasse und Kalbstafelspitz: Residenzen wie das Augustinum bieten ein Zuhause für Menschen, die sich im Alter ein angenehmes Leben leisten können. Ein Besuch,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 17.08.

Nachdem uns im vorigen Teil die Billigvariante eines Pflegeheims vorgestellt wurde, wird uns nun von Felicitas WILKE die Lösung für die obere Mittelschicht vorgestellt. Beispielhaft wird uns dafür das Münchener Augustinum im CSU-dominierten Haslberg schmackhaft gemacht, das monatlich ca. 3.000 Euro verlangt - und das ohne jegliche Pflegeleistungen:

"Etwa drei Viertel der 360 Bewohner im Augustinum im Münchner Norden sind Akademiker".

erzählt uns WILKE, die uns einerseits einen Unternehmer mit Ehefrau und andererseits eine verwitwete Karrierefrau als typische Bewohner vorstellt.

"Den Luxus gönnen sich (...) auch Menschen, die in normalen Berufen gearbeitet haben und vorsorgen konnten",

zitiert WILKE den Leiter des Augustinums. Das soll uns wohl sagen: Selber schuld, wer nicht privat vorsorgt. Die Beispiele zeigen jedoch das Gegenteil.

KLIMM, Leo (2016): "Wir haben keine zweite Chance".
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (13): Die Chefin des Pflegekonzerns Korian über ihr sensibles Geschäft,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 17.08.

Im Gespräch mit Sophie BOISSARD vom französischen Korian-Konzern, dem europäischen Marktführer auf dem Pflegeheimsektor werden uns die unterschiedlichen, historisch gewachsenen, Rahmenbedingungen auf den beiden nationalen Pflegemärkten nahe gebracht:

"In Frankreich wurde die soziale Fürsorge unter staatlicher Regie aufgebaut, in Deutschland ist sie oft kirchlich geprägt. In beiden Fällen steht dahinter die Vorstellung einer karikativen Tätigkeit. Aber in Frankreich zieht sich der Staat schon seit den Achtzigern zurück, deswegen ist unser Geschäft dort heute nicht mehr so umstritten."

Das von Felicitas WILKE vorgestellte Augustinum hat einen kirchlichen Hintergrund, ist aber im vergangen Jahr mit einem Skandal in die Schlagzeilen geraten, weil er sich am Immobilienmarkt verzockt hatte, was zu erheblichen Verlusten führte. Deshalb kann BOISSARD auch das privatwirtschaftliche Modell gegenüber den gemeinnützigen Einrichtungen positiv hervorheben:

"Das betriebswirtschaftliche Modell hat klare Vorteile für die ganze Gesellschaft: Mehr Effizienz und Standardisierung der Dienstleistung garantiert besseren Umgang auch mit öffentlichen Geldern",

erklärt uns BOISSARD. Nur sollte nicht vergessen werden, dass Missmanagement kein Privileg gemeinnütziger Einrichtungen ist, wie das bei der SZ suggeriert wird. Dies gilt auch für den Hinweis auf den deutschen Pflegenotstand, dem BOISSARD nicht mit Einsparungen bei der Anzahl der Pflegekräfte, sondern mit einer Reduzierung der hohen Fluktuation von Pflegekräften begegnen will, da diese hohe Kosten verursache.

Die hohen Kosten für die Heimunterbringung, versichert uns BOISSARD, würden sich in Deutschland auf die letzten zwei Jahre vor dem Tod beschränken.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Programm für eine bessere Betriebsrente.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (13): Für kleine Firmen oft zu schwierig. Gewerkschaften fordern neue Tariflösungen für betriebliche Altersvorsorge,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 17.08.

Nachdem die IG Metall ihr Rentenkonzept bereits offiziell vorgestellt hat, hat Thomas ÖCHSNER nun den Chef der zweitgrößten Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael VASSILIADIS nach den Vorstellungen seiner Gewerkschaft befragt bzw. ein Grundsatzpapier gelesen, aus dem er zitiert. Zuerst werden dabei die Gemeinsamkeiten mit der Regierungsposition herausgestellt:

"Der Befund der zweitgrößten deutschen Industriegewerkschaft deckt sich mit den Analysen des Arbeitsministeriums: Geringverdiener und Klein- und Mittelbetriebe beteiligten sich viel zu wenig an der betrieblichen Altersvorsorge. (...).
Vassiliadis macht sich dafür stark, Geringverdiener wie bei der Riester-Rente mit einem staatlichen Zuschuss zu motivieren, mehr für eine spätere Betriebsrente zu tun. Das strebt nach Angaben seines parlamentarischen Staatssekretärs Michael Meister auch das Bundesfinanzministerium an."

Vor allem werden die Vorteile durch Versorgungswerke der Tarifpartner und tarifvertragliche Lösungen gegenüber der privaten Riester-Rente dargestellt, die gleichzeitig den Einfluss der Gewerkschaften bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) stärken. Die Bestrebungen der IG BCE zielen deshalb auf tarifvertragliche Lösungen und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf dem Sektor der bAV.

"Für 40 Prozent der westdeutschen und 54 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten gab es 2014 keinen Tarifvertrag",

wird uns berichtet, wobei unklar bleibt inwieweit sich dies mit der Verbreitung der bAV deckt. Uns werden danach die Hürden einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung dargestellt:

"Geht es (...) um das Einziehen von Beiträgen für die betriebliche Altersvorsorge, muss dafür »eine gemeinsame Einrichtung« der Tarifvertragsparteien vorhanden sein. Außerdem müssen die drei Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Tarifausschuss im Einvernehmen beim Ministerium vorstellig werden."

Diese Hürde ist der Gewerkschaft zu hoch. Sie wirft dem BDA in den Tarifausschüssen eine Blockadehaltung vor. ÖCHSNER sieht hier deshalb ein Konfliktfeld für das geplante Betriebsrentengesetz.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 14)

WILKE, Felicitas (2016): "Besprechen Sie das mit Ihrem Mann".
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (14): Die meisten Frauen wollen sich im Alter nicht auf den Partner verlassen. Doch von Anlageberatern fühlen sich viele nicht ernst genommen. Das liegt an alten Rollenbildern und manchmal auch an den Frauen selbst,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 18.08.

Felicitas WILKE befasst sich mit der Unzufriedenheit von jüngeren Frauen mit den Beratern der Finanzdienstleister. Dazu werden uns die Publizistin Fleur PLATOW und Annegret STOLBERG, Leiterin einer Bankfiliale, als Expertinnen in Frauenangelegenheiten vorgestellt. Den Frauen wird mangelndes Selbstbewusstsein aufgrund fehlender Finanzbildung ("Grundwissen über Anlageklassen") zugeschrieben:

"Wer Ahnung habe, könne oft selbstbewusster auftreten."

WILKE, Felicitas (2016): Die große Unbekannte.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (14): Viele Witwen haben sich zu Lebzeiten ihres Mannes nie mit Gelddingen befasst. Alleine fühlen sie sich überfordert,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 18.08.

Felicitas WILKE beschreibt uns über 70-jährige verwitwete Frauen als Problemfall:

"Vor allem Frauen über 70 überblicken ihre eigene finanzielle Situation oftmals schlecht. Einer der Gründe: In den Sechszigerjahren verdiente nur ein Drittel der verheirateten Frauen in Westdeutschland ihr eigenes Geld. Zehn Jahre später waren es 45 Prozent."

Als Experten werden uns Anabel OEHLMANN von der Verbraucherzentrale Bremen, Ruth STEINER ("Münchner Finanzberaterin") und Constanze HINTZE ("Geschäftsführerin der Vermögensberatung Svea Kuschel und Kolleginnen") präsentiert.

Als Problemlösung werden uns die Indienstnahme der eigenen Kinder oder professionelle Beratung durch Verbraucherzentralen oder Honorarberater empfohlen.

Passend? dazu wirbt die SZ um Anzeigenkunden für ihre geplante Altersvorsorgebeilage am 17. November, wobei das Thema bereits ziemlich genau umrissen wird:

"Mehr als 68 Millionen Lebens- und Rentenversicherungen haben die Deutschen für die Altersvorsorge abgeschlossen. Doch der einstige Verkaufsschlager hat sich zum Sorgenkind der Versicherungsbranche entwickelt. Durch die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt fällt es den Versichern schwer, die garantierten Zinsen für ihre Kunden zu erwirtschaften. Zudem zwingen die neuen EU-Eigenkapitalregeln Solvency II die Anbieter, viel Eigenkapital für klassische Lebensversicherungen mit lebenslangen Garantien vorzuhalten."

Bei so viel Entgegenkommen für die Belange der Versicherungen müssten die Gelder ja nur so fließen! 

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 15): Samstagsessay.
Abschied: Wer erkennt, was er alles nicht braucht, hat weniger Angst vor Verlust
Unruhe: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht mehr
Freunde: Altersvorsorge ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine soziale Frage

SLAVIK, Angelika (2016): Auf Wiedersehen.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (15): Viele Menschen fürchten um ihren Lebensstandard im Alter. Vielleicht wird die Angst geringer, wenn  man sich von Idealen verabschiedet und mal eine grundsätzlichere Frage stellt: Was brauchen wir eigentlich?
in: Süddeutsche
Zeitung v. 20.08.

Angelika SLAVIK redet uns ein, wir hätten Luxusrentner-Phantasien. Offenbar kann sich die SZ nicht vorstellen, dass Normalos ihre Zeitung lesen und nicht nur die obere Mittelschicht ("Segelboot" sollte man eher mit Segelyacht übersetzen und bei "Cabrio" assoziiert man seit den 1990er Jahren das sozialpolitische Feindbild des Singles -  speziell der DINKs ). Dazu werden uns die Gassenhauer eines Udo JÜRGENS und Werbespots von Bausparkassen als Phantasma zugeschrieben.

Die Angst, den Lebensstandard nicht halten zu können, soll uns in die Arme der kapitalgedeckten Altersvorsorge treiben. Wir werden auf die Suche nach Lebensqualität geschickt, eine Erfindung neoliberaler Zeiten, um berechtigte finanzielle Ansprüche abzuwehren. Lebensqualität gilt als eine Art Ersatz für Sicherheit durch Geld. Neue Bescheidenheit wird heute als Minimalismus buchstabiert. Der Trend zum Weniger ist seit Ulrich BECK, dem deutschen Propheten des Dritten Weges, zum Deckelmäntelchen des Sozialabbaus gewordnen. In der ZEIT wurde dies von Bernd ULRICH den Lesern dekretiert.

Den Trend zum Weniger muss man sich erst einmal leisten können - davon liest man herzlich wenig bei SLAVIK. Weniger bedeutet meist nur teurer, weil es gerade in ist. Uns wird der Nicht-Besitz eines Autos angepriesen, das wir schon längst nicht mehr besitzen!

"Kurz - alle gängigen Vehikel der Vorsorge sind von Faktoren abhängig, deren Entwicklung kaum jemand beeinflussen, na nicht einmal seriös prognostizieren kann."

Welch kluge Erkenntnis, nur dass daraus die falschen Schlüsse gezogen werden. Werden wir in der SZ und anderen Mainstreamzeitungen nicht tagtäglich mit Prognosen bombardiert, die uns als letzte Wahrheiten verkündet werden? Und wird uns die kapitalgedeckte Altersvorsorge nicht als das Nonplusultra an Sicherheit verkauft? Wer daran je geglaubt hat, ist selber schuld!

Wir sollen uns von der Idee verabschieden, dass es im Leben einen Zeitpunkt gibt, an dem man es geschafft habe. Was sollen aber jene machen, die solche Ideen noch nie gehabt haben?

Breite Streuung, den Tipp den uns die Drei-Säulen-Prediger der Altersvorsorge heutzutage an jeder Straßenecke ins Ohr posaunen, dehnt SLAVIK - wie könnte es anders sein - auf die sozialen Netzwerke als weitere Säule unserer Altersvorsorge aus. Wir sollen unsere "Chancen optimieren" rät uns die Optimierungsbranche. Langeweile nach dem Renteneintritt wird uns - neben Netzwerklosigkeit - als unser größtes Problem zugeschrieben. Wir werden von SLAVIK als eine Abart der Arbeitslosen von Marienthal gesehen.

Wir werden wie Kinder behandelt, für die Unsicherheit ein völlig neues Phänomen ist. Wer die Jugendarbeitslosigkeit der 1970er Jahre, die Akademikerarbeitslosigkeit der 1980er, die Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland in den 1990er Jahren und die Massenarbeitslosigkeit der Nullerjahre erlebt hat, der ist keineswegs so unbedarft wie uns die Autorin hält. Terror? Ist auch kein neues Phänomen, wenn man sein Leben nicht ausschließlich in Hintertupfingen verbracht hat. Prediger der wie immer gearteten Apokalypse haben uns von Kindesbeinen an umringt. Der Weltuntergang war unser ständiger Begleiter. Und da will uns jemand einreden, unser Problem sei die (Un-)sicherheit?

Jens SPAHN stellt uns die SZ als Renten-Märtyrer vor, der sich am Montag todesmutig in die Rentendebatte stürzen wird! Morddrohungen scheinen inzwischen als eine Art Ausweis zu gelten, dass ein Politiker uns nichts als die reine Wahrheit sagt! Wann wird uns der erste Rententote von den Medien präsentiert? Gestorben im heroischen Kampf für die Generationengerechtigkeit? Dann könnten die Medien endlich jenen Generationenkrieg eröffnen, den sie schon seit mehr als zwei Jahrzehnten herbei schreiben. Von daher: wer Jens SPAHN mit Mord droht wegen Äußerungen zur Rente, der ist ein irrer Volltrottel!

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 16)

BOHSEM, Guido & Thomas ÖCHSNER (2016): "Den Rentnern geht es so gut wie noch nie".
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (16): Jens Spahn hat schon Morddrohungen bekommen, weil er sagt, was er denkt. Jetzt schlägt der Finanzstaatssekretär vor, die private und die betriebliche Vorsorge zu reformieren - und länger zu arbeiten,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 22.08.

Jens SPAHN betätigt sich als Sprachrohr der Unternehmenslobbyisten und der Finanzdienstleistungslobby, die in der Kapitaldeckung ihre Profitinteressen am besten gewahrt sehen, weil Versicherungsmathematik keinen sozialen Ausgleich vorsieht. SPAHN baut einerseits das Feindbild IG Metall auf, um der Gewerkschaft andererseits in Sachen betrieblicher Altersvorsorge ("Metallrente") entgegenzukommen.

Beim Renteneintrittsalter will SPAHN einfach die bisherige Regelung über die Jahrgänge ab 1964 hinaus verlängern:

"Die derzeitige Regelung, nach der pro Jahr ein Monat länger gearbeitet werden muss, bis 2031 die Rente mit 67 erreicht ist, halte ich für vernünftig. Die sollte man auch für die Zeit nach 2030 beibehalten."

Im Prinzip läuft dies auf den Bundesbankvorschlag einer Rente mit 69 bzw. SCHÄUBLEs Rente mit 70 hinaus. Hier zeigt sich SPAHN also genauso wenig als Vordenker wie andersweitig, sondern als bloßer Mitläufer. Von daher ist die Umschreibung der SZ, er gehöre zum "politischen Inventar" berechtigt, denn Inventar steht nur herum, statt neue Impulse zu setzen.

Gerne nimmt er seinen Vater - einen Besserverdienenden - als Beispiel, um seine Forderungen für diese gut situierte Rentner-Zielgruppe zu begründen. Dies wird deutlich, wenn er bei der betrieblichen Altersvorsorge ausgerechnet die Direktversicherung anführt, mit der sich Leitende Angestellte wie sein Vater eine Luxusrente gönnen können (vgl. Judith KERSCHBAUMER "Vorschläge zur Stärkung der bAV für Geringverdiener", Soziale Sicherheit, Heft 6, 2016).

Bei der Riester-Rente will SPAHN "höhere Renditen" zulassen, eine Lieblingsvokabel der Finanzdienstleistungslobbyisten, die damit die Abschaffung des Garantiezinses meinen. Man sollte sich an die vollmundigen Rendite-Versprechungen vor 10 bis 20 Jahren erinnern, ohne die eine Riester-Rente niemals durchsetzbar gewesen wäre. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan und kann nun gehen! Dass höhere Renditen mit höheren Risiken einhergehen, das verschweigt er jedoch - schließlich tragen diese ja allein die Versicherten. Selber schuld!

Wer einen Renten-Wahlkampf führen möchte - statt einen Steuersenkungswahlkampf wie die obere Mittelschicht ihn sich wünscht -, der wird als Totengräber der Republik diffamiert. Mit Hilfe der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme wurde bekanntlich schon die Weimarer Republik von den angeblichen Demokraten in ihren Grundfesten erschüttert und der Nationalsozialismus dadurch salonfähig gemacht.

Im Kleingedruckten wird zu Jens SPAHN vermerkt, dass er mit Unterstützung der unternehmensfreundlichen (wird natürlich verschwiegen!) Senioren-Union der CDU ins Präsidium der Partei gehievt wurde. Im Großgedruckten wird er dagegen gerne zum Renten-Rebellen stilisiert.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 17): Das neue Leben als Rentner.
Warum viele junge Alte ins Reisebüro gehen oder den Möbelwagen bestellen

KUNTZ, Michael (2016): Umzug ins Ungewisse.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (17): Manche Senioren suchen im Ruhestand ihr Glück in der Ferne. Sie gehen ins Ausland oder in Gegenden, wo schon viele Gleichaltrige leben. Die mobilen Alten - ihre Hoffnungen, ihre Enttäuschungen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 25.08.

Michael KUNTZ nimmt - wie schon Catrin KAHLWEIT - eine Pressemeldung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu den Auslandsrenten im Jahr 2015 zum Anlass, um diese seltene Spezies (ca. 1 Prozent der Rentner) als Rahmen für jene Rentner zu nehmen, die im Alter noch umziehen, wobei KUNTZ sich zum einen auf die Luxusvariante (Tegernsee, Baden-Baden) und zum anderen auf die Billigvariante (Wilhelmshaven, Nordhessen) konzentriert, während ihm der Normalo zu uninteressant ist. Schon Gerhard MATZIG hat Benachteiligten das Wohnen in attraktiven Städten abgesprochen (vgl. "Gebaute Utopie, SZ 19.08.2016). Bei KUNTZ wird dieses Prinzip auf die Rentner angewandt:

"Auch wenn das oft anders gesehen wird, aber ein Anspruch darauf, dort im Alter wohnen zu bleiben, wo man gearbeitet hat und sich nun den Ruhestand nicht mehr leisten kann - einen solchen Anspruch mag es politisch geben, rechtlich gibt es ihn jedenfalls nicht. Also wird mancher Umzug schlicht uns spaßfrei der Senkung der Kosten für die Lebenshaltung dienen."

Das Stadtmarketing von Görlitz hat auch in KUNTZ einen Fan (vgl. Miriam SCHÖNBACH "Sieben Jahre Görlitz-Experiment", ND 27.07.2016)., wobei die Verzweifelung deutlich wird, wenn familienlosen Singles die östliche Grenzstadt folgendermaßen schmackhaft gemacht werden soll:

"Da immer mehr Singles alt werden, spielt es bei der Ortswahl auch keine so große Rolle mehr wie früher, ob die Familie in der Nähe wohnt. Wo Angehörige sich nicht besuchen, ist letztlich egal."

KUNTZ, Michael (2016): Das Schiff ist das Ziel.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (17): Reiche Senioren gehen auf Kreuzfahrt anstatt ins Altenheim,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 25.08.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 18)

GRÄBER, Berrit (2016): Vom richtigen Zeitpunkt.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (18): Senioren sollten rechtzeitig ans Wohnen im Alter denken, denn Umzug oder Umbau brauchen Zeit,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 26.08.

Berrit GRÄBER stellt uns vor die beiden Alternativen altersgerechten Wohnens: Umzug oder Umbau. Dazu gibt es Ratschläge von Experten der Verbraucherzentrale NRW, der KDA und der BAG sowie Informationen zu Fördergeldern und Finanzierungsmöglichkeiten.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 19): Tabuthema Erbe.
Warum wir nicht gern über den Nachlass reden - und wer sich trotzdem damit befasst

HAMPEL, Lea & Pia RATZESBERGER (2016): Bis dass der Tod das Gespräch verhindert.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (19): Ein großer Teil der Deutschen hat kein Testament. Dabei wird eine genau Regelung immer wichtiger,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 30.08.

"Niemand weiß genau, wie viel in Deutschland vererbt wird, wegen der gesetzlichen Freibeträge werden nicht alle Erbschaften vom Finanzamt erfasst. Die meisten Ökonomen aber gehen von 200 bis 300 Milliarden Euro im Jahr aus. Eine Erbschaft beträgt im Mittel 305.000 Euro, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorgsorge, einer Tochter der Deutschen Bank",

erklären uns HAMPEL & RATZESBERGER. Von welchem Mittel sprechen aber die Autorinnen? Vom Durchschnitt oder vom Median? Und was würde das dann angesichts der krassen Ungleichheit bei den Vermögen bedeuten? Und sind darin auch die Firmenerben berücksichtigt, um deren steuerliche Begünstigung derzeit verbittert gerungen wird? Dieser Teil wird offensichtlich ausgeklammert, denn die Autorinnen beschränken sich auf Familienstreitigkeiten, die im Erbschaftsfall entstehen können. Uns wird erklärt, dass solche Streitigkeiten zunehmen und dies daran liege, dass unser Nachlass nicht vor unserem Tod hundertprozentig geregelt wurde.

"Die Zahl der Schenkungen steigt nicht ohne Grund. Es kann steuerlich durchaus günstiger sein, ein Haus den Kindern schon vor dem Tode zu vermachen",

werden wir zudem als Steuervermeider angesprochen.

HAMPEL, Lea (2016): Die Therapeuten.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (19),
in: Süddeutsche
Zeitung v. 30.08.

 Lea HAMPEL stellt uns die Familienberatung vor, die vor allem bei Streitigkeiten zwischen Geschwistern und in Patchworkfamilien schlichten muss. Aus dieser Sicht stören wir den "Familienfrieden", wenn wir unseren Nachlass nicht rechtzeitig regeln.

RATZESBERGER, Pia (2016): Die Nachlasspfleger.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (19),
in: Süddeutsche
Zeitung v. 30.08.

Pia RATZESBERGER stellt uns den Nachlasspfleger vor, der erst eingreifen muss, wenn wir unseren Nachlass nicht richtig geregelt haben und nicht gleich unsere Erben auf der Matte stehen. Das sei meist bei  kinder- bzw. Familienlosen der Fall.

HAMPEL, Lea (2016): Der Anwalt.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (19),
in: Süddeutsche
Zeitung v. 30.08.

Lea HAMPEL vermittelt uns die Sicht des Fachanwalts für Erbrecht. Dieser wünscht sich, dass wir bereits vor dem Erbfall zu ihm kommen (was ja sonst auch nicht möglich wäre). Dessen Welt unterteilt sich ansonsten in jene Erben, die ihren Pflichtteil einfordern wollen (also mit dem Erblasser unzufrieden sind) und jene, die meinen, dass ihre Miterben sie übervorteilen. Hier ginge es in erster Linie um Immobilien. Auch hier werden also Firmenerben ausgeklammert.

RATZESBERGER, Pia (2016): Der Makler.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (19),
in: Süddeutsche
Zeitung v. 30.08.

Makler meint hier Immobilienmakler, der sein Geschäft vor allem Erbengemeinschaften und weniger Alleinerben verdanke, denn dann müssen oftmals Häuser verkauft werden. Dies ist ein einträgliches Geschäft, insbesondere in Großstädten, wo selbst noch vollkommen heruntergekommene Immobilien lukrativ sind.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 20): Reden wir über Geld

REXER, Andrea & Vivien TIMMLER (2016): "Das lässt mich nicht mehr los".
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (20): Daniela Späth sammelt Erbschaften für die SOS Kinderdörfer. In den Wohnungen von Verstorbenen macht sie Dinge, die ihre Eltern immer verboten haben. Und manchmal muss sie sich um eine Schafherde kümmern,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 02.09.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 21): Wirtschaftsreport

KLIMM, Leo (2016): Unter uns.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (21): Sie ziehen in umzäunte Rentnerdörfer mit Klubhaus und Pool, in eine Parallelwelt hinter Zäunen und Mauern: Während das Land an Terror und Wirtschaftsflaute leidet, schotten sich immer mehr ältere Franzosen ab - in exklusiven Anlagen nach US-Vorbild, die nicht für Reiche gedacht sind, sondern für eine goldene Generation der Mittelschicht,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 03.09.

Die Überschrift führt völlig in die Irre. Mit der goldenen Generation werden in Frankreich die 68er bezeichnet, während uns Leo KLIMM einen untypischen Babyboomer vorstellt: einen 56-Jährigen Frührentner, der als Selbständiger zu Reichtum kam und sich deshalb in ein Rentnerdorf der französischen Kette Les Senioriales in Vias in der südfranzösischen Provinz Languedoc einkaufen konnte.

Die Kette besitzt in Frankreich gerade einmal 42 Wohnanlagen, Vias ist die neueste Siedlung mit ca. 60 Wohneinheiten. Rechnet man dies hoch, dann kommt man nicht einmal auf 1000 Rentner, die in solchen Anlagen nach dem US-amerikanischen Vorbild der Sun Citys wohnen. Dass dies ein Mittelschichtrend sei ist also mehr als übertrieben. Eher wird uns die Ausnahme als Regel suggeriert. Die Franzosen werden uns als Volk der Frührentner präsentiert:

"die Franzosen haben angesichts eines frühen tatsächlichen Austritts aus dem Berufsleben (59 Jahre) und hoher Lebenserwertung den längsten Lebensabend: Der Industrieländerorganisation OECD zufolge beziehen die Französinnen durchschnittlich 27,2 Jahre Rente, die Franzosen 23 Jahre. In Deutschland sind es vier, respektive drei Jahre weniger."

Dyrk SCHERFF ("Rente mit 73", FAS 21.08.2016) hat uns dagegen die Franzosen als vorbildlich angepriesen, weil deren Renteneintrittsalter - im Gegensatz zu Deutschland - bereits an die Lebenserwartung gekoppelt sei. Helmut STALDER in der NZZ Online v. 21.08. diesen Jahres erklärt uns:

"Auch für die Franzosen, die traditionell früh in Pension gingen, wurde das Rentenalter erhöht. Für die nach 1955 Geborenen gilt Rentenalter 62, für nach 1950 Geborene bestehen Übergangsregeln."

Der aktuelle OECD-Rentenbericht 2015 erklärt uns dagegen, dass die Franzosen im Jahr 2057 mit 63 Jahren in Rente gehen werden. Die jeweiligen Interpretationen passen zwar haargenau zur Intention des jeweiligen Autors, aber wie sieht die Realität in Frankreich tatsächlich aus? Das kann sich nun der Leser selber zusammenreimen.

"Les Senioriales zielt auf Rentner, die - allein oder zu zweit - über ein Bruttoeinkommen von 1.500 bis 3.000 Euro monatlich verfügen.
Die Durchschnittsrente aus öffentlichen und berufständigen Kassen liegt bei gut 1.300 Euro. Hinzu kommen oft Einkünfte aus Lebensversicherungen. Das ist vergleichbar mit der Lage deutscher Rentner",

erklärt uns KLIMM. Heißt das, dass in Frankreich die Besteuerung genauso ist wie in Deutschland? Oder ist die Kaufkraft höher bzw. niedriger? Bruttoeinkommen sind bei internationalen Vergleichen eher wenig aussagekräftig. Und offenbar sieht es mit diesen Wohnanlagen nicht gerade rosig aus:

"Der Umsatz sank binnen vier Jahren von 75 auf 55 Millionen Euro."

Trends sehen für gewöhnlich anders aus! Alles in allem lässt dieser Report mehr Fragen offen als er beantwortet. Er bedient eher typische Franzosenklischees vom Savoir vivre!

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 22): Job trotz Rente.
Warum viele ältere Menschen weiterarbeiten - und wie das geht

BERGER, Georg & Nils WISCHMEYER (2016): Sie sind alt und brauchen das Geld.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (22): Endlich Rente, endlich Nichtstun? Von wegen. Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten, obwohl sie schon im Ruhestand sind. Viele sind sehr gefragt, Internetportale vermitteln sie für Jobs in allen Lebenslagen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 06.09.

BERGER & WISCHMEYER nehmen Ende August veröffentlichte Zahlen zur Zunahme von Minijobs bei 65-Jährigen und Älteren zum Anlass, um uns das als Erfolg zu verkaufen (vgl. Thorsten KNUF "Immer mehr Rentner arbeiten", FR 31.08.2016). Dass dies ein Zeichen für die Zunahme von Altersarmut ist, interessiert die SZ-Journalisten wenig. Das seien kaum mehr als ein Drittel der minijobbenden Rentner. Ihr neoliberaler Blick richtet sich stattdessen auf diejenigen, deren Jobs so toll sind, dass sie die Erwerbsarbeit nicht aufgeben wollen. Uns werden Internetportale wie Rent a Rentner, das Deutsche Seniorenportal und die Senioren-Börse als zukunftsträchtige Vermittlungsplattformen beschrieben.

BERGER & WISCHMEYER sehen in der zunehmenden Altersarmut kein Problem, sondern eine Chance für Vermittlungsplattformen wie Rent a Rentner. Die Journalisten zitieren Holger SCHÄFER von der Unternehmenslobby IW Köln, der darauf hinweist, dass hochqualifizierte Freiberufler in der Minijob-Statistik gar nicht berücksichtigt werden. Als Beispiel wird uns ein fitter ehemaliger Klinikleiter präsentiert.

BERGER & WISCHMEYER erklären uns, dass händeringend Fachkräfte gesucht würden, die iedealerweise nicht etwa bei den teueren Jungen, sondern  bei den billigen Älteren gesucht werden würden. Dazu zitieren sie den Unternehmenslobbyisten Stefan HARDEGE ("Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags").

WILKE, Felicitas (2016): Mit 66 Jahren...
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (22): Tipps für alle, die im Seniorenalter hinzuverdienen oder im Job bleiben wollen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 06.09.

Felicitas WILKE erklärt uns, dass vor allem Frauen auf einen Hinzuverdienst angewiesen seien. WILKE erklärt uns danach was beim Hinzuverdienst zu beachten ist.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 23): Alt und unterschätzt.
Rentner sind längst eine wichtige Zielgruppe. Herauszufinden, was sie wollen, ist aber schwierig

HAMPEL, Lea & Felicitas WILKE (2016): Kundschaft, zu der niemand gehören will.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (23): Kampagnen für Senioren sehen oft so aus, als wären diese längst im Pflegeheim. Warum sich Firmen so schwer tun, die wachsende und vermögende Zielgruppe zu umwerben,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 08.09.

HAMPEL & WILKE richten sich mit ihrem Artikel an die Unternehmen, die nach ihrer Ansicht zu wenig über die Zielgruppe 50+ bzw. 65+ wissen:

"Menschen kurz vor und in der Rente gibt es so viele wie nie zuvor in Deutschland. Schon jetzt ist jeder fünfte Deutsche über 65 Jahre, im Jahr 2060 wird es jeder dritte sein. Im vergangenen Jahr 2015 gab es erstmals mehr potenzielle Kunden über 50 als zwischen 14 und 49 Jahren. (...).
Menschen jenseits der 50 (sind) attraktive Kunden. Jeder vierte Mann über 65 Jahre hat mehr als 2.000 Euro monatlich zur Verfügung."

Die Autorinnen präsentieren uns Zahlen, die nicht nachvollziehbar sind. Sie sprechen zwar von der Zielgruppe 50+, Zahlen werden jedoch nur für die 65-Jährigen und Älteren genannt. Wir wissen zwar dass 20 % der Bevölkerung zur  65+-Bevölkerung gehören, jedoch nicht wie viele Männer es sind. Da es wesentlich mehr Frauen als Männer gibt, die zu dieser Bevölkerung gehören, relativiert sich die Aussage "jeder vierte Mann" deutlich, denn Frauen sind als kaufkräftige Zielgruppe offenbar uninteressant. Die kaufkräftigen Senioren machen schätzungsweise höchstens 2 % der Bevölkerung aus und noch nicht einmal 10 % der Zielgruppe 65+, wenn man davon ausgeht, dass der Anteil an Männern rund 40 % ausmacht - was sehr hoch gegriffen ist.

Von daher ist es kaum verwunderlich, dass das Interesse der Unternehmen an der gehypten Zielgruppe eher gering ist. HAMPEL & WILKE haben auch nur zwei Experten aufgetrieben: Gundolf MEYER-HENTSCHEL ("Fachmann für Seniorenmarketing") und Ursula FRIEDSAM ("Betreuerin" der Münchener Seniorenmesse "Die 66").

WILKE, Felicitas (2016): Für den Durchblick.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (23): Diese Produkte denken sich Firmen aus: Lupen gibt es heute für alle Lebenslagen. Optiker profitieren,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 08.09.

MA (2016): Knopf im Ohr.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (23): Diese Produkte denken sich Firmen aus: Wenn das Smartphone das Hörgerät steuert,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 08.09.

HAMPEL, Lea & Felicitas WILKE (2016): Arzt an Bord.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (23): Diese Produkte denken sich Firmen aus: Reiseanbieter schicken Mediziner mit auf Tour,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 08.09.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 24): Die späten Jahre.
Wer sein Leben nach der Arbeit gut vorbereitet, profitiert im Alter

KUNTZ, Michael (2016): Wer früher geht, lebt kürzer.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (24): Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Sterberisiko wächst, wenn Berufstätige vorzeitig in den Ruhestand wechseln: Viele fallen in ein Loch, weil sie nicht mehr gefragt sind, der Frust wächst. Familie, Freunde und Hobbys können helfen, den neuen Lebensabschnitt zu genießen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 13.09.

Neoliberale flankieren ihre Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter mit Forschungsergebnissen, die angeblich beweisen sollen, dass ein Frührentnerdasein die Lebenserwartung verkürzt. Michael KUNTZ präsentiert uns nur Fallbeispiele aus der oberen Mittelschicht, speziell der Managerriege, denn der so genannte Ruhestandstod ist eher Problem jener, die ihren Machtverlust nicht verkraften. Mehr als die üblichen Studien, die das Phänomen auch bei anderen Rentnergruppen belegen sollen, liefert uns KUNTZ nicht (vgl. Nadine AHR "Herr Vahl hört auf", Die Zeit 30.07.2015).

"Mit jedem Jahr vorgezogenem Ruhestand steige die Wahrscheinlichkeit, vor dem 68. Geburtstag zu sterben, um 13,4 Prozent",

zitiert KUNTZ ein Studie von Andreas KUHN, Jean-Phnilippe WUELLRICH und Josef ZWEIMÜLLER, die im August 2010 als Diskussionspapier Fatal Attraction? Access to Early Retirement and Mortality erschienen ist. Dort heißt es:

"For males, instrumental-variable estimates show a significant 2.4 percentage points (about 13%) increase in the probability of dying before age 67."

Die Aussage gilt lediglich für österreichische, männliche Arbeiter der Geburtsjahrgänge 1929 - 1941) und ist mit äußerster Vorsicht zu genießen, da es sich hier nur um ein Diskussionspapier handelt und nicht um Erkenntnisse, die einer Überprüfung durch weitere Forschungen standgehalten haben. Die Aussagen haben also einen sehr eingeschränkten Aussagebereich, und sind nicht - wie KUNTZ suggeriert - verallgemeinerbar.

"Von den in den 1960er Jahren geborenen Babyboomern hat ein Drittel keine Kinder",

lügt uns KUNTZ an, denn diese Fehleinschätzung von Herwig BIRG Anfang des Jahrtausends ist längst durch Erhebungen widerlegt. Ledig rund 20 % dieser Babyboomer bleiben kinderlos. Dass dies ein Problem sei, ist allenfalls Spekulation und kein empirischer Beleg.

JANNASCH, Sebastian (2016): Gefangen im Netz.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (24): Senioren sollten sich frühzeitig um ihren digitalen Nachlass kümmern,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 13.09.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 25)

DOHMEN, Caspar (2016): Zeit schenken, Hilfe bekommen.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (25): Wer sich für andere einsetzt, erhält im Alter Unterstützung zurück - so funktionieren Zeitbanken. Zu Besuch bei einem Verfechter dieser Vorsorgeidee,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 15.09.

Caspar DOHMEN stellt uns den Ingenieur Karl-Heinz KOCK vor, der die Kölner Vorsorge-Zeitbank gründete, bei der bislang jedoch erst 25 Menschen mitgemacht haben, bei einem geschätzten Potenzial an 25.000 Bürgern der Millionenstadt Köln.

"Er las ein Interview mit dem mittlerweile verstorbenen CDU-Politiker Lothar Späth und dem ehemaligen Mc-Kinsey-Chef Herbert Henzler. Sie propagierten die Idee von Zeitbanken als einer vierten Säule der Altersvorsorge",

beschreibt DOHMEN den Anstoß zur Gründung der Kölner Vorsorge-Zeitbank. Auf seiner Website schreibt KOCK jedoch:

"Die Idee einer solchen VORSORGE-ZEITBANK für ehrenamtliche Tätigkeiten ist nicht neu. Im März 2011 wurde sie von Herbert Henzler und Lothar Späth in ihrem Buch »Der Generationen-Pakt: warum die Alten nicht das Problem, sondern die Lösung sind« aufgegriffen und im Fernsehen dafür geworben. Leider ist der Diskurs hierzu aber zu Erliegen gekommen."

DOHMEN führt den Wandel der Lebensformen und unzureichende Renteneinkommen als Gründe für solche zivilgesellschaftliche Projekte an. Angeblich hätten früher Nachbarn oder die Familie jene Arbeiten erledigt, die nun zivilgesellschaftliche Projekte übernehmen sollen. Früher hieß wohl in der Nachkriegszeit - eine kurze historische Epoche also, die in Zeiten der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme gerne idealisiert wird.

"Verbreitet ist die Idee in den USA und Großbritannien, bekannt geworden ist auch das Fureai-Kippu-Systgem (Pflege-Beziehungsticket) in Japan, ein Zeitbanksystem für Pflegedienstleistungen. (...) Als gesichtswahrende Lösung führte der Staat in den Neunzigerjahren das Gutschreiben von Zeit ein. (...)
Im deutschsprachigen Raum wird die Idee häufig unter einem anderen Namen verwirklicht, als Seniorengenossenschaft, die allerdings meist in der Rechtsform des Vereins organisiert ist. Zählt man Seniorengenossenschaften, Tauschbörsen, Zeitbanken und Nachbarschaftshilfen dazu, gibt es bundesweit etwa 220 Initiativen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit fußen. Manche sind ausreichend groß, wie die Seniorengenossenschaft Kronach mit rund 700 Menschen. (...)
Seit dem Jahr 2010 werden verstärkt Seniorengenossenschaften in Deutschland gegründet",

erklärt uns DOHMEN die Geschichte dieser Form des zivilgesellschaftlichen Engagements in anderen Ländern und in Deutschland. Das Thema ist derzeit groß in Mode. So hat z.B. das Deutsche Zentrum für Altersfragen in seiner März/April-Ausgabe des Informationsdienst Altersfragen das Thema Seniorengenossenschaften anlässlich erster Ergebnisse eines BMBF-Forschungsprojektes behandelt.

"Sankt Gallen gehört zu den Vorbildern der Szene, weil die Schweizer Stadt den größten Knackpunkt bei der Etablierung einer Zeitbank gelöst haben: Die Kommune garantiert die erworbenen Guthaben für die Beteiligten",

erzählt uns DOHMEN. Der Sozialwissenschaftler Christoph BUTTERWEGGE sieht in solchen Initiativen jedoch keine tragfähige Lösung, da solche Initiativen eher dort entstehen, wo sie am wenigsten gebraucht werden: in Quartieren der Mittelschicht. Er sieht auch die Gefahr, dass durch solche zivilgesellschaftlichen Projekte staatliche Hilfe ersetzt werden soll. BUTTERWEGGE setzt deshalb auf einen starken Sozialstaat.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie (Teil 26 und Schluss): Die späten Jahre.
Wer sein Leben nach der Arbeit gut vorbereitet, profitiert im Alter

BOHSEM, Guido & Thomas ÖCHSNER (2016): "Das ganze Jahr Urlaub ist auch kein Urlaub mehr".
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (26): Der ehemalige Arbeitsminister und frühere SPD-Chef Franz Müntefering über die ruhigere Zeit nach fast 60 Jahren voller Arbeit, Weihnachtsgeld in Lohntüten und die Frage, was sich bei der Rente alles ändern muss,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 16.09.

Franz MÜNTEFERING, strammer SPD-Parteisoldat, liefert keine neuen Erkenntnisse zum Thema Rente, sondern es wird lediglich das Übliche nacheinander abgehakt.

"Angst vor einem Generationenkonflikt habe ich (...) nicht. Die reichen Alten werden sich nicht mit den armen Alten gegen die Jungen verbünden. Und umgekehrt gilt es auch. Die Vernünftigen aller Generationen, müssen sich unterhaken",

erklärt uns MÜNTEFERING seinen Blick auf die Politik.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Alles im Fluss.
SZ-Serie Unsere Zukunft, unsere Rente (26): Die große Koalition muss sich beim Thema Rente erst noch zusammenraufen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 16.09.

"In 26 Folgen haben SZ-Autoren (...) beleuchtet, was bei der privaten, betrieblichen und gesetzlichen Alterssicherung in Deutschland gut und schlecht läuft, wie alte Menschen ihr Leben gestalten und welche neuen Geschäftsmodelle es rund um den Ruhestand gibt",

erläutert uns Thomas ÖCHSNER den Zweck der Serie Unsere Zukunft, unsere Rente, die ÖCHSNER am 9. Juli auch eröffnete. Man muss dies jedoch einschränken, denn die SZ hat das Thema nur aus der Perspektive der oberen Mittelschicht beleuchtet, während die Sorgen der restlichen Gesellschaft allenfalls als Nebensache abgehandelt wurden.

Der Ausblick auf die Rentenpolitik der großen Koalition bis zur Bundestagswahl beschränkt sich auf die Ostrentenangleichung (droht an der Finanzierungsfrage zu scheitern) und die Lebensleistungsrente (wird abgelehnt), während die Reform der betrieblichen Altersvorsorge außen vor bleibt. Der Ausblick Was vom Koalitionsvertrag übrig bleibt von Dietrich CREUTZBURG u.a. (FAZ 24.08.2016) war aufschlussreicher.

 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 18. September 2016
Update: 19. November 2018