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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Thüringen im demografischen Wandel

 
       
   

Das Bundesland als größtenteils abgehängte deutsche Region (Teil 2)

 
       
     
   
     
 

Kommentierte Bibliografie (Teil 2: 2016)

2016

SLUPINA, Manuel/DAMM, Theresa/KLINGHOLZ, Reiner (2016): Im Osten auf Wanderschaft. Wie Umzüge die demografische Landkarte zwischen Rügen und Erzgebirge verändern, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Januar

PROGNOS (2016): Der neue Zukunftsatlas 2016.
Mit dem Zukunftsatlas bewertet Prognos alle drei Jahre die Zukunftsfähigkeit aller 402 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland. Erste Ergebnisse wurden in der heutigen Ausgabe des Handelsblatt veröffentlicht,
in: Pressemitteilung der Prognos AG v. 24.05.

TLS (2016): Entwicklung der Bevölkerung ausgewählter Städte Thüringens mit 10 000 und mehr Einwohnern 2015 bis 2035,
in:
Thüringer Statistisches Landesamt, Juni

Die Bevölkerungsvorausberechnung wird für 27 Städte in Thüringen vorgelegt, wobei 2035 nur zwei Städte einen positiven Saldo aufweisen: Eisenberg (+ 2,6%) und Meiningen (+ 1,4%). Folgende 10 Städte weisen die größten Bevölkerungsverluste auf:

Tabelle: 10 Städte (ü.10.000 E.), denen bis 2035 der höchste Bevölkerungsverlust prognostiziert wird
Rang Stadt Landkreis (Lkr) Bevölkerung
31.12.2015
Bevölkerung
31.12.2035
Bevölkerungsrückgang
absolut prozentual
1 Greiz Lkr Greiz 20.686 14.700 - 5.986 - 28,9 %
2 Meuselwitz Altenburger Land 10.223 7.470 - 2.753 - 26,9 %
3 Zeulenroda-Triebes Lkr Greiz 16.696 12.421 - 4.275 - 25,6 %
4 Zella-Mehlis Schmalkalden-Meiningen 10.541 8.009 - 2.532 - 24,0 %
5 Altenburg Altenburger Land 32.381 25.258 - 7.123 - 22,0 %
6 Sondershausen Kyffhäuserkreis 21.479 16.944 - 4.536 - 21,1 %
7 Schmölln Altenburger Land 11.153 9.032 - 2.121 - 19,0 %
8 Sömmerda Lkr Sömmerda 18.878 16.071 - 2.807 - 14,9 %
9 Waltershausen Lkr Gotha 12.962 11.049 - 1.913 - 14,8 %
10 Bad Langensalza Unstrut-Hainich-Kreis 17.407 14.961 - 2.446 - 14,1 %

Das Thüringische Landesamt für Statistik hat für die 27 Städte über 10.000 Einwohner bereits Bevölkerungsvorausberechnungen für die Jahre 2020 und 2030 erstellt.

Tabelle: Entwicklung der Rangfolge der Städte mit den
höchsten prozentualen Bevölkerungsverlusten
Stadt Landkreis (Lkr) Rang
    2020 2030 2035
Greiz Lkr Greiz 1 1 1
Meuselwitz Altenburger Land 4 7 2
Zeulenroda-Triebes Lkr Greiz 3 2 3
Zella-Mehlis Schmalkalden-Meiningen 7 10 4
Altenburg Altenburger Land 2 3 5
Sondershausen Kyffhäuserkreis 8 5 6
Schmölln Altenburger Land 9 - 7
Sömmerda Lkr Sömmerda - - 8
Waltershausen Lkr Gotha - 9 9
Bad Langensalza Unstrut-Hainich-Kreis - - 10
Apolda Weimarer Land 5 4 -
Rudolstadt Saalfeld-Rudolstadt 6 6 -
Leinefelde-Worbis Eichsfeld 10 8 -

Einzig die Stadt Greiz hat ihren Rangplatz nicht verändert. Ob die Veränderungen jedoch Verbesserungen oder Verschlechterungen der Lage darstellen, lässt sich ohne eine genaue Analyse nicht feststellen. So können z.B. Eingemeindungen zu nur scheinbaren Verbesserungen führen. 2017 gab es 29 Städte mit 10.000 bis 50.000 Einwohner. Suhl und Eisenach sind jedoch kreisfreie Städte, die bei dieser Bevölkerungsvorausberechnung fehlen. 

HAAK, Sebastian (2016): Was eine Gebietsreform so bringt.
Rot-Rot-Grün in Thüringen hat sein wohl ambitioniertestes Projekt in Gang gesetzt - doch kann man damit sparen?
in:
Neues Deutschland v. 29.06.

Sebastian HAAK berichtet über die Sicht von Frank KUSCHEL (Linkspartei), der uns als "Kommunalexperte" vorgestellt wird, und der als einziger die Kostenvorteile der Gebietsreform beziffert. Danach werden nach einem Übergangszeitraum von 5 Jahren 500 Millionen Euro pro Jahr als Einsparung erwartet. Durch die Aufhebung der Kreisfreiheit von 4 der bislang 6 kreisfreien Städten in Thüringen soll durch Wegfall von Hilfsprogrammen und Bedarfszuweisungen Einsparungen von ca. 150 Millionen Euro erreicht werden. Die Einnahmesituation soll sich durch eine bessere Verteilung der Gewerbesteuer erhöhen, eine Sicht, die wohl die betroffenen Kommunen nicht unbedingt so sehen werden.

Die genaue zukünftige Struktur steht jedoch noch nicht fest, sondern das beschlossene Vorschaltgesetz ermöglicht Gestaltungsspielräume:

"Das Vorschaltgesetz regelt die Rahmenbedingungen, unter denen sich Kommunen nun innerhalb einer Freiwilligkeitsphase bis Ende Oktober 2017 zu neuen Gebietsstrukturen zusammenfinden können. Unter anderem ist dort geregelt, dass Gemeinden künftig mindestens 6000, Landkreise zwischen 130.000 und 250.000 und kreisfreie Städte mindestens 100.000 Einwohner haben sollen. Die Freiwilligkeitsphase gilt nicht für Landkreise und kreisfreie Städte.
Im Herbst 2016 will des Thüringer Innenministerium einen konkreten Vorschlag dazu vorlegen, wie die künftige Gebietsstruktur im Freistaat auf dieser Ebene aussehen könnte."

Gebietsreformen haben in der Vergangenheit selten die erhofften Einsparpotentiale erreicht. Zudem erschweren sie die statistische Vergleichbarkeit von Entwicklungen und Prognosen.

DPA/ND (2016): Weimar verhängt Haushaltssperre.
Thüringischer Stadt droht Millionen-Defizit - am Nein zur Gebietsreform hält man fest,
in: Neues Deutschland v. 15.07.

Die Zeitung Neues Deutschland nutzt Finanzprobleme der Stadt Weimar, um deren Haltung zur geplanten rot-rot-grünen Gebietsreform zu kritisieren:

"Weimar ist mit rund 65.000 Einwohnern eine von sechs kreisfreien Städten in Thüringen. (...).
Nach einem im Juni vom Landtag beschlossenen Gesetz zur Gebietsreform sollen die kreisfreien Städte ihren Status verlieren, wenn sie nicht mindestens 100.000 Einwohner haben. Weimar hatte dagegen Tausende Unterschriften gesammelt. Nach der Regelung blieben nur noch Erfurt und Jena als kreisfreie Städte."

HAAK, Sebastian (2016): Suhl will Rekordsumme vom Land.
Noch nie hat eine Thüringer Kommune 17 Millionen Euro als Bedarfszuweisung vom Land erbeten oder gar erhalten,
in:
Neues Deutschland v. 28.09.

LOCKE, Stefan (2016): Wie man Bürger gegen sich aufbringt.
Gebietsreformen bringen kaum Einsparungen, sind aber mit hohen politischen Kosten verbunden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.09.

Stefan LOCKE präsentiert eine Studie von Felix RÖSEL vom Dresdner Ifo-Institut, die in Gebietsreformen kein Mittel der Kostenreduzierung sieht, sondern hohe politische Kosten.

"In ganz Ostdeutschland gibt es von einest 215 Landkreisen und kreisfreien Städten nach zahlreichen Gebietsreformen heute noch 76. (...). Von im Jahr 1990 knapp 8000 selbständigen Städten und Gemeinden im Osten sind heute noch gut 2000 übrig, die meisten davon in Thüringen (849) und Brandenburg (417), wo derzeit ebenfalls heftig über eine deutliche Verringerung der Gemeinden und Kreise gestritten wird",

erläutert LOCKE die Situation in Ostdeutschland. Diesen Gebietsreformen schreibt LOCKE die Politikverdrossenheit der Ostdeutschen und den Zulauf zur AfD zu.

HAAK, Sebastian (2016): Nur noch halb so viele Landkreise.
Thüringens Innenminister legt Gebietsreform-Plan vor - Änderung nahezu ausgeschlossen,
in:
Neues Deutschland v. 12.10.

Sebastian HAAK berichtet über die Gebietsreform in Thüringen, mit der die 17 Landkreise und 6 kreisfreien Städte auf 8 Landkreise und 2 kreisfreie Städte (Erfurt und Jena) reduziert werden sollen. Weimar und eventuell Gera sollen einen Sonderstatus als kreisangehörige Stadt behalten, während Eisenach und Suhl ihren Status als kreisfreie Stadt ganz verlieren.

"Während von Linken, SPD und Grünen sowie einzelne Kommunalpolitiker es begrüßten, kam sowohl von Vertretern der CDU und der AfD, aber auch aus vielen Landkreisen und kreisfreien Städten deutliche Kritik",

erläutert HAAK die Frontlinien in Sachen Gebietsreform.

LOBENSTEIN, Caterina (2016): Der Zug ist abgefahren.
Deutschlands teuerste Bahnstrecke wird nach 25 Jahren fertig. Sie sollte das Land einen - und hat es geteilt,
in:
Die ZEIT Nr.44  v. 20.10.

Caterina LOBENSTEIN, Jahrgang 1983, klagt uns, dass Deutschland durch die Deutsche Bahn zweigeteilt ist in Großstadtmenschen, die immer schneller vorankommen und "große Teile der Provinz", die sich völlig abgehängt fühlen. Wer diese Entwicklung jetzt erst kritisiert, der muss wohl die letzten 20 Jahre im Tiefschlaf verbracht haben. Diese Zweiteilung ist keine Neuigkeit, sondern Folge der missglückten Bahnprivatisierung.

"Um München und Berlin in Rekordzeit zu verbinden, werden etwa die thüringischen Städte Weimar und Jena vom Fernverkehr abgeknapst. Keine schrumpfenden Käffer, sondern wichtige Zentren des Ostens, in denen Bevölkerung und Wirtschaft wachsen. Sie gehören demnächst zu jenen mittelgroßen Städten, in denen fast nur Bummelzüge halten. So wie Chemnitz (250.000 Einwohner), Krefeld (220.000) oder Zwickau (100.000)",

jammert uns LOBENSTEIN vor, die offenbar nicht weiß, wovon sie redet, denn Großstädte sind Städte über 100.000 Einwohner, während in Mittelstädten zwischen 20.000 und 100.000 Einwohner leben. Nach dieser Klassifikation wäre lediglich Weimar eine Mittelstadt und damit Provinz. Dass die Bahn dagegen Millionenstädte bevorzugt, hat auch mit dem Neoliberalismus und dessen Standortideologie zu tun.

Gäbe es die AfD nicht, der ZEIT wäre das offenbar völlig egal, so muss man den Artikel interpretieren. Die AfD darf sich also für die Hilfe dieses Blattes bedanken, das sie derart hofiert und noch zu mehr Aufmerksamkeit verhilft. Es ist noch nicht lange her, da tönte es ganz anders. Reiner KLINGHOLZ und sein Privatinstitut forderten die Dörfer aktiv beim Veröden zu unterstützen. Claudia NEU, die uns als Erfinderin des Begriffs "territoriale Ungleichheit" präsentiert wird, gehört zu jenen, die diese Ungleichheit mittels Demografisierung gesellschaftlicher Probleme noch weiter befördern wollen.

Jeden Bahnfahrer wird es grausen, wenn uns die Autorin erklärt, dass die Bahn mit "besser getakteten Anschlüssen" die Strecken beschleunigen will. Kürzere Umsteigezeiten führen bei den krassen Bahnverspätungen dazu, dass noch mehr Bahnreisende jenseits der Großstädte, die durch Direktverbindungen verknüpft sind, länger unterwegs sein werden.

Fazit: Ohne AfD - und das ist das wahre Problem dieser Art von Neuorientierung der politischen Rhetorik - gäbe es diesen Artikel nicht. Und das sollte zu denken geben!

SCHMOLLAK, Simone (2016): Zu Hause wartet bestimmt schon die Mama.
Familie: Was ist los in der zweitgrößten Stadt Thüringens? Sind die Männer in Jena besonders geschlechtergerecht, familienorientiert, flexibel? Und wenn ja: Hat das mit der Stadt selbst zu tun? Oder macht die Politik dort etwas anders als in anderen Orten?
in: TAZ
v. 07.11.

KOWALSKI, Matthias u.a. (2016): Warum Deutschland stark ist.
Regional-Ranking 2016: Egal, ob Brexit, Trump oder Euro-Krise: Die deutsche Wirtschaft trotz (fast) allen Witterungen. Viele andere Nationen beneiden uns um Beschäftigungsniveau, Einkommen, Ausbildungslage und Innovationskultur. Focus ließ in exklusiven Studien das Geheimnis der deutschen Stärke analysieren und zeigt, wo die Kraftplätze der Republik liegen,
in:
Focus Nr.48 v. 26.11.

HAAK, Sebastian (2016): In verschiedenen Welten.
Thüringer Landkreistag geht auf Konfrontationskurs zur rot-rot-grünen Regierung, vor allem wegen der Gebietsreform,
in: Neues Deutschland
v. 09.12.

 
     
 
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 11. August 2019
Update: 21. Oktober 2019