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Thema des Monats

 
       
   

Das Jahr 2007

 
       
   

Die Singles im Spiegel der Medien

 
       
     
   
     
 

Singles und Politik - Die Mütterkriege

Das Jahr 2007 war für Singles ein ruhiges Jahr - sie standen bei den politischen Entscheidungen des Jahres einmal nicht im Brennpunkt. Es standen keine Bundestagswahlen an und die Mütter bekämpften sich gegenseitig.

Das ganze Jahr über ging es um den Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung und damit um Verteilungsfragen zwischen alter und neuer Mitte. Auf der einen Seite kämpften die Doppelkarrierepaare um den Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung und auf der anderen Seite verteidigten die Managerehen ihre Privilegien, forderten gar ein Betreuungsgeld ("Herdprämie") bzw. nicht-staatliche Betreuungsmöglichkeiten steuerlich zu begünstigen. Eva HERMAN wurde mit ihrem neuen Buch Das Prinzip Arche Noah zur Galionsfigur reaktionärer Kräfte. Ihre Entlassung beim NDR und ihr Talkshow-Rauswurf machten sie zur nationalkonservativen Märtyrerin. Verstärkung erhielt sie durch Christa MÜLLER von der Linkspartei, die für ein Erziehungsgehalt streitet ("Dein Kind will dich"). Im Hintergrund agierte das deutsche Familiennetzwerk, das in den Medien seine "Experten" platzierte, die gegen den staatlichen Ausbau der Kinderbetreuung polemisierten. Dieses Biedermeier-Komplott (Claudia PINL) traf jedoch auf den erbitterten Widerstand des neuen Feminismus.

Die Alpha-Mädchen der F-Klasse brachten sich erfolgreich ins Gespräch. Das konnten auch die Gegner des Gender-Mainstreamings und die Apologeten der Not am Mann nicht verhindern.

2030 - Aufstand der Alten

"Die Journalistin Lena Bach (Bettina Zimmermann) versucht im Jahr 2030 den mysteriösen Tod des Rentners Sven Darow (Jürgen Schornagel) aufzuklären und stößt dabei auf skrupellose Machenschaften ..."

Der Dreiteiler 2030 - Aufstand der Alten, den das ZDF im Januar sendete, war zugleich der Auftakt zur Renten- und Pflegedebatte. Die Rente mit 67 konnte im Handstreich durchgesetzt werden. Der Konsens in der Pflegedebatte war dagegen schwieriger herzustellen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) setzte mit mehreren Urteilen Signale hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Ranges von Ehe und Familie. Unverheiratete Paare müssen im Gegensatz zu verheirateten Paaren die künstliche Befruchtung selber bezahlen. Kinder sind in Deutschland damit weiterhin nur in der Ehe unumschränkt erwünscht. Auf der anderen Seite werden jedoch unverheiratete Mütter den verheirateten Müttern gleichgestellt, wie das im Mai feststellt wurde. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Reform des Unterhaltesrechts. Geschiedene Frauen werden zukünftig stärker selber für ihren Unterhalt sorgen müssen.

Der Geburtenrückgang hält auch 2006 unvermindert an - das ist jedoch (momentan) kein Problem

Im März 2006 stand Deutschland aufgrund des dramatischen Geburtenrückgangs am Abgrund. Ein Jahr später führte  der gleiche negative Trend in der Geburtenentwicklung zu geradezu euphorischen Bewertungen. Was war geschehen?

Am 1. Januar trat das Elterngeldgesetz in Kraft und nun mussten so schnell wie möglich Erfolgsmeldungen her. Bereits am 18. Mai verkündete die Welt für das 1. Quartal 2007 einen Baby-Boom in den Städten. Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt dann wie üblich für das Jahr 2006 meldete, interessierten deshalb ab diesem Zeitpunkt gar nicht mehr.

Die Geburtenzahlen für das Jahr 2005, die im März 2006 die Hysterie auslösten, liegen - wie die nachfolgende Tabelle zeigt - ganz im Abwärtstrend der vergangenen Jahre, wenn man bedenkt, dass durch die langwierige Debatte um das Elterngeld potentielle Mütter verunsichert wurden. Ein kurzzeitiger Aufschub des Kinderwunsches erklärt deshalb die geringfügigen Schwankungen.

Ein "Baby-Boom" in den Stadtvierteln der Mütterelite (Family-Gentrifier) ist dagegen bereits seit mehreren Jahren zu verzeichnen.

Geburtenentwicklung in Deutschland

Jahr Lebendgeborene Geburtenrate
2004 705 622 1,355
2005 685 795 1,340
2006 672 724 1,331

Quelle: Statistisches Bundesamt

Am 20. Juli und am 13. November meldete das Statistische Bundesamt die Quartalszahlen für 2006 und 2007. Es zeigt sich, dass der Rückgang der Geburten auch im 1. Halbjahr 2007 weiter angehalten hat. Eine aktuelle Pressemeldung vom 11. Dezember geht dagegen von einem leichten Geburtenanstieg für dieses Jahr aus.

Lebendgeborene in Deutschland

Jahr 2006 2007
1. Quartal  148 700 149 300
1. Halbjahr 313 900 313 100

Quelle: DESTATIS-Pressemeldungen
vom 20.07. und 13.11.2007

Die GeburtenZAHLEN lassen jedoch keinen Rückschluss auf die Entwicklung der GeburtenRATE zu . Welchen Einfluss das Elterngeld tatsächlich auf die Geburtenentwicklung hat, lässt sich erst in einigen Jahren ermitteln. Dann nämlich, wenn zwischen anfänglichen Mitnahmeeffekten und nachhaltigen Einflüssen unterschieden werden kann.

Die wissenschaftliche Erforschung der Kinderlosigkeit kann endlich beginnen

Ein wichtiger Meilenstein für die Erforschung der Kinderlosigkeit ist die Änderung des Mikrozensus-Gesetzes, die Björn SCHWENTKER am 06. Juli in der Zeit Online meldete:

Ende einer Diskriminierung

"Im Fragebogen des Mikrozensus steht ab Januar 2008 die Frage nach den eigenen Kindern, und die Standesämter zählen alle Neugeborenen gleichermaßen, ob ehelich oder nicht-ehelich"

Bislang konnte die Kinderlosigkeit in Deutschland nur geschätzt werden. Die Schätzungen des Anteils der Kinderlosen variieren für die jüngere Generation um fast 10 %.

Bereits im Herbst 2006 wurde eine erste Erhebung zur Kinderlosigkeit durchgeführt. Erste Ergebnisse wurden am 18. Dezember vorgestellt. In der Broschüre Geburten in Deutschland wird von Olga PÖTZSCH ein sehr oberflächlicher Überblick geboten.

24 der 36 Seiten verbreiten die althergebrachte Sichtweise. Nur das Kapitel 2 bietet auf 9 Seiten Ergebnisse der Sonderauswertung. Der Gewinn der Sonderauswertung bleibt dem Laien jedoch verschlossen, weil jeglicher Vergleich unterbleibt. Erst ein direkter Vergleich zwischen den Frauen ohne Kinder im Haushalt mit den Frauen ohne Kindern würde das ganze Ausmaß der bisherigen Fehleinschätzung sichtbar machen.

Single-generation.de hat jedoch die Schätzwerte der Nationalkonservativen um Herwig BIRG mit den Zahlen aus der Sonderauswertung verglichen. Es zeigt sich, dass die Nationalkonservativen den Anteil der lebenslang Kinderlosen an den Mitte der 1960er Jahre geborenen Frauen bislang mindestens um 20 %, wenn nicht gar 25 % - allein in Westdeutschland - überschätzt haben. Die Kritik, die im Buch Die Single-Lüge am nationalkonservativen Argumentationsmuster geübt wurde, ist also allzu berechtigt gewesen.

Während in den vergangenen Jahren die Bewertung der Geburtenentwicklung ziemlich eindeutig ausfiel, gab es in diesem Jahr mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen, die ein differenzierteres Bild der demografischen Entwicklung zeichneten. Das nationalkonservative Deutungsmonopol, das im Buch Die Single-Lüge kritisiert wurde, bröckelt damit erstmals. Die Bücher Weniger sind mehr, Ein Leben ohne Kinder, Ein ewigwährender Untergang und Grenzen der Bevölkerungspolitik zeigen ein differenzierteres Bild vom Geburtenrückgang.

Das Elterngeld wird die Geburtenentwicklung in Deutschland nicht nachhaltig erhöhen, das ist der Tenor der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die aktive Bevölkerungspolitik ist zum Scheitern verurteilt, weil die Gründe für die Kinderlosigkeit nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Forderung nach einem verstärkten Ausbau der staatlichen Kinderbetreuung ist ja keineswegs neu, sondern steht seit den 1980er Jahren auf der Agenda. Sie wurde immer wieder von CDU/CSU blockiert.

Was jedoch lange Zeit überhaupt nicht in den Blick genommen wurde, das sind Probleme der Unvereinbarkeit von Partnerschaft und Beruf. Die Zunahme der Single-Haushalte ist keineswegs hauptsächlich auf die Zunahme dauerhafter Singles zurückzuführen, sondern sie ist die Konsequenz eines anspruchsvollen Partnerideals und der veränderten Rolle der Frau. Hinter der Zunahme der Single-Haushalte verbirgt sich weniger eine Zunahme von Langzeit-Partnerlosen, sondern die Verbreitung serieller Partnerschaften und die Zunahme von Partnerschaften ohne gemeinsamen Haushalt bzw. von Fernbeziehungen. Die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarktes haben in den letzten Jahren zur Verschärfung der Lage von Paaren beigetragen.

Kinderlose Paare waren bisher selten Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Angesichts der jahrzehntelangen politischen Debatte zum demografischen Wandel ist dieses Versäumnis mehr als unverständlich.

Singles in der Gesellschaft

Das Bild der Singles beginnt sich langsam zu wandeln. Single-Männer und Single-Frauen werden inzwischen meist unterschiedlich wahrgenommen (vgl. Psychologie Heute-Titelgeschichte, April 2007, ZEIT-Dossier "Das geheime Leben der Singles", 22.11.2007).

Der Problem-Single ist zurzeit männlich und lebt im Osten. Es war eine bevölkerungspolitische Studie des Berlin-Instituts, das die Not am Mann propagierte und damit unzählige Reportagen aus den neuen Bundesländern auslöste, die nach den Partnermärkten mit den größten Ungleichgewichten fahndeten.

Alleinleben liegt nicht mehr im Trend seit Ehe und Familie mit neubürgerlicher Emphase rehabilitiert wird. Aber stimmt das wirklich? Tatsächlich handelt es sich in erster Linie um einen demografischen Trend. Aufgrund der geänderten Altersstruktur in Deutschland, gibt es nun nicht nur weniger potentielle Mütter, sondern auch weniger potentielle Singles in den bislang noch stärker besetzten Altersgruppen bis 30 Jahre. Singles im Familienlebensalter waren - entgegen anders lautenden Medienberichten - schon immer rarer. Erst in einigen Jahren könnte eine Zunahme älterer Alleinlebender einsetzen - vorausgesetzt das Verhalten der jüngeren Generation hätte sich nicht geändert. Ein verändertes Partnerwahlverhalten könnte aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartungen der Geschlechter zur Reduzierung der Zahl älterer Alleinlebenden führen.

Wer hätte gedacht, dass die deutsche Keuschheitsbewegung ausgerechnet im Frankfurt der Ex-Spontis ihre Hochburg hat? Kein Sex vor der Ehe? (vgl. Journal Frankfurt-Titelgeschichte, "Wir bleiben keusch", 09.02.2007 Was hier als freiwilliger Lebensstil propagiert wird, das ist für Menschen ohne Beziehungserfahrung die unfreiwillige Konsequenz erfolgloser Partnersuche.  

Es geht inzwischen in den Medien nur noch um die Frage, welche Familie es denn sein soll (vgl. Titelgeschichten im Manager-Magazin, "Family Business", Januar 2007; Wirtschaftswoche, "So geht's", 07.04.2007 und Spiegel-Special Nr.4 "Sehnsucht nach Familie"). Selbst diejenigen, die eigentlich nie erwachsen werden wollten, fragen nur noch nach dem richtigen Zeitpunkt. Seit eine 64jährige Frau in Deutschland Mutter geworden ist, ist das Zeitfenster plötzlich auch für Akademikerinnen größer geworden. Ungewollt Kinderlose haben es in einem solchen Klima besonders schwer (vgl. Neon-Titelgeschichte "Wann willst du ein Kind?", April 2007).

Singles in TV, Film und Literatur

Eine Studie des Grimme-Instituts bemängelte bereits vor einiger Zeit, dass die Normalfamilie zu selten im Fernsehen vorkommt. Seitdem müssen sich Tatort-Kommissare in jeder Folge fragen lassen, warum sie immer noch kinderlos sind - oder sie werden gleich abserviert. Am besten finden sie dann vorher noch ihr  Familienglück. Das wilde Leben ist Vergangenheit, Partnersuche gerät zur Marathon-Disziplin. Filme wie Shoppen bringen die neue Dating-Kultur auf die Kinoleinwand und Kuppelshows wie Bauer sucht Frau machen Quote.

Mit Beste Jahre von John von DÜFFEL erobern die späten Eltern der Generation Golf die Belletristik. Kinder gehören zur unverzichtbaren Grundausstattung preiswürdiger Literatur junger Autoren wie die Mittagsfrau von Julia FRANCK zeigt. Da bleibt dem Single nur noch die Musik. Die Band Blumfeld löste sich auf und Tocotronic kapitulierte. Diese Art von Kapitulation ist wohl die einzige Möglichkeit, um in diesen Zeiten zu überwintern.

Ausblick

Im Januar 2008 stehen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen an. Der Kampf gegen die so genannte Kultur der Kinderlosigkeit wird bis zur Bundestagswahl wieder zunehmen. Wie dieser Konflikt verlaufen wird, das hängt zu einem großen Teil auch von den Ergebnissen der Geburtenerhebung vom Herbst 2006 ab.

Es spricht nichts dafür, dass die gegenwärtige bevölkerungsbewusste Familienpolitik der Bundesregierung eine nachhaltige Wende bei der Geburtenentwicklung herbeiführen wird. Die gewalttätigen Jugendunruhen in Frankreich zeigen jedoch, dass es mit einer höheren Geburtenrate allein nicht getan ist. 

Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte

"Dies ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt. Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
          
 Es wird aufgezeigt, dass sich die nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen."

 
     
 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 09. Dezember 2007
Update: 14. November 2019