[ Übersicht der Themen des Monats ] [ Rezensionen ] [ Homepage ]

 
       
   

Thema des Monats

 
       
   

Das Jahr 2008

 
       
   

Die Singles im Spiegel der Medien

 
       
     
   
     
 

Singles und Politik

Wie im Jahr 2007 standen auch 2008 die Singles bei den politischen Entscheidungen des Jahres nicht im Brennpunkt. Das Megathema demografischer Wandel wurde im letzten Vierteljahr durch die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise verdrängt, so dass man der falschen Meinung sein könnte, dass sich nichts getan hätte.

Googelt man den Begriff "demografischer Wandel", so lässt sich leicht feststellen, dass sich der Begriff seit dem Jahr 2006 als Ursachenbeschreibung fest etabliert hat. Dagegen hat der Begriff "Geburtenrückgang" seit März 2006 rasant an Bedeutung verloren, während gleichzeitig Begriffe wie "Elterngeld" und insbesondere "Altersarmut" in den Vordergrund gerückt sind. Dies zeigt bereits, dass in diesem Jahr die konkrete Ausgestaltung der Familienpolitik und die Rentenpolitik im Mittelpunkt standen.

Angst vor Altersarmut löst Rentendebatte aus

Das Jahr 2008 begann mit einer Rentendebatte, die bis Mai die sozialpolitische Agenda dominierte. Arm trotz Riester-Rente lautete der Tenor im Januar. Die dann im März beschlossene Erhöhung der Renten wurde daraufhin als Vorbote der "Rentnerdemokratie" und als nächster Schritt zum Generationenkrieg kritisiert.

Die Welt am Sonntag (13.04.) sagte den Generationenkrieg aber vorzeitig ab und die taz (05.05.) zeigte Wege aus der Altersarmut auf. Danach hatte nur noch die Versicherungsbranche Interesse an der Warnung vor der Altersarmut - schließlich sichert das Profite.

Elterngeld, neue Väter und Geburtenentwicklung

Am 1. Januar 2007 war das Elterngeldgesetz in Kraft getreten. Seitdem ist positives Denken angesagt und eine Broschüre nach der anderen belegte die Wirksamkeit des familienpolitischen Instruments. Wer davon profitiert und wer benachteiligt wird, darüber gingen die Meinungen bei den Anwälten der Familie auseinander. Den Anstieg der absoluten Geburtenzahlen als Erfolg der Familienpolitik anzusehen ist fragwürdig, denn ein Blick auf die Geburtenrate zeigt, dass wir im Jahr 2007 gerade mal wieder das Niveau des Jahres 2004 erreicht haben. 

Geburtenentwicklung in Deutschland

Jahr Lebendgeborene Geburtenrate
2004 705 622 1,36
2005 685 795 1,34
2006 672 724 1,33
2007 684 862 1,37

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Einführung des Elterngelds hat eher dazu geführt, dass die einen weniger und die anderen mehr Kinder gebären. Gewinner der neuen Familienpolitik sind die Kernstädte von prosperierenden Dienstleistungsmetropolen wie München, Hamburg und Berlin. Family-Gentrifier, d.h. wohlhabende Ein- bzw. Zwei-Kind-Familien in Szene-Stadtteilen wie Prenzlauer Berg, sind Motor einer Entwicklung, die als Gentrifizierung - vor allem in den letzten beiden Jahren - das Bild der Dienstleistungsmetropolen verändert hat.

Mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird zum einen die Hoffnung auf eine Renaissance der Innenstädte verbunden und zum anderen ein Aufschwung der haushaltsbezogenen Dienstleistungen erwartet. Florian ILLIES brachte diese Gruppe der Family-Gentrifier bereits 1999 auf den Begriff Generation Golf.

Generation Golf

"Am angenehmsten sind die Menschen, die eine Putzfrau haben, aber nicht darüber reden. (...). Das (...) in etwa ist die Haltung unserer Generation, beziehungsweise natürlich des Starnberger-See-Düsseldorf-Bonn-Berliner Teils von ihr, aber von ebendem ist ja ohnehin die ganze Zeit die Rede. Bekommt jener Teil unserer Generation dann seine Kinder, dann wird der Personalbestand inzwischen gerne noch um ein Kindermädchen aufgestockt. Da die Familien zu diesem Zeitpunkt oft bereits in jenen Berliner oder Münchner oder Hamburger 7-Zimmer-Altbauwohnungen wohnen, die schon beim Erstbezug vor 120 Jahren auf Personal angelegt waren, kommt es inzwischen zu einer seltsamen Form der Rehabilitation fast vergessener Wohnformen."
(1999, S.159f.)  

Im Zusammenhang mit dem Elterngeld wurden insbesondere die neuen Väter hervorgehoben. Die Schlagzeilen dazu lauteten: "Vaterland wird Väterland" (Focus 22.03.), "Ansturm der Väter" (Thüringer Allgemeine 16.04.), "Männer finden Gefallen am Elterngeld" (FAZ 23.07.). Der Grüne Robert HABECK sah die Sache dagegen ganz anders. Im Rahmen einer Rezension seines Buches Verwirrte Väter wurde das Thema auf dieser Website ausführlich behandelt . Die ZEIT widmete der Liebe der Väter bereits im Januar ein Dossier und im November zierte ein Vater das Cover der neuen Elternzeitschrift Wir. Während der (Single-)Mann in der Krise ist, erfährt der Vater eine Aufwertung. Sie sind die neuen Helden von Norbert BOLZ bis zu Dieter THOMÄ.

Kampfplatz: Ausbau der Kinderbetreuung

Der Kampf um das richtige Familienmodell rankte sich dieses Jahr um die Frage, wer die Kleinkinder betreuen soll: Die Mutter, der Vater, Erzieher oder Tagesmütter. Dahinter verbirgt sich ein Streit um Geld. Soll der Bau von Kinderkrippen forciert, das Kindergeld bzw. Kinderfreibeträge erhöht oder die steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen verbessert werden. Nur eines ist sicher: das Thema bleibt weiterhin auf der politischen Agenda.

Die Debatte ums Unterhaltsrecht geht weiter

Nach der Reform des Unterhaltsrechts im vergangenen Jahr, musste nun das neue Unterhaltsrecht seine Bewährungsprobe bestehen. Bereits im Januar klagte Sandra KEGEL Gattin adé, scheiden tut weh (FAZ 26.01.) und der Focus fragte Null Euro für die Ex-Frau? Ein halbes Jahr später hob der Focus die Ex sogar nochmals auf den Titel und keinen Monat später fällte dann das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil, dem in der Presse größere Aufmerksamkeit zuteil wurde - sowohl vor als auch nach dem Richterspruch.

Die Entdeckung des Verschwindens der kinderreichen Familie

Das Elterngeld ist erkämpft, sodass nun auch in der ZEIT die Kinderlosigkeit zur Legende erklärt werden konnte (vgl. Elisabeth NIEJAHR, 28.02.2008). Im März stellte Rainer HUFNAGEL die Rede von der hohen Akademikerinnenkinderlosigkeit gar ganz in Frage und behauptete das Gegenteil: Akademikerinnen würden seit Mitte der 1990er Jahre mehr Kinder bekommen als schlechter gebildete Frauen.

Für den Bereich der Hochschule gibt es neuerdings eine Studie, die für das Bundesland Nordrhein-Westfalen das Phänomen der Kinder und Kinderlosigkeit im wissenschaftlichen Karriereverlauf empirisch untersucht hat. Die Ergebnisse zeigen, dass das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bislang zu undifferenziert betrachtet wurde.

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg widmete dem Verschwinden der kinderreichen Familie seinen ersten Familienreport und auch das Gutachten des Soziologen Hans BERTRAM für das Bundesfamilienministerium schlug in die gleiche Kerbe.

Singles in der Forschung

In diesem Jahr ist mit Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter von Stephan BAAS, Marina SCHMITT und Hans-Werner WAHL ein Buch erschienen, das dem demografischen Wandel Rechnung trägt. Ältere Singles waren bisher von der Forschung vernachlässigt worden. Insbesondere die Partnerlosigkeit unabhängig vom Alter, Familienstand und Kinderzahl ist kaum untersucht. Die Singleforschung konzentrierte sich stattdessen auf das Alleinwohnen, das Ledigsein oder die Kinderlosigkeit. Letztere wurde zudem bis zum Jahr 2006 in quantitativen Studien nur unzureichend erfasst. Das Buch fasst den Forschungsstand zur Partnerlosigkeit zusammen und schließt einige vorhandene Forschungslücken bezüglich der älteren Partnerlosen. Die Autoren plädieren außerdem für eine sinnvolle Neuorientierung der Singleforschung, die seit Stefan HRADILs Buch Die "Single-Gesellschaft" (1995) zu sehr auf den Single-Haushalt fixiert war, während wichtige haushaltsübergreifende Sozialbeziehungen ignoriert wurden.

Singles in der Gesellschaft

Das Bild der Singles beginnt sich langsam zu wandeln. Single-Männer und Single-Frauen werden inzwischen meist unterschiedlich wahrgenommen, hieß es letztes Jahr an dieser Stelle. Diese Tendenz setzte sich auch dieses Jahr fort. Die Single-Frau wird jedoch zum Problemfall, sobald es um das Heiraten geht. Der Soziologe Hans-Peter BLOSSFELD hat einen Heiratsengpass für Akademikerinnen diagnostiziert und die Presse nahm das dankbar auf.

Über die neuen Trends auf dem Partnermarkt wurde bereits ausführlich berichtet, sodass hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. Nur so viel: Das Internet wird immer beliebter. Deshalb hat sich nun auch die Verbraucherzentrale diesem Thema angenommen. Auf sehr unterhaltsame Art und Weise lässt sich von Judith ALWIN mehr über die Partnersuche im Netz lernen.

Der neue Feminismus der deutschen Mädchen

Viel ist in diesem Jahr wieder über einen neuen Feminismus geschrieben worden. Die Zeitschrift feministische studien hat sich in ihrer November-Ausgabe ausführlich diesem Thema gewidmet. Seit dem Jahr 2006 hat der Begriff Feminismus wieder Konjunktur. Ein Zeit-Dossier forderte Wir brauchen einen neuen Feminismus und Thea DORN setzte ihren Elitenfeminismus dem Antifeminismus einer Eva HERMAN entgegen. Elisabeth KLAUS bringt diesen auslösenden Kontext der Debatte auf den Punkt:

Antifeminismus und Elitefeminismus - Eine Intervention

"Den wichtigsten inhaltlichen Kontext der neuen Feminismusdebatte bildet die Diskussion über Ursachen und Folgen des demographischen Wandels und damit verbunden über Familien- und Frauenpolitik. Zum zentralen Auslöser der Debatte wurde der Streit über die Thesen Eva Hermans, die diese im Mai 2006 erstmals in Cicero publizierte"
(feministische Studien, Heft 2, November 2008, S.176)

Die Standpunkte, die sich mittlerweile als feministisch schmücken, haben sich weiter ausdifferenziert. Mit den Feuchtgebieten, den Alphamädchen, den neuen deutschen Mädchen oder dem Popfeminismus ist die Debatte der Gleichstellungspolitik endgültig entwachsen und zu einer Frage der Lifestyle-Ästhetik geworden. Streber haben keinen Soundtrack war ein Motto dieses neuen Selbstbewusstseins. Ob nun statt Emma das Missy Magazine gelesen wird, das wird die Zukunft zeigen.

Reizthema: späte Mutterschaft

Die Reproduktionsmedizin verändert das generative Verhalten. Segen oder Fluch? Kaum eine Debatte ist emotionsgeladener als Eingriffe in den "natürlichen" Geburtsvorgang - egal ob zur Bekämpfung der ungewollten Kinderlosigkeit, der Verlängerung der reproduktiven Phase oder gar zum Abbruch einer Schwangerschaft. Die Debatte um die Geburt eines Kindes einer 64jährigen Mutter im Dezember 2007 schwappte ins neue Jahr. Die Weltwoche sagte im März die nächste sexuelle Revolution voraus und die Zeitschrift Emma zeigte, dass vor allem die ältere Generation Vorbehalte gegen späte Mütter hat. Während die Welt den 30. Geburtstag des ersten Retortenkindes feierte, berichtete der Spiegel über das Geschäft mit der Sehnsucht nach dem Kind.

Zukunftsfähigkeit ist nicht alles

Kinderloses Europa titelte das New York Times Magazine im Juni. In die gleiche Richtung ging die Studie Die demografische Zukunft Europas des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, die im August vorgestellt wurde. Island wurde darin die beste Zukunftsfähigkeit aller europäischen Regionen bescheinigt. Keine zwei Monate später stand Island aufgrund der Finanzkrise am Abgrund. Nur ein internationales Rettungspaket konnte das Land vor dem Staatsbankrott retten. Damit wurde der Stellenwert demografischer Faktoren anschaulich zurecht gerückt.

Nerds als coole Role-Models?

Nerds waren bislang Zeitgenossen, die man - abgesehen von einer recht kurzen New Economy-Euphorie - uncool fand. Die Berliner Zeitschrift de:bug hat nun die Ära Gadget ausgerufen. Technische Geräte wie der iPod haben Kultstatus erlangt und in Zukunft soll diese Verehrung für ästhetische Geräte zum neuen Alltag gehören. In diesem Zusammenhang soll der "Computer-Streber" zum neuen coolen Role-Model avancieren.

Gadget-Fetisch - Maschinen sind die neuen Popstars

"Nerds und Geeks führen nach dem gängigen Klischee ein mäßig aufregendes Sozialleben, dafür kennen sie sich umso besser mit realer und fiktiver Technik aus. Aber das Abziehbild des Nerds hat schon länger Risse bekommen und seit dem New-Economy-Hype wird hart um die soziale Neupositionierung der Nerds gerungen. (...) In der zähen sozialen und kulturellen Praxis zieht sich so ein Transformationsprozess natürlich, schließlich gilt es aus bislang jämmerlich geschmähten Strebern neue Role-Models und aus Maschinen mit einem denkbar miesen Image die Nachfolge von Auto und E-Gitarre zu formen."

Ob dieser Nerd-Traum von Anton WALDT in Erfüllung gehen wird, das bleibt abzuwarten. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Singles in TV, Film und Literatur

Nicht mehr die Jugend, sondern die neuen Alten sorgen mittlerweile für Furore. Liebe und Sex im Alter stand im Mittelpunkt von Filmen wie Wolke 9. Des Weiteren kam Sex and the City Mitte des Jahres als Kinofilm auf die Leinwand. Und nicht zuletzt wurde das Kultbuch Fleisch ist mein Gemüse verfilmt. Sven REGENER beendete mit seinem Buch Der kleine Bruder seine Herr Lehmann-Trilogie und ließ darin das Berlin Anfang der 1980er Jahre wieder aufleben.

Die Insel West-Berlin - so das Thema der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Ideengeschichte - gehört zum Mythos Berlin, der wie kein anderer umkämpft ist. Das Image der postindustriellen Stadt wird geprägt von der kreativen Klasse. München, Hamburg oder Berlin, das ist inzwischen auch eine Entscheidung für oder gegen ein spezielles urbanes Lebensgefühl geworden.

Ausblick

2009 ist wieder ein Jahr, in dem eine Bundestagswahl ansteht. Welche Rolle die Demografiepolitik spielen wird, das hängt auch davon ab, ob die prognostizierte Wirtschaftskrise so dramatisch wird, wie es manche glauben.

Aufgrund der in den letzten Jahren vorangeschrittenen Institutionalisierung des Demografiediskurses in Organisationen wie dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, dem Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung u. a. wird der demografische Wandel in Deutschland weiterhin auf der politischen Agenda bleiben. Abgesehen davon, steht das Thema mittlerweile auch auf der Tagesordnung der Europäischen Union.

Gegenüber den Jahren 2001 - 2006 ist jedoch eine gewisse Gelassenheit in Deutschland eingekehrt. Dies drückt sich auch in der aktuellen Ausgabe der Politischen Meinung aus. Die Zeitschrift, die von der CDU-nahen Konrad Adenauer-Stiftung herausgegeben wird, ist um Entdramatisierung bemüht, wie der einführende Beitrag von Joachim WILBERS deutlich macht.

Altern in Zukunft

"Galten wir vor einigen Jahren noch als Weltmeister im Nicht-Kinder-Bekommen, so hat eine Reihe von Staaten mittlerweile aufgeschlossen oder uns überholt. Das gilt für die südeuropäischen Länder Italien, Portugal, Spanien, Griechenland, aber auch für osteuropäische Länder und verschiedene Staaten oder Regionen Asiens.
             Der Alterungsprozess der Bevölkerung verlief in Deutschland einigermaßen gemächlich. So wurde zwar bereits im Jahre 1932 ein Anteil von sieben Prozent bei den 65-Jährigen und Älteren erreicht, bis zur Verdoppelung dauerte es jedoch vierzig Jahre. In anderen Ländern sind die Zahlen deutlich kürzer (...). Der Vorteil eines längeren Übergangs liegt nicht nur darin, dass es mehr Zeit gibt, die sozialen Sicherungssysteme oder die Infrastruktur an die veränderte Situation anzupassen, sondern dass sich auch Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen im Zusammenleben der Generationen ändern können."
(Politische Meinung, Dezember 2008)

Singles können gegenwärtig also der Zukunft relativ gelassen entgegen sehen.

 
     
 
       
   

weiterführender Link

 
       
   

Übersicht - Themen des Monats

 
       
   
 
   

Bitte beachten Sie:
single-generation.de ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten

 
   
 
   

[ Zum Seitenanfang ]

[ Homepage ]
 
   
 
   
© 2002-2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 21. Dezember 2008
Update: 14. November 2019