|
Das minimale Existenzgeld
als Beitrag zur Generationengerechtigkeit
OPASCHOWSKI gilt
spätestens seit seinem Buch Der Generationenpakt als
Verfechter der Generationengerechtigkeit. Bereits in der
Einleitung wird der Kampf der Generationen beschworen. Der
ZDF-Dreiteiler 2030 - Aufstand der Alten wird als
"durchaus vorstellbare" Perspektive einer Gesellschaft
ohne Zukunftssicherung bezeichnet.
2030 - Aufstand der Alten
"Die Journalistin Lena
Bach (Bettina Zimmermann) versucht im Jahr 2030 den
mysteriösen Tod des Rentners Sven Darow (Jürgen Schornagel)
aufzuklären und stößt dabei auf skrupellose Machenschaften
..." |
So weit soll es nicht
kommen, wenn es nach OPASCHOWSKI geht. Verbündete sieht er in
der Sandwich-Generation, den heute 30- bis 49-Jährigen,
die aufgrund ihrer Zukunftsängste am ehesten grundlegende
Reformen befürworten. Die Zukunft der staatlichen
Sicherungssysteme beschreibt OPASCHOWSKI als dramatisch:
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Die
sozialen Folgen für die Zukunft können dramatisch sein.
Denn mit dem immer höheren Altenquotienten aufgrund
steigender Lebenserwartung steigen auch die Kosten für die
gesetzliche Renten- und Pflegeversicherung. Wenn die heute
über 30-Jährigen selbst als Rentner oder pflegebedürftig
werden, sind ihre Beitragszahlungen lägst verausgabt. Die
dann stark dezimierte jüngere Generation wird aufgrund
sinkender Geburtenquoten den hohen Anstieg der
Soziallasten nicht mehr schultern und bezahlen können. Das
bedeutet: Die Sandwich-Generation wird mit ihren
Zukunftsrisiken und ihrer Angst vor Altersarmut
alleingelassen."
(2007, S.14) |
Der Geburtenrückgang ist
ein Glücksfall, behauptet dagegen der inzwischen verstorbene Soziologe
Karl Otto HONDRICH in seinem Buch Weniger sind mehr
.
Der Anstieg der Alterslasten ist in Deutschland - was so manchen
überraschen dürfte - weitaus geringer als in Industrieländern,
die noch in den 1940er und 1950er Jahren hohe Geburtenraten
aufwiesen und deren Baby-Boom nun gewaltige Probleme aufwirft.
Ausgerechnet die USA, bekanntlich mit einer bestandserhaltenden
Geburtenrate gesegnet, und - weniger überraschend - Japan,
werden bereits weitaus früher und wesentlich heftiger vom
Altersbeben betroffen sein. Wie diese beiden Länder den
demografischen Wandel bewältigen werden, das wird auch die
deutsche Debatte in den nächsten Jahren stark beeinflussen.
In
diesem Zusammenhang ist ein Buch interessant, das1985
erschien. Michael S. TEITELBAUM & Jay M. WINTER beschreiben in
ihrem Buch The Fear of Population Decline die Angst vor
dem Bevölkerungsrückgang. Es wird ja heutzutage gerne verdrängt,
dass bereits in den 1980er Jahren der Geburtenrückgang im Fokus
der bevölkerungspolitischen Debatte stand. Die Autoren stellen
sowohl den Babyboom als auch den Geburtenrückgang in einen
internationalen Kontext. Eine Perspektive, die angesichts der
nationalkonservativen Dominanz in Bevölkerungsfragen, besonders
erwähnenswert ist. Die Autoren warnen in ihrem Buch vor
unseriösen Prognosen über zukünftige Entwicklungen. Aus einem
Abstand von über 20 Jahren erscheinen die damaligen Ausführungen
unglaublich aktuell.
The Fear of Population Decline
"In
roughly the year 2010, the baby boom generation will reach
retirement age. Of course, in those countries that had
boomlets, the problem will not take on a sudden or acute
form. But given the fact that economic growth in Europe is,
to an extend, a function of levels of American demand, we
all must take account of the fact that the United States
is one of the countries in which the full social, economic,
and political consequences of the baby boom will emerge
when the birth cohorts of 1947 - 1965 retire."
(1985, S.153) |
Die Autoren sehen für die
USA bereits ab 2010 demografisch bedingte Probleme. In
Deutschland begann der Baby-Boom erst Mitte der 1950er Jahre,
d.h. wir könnten aus den Entwicklungen in den USA lernen. Anhand
des nachfolgenden Schaubilds lässt sich erkennen, dass der
Baby-Boom in Deutschland im Gegensatz zu Japan oder den USA
bescheiden war. TEITELBAUM & WINTER sprechen deshalb nur von
einem "Boomlet" statt von einem "Boom".
Der Geburtenrückgang
verlief in Deutschland nicht so dramatisch wie in Japan (Absturz
von ca. 4,5 Kinder pro Frau auf 2 Kinder pro Frau innerhalb
eines Jahrzehnts) oder den USA (Absturz von 3,8 Kinder pro Frau
auf 1,7 Kinder pro Frau innerhalb von 20 Jahren). In Deutschland
erfolgte der Rückgang zwischen 1964 und 1974 von 2,5 auf 1,5
Kinder pro Frau. Angesichts dieser Unterschiede im Verlauf muss
man sich über die hierzulande verbreitete Hysterie doch sehr
wundern. Sozialwissenschaftler wie
Christoph BUTTERWEGGE kritisieren deshalb das Konzept der
Generationengerechtigkeit, weil es die dramatischere Kluft
zwischen Arm und Reich innerhalb von Altersgruppen ausblendet.
Mittlerweile sind sogar die ersten Bücher erschienen, in denen auf
die Chancen des demografischen Wandels hingewiesen wird (z.B.
"Der demographische Wandel", herausgegeben von Peter A.
BERGER & Heike KAHLERT oder
"Demographisierung des Gesellschaftlichen", herausgegeben
von Eva BALÖSIUS & Daniela SCHIEK).
Das minimale Existenzgeld im Kontext
anderer Grundsicherungsmodelle
OPASCHOWSKI entwickelt
sein Modell des minimalen Existenzgeldes insbesondere in
Auseinandersetzung mit den konkurrierenden Vorschlägen des
neoliberalen Ökonomen Thomas STRAUBHAAR, des
Thüringer CDU-Ministerpräsidenten Dieter ALTHAUS und des
Drogeriekettenbesitzers Götz WERNER. Ausgeblendet
wird bei OPASCHOWSKI das linke Spektrum einer sozialen Bewegung
für ein Grundeinkommen. Der Trendforscher leitet seine
Begriffswahl aus Umfrageergebnissen ab, ohne auf die
historischen Wurzeln des Begriffs Existenzgeld einzugehen.
Existenzgeld wird Begriffen wie Grundeinkommen, Sozialeinkommen,
Grundrente oder Bürgergeld vorgezogen.
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Mit
höherer Schulbildung nimmt die Akzeptanz des Begriffs
»Existenzgeld« sogar zu (26 %), die Akzeptanz des Begriffs
»Grundeinkommen« aber ab (16 %). So fällt die Entscheidung
für das Minimex-Modell leicht: Es sichert das
Existenzminimum (= Minimales Existenzgeld) und verspricht
keinen Lohn ohne Leistung (wie bei Grund-»Einkommen«). Und
im übrigen lässt der Begriff genügend Offenheit für
gesellschaftspolitische Diskussion, weil er bisher
parteipolitisch nicht besetzt ist."
(2007, S.106) |
Der Begriff Existenzgeld
mag parteipolitisch nicht besetzt sein, aber er rekurriert auf
einen Begriff, der in Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen
geprägt wurde, wie in dem Buch Existenzgeld aus dem Jahr
2000, herausgegeben von Peter KREBS und Harald REIN, nachzulesen
ist
.
Existenzgeld
"Die
Diskussion um die Zukunft der sozialen Sicherung wird seit
einigen Jahren durch die Forderung nach Einführung eines
»Existenzgeldes« ergänzt. Vor allem aus den Reihen der
Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen wird darin eine
mögliche Alternative zur bestehenden kapitalistischen
Gesellschaft gesehen. Dieser Sammelband dokumentiert die
verschiedenen Positionen von Anhängern und Kritikern, wie
sie während einer Arbeitskonferenz im Frühjahr 1999 in
Berlin vorgetragen wurden. Die Beiträge dokumentieren
darüber hinaus Entwicklung und Stand der allgemeinen
Diskussion und geben einen Einblick in die Debatte in
Frankreich und Italien." |
Es ist durchaus
konsequent, wenn OPASCHOWSKI diese historischen Wurzeln nicht
erwähnt, denn das Eliten-Konzept eines minimalen Existenzgeldes
ist geradezu als Gegenmodell zu einer sozialen Bewegung für ein
Grundeinkommen konzipiert.
Das minimale Existenzgeld und seine Folgen
Es sind zwei Aspekte, die
das Prinzip eines minimalen Existenzgeldes bestimmen. Zum einen
geht es um die Schaffung von Arbeitsanreizen.
Unverzichtbar ist es deshalb, dass ein Existenzgeld niedriger
sein muss als ein Niedriglohn. In diesem Sinne steht der
neoliberale Chefdenker Milton FRIEDMAN Pate.
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Am
glücklichsten sind nachweislich die Menschen dann, wenn
sie etwas besitzen, was andere nicht haben.
Leistungswettbewerb und Statuswettlauf werden für die
meisten Menschen zur Antriebskraft, damit es ihnen besser
geht als den anderen.
(...).
Zum Glücklichsein braucht man eine Hierarchie nach oben
oder eine Hackordnung nach unten. Wenn alle das gleiche
Einkommen haben, wächst die Unzufriedenheit.
(...).
Insofern kann es nicht überraschen, dass 84 Prozent der
Bevölkerung an den eigenen Leistungsehrgeiz glauben. Wer
also seinen »Lebensstandard erhalten oder steigern will,
wird auch in Zukunft arbeiten und hinzuverdienen wollen«
Dieser Leistungswille ist den meisten Menschen geradezu
einprogrammiert, was nicht ausschließt, dass einige (z.B.
die übrigen 16 Prozent) mehr phlegmatisch als ehrgeizig
sind und sich mit einem bescheidenen Lebensstandard
zufrieden geben. Alle anderen aber wollen im Leben lieber
Maximierer und Optimierer sein. Früher hieß es: »Du musst
etwas leisten.« In Zukunft wird es eher heißen: »Ich will
etwas leisten.«"
(2007, S.109) |
Neben dieser bürgerlichen
Klassentheorie, in der den Selbsttechnologien eine
zentrale Rolle zukommt
, bezieht
das minimale Existenzgeld seine Attraktivität aus einem
neokonservativen Zurück zur Familie, dessen Gewährsmänner
bei Meinhard MIEGEL ("Die deformierte Gesellschaft"), Kurt
BIEDENKOPF ("Die Ausbeutung der Enkel") oder
Hans Werner SINN ("Ist Deutschland noch zu retten?")
zu finden sind. Wenig
verwunderlich, dass es gerade die Haushalte der "Kinderlosen"
sind, die einem Existenzgeld, das zu wenig zum Leben und zu viel
zum Sterben ist, wenig abgewinnen können.
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Lediglich
drei Bevölkerungsgruppen sind bei der Frage, ob der Betrag
nicht auch über 800 Euro liegen könnte, in ihrer
Zustimmung etwas überrepräsentiert im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung (14 %): die Singles (17 %), die
Großstädter (19 %) und die Rentner (21 %). Letztere wollen
verständlicherweise ihre Ansprüche nicht verlieren
(durchschnittliche Rentenhöhe derzeit in Deutschland bei
rund 1.000 Euro)."
(2007, S.139) |
OPASCHOWSKI trägt dem
Rechnung, indem er das minimale Existenzgeld zuerst bei jenen
einführen möchte, die am wenigsten Widerstand dagegen leisten
werden: Ab 2010 soll es für Neugeborene, ab 2020 für Kinder- und
Elterngeldbezieher, ab 2030 für ALG-II-Empfänger und ab 2040 für
alle Rentenversicherten eingeführt werden. Dieser Zeitplan würde
bedeuten, dass bereits in der nächsten Legislaturperiode erste
Gesetze erlassen werden müssten. Staatliche
Transferzahlungen sollen zugunsten privater Vorsorge und
familiärer Selbsthilfe zurückgefahren werden. OPASCHOWSKI
rechnet deshalb mit Übergangsproblemen bei der Einführung eines
minimalen Existenzgeldes für alle.
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Flexible
Übergangsfristen und Übergangsregelungen müssen
eingeplant werden, da mit Übergangsproblemen zu
rechnen ist. Schließlich würde sich mit der Einführung
eines Existenzgeldes für alle im Einzelfall die
gesetzliche Rente deutlich verringern. Das aber wäre nicht
akzeptabel, weil Rentner einen verfassungsrechtlich
geschützten Anspruch (Strengmann-Kuhn 2004, S.114) darauf
haben.
Der
Lösungsansatz: Die Veränderung soll langfristig und
schrittweise vorgenommen werden. Wenn die monatlichen
Rentenbeiträge beispielsweise ab 2010 in regelmäßigen
Abständen gesenkt werden, verändern sich auch die
Rentenansprüche, so dass ab 2030 die Rentner ebenfalls in
den Kreis der Existenzgeldempfänger einbezogen werden
können. Je nach politischem Willen dauert die
Übergangsphase 20, 30 oder 40 Jahre."
(2007, S.150)
"Vor dem
Hintergrund schrumpfender Bevölkerung und wachsender
Lebenserwartung kann das Deutschland der Zukunft kein
Bismarckscher Staat mehr sein, der alle Risiken des Lebens
abdeckt. Die Pflegeversicherung wird immer defizitärer.
Die Folge ist ein »Generationenvertrag ohne Generation« (Raffelhüschen
2007). Finanzierbar ist nur noch eine Grundsicherung. Das
Existenzgeld übernimmt in Zukunft die Funktion der
gesetzlichen Rente."
(2007, S.160) |
Mit dem minimalen
Existenzgeld sind nicht zuletzt Disziplinierungsmaßnahmen
verbunden. Entgegen den Expertisen des 7. Familienbericht der
Bundesregierung soll
OPASCHOWSKI zufolge nicht die frühe Selbständigkeit gefördert
werden, sondern der Mehrgenerationenhaushalt:
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Traditionell
wird »Familie« verstanden als alle in einer
Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen (Kinder,
Jugendliche, Eltern und mitunter auch Großeltern). Im
Zentrum familienpolitischer Förderungen muss der Gedanke
des gemeinsamen Haushaltes stehen und nicht der Auszug der
heranwachsenden Kinder oder das »Auseinanderdriften« der
einzelnen Familienmitglieder. Die Familie ist die
Zukunftskonstante der Gesellschaft - vom Zusammenleben
unter einem Dach bis zum gelegten Gemeinsinn im
Gemeinwesen."
(2007, S.155) |
Angesichts des
Turbokapitalismus mit seinen Zwängen zu Flexibilität und
Mobilität erscheinen solche Vorstellungen vom Bollwerk Familie
rückwärtsgewandt
. Um
das "Auseinanderdriften der Familienmitglieder" zu verhindern,
soll der Empfänger des Existenzgeldes nicht jedes
Haushaltsmitglied sein, sondern der gesamte Haushalt. Außerdem
sollen Zusatzgelder weitere Anreize für ein Zurück zur
Familie bzw. zur Aufnahme von sozialen Diensten schaffen:
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Damit
Jugendliche, die keine Ausbildungs- und
Beschäftigungsperspektive haben, nicht gleich
anstrengungslos an das Existenzgeld gewöhnen, sind hier
zusätzliche Förderungs- und Forderungsmaßnahmen der
Arbeitsagenturen (Jobcenter) vorgesehen, z.B.
regelmäßige Pflichtberatungsgespräche (...). Schon aus
diesem Grund verbietet es sich, von einem
»bedingungslosen« Existenzgeld zu sprechen. In diese
Richtung zielen auch Überlegungen zu einem
verpflichtenden sozialen Jahr. Das Existenzgeld ist
dann der verdiente Lohn für soziale Arbeit."
(2007,
S.161f.)
Es "müssen im
Konzept der Grundsicherung Elemente enthalten sein, die
zusätzliche Leistungsanreize bieten, die im
Interesse des Gemeinwohls sind (z.B. 10 Stunden pro Woche
gemeinnützige Arbeit als Ansparleistung für eine
Zusatzrente)".
(2007, S.165f.) |
Mit dem minimalen
Existenzgeld soll außerdem die "Einwanderung in die
Sozialsysteme" verringert werden:
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"»Der
Begriff 'Bürgergeld' führt in die Irre« meint
beispielsweise der Wirtschaftsethiker Joachim Fetzer (...)
in einer Auftragsstudie der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Statt die schlimmen Formen menschunwürdiger Armut zu
vermeiden, wird hier der Eindruck eines bürgerlichen
Grundeinkommens erweckt, das auch Anspruchsinflation zur
Folge haben kann. So sollen Ausländer bereits nach zwei
Jahren Aufenthalt in Deutschland ein Bürgergeld erhalten,
so dass ein Migrationsdruck nicht auszuschließen
ist."
(2007, S.144)
"Alle
erwachsenen Deutschen, die in Deutschland leben, haben
Anspruch auf ein Existenzgeld. (...) Ausländer, die sich
seit mindestens zwölf Monaten in Deutschland aufhalten
(Mindestaufenthaltszeit), bekommen vom zweiten Jahr an
Existenzgeld in halber und nach fünf Jahren in voller
Höhe."
(2007, S.161) |
Zusammenfassend lässt sich
sagen, dass das minimale Existenzgeld nicht die Kluft zwischen
Arm und Reich verringern will, sondern zum einen die Leistungs-
und Genussgesellschaft der Lebensunternehmer absichern soll und
zum anderen die staatlichen Transferleistungen zugunsten
familiärer Selbstsorge und bürgerschaftlichem Engagement
beschränken will:
Minimex. Das Zukunftsmodell einer sozialen Gesellschaft
"Insbesondere
die junge Generation befindet sich derzeit auf dem Wege zu
einer neuen Lebensbalance. Leistung und Lebensgenuss sind
für sie keine Gegensätze mehr. (..).
Also: Kein Lebensgenuss ohne Leistung. Umgekehrt gilt aber
auch: Lebensgenuss lenkt nicht mehr automatisch von
Leistung ab: Und wer sein Leben nicht genießen kann, wird
auch Dauer auch nicht leistungsfähig sein.
Der abhängig
und unselbständig Beschäftigte kann in Zukunft nicht mehr
Leitbild sein."
(2007, S.203)
"Für den
Schutz vor den Risiken des Lebens wie Krankheit, Alter und
Pflegebedürftigkeit ist immer weniger der Staat und immer
mehr der einzelne Bürger selbst verantwortlich. Im gleich
Maße, wie die Fürsorgeleistungen des Staates zurückgehen,
nehmen die Eigenleistungen der Bürgen zu."
(2007,
S.206) |
Fazit: Wer das Buch nicht gelesen hat, wird die
Bedeutung der kommenden Debatten um eine soziale Grundsicherung
unterschätzen
Das minimale Existenzgeld,
das der Trendforscher Horst OPASCHOWSKI im Buch Minimex
propagiert, wird die drohende Spaltung der Gesellschaft wohl
kaum verhindern. Es ist jedoch am Schnittpunkt der Interessen
verschiedener Elitengruppen angesiedelt, weswegen das Buch für
alle interessant ist, die sich für Fragen des Sozialstaats der
Zukunft interessieren. Im
minimalen Existenzgeld treffen sich u. a. die Vorstellungen der
digitalen Bohème mit denjenigen, die ein Zurück zur Familie
fordern. OPASCHOWSKI hat zudem mit den Mitteln der
Umfrageforschung eine Strategie entwickelt, die eine
grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme auf eine
breite Basis stellen könnte.
Der
gegenwärtige Elitenkonsens lässt keinen Zweifel: In den nächsten
Jahrzehnten stehen grundlegende Reformen der sozialen
Sicherungssysteme an. Das Buch Mimimex bietet einen
profunden Einblick in diverse Strömungen, die ein Interesse an
einer solchen Reform haben. Die Debatten einer sozialen Bewegung
für ein Existenzgeld, die im linken Spektrum angesiedelt sind,
bleiben dagegen bei OPASCHOWSKI außen vor, bzw. werden lapidar
als "utopische Mußegesellschaft" abgehandelt.
Das
Verdienst des Buches ist es dagegen das Spektrum (neo-)liberaler
und neokonservativer bis nationalkonservativer Ideen zur
Diskussion zu stellen. Die Ausgestaltung der zukünftigen
Grundsicherung wird darüber entscheiden, welche Spaltungen die
Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten prägen werden. Michael
OPIELKA hat im Buch Befreiung von falscher Arbeit drei
Szenarien vorgestellt, die mögliche Effekte einer Grundsicherung
auf den Sozialstaat beschreiben. OPIELKA zufolge entscheidet die
Ausgestaltung einer Grundsicherung darüber, ob der Sozialstaat
zerstört, gerettet oder aufgehoben wird. Welche Kräfte in den
politischen Debatten der Zukunft letztlich die Oberhand gewinnen
werden, ist noch offen.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Dieses
Buch sollte als Beitrag zur Versachlichung der Debatte
verstanden werden und lieferte deshalb Argumente für eine
neue Sichtweise auf das Single-Dasein im Zeitalter der
Demografiepolitik. In einer funktional-differenzierten
Gesellschaft sollten Kinderlose genauso selbstverständlich
sein wie Kinderreiche. Warum sollten sich unterschiedliche
Lebensformen, mit ihren jeweils spezifischen Potenzialen
nicht sinnvoll ergänzen können? Solange jedoch in Singles
nur eine Bedrohung und nicht auch eine Chance gesehen
wird, leben wir in einer blockierten Gesellschaft, in der
wichtige Energien gebunden sind, die bei den anstehenden
Herausforderungen fehlen werden. (2006, S.254)" |
|
|