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Nerds oder Geeks
Im allgemeinen beginnen die
Geschichten über Nerds so oder so ähnlich:
Wie wird der Nerd zum Geek?
"Nerds begegnen uns alle
(...) Jedes Sozialverhalten geht ihnen
völlig ab (...) und das warme Licht der
Sonne dringt nur mühsam durch das
zentimeterdicke Panzerglas ihrer Brille.
Bis vor wenigen Jahren noch befanden sich
Nerds in der sozialen Hierarchie ganz unten.
Sie wurden erbarmungslos auf Schulhöfen
gejagt, später im Job verspottet und vom
weiblichen Geschlecht ein Leben lang
ignoriert: Kein Sex, keine sozialen Kontakte
(...). Wahrlich, der Nerd hatte es nicht
leicht!"
(aus: Geeksworld.de) |
Durch
die Veralltäglichung des Computers sind
"Nerds" zu einer wichtigen sozialen
Gruppe geworden, die man braucht, aber nicht
liebt. GeeksWorld hat dem negativen Klischee ein
positives Selbstbild entgegengesetzt:
Wie wird der Nerd zum Geek?
"Sicherlich stünde die
halbe Welt bis in unsere Tage ratlos vor der
jeweils neuesten Rechnergeneration, wäre
nicht gleichzeitig mit dem Nerd sein
redegewandtes Pendant auf die Bühne
getreten: der Geek. Ungleich wortgewaltiger
als die verpickelte Konkurrenz machte der
coole Geek sich daran, die Welt zu erklären,
und zwar in verständlichen Worten."
(aus: Geeksworld.de) |
Nerds als Subgruppe der Yetties
"Nerds"
sind nach Sam SIFTON eine Subgruppe der
"Yetties", was für "young,
entrepreneurial, tech-based", also
für junge Unternehmer im Technik-Sektor steht.
A Field Guide to the Yettie
"Sifton,
der als Redakteur für die amerikanische Zeitschrift »Talk«
sein Geld verdient, beschreibt seine Klientel in dem
satirischen Büchlein mit viel Einsicht in die Szene. Wie
der Entdecker eines fremden Erdteils schildert er die
Einwohner von Dot.com-Land mit ihren Siedlungsformen,
Ernährungsgewohnheiten und Konsumverhalten.
Es liegt in der Natur so zeitgeist-abhängiger Bücher, das
sie schnell altern und ihr Humor in kurzer Zeit schal
wird. »The Yettie« wurde vor dem Absturz der New Economy
im letzten Jahr geschrieben und erst danach
veröffentlicht. Nun wirkt das Buch schon ein bisschen wie
ein historisches Dokument - wenn auch ein überaus
lesenswertes."
(Tilman Baumgärtel in der Berliner
Zeitung v. 16.01.2001) |
Nerds als unsoziale
Einzelgänger
Für den
niederländischen Radiomoderator Max de BRUIJN ("Wie werde ich
Bill Gates?"
ist der "Nerd" dagegen das Sinnbild des
unsozialen Einzelgängers, der sich bereits in der
Schule als Streber unangenehm hervortut und in
Fächern erfolgreich ist, die man im Leben
normalerweise nie brauchen sollte. Statt für
Sport, schöne Künste oder Fremdsprachen
interessiert der "Nerd" sich für
Mathematik und sonstige unsozialen Fächer. Auf
Partys steht er abseits oder geht erst gar nicht
hin.
Wie werde ich Bill Gates?: Aufzucht und Lebensweise des
gemeinen Nerd
"Sie
wissen nicht, was ein Nerd ist? Dabei hatten Sie
garantiert einen in der Klasse. Er saß allein an einem
Tisch in der ersten Reihe, hatte eine dicke Brille und
ungepflegtes Haar, war ein As in Mathe und eine Niete im
Sport. Man brauchte ihn für die Nachhilfe, lud ihn aber
nie zu Feten ein. Später studierte er Theologie,
Mathematik, Jura, am liebsten aber Informatik. Er
verbringt seine Zeit vorwiegend am Computer oder mit
seinesgleichen, ist unfähig zum Führen eines
Alltagsgesprächs, kann aber komplizierte Lösungen für
einfache Probleme entwerfen. Oft ist er verklemmt und
etwas unvorteilhaft gekleidet. Berühmte Nerds sind
beispielsweise der Kreml-Flieger Matthias Rust, Peter
Hintze, Al Bundy und Mr. Bean. Viele andere finden Sie in
diesem Band. Dazu Antworten auf die Fragen: Gibt es auch
weibliche Nerds? Wie erkenne ich einen Nerd? Und warum
lernen die immer Eisenbahnfahrpläne auswendig?"
(aus: Klappentext 2000) |
Die Geschichte hat
den Schöngeistern und Schönen dieser Welt
wahrlich schwer mitgespielt, als sie ein paar
Nerds zu Millionären und einige mehr zu
wohlhabenden Mitbürgern machte. Aber die
"Nerds" haben als sogenannte
"Neureiche" ein Problem: ihr mangelndes
Selbstwertgefühl und der "richtige"
gesellschaftliche Auftritt. Dies ist der
Ansatzpunkt für die entstehende
"Lebenshilfe"-Industrie, die an dem
"unverdienten" Reichtum der
"Nerds" partizipieren will. Wer möchte
schon gern ein unattraktiver "Nerd"
bleiben, wenn es auch "coole Geeks"
gibt, die bei den Frauen Erfolg haben?
Nerds
als coole Role-Models?
Die Berliner Zeitschrift de:bug
hat in ihrer Ausgabe zum Jahreswechsel 2008/2009 die Ära Gadget
ausgerufen. Technische Geräte wie der iPod haben Kultstatus
erlangt und in Zukunft soll diese Verehrung für ästhetische
Geräte zum neuen Alltag gehören. In diesem Zusammenhang soll der
"Computer-Streber" zum neuen coolen Role-Model avancieren.
Das Blog Nerdcore ist das Aushängeschild dieser Fraktion.
Anton WALDT schreibt dazu:
Gadget-Fetisch - Maschinen sind die neuen Popstars
"Nerds
und Geeks führen nach dem gängigen Klischee ein mäßig
aufregendes Sozialleben, dafür kennen sie sich umso besser
mit realer und fiktiver Technik aus. Aber das Abziehbild
des Nerds hat schon länger Risse bekommen und seit dem
New-Economy-Hype wird hart um die soziale
Neupositionierung der Nerds gerungen. (...) In der zähen
sozialen und kulturellen Praxis zieht sich so ein
Transformationsprozess natürlich, schließlich gilt es aus
bislang jämmerlich geschmähten Strebern neue Role-Models
und aus Maschinen mit einem denkbar miesen Image die
Nachfolge von Auto und E-Gitarre zu formen."
(aus: de:bug, Nr.128, Dezember) |
Möglicherweise muss der
Nerd aber gar nicht cool werden, sondern gerade im Uncoolen wird
in letzter Zeit ein unwiderstehlicher Charme entdeckt. Seit
Michel Houellebecq Ende der 1990er Jahre dem Nerd mit seinem
beiden Romanen Ausweitung der Kampfzone und
Elementarteilchen ein Denkmal gesetzt hat, ist mittlerweile
ein Jahrzehnt vergangen und die Entwicklung hat eine gewisse
Eigendynamik gewonnen.
Dem Mann in der Krise,
schreibt die Journalistin Ines KAPPERT in ihrem gleichnamigen
Buch, schlägt eine Welle der Sympathie entgegen, während der
"systemkonformen Singlefrau" der Wind kalt ins Gesicht bläst .
Die Popliteratur setzt
mittlerweile auf den Nerd, der sich in der Tradition von Buddy
Holly sehen kann, den Klaus WALTER vor kurzem als Pate aller
weißen Nerds beschrieben hat (vgl. "50 Jahre nach dem Aufprall",
taz 03.02.2009). Und
vergessene Schriftsteller wie Jörg FAUSER erleben eine
Renaissance
. Mit
Wolfgang WELT ist der
Buddy Holly von der Wilhelmshöhe
dort angekommen, wo er immer hinwollte: bei der Suhrkamp-Kultur.
1983 hatte noch Rainald
GOETZ mit Irre statt seiner debütiert. Der Mann von
heute, schreibt KAPPERT, wird nicht mehr zum Rebell, sondern
steigt als Patient aus dem System aus. Der Psychiatrieaufenthalt
als Karrieresprungbrett?
Eines scheint gewiss:
wir werden noch viel hören von den männlichen Nerds. Ob sie nun
zum neuen Role-Model avancieren oder als Menschen ohne
Beziehungserfahrung
ins
Rampenlicht gerückt werden oder gar das Uncoole das neue Cool
wird, das bleibt vorerst dahingestellt.
Nerds
als coole Role-Models? Revisited 2010
In den USA haben sich in
den vergangenen Jahren zwei Bücher um die kulturelle Aufwertung
des Nerds verdient gemacht, die auch die neuere Debatte um die
Nerd-Kultur in Deutschland beeinflusst haben: Zum einen das Buch
Nerds des Psychologen David ANDEREGG und zum anderen das
Buch American Nerd von Benjamin NUGENT.
Der Film The Social
Network von David Fincher hat dem Nerd zusätzlich neue
öffentliche Aufmerksamkeit beschert, nachdem ihn bereits Frank
SCHIRRMACHER im September letzten Jahres gegen seine zahlreichen
Kritiker verteidigt und ihm größte gesellschaftliche Macht
zugeschrieben hat:
Die Revolution der Piraten
"Nerds, heißt es, haben es in der Pubertät etwas schwerer
als die Raver, eine Freundin zu finden. Das stachelt sie
umso mehr an. Das Ergebnis liegt vor unser allen Augen:
Nerds haben die Drehbücher unserer Kommunikation, unserer
SMS-Botschaften, mittlerweile unseres Denkens geschrieben.
Sie sind die größte Macht der modernen Gesellschaft."
(FAS, 20.09.2009) |
Im April erscheinen gleich
zwei Beiträge zu Nerds. Mario LASAR schreibt in der Musikzeitschrift
Intro über die Nerd-Brille, wobei diese jedoch aus einem
Nerd noch lange keinen Hipster mache:
Schon seit Ewigkeiten in Mode: Die Hornbrille
"War
Nerdism ehedem als Synonym für eine gewisse Opferrolle zu
verstehen, die einem von den Nicht-Nerds zugewiesen wurde,
ist er mittlerweile fast schon zu einer neuen
Jugendbewegung in der Tradition der Mods oder Teds
avanciert. Der Nerd ist nicht mehr stigmatisiertes Opfer,
sondern eine Option, die man selbst erwählt. Nun könnte
man argumentieren, dass eine dicke Brille allein einen
noch nicht zum Nerd macht. Tatsächlich sollte man die
Neuentdeckung der Hornbrille so verstehen, dass sie
Nerdkultur lediglich zitiert, statt sie in ihrer
Eigentlichkeit nachzuahmen. Die Hipster wären auch ohne
Hornbrille hip, während die echten Nerds, die Briefmarken
sammeln und sich ihre Klamotten von ihrer Mutter kaufen
lassen, trotz Hornbrille nicht zur Hipster-Elite zählen
würden."
(Intro, April 2010) |
Ein halbes Jahr später
erwidert Matthias KALLE, Berufsjugendlicher bei der Zeitschrift
Neon, hämisch,
dass die Nerdbrille zwar in Berlin Mitte Ausdruck des
Hipstertums, aber dieses längst überholt sei (vgl. "Die Welt
durch die Brille des Nerds", Tagesspiegel 09.10.2010). Er könnte sich
dabei z.B. auf einen Nachruf in der Süddeutschen Zeitung
von Jens-Christian RABE berufen, zu dem single-generation.de
folgendes anmerkte:
Der Hipster
Jens-Christian RABE
schreibt einen Sommerloch-Nachrufartikel auf den Hipster.
Während in deutschen Zeitungen und Zeitschriften der
Hipster noch angesagt ist, wird der Hipster gemäß RABE in
den USA bereits totgesagt, z.B. auf einer Tagung zum Thema
What was the Hipster?
Veranstaltet hat diese Tagung
ausgerechnet das coole
n+1 magazine
um Benjamin KUNKEL
(und nicht die New Yorker New School for Social Research
wie RABE behauptet; dort fand sie nur statt). Das Magazin
hat sich auf diese Weise auch im Popdiskurs positioniert.
Zwei Jahre zuvor hat der Podiumsteilnehmer und
Autor von
n+1
Christian Lorentzen in einer Titelgeschichte des New
Yorker Magazin Time Out
erklärt, warum der Hipster sterben muss. Mark GREIF,
ebenfalls Autor von
n+1,
erklärte den Hipster-Begriff und lieferte auch eine
Typologie. RABE geht bei GREIF nur auf den Neo-Hipster
ein, den er als Trendsetter charakterisiert ("Mittelsmann
zwischen Straße und den Marketing-Abteilungen"). Nicht
eingeladen war dagegen Robert LANHAM, der 2003 ein
Hipster-Handbuch veröffentlichte. LANHAM wohnt seit 1996
im derzeit angesagten Williamsburg und schrieb das Buch,
weil er des Hipsterseins überdrüssig war, wie er kürzlich
in dem Artikel Look at
This Fucking Hipster Basher
schrieb. RABE referiert nochmals die Geschichte des
Hipstertums, der sich ausführlicher die Radiosendung
Wo ist vorne? Wie die
Hipster die Welt eroberten
von Caroline von LOWTZOW im letzten Dezember widmete.
Natürlich ist der Neo-Hipster bzw.
Trendsetter auch in Deutschland in die Kritik gekommen.
Das Buch Konsumrebellen
rechnete bereits 2005 mit diesem Typus ab. In einer
Rezension des Buches Global Players
aus dem gleichen Jahr wurde auf single-generation.de
aufgezeigt, wie die deutschen Neocons die Popkultur und
das Hipstertum umzudeuten versuchten.
Der Hipster geriet
jedoch nicht nur von dieser Seite unter Druck, sondern er
wurde auch als Pionier zum Opfer seiner eigenen Umtriebe.
Darauf deutet die Schlusspointe von RABE hin:
"Als
traumatisierten Helden muss man sich den Hipster aus
einem anderen Grund vorstellen: Er wurde vom Nerd, dem
Inbegriff des square, links überholt. Man sehe sich nur
einmal auf einer TED- Konferenz um. Und die Nerds haben
längst das Geld, um ihn aus seinen Vierteln zu
verdrängen. So steht der einst stolze Hipster traurig da
als Modeberater und Probewohner."
Mehr zu Szenevierteln
und Berufsjugendlichen gibt es
hier
zu lesen. |
Der Nerd bekommt zu
spüren, dass Frank SCHIRRMACHER sich für ihn stark gemacht hat. In der trendigen
Wirtschaftszeitschrift brand eins schreibt Thomas VASEK
über die Rache der Nerds. Und das hat wenig mit der Rache des
Nerds im Film The Social Network von David FINCHER zu
tun, dessen Rache beschreibt Claudius SEIDL lediglich als
Verlustgeschichte:
Er
wollte die Mädchen, jetzt gehört ihm die Welt
"so,
wie Sorking und Fincher die Genese erzählen, ist Facebook
auch eine Rationalisierungsmaßnahme und ein großer
Verlust. Wo, in der Welt, wenn einer wissen will, ob ein
Flirt sich lohnt, das schöne Spiel der Andeutungen und
Umkreisungen beginnt, schaut einer im Facebook unter der
Rubrik Beziehungsstatus nach. Aha, vergeben, egal. In der
digitalen Welt läuft, was es einst im Konjunktiv gab,
immer nur auf Jaja oder Neinnein hinaus."
(FAS
26.09.2010) |
Man kann zu Recht
bezweifeln, dass Nerds wie Mark ZUCKERBERG an der Ökonomisierung
des Sozialen schuld sind, ob es sich nun um Flirts, Partnersuche
oder Freundschaften geht. Sie stellen höchstens die Mittel zur
Verfügung.
Bereits vor Jahren ist
in den USA ein Ratgeber von Rachel GREENWALD erschienen, in dem
es darum ging, möglichst schnell und effektiv einen Ehemann zu
finden
. Es sind
die modernen Lebensbedingungen, die andere Formen der
Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen erfordern. Wie
erhöhte räumliche Mobilität und die Organisation von Ausbildung
und Arbeit die Partnersuche für Höher Gebildete erschweren bzw.
kanalisieren, ist z.B. das Thema des Soziologen Jochen HIRSCHLE
("Eine unmögliche Liebe", 2007) . Thomas VASEK beschreibt
in dem Artikel
Die Rache der Nerds wie Nerds sich aus den negativen Stereotypen befreit
haben und neuerdings selbstbewusster auftreten.
Die Rache der Nerds
"Die
Nerds haben (...) begonnen, ihr eigenes Stereotyp zum
Ehrentitel umzudefinieren, ihre vermeintlichen Macken zur
Schlüsselqualifikation - und das Schlausein zum
zeitgemäßen, hippen Lebensstil. Geld und Macht haben
einige von ihnen schon. Jetzt fordern sie ihren Platz in
der kulturellen Vielfalt der Welt. Ihr neues
Selbstbewusstsein ist nicht nur Ausdruck eines
Generationenwechsels. Es ist auch der Aufstand einer Form
von Rationalität, ob einem die sympathisch ist oder nicht.
Sicher ist: Die Welt braucht ihren Sachverstand, ihre
Logik und Erfindungskraft. Und zwar nicht nur in den
Entwicklungsabteilungen von Google & Co."
(aus: brand
eins, April 2010) |
Geht man das Problem des
Nerds nicht vom gesellschaftlichen Klischee her an, sondern
nimmt seinen Ausgang von der Pubertät bzw. vom Erwachsenwerden
aus, dann kommen Nerds als Jungs, die keine Mädchen abbekommen,
in den Fokus. Das ist das Thema von Doris KUHN, die sich in der
Süddeutschen Zeitung anlässlich des Films Scott
Pilgrim gegen den Rest der Welt mit dem Nerd befasst:
Der Loser schlägt zurück
"Scott
Pilgrim ist die nächste Generation der bisherigen
Kino-Nerds, er ist eine Figur, die genauso aussieht wie
ein Nerd, die zum Teil auch ein authentisches Nerdleben
führt, an den Rändern aber bereits ausfranst. Denn Scott
Pilgrim kann etwas Neues: Er wechselt vom Ruhe- in den
Kampfmodus, sobald die Jungen auftauchen, die ihm die
Freundin wegnehmen wollen. Dazu muss er allerhand Dinge
tun, die er sonst nie tut. Er darf der Konfrontation nicht
ausweichen, er braucht Tempo und präzise Bewegung, er muss
seine Unauffälligkeit aufgeben. (...). »Scott Pilgrim« ist
tief verankert im geheimen Teenager-Wissen. Der Film
bezieht sich auf Comics, Band-Battles, auf ungefähr jedes
Computerspiel zwischen Pacman und heute, er benutzt für
seine Hauptfigur den exaltierten Verhaltensmix der
Pubertät, der zwischen Lethargie und Panik schwankt. In
dieser exzellenten Melange geschieht dann das Wundersame:
Der Nerd wird zum Actionhelden. Er ist, in einer Person,
ein Nerd und dessen Widerlegung.
So erfindet »Scott Pilgrim« den Nerd als Krieger, der,
wenn auch unter Zwang, diejenigen besiegt, die ihm das
Leben bisher ruinierten. Wie in einem glamourösen
Videospiel gewinnt er zuletzt das »Schwert der Liebe«,
aber, womöglich wichtiger, das »Schwert der Selbstachtung«
auch."
[mehr]
(SZ. 16.10.2010) |
Dass dieser Film zum einen
bei der gesellschaftlichen Aufwertung der Nerds behilflich sein
soll und zum anderen das Selbstbewusstsein von schüchternen,
linkischen Jungen hebt, das ist zu bezweifeln. Eines ist jedoch
sicher: die Debatte wird weiter gehen, denn der Kulturkampf
zwischen Bildungsbürgertum und MINT- bzw. Nerd-Kultur hat in
Deutschland gerade erst begonnen (vgl.
"Die Jugend drückt den falschen Knopf", Welt-Interview
mit Peter WEIBEL v.18.10.2010).
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