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Kommentierte Bibliografie (Teil 5: 2019)
2019
DROST, Frank M. & M. STREIT
(2019): Gespaltenes Land.
Deutsche Wohnimmobilien
bleiben gefragt, allerdings wohl auf Dauer nicht überall. Sorgen
machen sich Investoren mittlerweile vor allem über große
Markteingriffe in den Metropolen,
in:
Handelsblatt
v. 17.01.
"Bis 2030 steigen demnach die
Preise in Heilbronn mit 2,99 Prozent am stärksten. (...). Die
größten Wertverluste verbuchen dagegen 34 Landkreise im Osten
Deutschlands. Den stärksten Einbruch sagt die Studie der
Kreisstadt Suhl in Süd-Thüringen voraus. Dort sollen die Preise
um 5,52 Prozent pro Jahr fallen",
berichten DROST & STREIT.
HAAK, Sebastian (2019): Der neue Sound der SPD.
Kommunalwahl in Thüringen: Thüringer Sozialdemokraten gehen mit
ihrem Wahlprogramm ungewöhnliche Wege,
in:
Neues Deutschland v. 25.02.
Sebastian HAAK will bei der SPD im Wahlprogramm "21 Fragen, die wir
uns in Thüringen stellen sollten" einen neuen Sound erkannt haben.
Dabei ist dies lediglich der neoliberale Sound der SCHRÖDER-SPD, für
den Thüringens SPD-Vorsitzender Wolfgang TIEFENSEE steht, der das
typische neoliberale Menschenbild vertritt, das unserer
Hartz-Gesellschaft unterlegt ist und den Erfolg der AfD begründet:
"Es sei falsch, wenn Menschen mit
verschränkten Armen auf dem Sofa säßen und darüber sprächen, was in
diesem Land geschehen müsste, statt es selbst zu tun".
BARTSCH, Michael (2019): Es liegt ein Grauschleier über dem "roten
Suhl".
In der DDR war die Kommune im
Thüringer Wald Bezirkshauptstadt. Nach der Wende verschwanden erst
Arbeitsplätze und dann Einwohner. Wie eine sterbende Stadt versucht,
sich trotzdem wieder aufzurichten,
in:
Neues Deutschland v. 25.02.
"Vom Wintersportzentrum Oberhof
geht es über Zella-Mehlis sanft hinunter in das Tal der Hasel. Die
Höhenzüge des Thüringer Waldes umrahmen die Stadt Suhl. Alles Wichtige
ist fußläufig erreichbar. Trotz der versuchten sozialistischen
Umgestaltung des Stadtkerns im Stil des dominierenden DDR-Stadtplaners
Hermann Henselmann sorgen historische Bauten für eine freundliche
Atmosphäre.
Warum winken dann so viele Thüringer nur ab, wenn Suhl erwähnt wird?
Eine Stadt, in der zwei Drittel der Wohnungen für weniger als 5 Euro
pro Quadratmeter vermietet werden? Eine Stadt, die im Mittelalter das
Eisenerz entdeckte, durch Waffen- und Fahrzeugproduktion bekannt
wurde?",
fragt scheinbar verwundert Michael
BARTSCH. Betrachtet man jedoch das zum Artikel dazugehörige Foto, dann
schreit uns die Hässlichkeit dieser Stadt geradezu an.
"Im Vorjahr machte die U18-Gruppe
nur 12 Prozent der Stadtbevölkerung aus, lediglich jeder Fünfte war
jünger als 30 Jahre. Dafür hatte fast jeder dritte Einwohner die 65
überschritten. Über 56.000 Einwohner wurden Ende 1988 gezählt (...).
Heute sind es noch 35.000",
beschreibt BARTSCH jene Zahlen, die
in den neoliberalen Rankings regelmäßig zum miserablen Image der Stadt
führen.
"Vom Nachwendeschock erholt sich
die Stadt allmählich, dennoch ist die Frage, warum Suhl nicht in
ähnlicher Weise boomt wie das rund 50 Kilometer entfernte Sonneberg an
der früheren Westgrenze zu Franken."
Als Gesprächspartner findet sich
nur die Linke Ina LEUKEFELD bereit, aber nicht der neue
CDU-Oberbürgermeister:
"Sie ist seit Langem Suhler
Stadträtin und zog ungeachtet früherer Stasi-IM-Vorwürfe dreimal mit
einem Direktmandat in den Landtag ein. Die PDS in Suhl lag schon in
den 1990er Jahren bei 30 Prozent. Die Linke löste 2004 die CDU als
stärkste Stadtratsfraktion ab und hat heute ein Drittel der Sitze.
Leukefelds Rückblick lässt sich als Erklärung für das Schrumpfen der
Stadt auf ihr angestammtes Maß interpretieren",
erklärt uns BARTSCH. Bei der
Kommunalwahl im Mai ist im Übrigen die Linke massiv geschrumpft.
Sie hat fast die Hälfte ihrer Stimmen eingebüsst (2014: 32,6 %; 2019:
18,3 %). Die Freien Wähler wurden mit 19,3 % hinter der CDU (29,5 %)
zweitstärkste Kraft vor der Linke. Die AfD kam aus dem Stand heraus
auf 12,1 %.
Die Liquidierung der
Mopedproduktion in Suhl wird uns als übles Kapitel der Treuhand
vorgestellt:
"Vom wichtigsten Suhler Großbetrieb
mit einst 6.000 Arbeitsplätzen ist nur noch ein Museum geblieben. Im
Kongresszentrum CCS stehen die Mokick- und Mopedlegenden SR 1, Star,
Schwalbe, Sperber, S 50/51".
Am Ende kommt BARTSCH auf die
Schuldensituation und die üppigen Kulturausgaben der Stadt zu
sprechen. Muss also die Kreisfreiheit fallen?
"Derzeit laufen Sondierungen über
einen Zusammenschluss mit dem Nachbarlandkreis. Die Entscheidung fällt
im März."
Aber genauso wie die geplante
Kreisreform ist der Zusammenschluss mit dem Landkreis
Schmalkalden-Meiningen vertagt worden. Schließlich standen Kommunal-
und Landtagswahlen an - und die etablierten Parteien sehen ganz schön
alt aus.
ECKERT,
Daniel (2019): Der neue Risse durch Deutschland.
Während Dörfer und
Kleinstädte in der Bundesrepublik vergreisen, ziehen junge
Menschen in die Metropolen. Das bringt Probleme mit sich,
in:
Welt
v. 04.03.
Die Welt präsentiert
eine
Tabelle auf Basis eines IW-Kurzberichts mit den 5 ältesten
bzw. jüngsten Regionen in Deutschland, wobei ein "mittleres
Alter" angegeben wird, das jedoch nicht dem Durchschnittsalter
entspricht. Während z.B. das Statistische Landesamt
Baden-Württemberg für Baden-Baden 47,4 Jahre im Jahr 2016
angibt, kommt das IW Köln auf 47,1 Jahre. Für Suhl wird für das
Jahr 2017 ein mittleres Alter von 50,3 Jahren angegeben, während
die
Stadt Suhl das Durchschnittsalter sogar mit 50,7 angibt.
LASCH, Hendrik (2019): Aufbruch an der Blauen Flut.
Thüringen: Wie engagierte Bürger
mit dem "Stadtforum Altenburg" ein Gründerzeitviertel beleben,
in:
Neues Deutschland v. 12.04.
"»Blaue Flut« heißt der kleine
Wasserlauf, der durch die Altenburger Unterstadt plätschert: mal
unsichtbar in einem Rohr, mal in einer steinernen Rinne - so wie
hinter einem großen Haus am Ende der Kanalstraße, dessen einstige
Pracht derzeit nur zu ahnen ist. (...).
Das Quartier zwischen dem Bahnhof und dem Zentrum der ostthüringischen
Stadt beherbergte einst buntes Leben. (...).
Heute pulsiert das Leben in dem Viertel nicht mehr ganz so lebendig.
Viele Läden stehen leer (...). Geht es nach engagierten Bürgern wie
Jutta Penndorf, soll sich das wieder ändern. Die einstige
Museumschefin arbeitet im »Stadtforum Altenburg« mit, einer
Initiative, die sich als »Forum für Stadtentwicklung und
Denkmalschutz« versteht - und sich derzeit besonders um die Unterstadt
kümmert",
berichtet Hendrik LASCH aus
Altenburg, der Kreisstadt des Altenburger Lands. Anlass ist das
Treffen des Netzwerks Stadtforen:
"Stadtforen wurden vor allem Anfang
der 2000er Jahre in etlichen Städten in Thüringen, Sachsen und
Sachsen-Anhalt gegründet; seit 2011 gibt es ein »Netzwerk Stadtforen
in Mitteldeutschland«, dessen Mitglieder sich an diesem Wochenende in
Altenburg treffen."
In Altenburg war der Abriss eines
Barockhauses am oberen Ende des Marktplatzes der Auslöser für die
Gründung des Stadtforums im Jahr 2010:
"Den Abriss konnten die Engagierten
nicht verhindern; am Platz des Barockhauses steht heute ein wenig
einfallsreiches Karree aus Wohn- und Geschäftshäusern. Der geplanten
Beseitigung des angrenzenden Straßenzugs widersetzte man sich aber
erfolgreich. Zugleich war der Protest der Auslöser für einen festen
Zusammenschluss."
Netzwerksprecher der Stadtforen ist
der Fraktionschef der Grünen im sächsischen Landtag, Wolfram GÜNTHER,
der die Gegner der Bürgerinitiativen in den Reihen von Vermietern,
Handelskonzernen und Verkehrsplanern sieht:
"Für diese ist es womöglich
attraktiver, Wohnhäuser neu zu bauen, statt alte zu sanieren;
Einkaufsparks mit Großparkplätzen an den Stadtrand zu setzen; Straßen
zu breiten Magistralen auszubauen, damit der Autoverkehr möglichst
ungehindert rollt. Dem Bild der Städte und den Bedürfnissen der in
ihnen lebenden Bürger ist das freilich eher nicht zuträglich. In
Altenburg braust durch die Kanalstraße oft so viel Verkehr, dass an
geruhsamen Einkaufsbummel nicht zu denken wäre. Rund um den Markt
erstirbt nach Ladenschluss jegliches Leben, weil Eigentümer (...) mit
Mieteinnahmen der Geschäfte zufrieden sind und es nicht für nötig
halten, darüber liegende Wohnungen zu sanieren und zu vermieten."
Mit Aktionen im Rahmen des "Tages
der Nachbarn" oder dem Tag des offenen Denkmals will das Stadtforum
auf Entwicklungsalternativen hinweisen. Das Ende von
Bevölkerungsrückgängen soll zur Renaissance der vernachlässigten
Stadtzentren führen:
"Die zurückliegenden Jahrzehnte
waren von Wegzug, Verfall und dem Sterben von Firmen und Länden
geprägt; Altenburg etwa schrumpfte von 56.000 auf 32.000 Einwohner.
Jetzt scheint es eine Trendwende zu geben. Weil die Mieten in der
Metropole Leipzig steigen und bezahlbare Wohnungen, Büros sowie
Kreativräume knapp werden, geraten Orte wie Wurzen, Zeitz und Torgau
wieder in den Blick - oder eben Altenburg, das einst sogar zum Bezirk
Leipzig gehörte",
meint LASCH, der damit auf das
neoliberale Konzept von "Überschwappeffekten" setzt, bei dem sich
erweiternde Speckgürtel um die Leuchtturmpolitik der Metropolen und
Ballungsräume ergeben. Dieses Konzept lebt jedoch von einem
immerwährenden Aufschwung, aber den gibt es bekanntlich nicht!
Bei den
Kommunalwahlen im Mai 2019 kam das Stadtforum Altenburg auf 13,8 %
(5 von 36 Sitze)
OBERTREIS, Sarah (2019):
Läuft bei denen.
Seit Erfurt ein ICE-Knotenpunkt
ist, hat sich die Wahrnehmung der Stadt verändert - die Leute nennen
sie "Boomtown". Doch das starke Wachstum gefällt längst nicht allen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 09.05.
"Die Ambitionen der Erfurter
Kulturszene (...)(haben) viel mit zwei neuen ICE-Strecken zu tun, die
im Dezember 2017 Jena und Weimar ins Abseits schoben, Erfurt dafür
aber nach vorn brachten. Berlin, München und Frankfurt sind nun von
Erfurt mit der Bahn so schnell zu erreichen wie von keiner anderen
Stadt aus. (...).
Die Stadt liegt nur 50 Kilometer entfernt von der geographischen Mitte
Deutschlands, aber den Rest des Landes hat das bisher kaum
interessiert, sieht man von den Logistikern ab, die dank dem
Autobahnkreuz aus A4 und A71 schon relativ früh entdeckt haben, dass
sich hier strategisch günstig und ohne Mangel an Arbeitskräften ein
Niedriglohnsektor etablieren ließ, der derzeit mit rund 3.000 Stellen
von Zalando angeführt wird. (...).(A)ber mit modernen Gewerbegebieten
kamen nicht nur Batteriezellenhersteller und IT-Anbieter in die
Region, die neuen ICE-Strecken haben auch viel mehr Touristen,
Kongressteilnehmer und Beratungsunternehmen in die Stadt gelockt.
(...). Im sozialdemokratisch regierten Rathaus bereitet das Thema gute
Laune. (...). Und da war von der 140 Millionen Euro teuren
Bundesgartenschau in zwei Jahren noch gar keine Rede.
Etwa 214.000 Menschen wohnen mittlerweile in Erfurt. Der historische
Höchststand vor 30 Jahren mit 220.000 Einwohnern rückt wieder näher.
Fast drei Viertel der Zuziehenden seien jünger als 30, erklärt der
Bürgermeister stolz",
berichtet Sarah OBERTREIS über die
Sorglosigkeit der Erfurter SPD-Obertanen in einem Bundesland, das
ringsum abgehängt ist:
"Zwar werden in 15 Jahren
weite Teile im Osten des
Bundeslandes wohl kaum noch besiedelt sein. Das legen Zahlen des
Thüringer Landesamts für Statistik nahe. Aber Erfurt liegt in der
Mitte des Bundeslands, hier sagen die Statistiker Wachstum voraus."
Doch es gibt auch Sorgenkinder in
Erfurt: zum einen der Flughafen Erfurt-Weimar und zum anderen der
insolvente Buchgroßhändler Koch, Neff und Volkmar (KNV). Die
abgehobene Parteielite und ihre Bürokratie sorgt sich vornehmlich um
genügend Betten für die erwarteten Touristen, die die "perfekt
renovierte Altstadt" besuchen sollen.
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Erfurter
Skyline, Foto: Bernd Kittlaus 2018 |
Das Prestigeobjekt "ICE-Stadt"
östlich des Hauptbahnhofs wird als "Jahrhundertchance" gepriesen, ruft
aber auch die Opposition auf den Plan:
"In dem neuen Stadtviertel baut die
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG) nicht nur Wohnungen,
sondern auch Büros für etwa 500 Mitarbeiter der Bahn, ein Parkhaus und
ein »Promenadendeck«. Hier sollen außerdem die ersten beiden
Hochhäuser Erfurts in den Himmel ragen: der Tower West und der Tower
Ost. (...).
Sebastian Perdelwitz und Steffen Präger von der Bürgerinitiative
»Mehrwertstadt« (...) sind die lokalen Wachstumskritiker. Perdelwitz
holte bei der Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Jahr 9,5 Prozent.
Selbst OB Bausewein geht davon aus, dass »Mehrwertstadt« nach den
Kommunalwahlen eine wichtige Rolle im Stadtrat spielen wird.
Präger und Perdelwitz finden, die Stadt- und Landesregierung rollen
den Investoren aus dem Westen den roten Teppich aus und vergessen
dabei die Anliegen der Erfurter Bevölkerung. Die Stadt werbe mit
Sonnenstunden und Golfplätzen, gleichzeitig würden
alarmierende Studienergebnisse zur sozialen Segregation in Erfurt
kleingeredet."
Bei den
Kommunalwahlen im Mai hat die SPD die Quittung erhalten. Sie fuhr
mit 11,4 Prozent die höchsten Verluste ein und ist nun mit 17,1
Prozent (9 Sitze) nur noch zweitstärkste Fraktion im Stadtrat hinter
der CDU (19,6 %; 10 Sitze). Die im Land regierende Linke blieb zwar
drittstärkste Fraktion, schrumpfte jedoch auf 16,5 % (8 Sitze) und
liegt damit nur noch knapp vor der AfD (14,9 %; 7 Sitze). Die
Gruppierung "Mehrwertstadt" kam auf 7,3 % (4 Sitze) und rangiert damit
hinter den Grünen mit 11,8 Prozent (6 Sitze) der insgesamt
51 Sitze im Erfurter Stadtrat.
HAAK, Sebastian (2019): Erwartbares und Überraschendes in Thüringen.
Kommunalwahl in Thüringen: Wie AfD und andere Neonazis auch bei
der Kommunalwahl im Freistaat abräumen,
in:
Neues Deutschland v. 28.05.
"In einzelnen Kommunen
Thüringens ist dieser Rechtsruck besonders heftig: So ist die AfD etwa
in Gera mit Abstand stärkste Kraft geworden. Nach der dort am
Nachmittag bereits abgeschlossenen Auszählung hat die Partei in der
Stadt 28,8 Prozent der Stimmen erhalten; die Linke ist dort
zweitstärkste Kraft geworden, sie hat 18,3 Prozent der Stimmen
bekommen.
Diese Wahlergebnisse erklären übrigens auch, warum Rechtsrock-Konzerte
ausgerechnet in bestimmten Orten des Landes stattfinden. Immer mehr
davon gibt es in Thüringen. Das hat sicher damit zu tun, dass viele
Menschen etwa in Kloster Veßra oder Themar gedanklich ganz weit am
rechten Rand der Gesellschaft sind",
meint Sebastian HAAK. Aus der
folgenden Tabelle ist die Sitzverteilung in den Stadt- bzw.
Gemeinderäte der Gemeinden Gera, Kloster Veßra und Thema ersichtlich.
Tabelle: Die
Stimmenanteile der drei stärksten Parteien bei den
Stadtrats- bzw. Gemeindewahlen in Gera, Kloster Veßra
und Themar |
Rang |
Kloster Veßra
(247 Wahlberechtigte) |
Themar
(2.424 Wahlberechtigte) |
Gera
(78.537 Wahlberechtigte) |
1 |
Feuerwehrverein
Neuhof e. V. (2 Sitze) |
35,7 % |
Pro Themar |
53,1 % (8 Sitze) |
AfD |
28,8 % (12 Sitze) |
2 |
Heimat Z-N-K (2
Sitze) |
26,3 % |
Linke |
23,9 % (3 Sitze) |
Die Linke |
18,3 % (8 Sitze) |
3 |
BZH Bündnis
Zukunft HBN (1 Sitz) |
19,9 % |
BZH |
14,8 % (2 Sitze) |
CDU |
12,9 % (6 Sitze) |
|
Quelle:
wahlen.thueringen.de |
Die von Sebastian HAAK
genannten Ergebnisse für Kloster Veßra und Themar stimmen nicht mit
diesen Ergebnissen überein. Die AfD ist weder im Gemeinderat von
Kloster Veßra, noch von Themar vertreten. HAAK spielt jedoch auf das
Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH) an. Die AfD sitzt jedoch im
Kreistag des Landkreises Hildburghausen und kommt dort auf 5 der
40 Sitze. Das BZH kommt auf 3 Sitze. Beide Gruppierungen zusammen
kommen auf ein Fünftel der Sitze.
LANDESWAHLLEITER (2019): Amtliches Endergebnis der Europawahl 2019 im
Land Thüringen,
in:
Pressemitteilung
des Landeswahlleiter Thüringen
v. 12.06.
WZB (2019): Zuwanderung vor allem in arme Stadtviertel.
WZB-Studie zeigt große
Unterschiede bei sozialräumlicher Verteilung,
in:
Pressemitteilung
Wissenschaftszentrum Berlin
v. 05.07.
Aus der folgenden Tabelle sind die
12 Städte ersichtlich, in denen die soziale Segregation zwischen 2014
und 2017 am stärksten zugenommen hat:
Tabelle: Die
12 Städte mit dem höchsten Anstieg sozialer Segregation
2014 - 2017 |
Rang |
Land |
Stadt |
Stadttyp |
Wohnungsleerstand
im Jahr 2014 |
SGB-II-Quote
im Jahr 2017 |
Veränderung
SGB-II-Quote
2014 - 2017 |
1 |
Thüringen |
Jena |
Großstadt |
4 % |
39,2 % |
+ 7,3 % |
2 |
Mecklenburg-Vorpommern |
Schwerin
(Landeshauptstadt) |
Mittelstadt |
12 % |
45,5 % |
+ 5,5 % |
3 |
Sachsen-Anhalt |
Halle an der
Saale |
Großstadt |
12 % |
40,0 % |
+ 4,6 % |
4 |
Mecklenburg-Vorpommern |
Stralsund |
Mittelstadt |
9 % |
24,6 % |
+ 4,3 % |
5 |
Sachsen-Anhalt |
Magdeburg
(Landeshauptstadt) |
Großstadt |
10 % |
26,5 % |
+ 3,7 % |
6 |
Brandenburg |
Potsdam
(Landeshauptstadt) |
Großstadt |
3 % |
41,5 % |
+ 3,5 % |
7 |
Nordrhein-Westfalen |
Hagen |
Großstadt |
8 % |
33,4 % |
+ 3,3 % |
8 |
Mecklenburg-Vorpommern |
Wismar |
Mittelstadt |
8 % |
21,7 % |
+ 3,2 % |
9 |
Nordrhein-Westfalen |
Gelsenkirchen |
Großstadt |
8 % |
19,4 % |
+ 3,1 % |
10 |
Mecklenburg-Vorpommern |
Neubrandenburg |
Mittelstadt |
9 % |
35,2 % |
+ 2,8 % |
11 |
Sachsen |
Dresden
(Landeshauptstadt) |
Metropole |
4 % |
28,2 % |
+ 2,7 % |
12 |
Sachsen |
Leipzig |
Metropole |
8 % |
29,2 % |
+ 2,2 % |
|
Quelle:
WZB-Diskussionspapier, Tabelle Anhang, S.52ff.; eigene
Berechnungen |
Die thüringische Großstadt Jena hat
im Zeitraum 2014 bis 2017 die größte Steigerung zu verzeichnen gehabt.
NEUES DEUTSCHLAND-Titelgeschichte:
Weimarer Verhältnisse.
Ein Allparteienbündnis will verhindern, dass die AfD Einfluss auf
die Kulturpolitik in der Klassikerstadt gewinnt |
SPECKMANN, Guido (2019): Die Verteidigung der Kulturstadt.
Thüringen: In Weimar wird über
einen AfD-Vorsitz im Kulturausschuss gestritten,
in:
Neues Deutschland v. 05.07.
TLS (2019):
Thüringens Einwohnerzahl sank 2018 um rund 8.000 Personen.
Einwohnergewinne hingegen für Erfurt, Jena, Weimar und im
Saale-Holzland-Kreis,
in:
Thüringer Statistisches Landesamt v. 09.07.
"Am 31.12.2018 lebten 2.143.145
Personen in Thüringen, davon 1.060.814 Personen männlichen und
1.082.331 weiblichen Geschlechts. Nach Mitteilung des Thüringer
Landesamtes für Statistik sank die Einwohnerzahl des Freistaats somit
um 8.060 Personen bzw. 0,4 Prozent. Im Jahr 2017 verringerte sich die
Einwohnerzahl Thüringens in ähnlicher Größenordnung (-6.923 Personen
bzw. -0,3 Prozent).
Der Bevölkerungsrückgang 2018 resultierte aus einem
Sterbefallüberschuss (mehr Sterbefälle als Geburten) in Höhe von
12.387 Personen, welcher durch einen Wanderungsgewinn in Höhe von
4.559 Personen nicht ausgeglichen werden konnte. Hinzu kamen
nachträglich die von den Standes- und Meldeämtern gemeldeten
Korrekturen, welche zusätzlich ein minimales Bevölkerungsminus in Höhe
von 232 Personen ausmachten. Im Jahr 2017 gab es einen
Wanderungsgewinn von 3.992 Personen und der Sterbefallüberschuss lag
bei 11.229 Personen (Korrekturen: 314 Personen).
Unter den Landkreisen und kreisfreien Städten Thüringens gab es 2018
sowohl Einwohnerzuwächse als auch deutliche Bevölkerungsverluste.
Einwohnergewinne verzeichneten die kreisfreien Städte Weimar (1,0
Prozent bzw. 664 Personen), Erfurt (0,3 Prozent bzw. 711 Personen) und
Jena (0,3 Prozent bzw. 308 Personen) sowie der Saale-Holzland-Kreis
(0,1 Prozent bzw. 61 Personen). Die Landkreise Greiz (-1,1 Prozent
bzw. -1.116 Personen), Kyffhäuserkreis (-1,1 Prozent bzw. -809
Personen) sowie der Landkreis Nordhausen (-1,0 Prozent bzw. -875
Personen) hatten im Jahr 2018 hingegen die größten
Bevölkerungsrückgänge in Relation zur Einwohnerzahl.", meldet das
Thüringer Statistische Landesamt.
HANSCHKE, Kevin (2019):
Im Angesicht von Buchenwald.
Thüringen: Die AfD könnte in Weimar
bald den Kulturausschuss führen. Um das zu verhindern, wird eine
parlamentarische Tradition ausgesetzt. Die Vorgänge offenbaren ein
Problem deutscher Kulturpolitik,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.07.
HENGER, Ralph & Michael VOIGTLÄNDER (2019): Ist der Wohnungsbau
auf dem richtigen Weg?
Aktuelle Ergebnisse des
IW-Wohnungsbedarfsmodells,
in:
IW-Report 28 v. 22.07.
Ein Blick auf die 401
betrachteten Regionen zeigt ebenfalls ein anderes Bild. Aus
der folgenden Tabelle sind die 10 Regionen mit dem höchsten
Bedarf bzw. dem höchsten Wohnungsüberhang aufgeführt:
Tabelle: Die
10 Regionen mit höchstem Wohnungsfehlbedarf in
Deutschland |
Rang |
Land |
Region |
Regionstyp |
Stadttyp |
Verhältnis
Fertigstellungen (2016-2018)
zum Bedarf im Jahr 2020 |
1 |
Rheinland-Pfalz |
Speyer |
kreisfreie
Stadt |
Mittelstadt |
21 % |
2 |
Schleswig-Holstein |
Kiel |
kreisfreie
Stadt |
Großstadt |
25 % |
3 |
Thüringen |
Eisenach |
kreisfreie
Stadt |
Mittelstadt |
27 % |
4 |
Rheinland-Pfalz |
Frankenthal |
kreisfreie
Stadt |
Mittelstadt |
29 % |
5 |
Niedersachsen |
Braunschweig |
kreisfreie
Stadt |
Großstadt |
35 % |
6 |
Bayern |
Garmisch-Partenkirchen |
Landkreis |
|
37 % |
7 |
Hessen |
Main-Kinzig-Kreis |
Landkreis |
|
38 % |
8 |
Thüringen |
Saale-Holzland-Kreis |
Landkreis |
|
38 % |
9 |
Thüringen |
Gera |
kreisfreie
Stadt |
Mittelstadt |
39 % |
10 |
Thüringen |
Weimar |
kreisfreie
Stadt |
Mittelstadt |
40 % |
|
Quelle:
IW-Report 28/2019, S.28ff; eigene Berechnungen |
Auffällig ist, dass
insbesondere in Thüringen Wohnraumbedarf gesehen wird, während
in Bayern die höchsten Wohnraumüberschüsse bestehen.
Erstaunlich ist, dass sich die
"erschöpfte Stadt" Gera unter jenen Städten mit dem
höchsten Wohnraumbedarf befindet. Im
Zukunftsatlas 2019 belegt Gera Platz 366 (Klassenstufe
7).
CHRISTNER, Johanna (2019):
Ein Knotenpunkt und seine Folgen.
Thüringen: Seit Erfurt zu einem
ICE-Drehkreuz wurde, wird in der Stadt fleißig gebaut. Stadt und
Unternehmen hoffen auf eine Goldgrube. Doch es gibt auch Verlierer,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.07.
"(V)or eineinhalb Jahren
(...) wurde der Erfurter Hauptbahnhof zu einem ICE-Knotenpunkt. Die
Anzahl der täglichen Ein- und Aussteiger in der Stadt stieg seitdem
von 5.900 auf 8.000 Menschen. Stadtverwaltung,
Entwicklungsgesellschaften und Unternehmen wittern eine Goldgrube,
denn wer umsteigt, könnte auch längere Zeit bleiben",
berichtet Johanna CHRISTNER. Als
Beispiel für den Einfluss eines ICE-Halts auf die wirtschaftlichen
Erfolge von Städten wird uns Montabaur in Rheinland-Pfalz genannt.
CHRISTNER stellt uns die geplante ICE-City als Profitcenter von Erfurt
vor:
"Rund um den Hauptbahnhof sollen
Tagungs- und Kongresszentren, Hotels und Gewerbeflächen entstehen.
Futuristisch anmutende Zwillingstürme zeigt der erste Entwurf für das
Vorhaben der Tower West und Ost, der Spatenstich für Ersteren fand
schon im Sommer letzten Jahres statt. (...). Ursprünglich sollten die
Erfurter Zwillingstürme höher in den Himmel ragen. Doch die Erfurter
(...) wehrten sich. Der Grund: Für das Stadtbild prägend ist der
Erfurter Dom, der mit einer Höhe von rund 81 Metern auf dem Domberg
steht und schon von der Autobahn aus zu sehen ist - und das soll auch
so bleiben",
erzählt uns CHRISTNER. Als
Verlierer der thüringischen Bahnzentralisierung wird Jena, Gotha,
Eisenach und Weimar genannt, die nun abgehängt seien.
HAAK,
Sebastian (2019):
Bloß nicht zu früh freuen.
Thüringer
Landtagswahlen: Mike Mohring will in Thüringen regieren. Dafür
inszeniert sich der CDU-Politiker als Stimme des Ostens,
in:
Freitag Nr.30 v. 25.07.
ORDE, Sabine am (2019):
Falsche Strategie gegen die AfD.
Thüringer
Landtagswahlen: Kommentar zum Umfragehoch der Höcke-Partei in
Thüringen,
in:
TAZ v. 01.08.
"Wer glaubt, mit moralischen
Appellen oder dem Verweis auf rechtsextreme Verstrickungen die AfD im
Osten bekämpfen zu können, liegt falsch. All das zieht nicht nur
nicht, sondern scheint sogar noch mehr AfD-SympathisantInnen in die
Arme der Partei zu treiben",
schreibt Sabine am ORDE. Was sich
wie Selbstkritik liest, ist das genaue Gegenteil:
"Erstmals seit Langem scheint eine
rot-rot-grüne Mehrheit in Thüringen wieder möglich zu sein. Für eine
Regierung also, die für eine weltoffene Gesellschaft steht. Das
zumindest ist doch eine gute Nachricht,
wird uns angesichts des
Thüringentrend von
Infratest dimap vom 30.07.2019 erklärt. Die Medienstrategie des
Anti-AfD-Bündnisses stilisiert die AfD zur stärksten Partei, obgleich
sich dies in den Umfragen nicht wiederspiegelt.
BARTSCH, Michael & Anna LEHMANN (2019):
Linkspartei und AfD liegen vorn.
Thüringer
Landtagswahlen: Die Linke ist laut "Thüringentrend" erstmals
stärkste Partei. Gleich dahinter liegt die AfD. Die CDU käme bei der
Landtagswahl auf Platz 3. Linken-Landeschefin ist dennoch
optimistisch, dass Rot-Rot-Grün gelingt,
in:
TAZ v. 01.08.
Die CDU bezieht sich nicht auf
Infratest dimap, sondern auf eine
Civey-Onlineumfrage, die für sie besser ausfällt:
"Eine Civey-Umfrage sähe die Union
bei 26 Prozent und Afd und Linke bei niedrigeren Werten."
HÜTHER, Michael/SÜDEKUM, Jens/VOIGTLÄNDER, Michael (2019): 19 Mal
akuter Handlungsbedarf.
Regionalentwicklung: Deutschlands
Metropolregionen boomen, während der ländliche Raum und der Osten
darben? Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)
in Kooperation mit Wissenschaftlern vier deutscher Hochschulen wollte
es genauer wissen. Das Ergebnis: 19 von insgesamt 96 deutschen
Regionen haben Probleme. Längst nicht alle liegen in Ostdeutschland
oder auf dem platten Land,
in:
Pressemitteilung IW Köln v. 08.08.
Aus der folgenden Tabelle sind die
Raumordnungsregionen mit ihren zugehörigen Landkreisen bzw.
kreisfreien Städten der 3 von 11 gefährdeten Regionen in Ostdeutschland
ersichtlich, die in Thüringen liegen. Zudem wird für die Landkreise bzw. kreisfreien Städte die
Bewertung der Regionen im
Zukunftsatlas 2019
angegeben.
Tabelle: Die
3 gefährdeten Raumordnungsregionen in Thüringen im
Vergleich mit dem Zukunftsatlas 2019 |
Rang |
Land |
Raumordnungsregion (Nr.) |
Landkreis/
kreisfreie Stadt |
Gefährdungs-
Punkte |
Rang (Klasse)
im
Zukunftsatlas
2019 |
8 |
Thüringen |
Nordthüringen
(1602) |
Eichsfeld |
1,75 |
289 (5) |
Kyffhäuserkreis |
386 (7) |
Nordhausen |
368 (7) |
Unstrut-Hainich-Kreis |
365 (7) |
9 |
Thüringen |
Südthüringen
(1604) |
Eisenach |
1,75 |
321 (6) |
Hildburghausen |
315 (6) |
Schmalkalden-Meiningen |
360 (7) |
Sonneberg |
384 (7) |
Suhl |
324 (6) |
Wartburgkreis |
274 (5) |
13 |
Thüringen |
Ostthüringen
(1603) |
Altenburger Land |
1,5 |
389 (7) |
Gera |
366 (7) |
Greiz |
367 (7) |
Jena |
029 (2) |
Saale-Holzland-Kreis |
372 (7) |
Saale-Orla-Kreis |
380 (7) |
Saalfeld-Rudolstadt |
375 (7) |
|
Quelle:
IW-Regionalstudie, Abb. 5.9, S.109; Zukunftsatlas 2019 -
Auf einen Blick |
In Thüringen gibt es nur
4 Raumordnungsregionen, d.h. drei Viertel der Regionen werden vom
IW Köln als gefährdet eingestuft.
RIETZSCHEL, Antonie & Jens SCHNEIDER (2019):
Mittelfinger des Ostens.
Brandenburg, Sachsen und Thüringen:
In den ostdeutschen Wahlkämpfen inszeniert sich die AfD als Erbin der
Wende. Obwohl ihre Protagonisten gar nicht dabei waren, gelingt ihr
so, worum sich andere Parteien vergeblich mühen: die Stimmung zu
treffen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 06.08.
LOCKE, Stefan (2019): Schwarzburger Republik.
Thüringer
Landtagswahlen: Vor 100 Jahren unterzeichnete Reichspräsident Ebert in
Schwarzburg die Weimarer Verfassung. Heute engagieren sich Bürger
gegen das Vergessen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.08.
"Die Promenade strahlt in der
Sonne, links und rechts erstrecken sich in sattem Grün die Ausläufer
des Thüringer Waldes. Der idyllische Anblick jedoch kann nicht darüber
hingwegtäuschen, dass die kleine Gemeinde an diesem Augusttag beinahe
wie ausgestorben wirkt. (...). Welch ein Kontrast zur vorletzten
Jahrhundertwende, als
Schwarzburg ein deutschlandweit angesagter Ort für den Erholung
suchenden Adel und as aufstrebende Bürgertum gleichermaßen war",
führt Stefan LOCKE in den "Stadtmarketing"-Artikel
ein, denn der Förderverein Schloss Schwarzburg will das Jubiläum der
Unterzeichnung der Weimarer Verfassung nutzen, um auf die ca. 550
Einwohner zählende Gemeinde, die eher ein Dorf ist, aufmerksam zu
machen. Die Gemeinde liegt in der gefährdeten Ostthüringer
Planungsregion (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt), deren Niedergang LOCKE
folgendermaßen beschreibt:
"Zu DDR-Zeiten (...) war er noch
einmal eine Urlauber-Hochburg, die Gegend um Schwarzburg zählte nach
der Ostsee zu den begehrtesten Erholungsregionen im Arbeiter- und
Bauern-Staat. Im Sommer verdoppelten bis zu 2.000 Gäste täglich die
Einwohnerzahl und ließen die Region prosperieren. Zwei- bis dreimal am
Tag fuhren Züge von Dresden nach Berlin direkt nach Schwarzburg. Nach
1990 jedoch blieben die Touristen weg, die Hälfte der Einwohner
verließ die Gemeinde, und als dann auch noch die örtliche
Forsthochschule schloss, habe man kaum mehr junge Menschen gesehen.
1996 gründeten Einwohner den Schloss-Förderverein, um auf die Region
aufmerksam zu machen und sie wieder zu beleben."
Das ist offenbar gründlich
schiefgegangen, denn 1996 lebten noch 728 Einwohner in Schwarzburg.
Nun wird die Hoffnung auf das erste Verfassungsfest gesetzt, zu dem
SPD-Prominenz angerückt ist.
"Bei den Europawahlen (...) hat die
AfD hier knapp 27 Prozent der Stimmen erhalten, fünf Prozent mehr als
im Landesdurchschnitt". Baum will dem etwas entgegensetzen, er hat
eine »Zukunftswerkstatt« gegründet, die sich auch um den Leerstand im
Ort kümmern will",
erklärt uns LOCKE. Die AfD hat zwar
bei der
Europawahl als stärkste Partei 26,8 Prozent in Schwarzburg
erhalten. Im
Gemeinderat sitzt sie jedoch nicht, denn dort dominiert die
Feuerwehr (5 Sitze) und die FDP mitsamt liberaler Freunde (3 Sitze).
Für die AfD im
Kreistag votierten 26,6 % (Landkreisergebnis:
22,3 %) der Schwarzburger Wähler. Die AfD lag damit vor der CDU mit
22,3 Prozent (Landkreisergebnis: 22,9 %).
LEHMANN,
Timo/MÜLLER, Ann-Katrin/PIEPER, Milena (2019): Sie sind schon da.
Demokratie: In den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen bald
gewählt wird, ist die AfD längst Volkspartei, sie könnte auf dem
ersten Platz landen. Woher schöpft die Partei ihre Kraft? Eine
Spurensuche in fünf Gemeinden,
in:
Spiegel Nr.33 v. 10.08.
LEHMANN/MÜLLER/PIEPER stellen zwei AfD-Politiker aus Thüringen vor,
die typisch für die kommunale Verankerung der AfD sein sollen. Zum
einen:
"Martin Jacob, 61, hat (...) viel
zu tun. Die Pflaumenbäume in
Weira,
Thüringen, spielen verrückt. (...). Seit Januar 1999 ist er außerdem
(...) Bürgermeister, ehrenamtlich.
In der hügeligen Siedlung, eine gute Autostunde östlich von Erfurt
entfernt, leben knapp 400 Menschen. (...).
Jacob war lange Mitglied der CDU. Seit August 2017 ist er bei der AfD.
Seine Wähler hat das nicht verschreckt, sie wählten ihn trotzdem".
Bei der
Gemeinderatswahl in Weira erlangten die Freien Wähler alle 6
Sitze. Im
Kreistag des Saale-Orla-Kreise wurde die AfD mit 9 von 46 Sitzen
nur zweitstärkste Partei (20,6 %) hinter der CDU (31,9 %; 15 Sitze).
In Weira bekam die AfD mit 26,9 % überdurchschnittlich viele Stimmen,
blieb aber auch hier hinter der CDU zurück (36,1 %).
zum anderen:
"Harald Frank aus Thüringen.
Der 62-jährige Verleger wartet im Eingangsbereich seiner Druckerei.
(...). Frank (war) früher bei den Liberalen, dann ärgerte er sich über
deren Europapolitik und trat aus. 2014 landete er bei der AfD, führt
nun deren Stadtratsfraktion,
mit zwölf Sitzen ist es die größte.
In seiner Druckerei verlegt Frank seit 1993 auch die kostenlose
Wochenzeitung »Neues Gera«. (...).
Alte politische Bekannte verteidigen ihn »Harald Frank ist eigentlich
ein rechter FDPler«, sagt etwa der Ratsherr der Linken, Daniel
Reinhardt. Man kennt sich seit ein paar Jahren aus dem Stadtrat (...).
Doch ein anderer Stadtrat, der anonym bleiben will, wirft Frank vor,
mit Rechtsradikalen zu paktieren."
Daniel REINHARDT landete bei der
Linkspartei bei der Stadtratswahl in Gera nach der Stimmenanzahl nur
auf Platz 4 (1.580), weit abgeschlagen hinter seinem Parteikollege
Andreas SCHUBERT (8.349 Stimmen).
ÖFINGER, Hans-Gerd (2019): Mit Gysi und Ramelow durch das Höllental.
Thüringer
Landtagswahlen: Linke-Politiker werben mit Tour per Pedes ab
Montag für Wiederinbetriebnahme einer Bahntrasse,
in:
Neues Deutschland v. 19.08.
"Die rund 5,5 Kilometer lange
Trasse von
Blankenstein über die Landesgrenze durch das Tal bis zum
oberfränkischen
Marxgrün an der Bahnstrecke Bad Steben - Hof hat eine lange
Gesichte. Im Zuge der deutschen Teilung nach 1945 fiel sie in einen
jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. (...).
Das Potenzial der Schließung dieser Lücke im Verkehrsnetz, die in
wenigen Jahren realisierbar wäre, wird inzwischen auch im fernen
Berlin erkannt. So nahmen der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
und die Allianz pro Schiene die Höllentalbahn in eine Auflistung von
Bundesweit rund 3.000 Kilometer stillgelegten Bahnstrecken auf, die
ohne allzu großen Aufwand reaktiviert werden könnten. (...).
Im thüringischen Blankenstein gehört die örtliche Zellstoff- und
Papierfabrik Rosenthal zu den Hauptbefürwortern des Projekts. (...).
Der Rohstoff wird derzeit zum Leidwesen vieler Anwohner per Lkw aus
dem nahen tschechischen Grenzort Asch herangekarrt. Durch die
Reaktivierung der Bahnstrecke könnte der Transport vollständig auf dem
Schienenweg erfolgen. (...).
Zu den Vorkämpfern einer Reaktivierung gehört auch der in Blankenstein
wohnende Thüringer Linke-Landtagsabgeordnete Ralf Kalich. (...). Eine
durchgehende Eisenbahnstrecke vom thüringischen Saalfeld über
Blankenstein in die oberfränkische Metropole Hof sei nicht nur für die
Zellstofffabrik und die Bewohner der Region vorteilhaft, sagt Kalich.
Er verweist auf das vom Landkreis Hof vorangetriebene Projekt einer
770 Meter langen Fußgängerbrücke über das Höllental auf Höhe der
wenige Kilometer südlich von Blankenstein gelegen Gemeinde
Lichtenberg. Diese »Frankenwaldbrücke« wird als »längste
Hängeseilbrücke der Welt« angekündigt. Sie soll Scharen von Touristen
in die Region locken und helfen, den Bevölkerungsschwund im
Frankenwald stoppen, hofft Landrat Oliver Bär (CSU), Ehemann der
Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär. (...).
»Die Höllentalbahn ist nicht Bestandteil des Projekts
Frankenwaldbrücke«, sagte eine Sprecherin des Landkreises auf
nd-Anfrage",
berichtet Hans-Gerd ÖFINGER. Als
Höllentalbahn gilt Wikipedia nur eine Bahnstrecke im Schwarzwald. Die
stillgelegte Bahnstrecke zwischen Bayern und Thüringen wird dagegen
unter
Bahnstrecke Triptis - Marxgrün beschrieben.
Bodo RAMELOW möchte sich im
Wahlkampf gerne als Bahnliebhaber inszenieren. Die Realität in
Thüringen sieht dagegen anders aus.
Thüringen versteht sich als Straßenausbau- und Autoland, aber
nicht als Bahnland! Auch wenn die Parteizeitung das Gegenteil
inszeniert. Nur die ICE-Neubaustrecke
Berlin - Erfurt - München wird bei der
Selbstdarstellung als wichtig erwähnt. Derzeit gibt es bei der
Bahn lediglich eine einzige
Ausbaustrecke in Thüringen und zwar von Nordhausen nach Erfurt.
Auch im
Bundeswegeplan 2030 sieht es mit dem Bahnausbau in Thüringen
schlecht aus (vgl. Schienenprojekte im Anhang, ab Seite 155).
OTTO, Stefan (2019): Dem Gegenwind trotzen.
Thüringer
Landtagswahlen: Nach den jüngsten Wahlschlappen der SPD leidet die
Parteibasis sehr unterschiedlich,
in:
Neues Deutschland v. 28.08.
"In ihrer Not besinnen sich die
Sozialdemokraten im thüringischen Heiligenstadt auf den britischen
Baptistenprediger Charles Haddon Spurgeon. (...): Die Genossen im
Landkreis Eichsfeld müssen sich nach dem verheerenden Abschneiden bei
der Kommunal- und Europawahl im Mai erst wieder sammeln. Nur noch 5,2
Prozent der Stimmen entfielen auf die SPD. In dem katholisch geprägten
Landstrich and er Grenze zu Hessen und Niedersachsen ist die SPD alles
andere als eine Volkspartei.
»Das ist hier schon ewig eine CDU-Hochburg«, sagt der Vorsitzende des
Ortsverbands, Franz-Josef Strathausen. (...).
Als die DDR abgewickelt wurde, ging er selbst in die Kommunalpolitik.
»Anfangs noch als Parteiloser für die SPD, dann bin ich aber
eingetreten (...).« Im Stadtrat ist er mittlerweile der einzige
SPD-Abgeordnete",
beschreibt Stefan OTTO die
desaströse Situation der SPD in der
Kleinstadt Heiligenstadt in Thüringen.
TLS (2019):
Geburten und Sterbefälle 2018: Höchstes Geburtendefizit in Thüringen
seit 1996.
Nur die Stadt Jena 2018 mit positivem Geburtensaldo,
in:
Thüringer Statistisches Landesamt v. 30.08.
"Im Jahr 2018 wurden in Thüringen
17.437 Geburten und 29.824 Sterbefälle registriert. Das sind 695
Geburten weniger (-3,8 Prozent) und 463 Sterbefälle mehr (1,6 Prozent)
im Vergleich zum Jahr 2017. Die leicht gesunkene Zahl an Geburten bei
gleichzeitigem Ansteigen der Sterbefälle führte im Jahr 2018 zu einer
Erhöhung des sogenannten Geburtendefizits in Thüringen. Wie das
Thüringer Landesamt für Statistik mitteilt, lag dieses mit 12.387
Personen um 1.158 Personen höher als noch 2017 und damit so hoch wie
seit dem Jahr 1996 nicht mehr.
Unter den Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten wurden in der
Stadt Erfurt mit 2.182 Geburten die meisten gezählt, gefolgt von der
Stadt Jena (1.120 Kinder) und dem Landkreis Gotha (1.092 Kinder). Die
Stadt Suhl (202 Kinder) und der Landkreis Sonneberg (373 Kinder) sowie
die Stadt Eisenach (389 Kinder) wiesen absolut betrachtet die
wenigsten Geburten im Jahr 2018 auf. Die meisten Sterbefälle wurden,
wie auch im Vorjahr, mit 2.535 gestorbenen Personen in Erfurt erfasst,
gefolgt vom Landkreis Gotha mit 1.919 Gestorbenen und dem Landkreis
Schmalkalden- Meiningen mit 1.845 Gestorbenen. Die wenigsten
Sterbefälle wurden in der Stadt Suhl (576 Personen), in der Stadt
Eisenach (664 Personen) und in der Stadt Weimar (811 Personen)
registriert.
Jena konnte 2018 als einzige kreisfreie Stadt einen Geburtenüberschuss
aufweisen. In der Stadt an der Saale wurden 51 Kinder mehr geboren als
Personen gestorben sind. In allen anderen kreisfreien Städten und
Landkreisen starben hingegen mehr Personen, als gleichzeitig Kinder
geboren wurden. Den geringsten negativen Saldo wiesen darüber hinaus
die Stadt Weimar (-209 Personen), das Eichsfeld (-255 Personen) sowie
die Stadt Eisenach (-275 Personen) auf. Das höchste Geburtendefizit
gab es mit -942 Personen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen, gefolgt
vom Landkreis Greiz mit -930 Personen und dem Landkreis
Saalfeld-Rudolstadt (-924 Personen)", meldet das Thüringer
Statistische Landesamt.
SALOMO, Katja (2019): Abwanderung, Alterung, Frauenschwund.
Thüringer
Landtagswahlen: Die verkannte Gefahr für eine offene Gesellschaft,
in:
WZB-Mitteilungen, September
MAIER, Anja (2019): Der Herr der Wolle.
Thüringer
Landtagswahlen: Nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün will die CDU in
Thüringen endlich wieder regieren. Ihr Spitzenkandidat Mike Mohring
hat Chancen, Ministerpräsident zu werden. Dafür würde er auch ein
Viererbündnis schmieden,
in:
TAZ v. 13.09.
Anja MAIER porträtiert den CDU-Spitzenkandidaten Mike MOHRING als
unsicheren Kantonist, der notfalls auch mit Björn HÖCKE paktieren
würde, um an die Macht zu kommen. Dazu hat MAIER einen Spiegel-Artikel
aus dem Jahr 2014 herausgekramt ("Der
Trickser"):
"Entgegen einem Vorstandsbeschluss
(...) nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, soll Mike Mohring mit dem
frisch in den Erfurter Landtag eingezogenen Björn Höcke Bespräche
darüber geführt haben, wie Bodo Ramelows Rot-Rot-Grün-Projekt doch
noch zu verhindern wäre."
Uns werden die machtpolitischen
Spielchen von MOHRING dargelegt und MOHRING in eine Reihe mit Jens
SPAHN und Roland KOCH gestellt:
"Männer, die sich nicht zu früh zu
klar bekennen wollen, um sich Machtoptionen offenhalten zu können."
Nebenbei wird auch das Städtchen
Apolda, die Heimatstadt von MOHRING, die jedoch nicht zum Wahlkreis 30
Weimarer Land I/Saalfeld-Rudolstadt III gehört, in der MOHRING
antritt, porträtiert:
"Das Städtchen Apolda im Ilmtal,
zwanzig Kilometer östlich vom zauberhaften Weimar gelegen, hat 250
Jahre lang von der Textilherstellung gelebt, auch die Familie Mohring.
Strümpfe, Uniformen, Fallschirme, Pullover - wie so vieles in
Ostdeutschland endete auch diese Tradition nach 1990. Überlebt haben
einige wenige Strickereien, von einst 3.000 Menschen finden heute nur
noch ein paar hundert Apoldaer ihr Auskommen in diesem Gewerbe. (...).
Mike (...) sollte als junger Mann Pullovermodel werden. 2012 - er war
längst Landespolitiker der CDU und Vorsitzender der Kreistagsfraktion
- ließ er sich für einen Katalog fotografieren, um den regionalen
Arbeitgeber zu unterstützen. Strickchic, zu DDR-Zeiten VEB Thüringer
Obertrikotagen Apolda, hatte sich zwischenzeitlich den irgendwie
weltläufiger klingenden Firmennamen »Louis Leonhardt« zugelegt, dazu
den Slogan »Alles echt«. (...).
Zu Mauerfallzeiten hat er - damals noch für das Neue Forum - die erste
Montagsdemo in Apolda organisiert. Es war eine hitzige Zeit des
Aufbruchs. Wenige Jahre später ist die Wolle in Apolda tot, »wir
hatten hier dreißig Prozent Arbeitslosigkeit«. Heute gebe es nur noch
3 Prozent Arbeitslose und wieder Zuzug in die Region."
Und nicht zuletzt geht es um die
"Simbabwe-Koalition", die nur durch einen Einzug der FDP möglich ist.
Für MAIER hat MOHRING nur diese einzige Chance, denn sonst sei er weg
vom Fenster. Was aber wenn
Linkspartei und CDU koalieren? Diese Möglichkeit kommt bei
MAIER gar nicht erst in den Blick.
BEITZER, Hannah (2019): Das München des Ostens.
Thüringer
Landtagswahlen: Jena gelang nach der Wende vieles, was in anderen
ostdeutschen Städten schief lief - dank guter Techniker und findiger
Gründer,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 13.09.
"In Jena gelang nach 1989 vieles,
was anderswo schief lief. 2006 schrieb der britische Economist unter
dem Titel
»reincarnation valley«: »Jena bietet einen spannenden Blick
darauf, wie es mit Deutschland weitergehen könnte«. Die Stadt zeige,
dass Ostdeutschland »not all bad« sei. 13 Jahre später floriert die
Wirtschaft, Jena hat die höchste Akademikerdichte Deutschlands und
Immobilienpreise, die ihr den Spitznamen »München des Ostens«
einbrachte (...).
(D)ie bedien Institutionen (...), die die Stadt prägen und ihren
Erfolg ausmachen (:)(...) Da ist zum einen die
Friedrich-Schiller-Universität, deren Fakultäten und Insitute sich
weit über den Campus erstrecken, zum anderen gibt es den Beutenberg
Campus über den Dächern der Stadt, wo Institute, Hightech-Firmen und
Start-ups forschen und entwickeln. Der Economist verglich Jena
gar mit dem kalifornischen Berkeley (...).
Heute arbeiten für die Jenaoptik AG etwa 4.000 Beschäftigte in mehr
als 80 Ländern. Und Jena ist ein Zentrum der optischen Industrie.
Lange war die Arbeitslosenquote in der Stadt zweistellig, sogar noch
2006, als Jena für den Economist bereits ein »reincarnation
valley« war",
erzählt uns Hannah BEITZER. Im
Original heißt es:
"Like any city, it has its problems,
not least an unemployment rate of 12%. But it also offers a glimpse of
Germany's future — and shows that Germany's east is not all bad.
(...). Jena's city centre has been completely modernised, thanks to
tons of money from western Germany. The former Zeiss factory has made
way for the university and a big, smart shopping centre. What makes
Jena different from many other eastern cities is that there is plenty
of life on the streets. In some ways, the city seems a double of
Berkeley, California, complete with well-wooded hills dotted with
professors' villas."
Bei BEITZER wird aus der ehemaligen
Geißel Arbeitslosigkeit nun ein Fachkräftemangel, denn:
"Das Institut der Deutschen
Wirtschaft in Köln stufte in einer Studie Nord-, Ost- und Südthüringen
wegen der hohen Abwanderung und des hohen Alters der Bevölkerung als
»Problemregionen« ein."
Doch das neoliberale Erfolgsmodell
Jena ist abhängig vom Exportmodell Deutschland. Scheitert dieses,
scheitert auch Jena:
"Vor einigen Wochen musste
Bürgermeister Nitzsche eine Haushaltssperre für das restliche Jahr
verkünden, die erste seit 2004. Schuld ist die Rezession, sie ließ die
Gewerbesteuer einbrechen."
Was hier verharmlosend als
"Rezession" beschrieben wird, ist in Wahrheit die Folge des
neoliberalen Exportmodells Deutschlands.
JAEGER, Mona (2019): Einer muss es ja machen.
Thüringer
Landtagswahlen: Wenig Geld, wenig zu sagen, dafür Beschimpfungen und
Bedrohungen - warum wird jemand heute noch ehrenamtlicher
Bürgermeister auf dem Land? In Marth in Thüringen gibt es eine
Antwort,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.09.
"Peter Dreilling, der Bürgermeister
(...) will (...) Schluss machen mit der Politik, die er nicht Politik
nennen mag. (...).
Doch das ist nicht so leicht. Denn bei der Bürgermeisterwahl im April
vergangenen Jahres verzichtete Drilling auf eine Kandidatur, alle
anderen Marther Bürger aber auch. Auf dem Wahlzettel stand kein Name.
Gemäß dem Gesetz können die Bürger dann den Namen ihres Favoriten
aufschreiben. (...). Dreilling, der nicht mehr Bürgermeister sein
wollte, musste (...) in die Stichwahl. Die gewann er knapp (...). Erst
in fünf Jahren wird wieder gewählt. (...).
Nicht nur in
Marth
fehlen die Kandidaten für politische Ämter. (...).
In ländlich geprägten Bundesländern wie Rheinland-Pfalz und Thüringen
sind die Gemeinden oft klein und die Bürgermeister ehrenamtlich tätig.
Dreilling bekommt 450 Euro (...).
Dreilling und andere Kommunalpolitiker ärgert außerdem, dass sie kaum
mehr etwas gestalten können",
erklärt uns Mona JAEGER die Gründe
für die zunehmende Zahl an Gemeinden, in denen sich keine
Bürgermeisterkandidaten mehr finden lassen. Der Bürgermeister von
Marth ist zwar parteilos, hat jedoch wie die CDU gegen die
Kreisgebietsreform in Thüringen gekämpft:
"Die Bürger hier sind froh,
weiterhin eigene, vor Ort gewachsene politische Strukturen zu haben.
Nur über den Protest hinaus will sich kaum jemand engagieren."
DIENER, Andrea (2019): Dreiklang mit Flammenorgel.
Thüringer
Landtagswahlen: Abwanderung, leere Kirchen, Fichtenkrise: Das
ländliche Thüringen hat ähnliche Probleme wie andere deutsche
Bundesländer, doch sucht es nach originelleren Lösungen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.09.
Andrea DIENER berichtet über eine internationale Bauausstellung (IBA)
in Apolda, bei der die zerfaserte Siedlungsstruktur in Thüringen als
Problem im Mittelpunkt steht:
"Alle zwei Kilometer ein Dorf, alle
zwanzig Kilometer eine Stadt: Diese thüringische Selbstbeschreibung
trifft die Sache erstaunlich gut. Neunzig Prozent des Bundeslandes
sind ländlicher Raum, die Landeshauptstadt Erfurt geht mit 214.000
Einwohnern nicht eben als Metropole durch, es folgen Jena, Gera,
Eisenach, Weimar. Keine der Städte hat einen nennenswerten
Speckgürtel, hinter der Stadtgrenze hat man gute Chancen, auf Acker zu
treffen (der bedeckt fünfzig Prozent des Landes) oder auf Wald (33
Prozent). Das hat historische Gründe; das Land ist seit jeher
zersiedelt und war lange in ein kompliziertes Geflecht von
Kleinstfürstentümern zersplittert, jedes zweite Städtchen hat ein
Schloss und ein eigenes Theater oder ein Orchester dazu. (...).
Die Probleme sind aber die üblichen: Viel Leerstand, Dorfkneipen
schließen, der Tourismus ist eingebrochen und berappelt sich nur
langsam. Wer jung ist, zieht weg."
DIENER verbindet das mit einer
Geschichte der internationalen Bauausstellungen seit 1901. Die IBA
steht insbesondere für die neoliberale Leuchtturmpolitik, bei der
Projekte gefördert werden, die zum Modell stilisiert werden. Als
Modell taugen solche Projekte jedoch nur wegen der Förderung. Ohne
Förderung funktionieren diese Leuchttürme dann in anderen Gemeinden
jedoch nicht, sondern das Scheitern ist - aufgrund der
Austeritätspolitik - vorprogrammiert. Oder wie es DIENER beschreibt:
"Sicherlich wird eine zeitlich
begrenzte, vom Land finanziell nicht eben üppig ausgestattete
Bauausstellung nicht sofort den gesamten Freistaat retten. Aber
manchmal ist es schon nicht schlecht, wenigstens punktuell
Aufbruchsstimmung zu verbreiten. Womöglich ist das ansteckend."
Statt Ansteckung ist die Regel:
Entmutigung oder überhöhte Erwartungen, die dann enttäuscht werden!
Als Beispiele für gelungene
Projekte nennt DIENER zum einen Dornburg und zum anderen Rottenbach:
"Dornburg, (ist eine kleine) Stadt
über dem Saaletal, die mit drei Schlössern aus Spätmittelalter,
Renaissance und Rokoko mehr geschlagen als gesegnet ist. (...).
Derzeit arbeitet die Universität Jena, die eines der Schlösser als
Tagungszentrum nutzt, an der Entwicklung und spielt mehrere Szenarien
durch (...).
Oder, anderes Beispiel. Was fängt eine Gemeinde, der gerade der letzte
Lebensmittelladen wegstarb, mit einem leerstehenden Bahnhof an? In
Rottenbach befindet sich darin seit Anfang des Jahres ein
genossenschaftlich betriebender Hofladen, der den Bedarf der Anwohner
und Umsteiger deckt. Ein mustergültiges Projekt, in dem Leerstand,
Nachfrage und Selbstverwaltung zusammenkommen."
Ob es für diese Projekte einer IBA
bedarf, darf durchaus in Frage gestellt werden. Was die IBA leistet,
das ist einzig: Selbstdarstellung von Kreativen und Generierung von
Aufmerksamkeit durch die Medien. Projekte, wie jene die DIENER
vorstellt, gibt es bereits woanders und sind nichts Neues. Hier werden
sie höchstens einmal einer Öffentlichkeit vorgestellt, die diese
ansonsten ignoriert hat.
"In Neustadt am Rennsteig wird die
Michaeliskirche als Herbergskirche für Wanderer genutzt, andere
Gemeinden in der Region horch bereits auf und planen eigene
Herbergskirchen. Die kleine Annen-Kapelle in Krobitz wurde mit wenig
Aufwand saniert und dient nun als Kunst- und Musikort. Herzstück ist
die Flammenorgel (...). Solche Beispiele für Hochkultur im dörflichen
Raum sind in Thüringen nicht selten",
erzählt uns DIENER. Die Arbeit der
IBA beschreibt sie folgendermaßen:
"Die IBA vermittelt leerstehende
Häuser unter dem Label »Leer-Gut«, bringt Bauwillige und
Architekturstudenten zusammen und veranstaltet Workshops."
Aber in erster Linie ist die IBA
für die Vergabe von Fördermitteln für Projekte zuständig. Ein solches
wird uns dann mit dem südthüringischen Schwarzatal und Schwarzenburg
vorgestellt. Auch hier geht es lediglich um Aufmerksamkeitsgenerierung
und Stadtmarketing rund um
Jubiläumsjahre. Ein Projekt der IBA reanimierte den Begriff
"Sommerfrische", was uns als eine Art siebtes Weltwunder verkauft
wird:
"Aus langen Gesprächen
kristallisierte sich ein Begriff heraus, die »Sommerfrische«, das
Gegenteil des stickigen Stadtsommers. Sie schlug sich im Tal in einem
Architekturstil nieder, den Sommerfrischehäusern, meist kleinen
Pensionen oder Gasthöfe und Loggien und luftigen Fensterfronten, die
einen Rundumblick in die wildromantische Landschaft bieten. (...). Das
barocke Schloss Schwarzburg, das dem Hauptort des Tals seinen Namen
gab, wurde (...) ziemlich entstellt, zierliche Fenster wurden
herausgebrochen und durch Panoramascheiben ersetzt. Momentan wird das
Schloss umgebaut und soll ein »Denkort der Demokratie« werden, als
Begegnungsstätte und für politische Fortbildung. (...). Eine schon
heute ziemlich erfolgreiche Idee ist der jährliche
»Tag der
Sommerfrische« (...). Die halbe Gegend ist an diesem Sonntag Ende
August in heller Aufruhr, mittlerweile bundesweit. Mit dem Etikett der
Sommerfrische können sich alle Einwohner identifizieren und sich unter
einer Identität versammeln, die mehr Selbstbewusstsein bedeutet, als
bloß abgehängte Provinz im Nirgendwo zwischen Ilmenau und Coburg zu
sein."
Der Sommerfrische wird also ein
Eventcharakter verpasst. Das eignet sich für Urlaubsregionenmarketing
wie es inzwischen deutschlandweit Standard ist. Was daran das
Besondere sein soll, das kann der Artikel nicht vermitteln. Ob es dazu
führt, dass das Schwarzatal dem Niedergang entgeht, wird die Zukunft
zeigen müssen. "Denkorte der Demokratie" bedeutet im Grunde, dass es
inzwischen um die Musealisierung des zu Ende gehenden Zeitalters der
Demokratie geht. Ob das die Lösung angesichts des Aufstiegs der AfD
ist?
MAHLZAHN, Claus Christian (2019): Weiterregieren ohne rot-rot-grüne
Mehrheit.
Thüringer
Landtagswahlen: Eine Umfrage zur Thüringen-Wahl schreckt die
Regierungsparteien auf: Ramelows Linke steht gut da - für eine
Fortführung der bisherigen Koalition reicht es aber nicht. Doch eine
Besonderheit der Landesverfassung macht dem Ministerpräsidenten
Hoffnung,
in:
Welt v. 19.09.
"Die jüngste Umfrage (...) zeigt
eine fortlaufende Entwicklung, die auch schon in Sachsen und
Brandenburg erkennbar war: Die politischen Duelle im Osten spielen
sich jeweils zwischen den Regierungsparteien und der AfD ab. (...).
Auch Ramelows Linke zehrt aktuell von diesem Landesvater-Effekt. 65
Prozent der Thüringer sind laut MDR-Umfrage mit Ramelows Arbeit
zufrieden oder sehr zufrieden. Auch der Sozialdemokrat
Wolfgang Tiefensee ist mit 51
Prozent ausgesprochen populär. Davon profitiert Tiefensees Partei aber
überhaupt nicht. Mohring folgt mit 40 Prozent auf Platz drei, die
grüne Umweltministerin Anja Siegesmund auf Platz vier.
AfD-Spitzenkandidat Höcke kommt nur auf 17 Prozent bei der
Zufriedenheitsquote - und liegt damit deutlich unter dem Umfragewert
seiner Partei",
berichtet Claus Christian MAHLZAHN
über die Beliebtheit der Spitzenkandidaten der etablierten Parteien in
Thüringen (Listenplatz 1).
RAPP, Tobias (2019): Frei atmen.
Thüringer
Landtagswahlen: Jena wächst, ist jung und wählt grün. Das liegt auch an der
elektronischen Musik und ihrer Subkultur. Techno hat die Stadt in die
kulturelle Gegenwart geholt,
in:
Spiegel v. 25.09.
Für Tobias RAPP, Autor des vor 10 Jahren erschienenen Buchs
Lost and
Sound, ist Techno der Sound von Europa. Als kosmopolitischer
Euphoriker stellt uns RAPP Jena als kosmopolitische Oase innerhalb der
braunen Einöde vor:
"Jena, jene überschaubare Stadt in
Thüringen, folgt nicht dem düsteren Trend der Provinz. Knapp 100.000
Menschen lebten hier zur Jahrtausendwende, jetzt sind des mehr als
111.000. Die Zahl der Geburten überstieg 2018 die der Todesfälle.
Es gibt nur wenige Städte in Ostdeutschland, in denen das so ist. Und
es hat sicher mit der Universität zu tun, die einen guten Ruf hat. Mit
Jenaoptik, (...) der (...) es auf den Weltmarkt geschafft hat.
Aber es liegt auch an (...) Techno",
meint RAPP. Für den Jena - aufgrund
der
Europawahl - eine grüne Oase ist:
"Fast der ganze Osten war schwarz
für die CDU oder blau für die AfD. Es gab aber auch fünf grüne
Flecken. Rostock, Berlin, Potsdam, Leipzig - und Jena. 20,4 Prozent
für die Grünen waren es in Jena, sie waren die stärkste Partei. Die
AfD lag bei 12,7 Prozent."
Für die
SZ vom 13.09.2019 war Jena
dagegen eine FDP-Bastion:
"Während vor den Landtagswahlen in
Thüringen CDU und Linke um den ersten Platz kämpfen, gefolgt von einer
starken AfD, lagen in Jena in den
Stadtratswahlen im Frühjahr Linke und Grüne auf den vorderen
Plätzen. Es folgte die FDP mit 12,8 Prozent, dann erst SPD und CDU mit
12,6 Prozent. Die AfD zog mit zehn Prozent in den Stadtrat ein.
Oberbürgermeister (Thomas) Nitzsche gehört der FDP an. Das ist in
deutschen Großstädten eine Seltenheit, in Jena hat es schon fast
Tradition: Auch der erste Nachwendebürgermeister Peter Röhlinger, der
Jena 16 Jahre regierte, kam von der FDP."
Bei der Stadtratswahl
wurden nicht die Grünen, sondern die Linkspartei stärkste
Partei. Die
Karte der Stimmbezirke mit den jeweiligen Parteisiegern im
Stadtgebiet von Jena zeigt zugleich die Gentrifizierung und
Segregation der polarisierten Stadt an.
Im Mittelpunkt von RAPPs Erzählung
steht der Klub Kassablanca und einer der Gründer: Alf HEINECKE.
Techno wird uns als "Soundtrack der Nachwendezeit" im Osten und der
kulturellen Selbstbehauptung vorgestellt:
"(W)enig ist für die ostdeutschen
Städte so schwierig wie die Behauptung einer kulturellen Gegenwart.
Die meisten leben in den denkmalgeschützten und hochsanierten Kulissen
ihrer großen Vergangenheit. (...). Der deutsche Idealismus erlebte an
der Jenaer Universität seine Blütezeit (...). Ein paar Schritte neben
dem Schillerhaus befindet sich der Technoplattenladen der Stadt - und
wichtiger als der tote Dichter sind die lebendigen Nachbarn: die
Grünen etwa, die ihre Geschäftsstelle im selben Gebäude haben."
RAPP sieht in der kosmopolitischen
Gentrifizierung von Jena die Chance den demografischen Niedergang
aufgrund des ausgebluteten Umlands abzuwenden:
"Jena könnte eine ganz normale
Studentenstadt werden, die ehrgeizige Leute aus aller Welt anzieht -
und für die Sonderlinge aus dem Umland keinen wirklichen Platz mehr
hat. All das kann passieren.
Es wären allerdings Probleme, die andere ostdeutsche Städte sich
wünschen."
OLBRISCH, Miriam (2019):
Kommt doch mal rüber!
Thüringer
Landtagswahlen: Während im Westen die Hörsäle vielerorts übervoll sind,
schalten Ostuniversitäten Werbekampagnen, um mehr Bewerber anzulocken
- trotz guter Studienbedingungen,
in:
Spiegel v. 25.09.
"Nur ein gutes Drittel der
Studienanfänger verlässt überhaupt das eigene Bundesland, hat das
Studentenwerk ermittelt.
Und von denen, die weggehen, kennen die meisten nur eine Richtung:
westwärts. Mehr als ein Drittel aller ostdeutschen Studenten ist an
einer Hochschule in den alten Bundesländern eingeschrieben. Umgekehrt
entscheiden sich nur fünf Prozent der Wessis für eine Hochschule m
Osten",
berichtet Miriam OLBRISCH, in deren
Geschichte zwei westdeutsche Studentinnen, die in Jena studieren, und
eine ostdeutsche Studentin, die in Stuttgart studiert, die Hauptrolle
spielen.
"Die Ost-West-Wanderung hat dazu
beigetragen, das deutsche Hochschulsystem in eine Schieflage zu
befördern. In diesem Jahr studieren 2,86 Millionen Menschen, so viele
wie nie zuvor. Gleichzeitig plagt zahlreiche Universitäten und
Fachhochschulen im Osten eine Sorge, die (...) grotesk wirkt: Im
Vergleich zu 2012 ist nach einer Studie des Sachverständigenrates
deutscher Stiftungen für Integration und Migration rund ein Sechstel
der 263 Hochschulstandorte geschrumpft, ein Großteil davon liegt in
Ostdeutschland",
erzählt uns OLBRISCH. In der Studie
Dem demografischen Wandel entgegen von Simon MORRIS-LANGE
werden 41 schrumpfende Hochschulstandorte (2012 - 2017) aufgelistet
(vgl. Tabelle 3, S.49). Davon befinden sich allein in Thüringen 7
schrumpfende Hochschulstandorte. Sachsen kommt auf 8 und
Sachsen-Anhalt auf 6, Mecklenburg-Vorpommern auf 4 und Brandenburg auf
3. In Ostdeutschland befinden sich 28 und in Westdeutschland 13
schrumpfende Hochschulstandorte. Die Namen der betroffenen
Hochschulstandorte werden jedoch nicht genannt.
Von den beiden porträtierten
Studentinnen in Jena verlässt eine die Stadt nach Abschluss des
Studiums wegen Jobmangels, während die andere eine Familie gründete
und blieb.
LAUDENBACH, Peter/AID, Sandra/GOETZ, John (2019): Unsere kleine Stadt.
Thüringer
Landtagswahlen: Im thüringischen Rudolstadt haben fast 30 Prozent
AfD gewählt. Wie überlebt unter diesen Bedingungen das Stadttheater?
Erstaunlich gut,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.09.
"Rudolstadt, 25.000 Einwohner,
wirkt idyllisch mit der historischen Altstadt zwischen grünen Hügeln.
Der Eindruck könnte trügen. Bei der Europawahl war die AfD in
Rudolstadt mit mehr als 27 Prozent der Stimmen die mit Abstand
stärkste Partei. (...).
Steffen Mensching (...) wurde (...) als linker Kabarettist bekannt.
Jetzt ist er seit elf Jahren als Intendant und Geschäftsführer für das
Theater Rudolstadt verantwortlich.
Angesichts der Wahlergebnisse der AfD in der Stadt (...) kommt er ins
Grübeln: »Ist das reiner Protest, ist es Enttäuschung, ist es harter
Rechtsradikalismus? Ist es Aversion gegen das demokratische System?
Ist es die Erosion unserer Gesellschaft, die dahintersteht?«
Wahrscheinlich alles zusammen. (...).
Wer verstehen will, wie engagierte Theaterleute in Städten und
Kleinstädten mit einer starken extremen REchten arbeiten, wie sie es
schaffen, weder opportunistisch noch ängstlich oder verbittert zu
werden, ist bei Mensching an der richtigen Adresse",
führen LAUDENBACH/AID/GOETZ in die
Problematik ein. Progressives Theater in Zeiten der AfD wird uns als
"Kampf um die Indifferenten, die
aus anderen Gründen diese Partei wählen. Vielleicht aus Unkenntnis,
vielleicht aus falscher Hoffnung"
gepriesen. Das Publikum des
Theaters wird uns folgendermaßen geschildert:
"Die Besucher: viele ältere Damen
in Kostüm und Herren in Anzügen, ein wenig nach DDR aussehen.
Entspanntes Kleinstadtbürgertum."
Ob damit die Zielgruppe
angesprochen wird, bleibt letztlich offen. Doch das wirkliche Problem
ist etwas ganz anderes: Die AfD lässt den naiven kosmopolitischen
Kreativen ihre Spielwiese bis sie fest im Sattel der Macht sitzt!
RESING, Volker & Moritz GATHMANN (2019): Zwischen Merkel und Maassen.
Thüringer
Landtagswahlen: Tolerant bis an den Rand - mit dieser Strategie
will CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring die Wahlen in Thüringen
gewinnen. Können die ostdeutschen Wahlen dieses Jahres eine Antwort
auf die Frage nach der Ausrichtung der CDU geben?
in:
Cicero, Oktober
"Eine Weile lang gehörte er dem
konservativen »Berliner Kreis« an, bevor der überhaupt diesen Namen
bekam. Aber schon 2011 diestanzierte sich Mohring von ihm. Dafür
verortete er sich in dieser Zeit öffentlichkeitswirksam politisch -
als Herausgeber des Sammelbands »Was heißt heute konservativ?
Bausteine für einen modernen Konservatismus«.
Doch statt nun Richtungskämpfe auszutragen, will er die
Kümmerertugenden der CDU wiederbeleben. Dazu hat er seine Partei aus
»Die Thüringer CDU« in »Die Volkspartei« umbenannt (...). Von der
Großen Koalition hätte er gerne die Grundrente »geliefert« bekommen,
ein drängendes Thema in Thüringen. Mit oder ohne Bedarfsprüfung, das
wäre ihm, dem Pragmatiker, egal gewesen.
Im Wahlkampf setzt Mohring nun auf Themen wie Sicherheit und Bildung,
zudem hat er den Protest gegen den Bau von Windrädern als Thema
entdeckt. Schlüsselbegriff in seinen Reden ist das »Augenmaß« - so
will er die Probleme angehen. (...).
Die freundliche Distanz wahrt Mohring (...) in beide Richtungen: kein
Auftritt mit Maaßen also. Diese Strategie fährt er auch deshalb, weil
er nach der Wahl auf die erste deutsche Simbabwe-Koalition zusteuern
könnte: schwarz-rot-gelb-grün. Und doch hat (...) er kein Problem mit
Politikern aus Thüringen, die Mitglieder der Werte-Union sind und
Maaßen zum Wahlkampf eingeladen haben",
charakterisieren RESING & GATHMANN
den CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen. Bei
jenen, die mit Hans-Georg MAAßEN Wahlkampf betreiben, bleiben RESING &
GATHMANN jedoch vage. Nur einer wird herausgehoben:
"Marcus Kalkhake. (...) Kandidat
für die Landtagswahl aus Suhl (...).
Kalkhake, ein Kriminalbeamter in seinen Vierzigern (...) hatte schon
im Oktober 2015 seinen Namen unter einen Brandbrief an die Kanzlerin
gesetzt, in dem 34 kommunale CDU-Politiker ein Umschwenken in der
Flüchtlingspolitik forderten. Sein Eintritt in die 2017 gegründete
Werte-Union war nur folgerichtig. Nach über einem Jahrzehnt im
Stadtrat wagt er nun den Sprung in den Landtag.
Und sieht sich in seinem Kurs bestätigt: Gegen den Trend stellt die
CDU seit letztem Jahr in Suhl den Bürgermeister und hat in diesem Mai
bei den Wahlen in den Stadtrat fast 30 Prozent geholt. Die Linke
verlor massiv, und auch die AfD kam nur auf 12 Prozent. »Das liegt
daran, dass wir als CDU hier immer Klartext geredet haben (...)«. Das
war gerade wichtig in einer Stadt, in deren Flüchtlingsheim es schon
im August 2015 zu schweren Krawallen kam.
Kalkhake hat als einer von vier Thüringer Ortsverbände Hans-Georg
Maaßen zum Wahlkampf eingeladen."
Der
Veranstaltungskalender der Werte-Union weist lediglich Termine von
Marcus KALKHAKE (11.10.) und Stefan IFFLAND (22.10.) aus. Die vier
Auftritte entstammen einer
DPA-Meldung vom 02.09.2019. Dort wird ein Termin in Ebeleben am
27.09.2019 genannt.
Am 11.09.2019 meldet jedoch die Thüringer Allgemeine die Verschiebung
des Termins auf den 22.10.2019. Die Begründung:
"Auch im hiesigen Landtagswahlkampf
bekommt Merkel ihren Auftritt, rein dienstlich natürlich. Am Abend des
27. September wird sie im Plenarsaal des Landtags in Erfurt auf einem
Festakt der Landtagsfraktion zum Tag der Deutschen Einheit reden.
Allerdings ergab sich bei der Planung ein Problem: Hans-Georg Maaßen,
der gleichermaßen umtriebige wie umstrittene Ex-Verfassungsschutzchef,
hatte am selben Freitagabend einen Auftritt in
Ebeleben im Kyffhäuserkreis geplant, parallel zur Rede Merkels in
Erfurt. Eingeladen hat die Werteunion, die konservative Vereinigung
innerhalb der CDU, der auch der prominente Merkel-Kritiker Maaßen
angehört.
Doch der Termin ist verschoben, auf den 22. Oktober".
Hier gibt es offensichtlich einen
CDU-internen Machtkampf um die Verhinderung der Auftritte von
Hans-Georg MAAßEN.
Ebeleben gehört zum Wahlkreis 10 Kyffhäuserkreis I/Eichsfeld III.
Dort tritt der CDU-Direktkandidat Stefan SCHARD an. Am 22. Oktober
soll dagegen jedoch eine Veranstaltung mit Stefan IFFLAND,
CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 4 Nordhausen II stattfinden (Stand:
03.10.2019).
"Eigentlich hat Mohring die
perfekte Biografie für einen ostdeutschen Politiker. 1971 wurde er in
der Kleinstadt Apolda, auf halbem Weg zwischen Erfurt und Leipzig, als
Sohn eines Maurers und einer Verkäuferin geboren. Im Herbst 1989
führten er und seine Freunde die Montagsdemos in der Stadt an (...).
Mike Mohring war damals 17, ein halbes Jahr später wollte er Abitur
machen. Seinen Studienwunsch Medizin hatte man ihm versagt, noch
lieber hätte er Jura studiert, aber das war ihm zu systemnah (...).
Über das Neue Form kam er 1993 zur CDU. (...).
Am 27. Oktober könnte Mohring zur tragischen Figur werden: Wenn die
FDP (...) an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, wird es der CDU wohl an
Koalitionspartnern fehlen - und die Wahrscheinlichkeit, dass
Rot-Rot-Grün unter dem Linken Bodo Ramelow weiterregiert, ist groß",
erzählen uns RESING & GATHMANN. Was
sie nicht erzählen, dass MOHRING einen "Hochschulabschluss im
internationalen Wirtschafts- und Steuerrecht" hat (vgl.
Freitag v. 25.07.2019).
STEPPAT, Timo (2019): Wer weg ist, bleibt meist weg.
Thüringer
Landtagswahlen: Nach dem Abitur vor 15 Jahren haben die meisten
der Abschlussklasse aus dem thüringischen Hermsdorf ihre Heimat
verlassen. Jetzt sind sie für ein Klassentreffen zurückgekehrt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.10.
"In 15 Jahren hat sich einiges im
Staatlichen Holzland-Gymnasium Hermsdorf verändert. (...). Beate
Neidhard, die bis vor kurzem das Gymnasium leitete (,...) weiß, wie
man Fördergelder beschafft, wie man eine Schule rausputzt.
Nur eines fehlt: Schüler. Es werden immer weniger. Im zweiten Stock
hängt das Foto des Abiturjahrgangs 2004. Ein Wimmelbild, mehr als 120
Schüler. (...). Daneben sind die Bilder der anderen Abiturjahrgänge.
(...). In diesem Jahr sind es 36 Abiturienten (...). So wie das
Gymnasium im Ort geschrumpft ist, von 700 Schülern Ende der Neunziger
auf heute 305, ist auch Hermsdorf kleiner geworden. Die Einwohnerzahl
sank von gut 11.000 Mitte der achtziger Jahre auf 8.700 im Jahr 2004.
Heute leben im Ort 7.900 Menschen. (...).
Den meisten ländlichen Regionen geht es so: Wer Abitur hat, will
vielleicht eine Ausbildung machen, die es eher in Städten gibt, oder
an die Uni. Und wer einmal weg ist, der kommt nur selten von selbst
zurück. (...). Das Heimatgefühl allein reicht dafür nicht aus. Es muss
Arbeitsplätze geben, Infrastruktur vor Ort, ein Kulturangebot und eine
gute Verkehrsanbindung.
Hermsdorf steht ganz gut da. Es gibt eine Autobahnanbindung, in einer
halben Stunde ist man in Jena; es gibt einen Bahnhof, von dem aus man
mit dem Zug in gut 50 Minuten in Erfurt ist. Vor wenigen Jahren hat
das Fraunhofer-Institut in Hermsdorf eine Forschungseinrichtung
gegründet, es gibt ein paar Mittelständler. Das meiste hat mit Keramik
zu tun. Bis zur Wende wurden Neonlampen, Isolatoren und Wäscheklammern
gefertigt, und es wurde zum Materialeinsatz in der Wissenschaft
geforscht. Den einen Arbeitgeber für alle gibt es nicht mehr. (...).
Dass die Rückkehr schwerfällt, hat auch etwas mit dem Erfolg zu tun.
(...).
Die Entscheidung folgt nicht immer rationalen Argumenten. Das
Berlin-Institut für Bevölkerungsentwicklung hat zwei Studien zur
demographischen Entwicklung ländlicher Regionen durchgeführt: in
Westfalen-Lippe und im Emsland. Obwohl es in Westfalen viele
erfolgreiche mittelständische Unternehmen mit guten Jobs und eine gute
Verkehrsanbindung gibt, klagen viele Gemeinden über Nachwuchsprobleme
und Überalterung. Arbeitsplätze allein reichen nicht. Im Emsland ist
das Gegenteil der Fall. (...). Die Studie legt nahe, dass das mit
einem funktionierenden Vereinsleben und starken dörflichen Strukturen
zu tun hat. Und so gehört die Region um Osnabrück neben dem Eichsfeld
in Thüringen, Passau und Straubing in Bayern zu den Regionen in
Deutschland, in die zwischen 2001 und 2014 die meisten Menschen
zurückkehrten, wie das Leipziger Institut für Länderkunde in einer
Erhebung zeigte",
berichtet Timo STEPPAT, der einige
der Abiturienten des Jahrgangs 2004 als Fallbeispiele porträtiert, die
das belegen sollen, was das neoliberale Wissenschaftsinstitut als
Gründe herausgefunden hat. Hermsdorf liegt im ostthüringischen
Saale-Holzland-Kreis, der zu den
gefährdeten Regionen des
Bundeslandes gehört. Während Ende 2014 nur noch 7.681 Menschen in
Hermsdorf lebten, sind es Ende 2018 rund 200 Menschen mehr. Eine
Bevölkerungsvorausberechnung des Thüringer Statistischen Landesamts
vom Juni 2016 ging dagegen von rund 450 weniger Menschen in
Hermsdorf aus (2015: 7.661; 2018: 7.417)
Fazit: Es verwundert kaum, dass die
Politik in Thüringen von der Realität des Landes meilenweit entfernt
ist, wenn Bevölkerungsvorausberechnungen von drastischen Schrumpfungen
ausgeht, während die Gemeinden - auch zwischen 5.000 und 10.000
Einwohnern zumindest teilweise gewachsen, statt geschrumpft sind. Wenn
dann noch Journalisten diesen Fake News aufsitzen ist das doppelt
schlimm.
HAUSER, Jan (2019): "Merkel hat die AfD stark gemacht".
Thüringer
Landtagswahlen: Im Gespräch: Klaus Brodführer, von 1990 bis 2018
Bürgermeister von Schleusingen in Thüringen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.10.
Klaus BRODFÜHRER nutzt den
Stichwortgeber Jan HAUSER zur Selbstdarstellung als Macher. Er brüstet
sich damit, dass er das
Schloss Bertholdsburg Anfang der 1990er Jahre nicht ins kommunale
Eigentum übernommen hat, denn:
"Vergleichbare Städte sind heute
noch in der Haushaltssicherung und kommen nicht aus dem Knick. Dafür
sind wir in die Städtebauförderung rein und mit 90 Prozent gefördert
worden. Andere haben den Eigenanteil von 10 Prozent nicht stemmen
können. Wir haben die Stadtsanierung geschafft und sind schuldenfrei.
(...).
Schleusingen ist eine kleine Oase mit 11.000 Einwohnern. Wir haben
viele Pendler, die im Westen arbeiten. Das ist eine Fahrt von 25
Kilometern. Wenn Sie in Görlitz wohnen, können Sie das nicht machen.
Die Grenznähe war früher ein Nachteil und ist heute ein Vorteil."
Das ist ziemlich großspurig, denn
das südthüringische
Schleusingen (2015: 5.342; 2017: 5.323 Einwohner) ist lediglich
durch die Eingemeindungen Nahetal-Waldungen (2015: 3.016; 2017: 2.974
Einwohner) und St. Kilian (2015: 2.768; 2017: 2.762 Einwohner) am 6.
Juli 2018 auf die doppelte Einwohnerzahl angewachsen. Schleusingen war
eine stagnierende Gemeinde, die auch durch die Eingemeindungen eine
stagnierende Gemeinde bleibt. Über diese Fakten wird der Leser nicht
aufgeklärt, auch nicht darüber, dass der CDU-Bürgermeister BRODFÜHRER
nach den Eingemeindungen von einem Bürgermeister abgelöst wurde, der
der Freien Wählergemeinschaft Schleusingen angehört.
Schleusingen hätte Ende 2017 in den
neuen Grenzen 11.059 Einwohner gehabt. 2018 waren es dagegen nur noch
10.960. Das entspricht einer Schrumpfung um rund 0,9 Prozent. Der
Kreis Hildburghausen schrumpfte dagegen nur um 0,6 % (vgl.
Pressemeldung des Thüringer Statistischen Landesamts vom 09.07.2019).
Was die Bevölkerungsentwicklung von Schleusingen betrifft, so hat sich
die CDU-Politik offensichtlich nicht ausgezahlt.
POLLMER, Cornelius (2019): Die CDU mit
der Linken?
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringen steht vor einem enorm komplizierten
Wahlausgang,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 04.10.
Cornelius POLLMER bringt einen Vorschlag von Joachim GAUCK ins Spiel,
der als Alternative zu einer Viererkoalition von CDU/FDP/SPD und
Grünen eine auch mit der Linkspartei präferiert. Schließlich könnte es
sein, dass die FDP nicht in den Landtag einzieht.
MALZAHN, Claus Christian (2019): "Der Kampf um die Demokratie wird in
der Provinz gewonnen".
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringen wird von einer rot-rot-grünen Koalition
regiert - und hat gleichzeitig ein großes Problem mit
Rechtsextremisten. Innenminister Georg Maier über V-Leute,
Nazi-Konzerte und 8,88 Euro-Schnitzel,
in:
Welt v. 04.10.
Claus Christian MALZAHN führt ein Interview mit dem SPD-Innenminister
Georg MAIER in Thüringen. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass dieser
im Wahlkreis 14 Gotha 1 antritt und durch einen Listenplatz 5
abgesichert ist. Wahlkreisprognose.de sieht dort Chancen, dass die AfD
den Wahlkreis gewinnt. Entsprechend ist der Hauptgegner im Interview
die AfD.
HAAK, Sebastian (2019): Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Thüringer
Landtagswahlen: Juso-Chefs Kühnert und Shevchenko über die Chancen
der SPD bei der Thüringen-Wahl,
in:
Neues Deutschland v. 04.10.
STROHSCHNEIDER, Tom (2019): Klöße und Größe.
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringen unter Bodo Ramelow ist wie eine
Antithese zu linken Denkmustern,
in:
Neues Deutschland v. 05.10.
Tom STROHSCHNEIDERs Lobeshymne auf Bodo RAMELOW zeigt, dass sich die
Linkspartei und ihre Parteizeitung längst als neue Mitte definiert und
damit der AfD die Rolle der Protestpartei kampflos überlässt. In
Thüringen, wo die Linkspartei an der Macht ist, wäre dies sowieso
unglaubwürdig. STROHSCHNEIDER inszeniert RAMELOW als den KRETSCHMANN
der Linkspartei. Das Scheitern der Gebietsreform ist für
STROHSCHNEIDER kein Problem, sondern soll durch Personalisierung
übertüncht werden. Die von der Linkspartei betriebene Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme und die dadurch verursachten
Fehlentscheidungen sollen einfach durch eine positive Erzählung
unsichtbar gemacht werden.
Wer dies kritisiert, der wird von
STROHSCHNEIDER einfach diffamiert. Linke seien eben quengelige Kinder,
die man nicht ernst nehmen muss! Was aber, wenn der Amtsbonus von Bodo
RAMELOW - entgegen aller Erwartungen - nicht ausreicht? Dann könnte
die Linkspartei wie nach Brandenburg und Sachsen aus allen Wolken
fallen.
WAHLKREISPROGNOSE.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
wahlkreisprognose.de v. 07.10.
In den westlichen Printmedien findet der Landtagswahlkampf 2019 in
Thüringen in erster Linie nur indirekt statt, d.h. durch -
wahlkampffreie Berichte über Orte in Thüringen statt. Ansonsten werden
in erster Linie Lobeshymnen über den thüringischen Ministerpräsidenten
produziert.
Über die Situation in den einzelnen Wahlkreisen herrscht dagegen
eisiges Schweigen. Während
election.de
noch keine Angaben macht, liefert wahlkreisprognose.de eine erste
Prognose. Danach könnte die AfD bis zu 17 Direktmandate gewinnen,
während die
Linkspartei mit 7 sicheren und 16 möglichen Wahlkreisen vorne
liegt. Der
CDU wird ein sicherer und zwei mögliche Wahlkreise zugeschrieben.
Für die SPD besteht nur eine minimale Aussicht auf einen einzigen
Wahlkreis, während die Grünen in keinem der 44 Wahlkreise eine Chance
eingeräumt wird.
Folgende 12 der 44 Wahlkreise werden als sicher (12 und mehr Prozent
Vorsprung) bzw. mit einem Vorsprung von 6 - 12 % für die führende
Partei eingestuft:
Tabelle: Wahlkreise, in denen die Direktkandidaten
einen Vorsprung von 6 und mehr Prozent haben |
Wahlkreis
(Vorsprung über 12 %) |
Partei |
KandidatIn |
Listenplatz |
AfD-Gegenkandidat |
Listenplatz |
Werteunionkandidat |
2 Eichsfeld II |
CDU |
TASCH, Christina |
4 |
SCHWERDT, Jürgen |
31 |
|
21
Suhl/Schmalkalden-Meiningen IV |
Linkspartei |
WELTZIEN, Philipp |
28 |
STIER, Martina |
- |
|
25 Erfurt II |
Linkspartei |
HENNIG-WELLSOW,
Susanne |
2 |
- |
|
|
26 Erfurt III |
Linkspartei |
RAMELOW, Bodo |
1 |
ERFURTH, Marek |
- |
|
27 Erfurt IV |
Linkspartei |
BLECHSCHMIDT,
André |
14 |
MÖLLER, Stefan |
2 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen |
4 |
- |
|
|
37 Jena I |
Linkspartei |
WOLF, Torsten |
8 |
JANKOWSKI, Denny |
3 |
|
38 Jena II |
Linkspartei |
LUKIN, Gudrun |
- |
KNIESE, Tosca |
4 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Wahlkreis
(Vorsprung 6 - 12 %) |
|
|
|
|
|
|
1 Eichsfeld I |
CDU |
KÖNIG, Thadäus |
36 |
HÖCKE, Björn |
1 |
|
4 Nordhausen II |
Linkspartei |
MITTENDORF, Katja |
15 |
LEUPOLD, Andreas |
22 |
IFFLAND, Steffen |
6 Wartburgkreis
II/Eisenach |
Linkspartei |
ENGEL, Kati |
19 |
SCHREIBER, Susi |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
|
Quelle:
wahlkreisprognose.de (Stand: 07.10.2019) |
Die Linkspartei gilt den
Prognostikern offenbar in erster Linie in den wenigen Großstädten des
ländlich geprägten Thüringen als stark. Da auch die Grünen im
ländlichen Raum eher schwächeln, könnte es für eine linksgeführte
Regierung in Thüringen sehr knapp werden. Die Linkspartei nennt in
ihrem
Veranstaltungskalender nur 9 Wahlkampfauftritte von Bodo RAMELOW,
die vom 11. - 25. Oktober stattfinden. Die CDU hat die heiße Phase des
Wahlkampfes bereits am 3. Oktober eingeleitet.
ARZT, Ingo (2019): "Ich will jetzt Taten von Markus Söder sehen".
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund
(Grüne) will, dass Klimaschutz ins Grundgesetz kommt. Nun stimmt der
Bundesrat darüber ab. Was Bayerns Ministerpräsident vor ein Dilemma
stellt,
in:
TAZ v. 10.10.
KOESTER, Elsa (2019): "Die Leute brauchen Sicherheit".
Thüringer
Landtagswahlen: Im Gespräch: In Wirtschaftskrisen wird gern auf
Wachstum gesetzt - was, wenn das Klima dagegenspricht? Klaus Dörre
über eine Zwickmühle und eine Gesellschaft im Wandel,
in:
Freitag Nr.41 v. 10.10.
Das Interview zeigt, warum die
Linke derzeit in der Defensive ist: Zwischen kosmopolitischen
"Klimaschützern", die ihren eigenen Lebensstil nicht hinterfragen
wollen, und um ihren sozialen Status besorgten Beschäftigten in den
Branchen, denen die Zukunftsfähigkeit abgesprochen wird, gibt es
längst keine Verständigungsbereitschaft mehr. Vielmehr haben sich
Bunkermentalitäten ausgebildet, die ihren Ausdruck im polarisierten
Parteiensystem finden. Hier die Grünen, deren Stärke auf den
Lebenslügen ihrer Wähler basiert, und dort die AfD, die effektiv den
Protest organisiert, aber keine Lösungen zu bieten hat. Auf diese
Weise werden sich Enttäuschungen auf beiden Seiten aufschaukeln, die
fatale Folgen für diese Gesellschaft haben werden.
Klaus DÖRRE präsentiert für
Thüringen ein Worst-Case-Szenario:
"Linke Parteien schneiden bei
Wahlen häufig schlechter ab als in Umfragen. Ich sehe ein
Worst-Case-Sezanrio: Es reicht nicht für R2G, der CDU-Spitzenkandidat
Mike Mohring stellt sich für eine Minderheitenregierung zur Wahl - und
wird mit Stimmen der FDP, CDU und AfD Ministerpräsident. Das wäre ein
Dammbruch."
Dieses Szenario hat jedoch einen
Haken: Die FDP wird wahrscheinlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern,
wenn die Wahlbeteiligung - wie zu erwarten ist - steigen wird.
MACHOWECZ, Martin (2019): Das ewige Ommmmm.
Thüringer
Landtagswahlen: Vor der Landtagswahl in Thüringen möchte der linke
Ministerpräsident Bodo Ramelow vor allem eins ausstrahlen: Normalität,
in:
Die ZEIT Nr.42 v. 10.10.
"Auf seinen Wahlplakaten steht groß
»Bodo Ramelow«, der Name seiner Partei steht nicht mit drauf",
schreibt Martin MACHOWECZ. Das
einigt die drei Landtagswahlen im Osten: Die Parteien werden hinter
ihren Spitzenkandidaten versteckt, um ja nicht mit den jeweiligen
Bundestagsparteien identifiziert zu werden.
"Ramelows Regierung hat Lehrer
eingestellt - 3.891, wie er exakt aufzählen kann, womit er aber
lediglich die Altersabgänge kompensieren konnte, es gibt immer noch zu
wenige. Man hat Polizeistellen ausgebaut (aber weniger stark als
versprochen). Gegen den Willen seiner Partei hat Ramelow den
Verfassungsschutz am Leben gehalten. (...).
In gewisser Weise passt (dazu)(...), dass sich Ramelows Regierung dann
verhoben hat, wenn sie (linke) Reformen versuchte: Eine Gebietsreform
scheiterte krachend am Widerstand der Landkreise und Kommunen. Es hat
ihm, offenbar, trotzdem kaum geschadet (...). Er ist der
fünftbeliebteste Ministerpräsident der Republik, selbst die Mehrheit
der CDU-Wähler ist mit seiner Arbeit zufrieden",
behauptet MACHOWECZ.
Gebietsreformen jedoch sind keine linke Reformpolitik, sondern folgen
der neoliberalen Logik einer Demografisierung gesellschaftlicher
Probleme. Das ist das genaue Gegenteil von linker Politik!
"Das im Lauf der Legislatur eine
SPD-Frau zur CDU wechselte; dass die Regierung sich nur dank eines
anderen Überwechslers von der AfD zur SPD über Wasser halten konnte,
der seine neue Fraktion zudem wiederholt mit Einladungen an Thilo
Sarrazin provozierte? Wen stört's",
fragt MACHOWECZ, dessen Porträt im
Gegensatz zu allen anderen Lobpreisungen am wenigsten staatstragend
daherkommt, was daran liegen mag, dass die SPD am meisten unter der
Koalition zu leiden hat, denn:
"SPD und die Grünen (...) stehen
bei jeweils neun Prozent. Sie schrumpfen von Umfrage zu Umfrage. Die
Mehrheit für das Bündnis steht auf der Kippe."
Als typische Erzählung RAMELOWs
wird uns die Geschichte vom südthüringischen Rasierklingenwerk
erzählt, das in der DDR durch die Marke Croma berühmt wurde, nach der
Wende dann dahindämmerte, bis es zum Zulieferer eines US-Start-ups
wurde und zuletzt vom Weltmarktführer Wilkinson aufgefressen wurde.
Fazit: Zu dieser neoliberalen
Erzählung, die uns MACHOWECZ präsentiert, gehört immer auch die
Verdammung der Anspruchshaltung der Wähler, die seit 2015 nicht mehr
den etablierten Parteien zugeschrieben wird, sondern nun den
AfD-Wählern anhängt. Demokratie sei kein Dienstleistungsbetrieb, heißt
das neue Motto, mit dem nun die Alternativlosigkeit der
Regierungspolitik legitimiert wird.
LÖHR, Julia (2019): Elektrisiert.
Thüringer
Landtagswahlen: Arnstadt ist ein 28.000-Einwohner-Ort in
Thüringen. Jetzt will der chinesische Konzern CATL dort eine der
größten Batteriezellenfabriken Europas bauen. Und die Arnstädter
fragen: Schaffen wir das?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.10.
"Das chinesische Unternehmen CATL,
der größte Produzent von Batteriezellen für Elektroautos auf der Welt,
will hier, eine halbe Autostunde von Erfurt entfernt, ein Werk bauen.
Das erste außerhalb seines Heimatlandes. 60 Hektar Land (...) hat der
Konzern dafür gesichert. Am 18. Oktober ist Spatenstich, Ende 2021
sollen die ersten Batteriezellen in
Arnstadt entstehen. (...).
Die Investition (...) wurde im Sommer vergangenen Jahres im Rahmen der
deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen verkündet. Damals war
erst von 240 Millionen Euro die Rede. Doch seitdem ist viel passiert.
(...). So kommt es, dass CATL sein Investitionsvolumen immer weiter
aufgestockt hat. 1,8 Milliarden Euro sollen jetzt in die Fabrik
fließen, soll die größte dieser Art in ganz Europa werden. Die Frage
ist: Was macht so eine große Investition mit einer kleinen Stadt wie
Arnstadt? (...) (Eine) beschauliche 28.000-Einwohner-Stadt mit ihrem
Marktplatz, den vielen Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflastergassen.
Dort, mitten in der Altstadt, liegt das Büro von Frank Spilling. Der
47-Jährige ist seit anderhalb Jahren Bürgermeister der Stadt (...).
Sieben Fraktionen sind im Stadtrat vertreten. Bei der Gemeinderatswahl
im Mai diese Jahres bekam die Initiative »Pro Arnstadt« mit 24,7
Prozent die meisten Stimmen, gefolgt von der AfD und der CDU. Spilling
selbst war mal Mitglied der CDU, aber das ist lange her.
»Heute hilft es eher, wenn man parteilos ist«, sagt er. (...).
Der große Vorteil der Stadt: Sie liegt strategisch günstig. Das
Erfurter Kreuz ist nicht weit entfernt (...). Zur Attraktivität der
Region trägt auch bei, dass Erfurt seit zwei Jahren einer der
wichtigsten Knotenpunkte im ICE-Netz der Deutschen Bahn ist. (...).
Auch der Weg zum BMW-Werk in Leipzig ist nicht weit. Es ist kein
Zufall, dass der Münchner Autohersteller der erste Kunde war, mit dem
CATL einen Vertrag über Batteriezellen aus dem neuen Werk
abgeschlossen hat. Auch mit Bosch und Volvo sind Kooperationen
vereinbart. (...). Bis zu 2.000 Arbeitsplätze sollen in dem Werk
entstehen",
berichtet Julia LÖHR über die Lage
in Arnstadt und die Hoffnung auf neue blühende Landschaften, nachdem
so manche blühende Landschaft in Arnstadt längst wieder verdorrt ist:
"Es ist noch nicht lange her, da
päppelte die Bundesregierung - ähnlich wie sie heute den Bau von
Batteriezellen fördert - mit Milliardensubventionen den Aufbau einer
Solarindustrie in Deutschland. Arnstadt war einer der großen
Profiteure dieser Entwicklung. Erst fertigte Bosch hier Solarzellen.
Später (...) übernahm das Solarworld das Werk.
Doch da hatte China den Markt schon für sich entdeckt und gewaltige
Produktionskapazitäten aufgebaut. Die chinesischen Hersteller
exportierten ihre Solarzellen (...) zu Kampfpreisen ins Ausland. Die
hiesigen Hersteller gerieten zunehmend unter Druck. Einer nach dem
anderen musste aufgeben, 2017 erwischte es die
Solarworld-Beschäfitgten in Arnstadt. (...). Es gehört zur Ironie der
Geschichte, dass CATL sein Europageschäft nun ausgerechnet in jenem
Gebäude aufbaut, in dem einst Solarworld saß."
LÖHR lässt die Leiterin der
Arbeitsagentur in Arnstadt, die für die SPD zudem noch im Stadtrat
sitzt, die wechselhafte Arbeitsmarktpolitik in Arnstadt erzählen:
"Zuerst vermittelte sie die
arbeitslos gewordenen Chemie- und Metallarbeiter aus den
DDR-Kombinaten in die nach der Wende boomende Baubranche. Dann kam
dort der Abschwung, dafür entstanden neue Arbeitsplätze in der
Solarindustrie. Mehr als 5.000 Beschäftigte arbeiten in Thüringen in
Spitzenzeiten in dieser Branche - bis China den Markt eroberte. Viele
Ingenieure wechselten anschließend zu Autozulieferern, wo sie nun
wieder um ihre Stellen bangen."
Der Hype um das Elektroauto könnte
allerdings schnell in eine Sackgasse geraten, denn solche Autos sind
alles andere als nachhaltig und dem Klimaschutz nützen sie ebenfalls
nur bedingt. Die AfD hält die Klimahysterie sowieso für völlig
übertrieben:
"Nur ein paar Minuten entfernt vom
Rathaus, im Wahlkreisbüro der Partei, (...) sitzt (...) der
AfD-Landtagsabgeordnete Olaf Kießling. (...). Kießling zweifelt daran,
ob die Strategie der Bundesregierung richtig ist, jetzt vor allem die
Elektromobilität zu fördern. (...). Ein Mitarbeiter von ihm hat einen
Stapel Papier ausgedruckt, es geht um Methanol als Kraftstoff,
Wasserstoff-Autos und die Frage welchen Einfluss CO2
überhaupt auf das Weltklima hat."
Der AfD-Landtagsabgeordnete kam
2014 nur über die Landesliste Platz 9 ins Parlament. Arnstadt gehört
zum Wahlkreis 23 Ilm-Kreis II, den Jörg THAMM von der CDU gewann.
Gemäß wahlkreisprognose.de liegt derzeit der AfD-Kandidat vorne. Der
Wahlkreis gehört zu vier Wahlkreisen, in denen die AfD derzeit die
größten Chancen hat, auch wenn der Vorsprung nur zwischen 3 und 6
Prozent beträgt.
Von daher ist es kein Wunder, dass LÖHR die Sicht der AfD nicht unter
den Tisch fallen lässt.
Tabelle: Wahlkreise, in denen die AfD-Direktkandidaten
einen Vorsprung zwischen 3 und 6 Prozent haben |
Wahlkreis
(Vorsprung 3 - 6 %) |
AfD-Kandidat |
Listenplatz |
23 Ilm-Kreis II |
KIEßLING, Olaf |
9 |
28
Saalfeld-Rudolstadt I |
FROSCH, Karlheinz |
- |
40 Greiz II |
HAHN, Sigvald |
28 |
43 Altenburger
Land I |
RUDY, Thomas-Otto |
17 |
|
Quelle:
wahlkreisprognose.de (Stand: 07.10.2019) |
Inwiefern die AfD diese Kreise
tatsächlich gewinnen kann, das wird sich am 27. Oktober erweisen.
ELECTION.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
election.de.de v. 11.10.
Bei election.de werden nur
12 Wahlkreise als sicher bzw. wahrscheinlich eingestuft. Diese sind
aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich:
Tabelle: Wahlkreise, die für die CDU sicher sind
bzw., in denen die Linkspartei wahrscheinlich das
Direktmandat gewinnt. |
Wahlkreis
(sicher) |
Partei |
KandidatIn |
Listen-
platz |
AfD-Gegenkandidat |
Listenplatz |
Werteunionkandidat |
1 Eichsfeld I |
CDU |
KÖNIG, Thadeus |
36 |
HÖCKE, Björn |
1 |
|
2 Eichsfeld II |
CDU |
TASCH, Christina |
4 |
SCHWERDT, Jürgen |
31 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Wahlkreis
(wahrscheinlich) |
|
|
|
|
|
|
21
Suhl/Schmalkalden-Meiningen IV |
Linkspartei |
WELTZIEN, Philipp |
28 |
STIER, Martina |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
24 Erfurt I |
Linkspartei |
STANGE, Karola |
11 |
HEROLD,
Corinna |
10 |
|
25 Erfurt II |
Linkspartei |
HENNIG-WELLSOW,
Susanne |
2 |
- |
|
|
26 Erfurt III |
Linkspartei |
RAMELOW, Bodo |
1 |
ERFURTH, Marek |
- |
|
27 Erfurt IV |
Linkspartei |
BLECHSCHMIDT,
André |
14 |
MÖLLER, Stefan |
2 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen |
4 |
- |
|
|
37 Jena I |
Linkspartei |
WOLF, Torsten |
8 |
JANKOWSKI, Denny |
3 |
|
38 Jena II |
Linkspartei |
LUKIN, Gudrun |
- |
KNIESE, Tosca |
4 |
|
44 Altenburger
Land II |
Linkspartei |
PLÖTNER, Ralf |
26 |
- |
- |
|
|
Quelle:
election.de (Stand: 11.10.2019) |
Der SPD werden lediglich minimale Chancen im Wahlkreis 15 Gotha II
eingeräumt. Der AfD werden in 12 Wahlkreisen minimale Chancen
eingeräumt, die aus der folgenden Tabelle ersichtlich sind:
Tabelle: Wahlkreise, in denen die AfD-Direktkandidaten
einen Vorsprung haben |
Wahlkreis
(Vorsprung) |
AfD-Kandidat |
Listenplatz |
8 Unstrut-Hainich-Kreis I |
GRÖGER, Thomas
(Ablösung der CDU) |
20 |
14 Gotha I |
GRÖNING, Birger
(Ablösung der CDU) |
26 |
16 Sömmerda I/Gotha III |
SCHRÖDER, Stefan
(Ablösung der CDU) |
24 |
17 Sömmerda II |
CZUPPON, Torsten
(Ablösung der CDU) |
13 |
23 Ilm-Kreis II |
KIEßLING, Olaf
(Ablösung der CDU) |
9 |
28
Saalfeld-Rudolstadt I |
FROSCH, Karlheinz
(Ablösung der CDU) |
- |
29
Saalfeld-Rudolstadt II |
KAUFMANN, Michael
(Ablösung der CDU) |
7 |
33
Saale-Orla-Kreis I |
THRUM, Uwe
(Ablösung der CDU) |
- |
34
Saale-Orla-Kreis II |
BERGNER, Heiko
(Ablösung der CDU) |
- |
40 Greiz II |
HAHN, Sigvald
(Ablösung der CDU) |
28 |
41 Gera I |
LAUDENBACH,
Dieter
(Ablösung der Linkspartei) |
12 |
43 Altenburger
Land I |
RUDY, Thomas-Otto
(Ablösung der CDU) |
17 |
|
Quelle:
election.de (Stand: 11.10.2019); wahlkreisprognose.de (Stand: 07.10.2019) |
Der Logik der Anti-AfD-Bündnisse folgend, ist davon auszugehen, dass
die Chancen von AfD-Wahlkreisbewerbern umso größer ist, desto eher sie
auf schlechteren Listenplätzen rangieren. Dies gilt umso mehr für
Thüringen, wo der völkische Flügel unter besonderer Beobachtung steht.
Die fettmarkierten Wahlkreise gehören
bei wahlkreisprognose.de
zu den AfD-Kanidaten mit den größten Chancen.
Der Wahlkreis 23 Ilm-Kreis II
gehört zu jenen Wahlkreisen, die im Mittelpunkt der Berichterstattung
steht. Dazu gehören folgende Gemeinden:
- Alkersleben, Amt Wachsenburg,
Arnstadt, Bösleben-Wüllersleben, Dornheim, Elleben, Elxleben, Geratal
(ohne OT Geraberg), Osthausen-Wülfershausen, Plaue (ohne OT Neusiß),
Rockhausen, Stadtilm und Witzleben.
Arnstadt ist die größte Stadt im Wahlkreis. Dort bekam die AfD
bei der Europawahl (Wahlkreis 070 Ilm-Kreis) die meisten Stimmen.
FREI, Norbert (2019): Nervöse Wechselwähler.
Thüringer
Landtagswahlen: In Ostdeutschland gibt es viel politische
Beweglichkeit: Über die Jahre feierten dort sowohl rechte Parteien wie
auch Linke und Liberale Erfolge. Auch deshalb könnte es sein, dass
sich die AfD in der Treue ihres Publikums am Ende täuscht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 11.10.
Der westdeutsche Historiker Norbert FREI, der in thüringischen Jena
lehrt, gehört zu jenen, die immer noch der Meinung sind, dass sich die
AfD von selber erledige. Begründet wird das mit einer schwachen
Parteibindung in der ehemaligen DDR:
"Im Osten vermochten sich jene
traditionellen sozialmoralischen Milieus kaum mehr erholen, die - vor
allem in Gestalt der Arbeiterbewegung und des politischen
Katholizismus - während der NS-Zeit schwer gelitten hatten. In der
alten Bundesrepublik hingegen prägten sie jahrzehntelang die
politische Landschaft (und prägen sie, wenngleich abgeschwächt, in
manchen Regionen bis heute)."
Der so genannte Wechselwähler, dem
die Parteibindung fehle, war bekannterweise jener Wählertypus, den uns
die Individualisierungstheoretiker um Ulrich BECK als den
westdeutschen Typus par excellence präsentierten. Es hieß, dass sich
die von FREI nun herbeizitierten sozialmoralischen Milieus in
Wohlgefallen aufgelöst hätten. Nun also soll ausgerechnet der Westen
eine größere Parteibindung als der Osten besitzen.
Fazit: FREI sitzt einem
kosmopolitischen Wunschdenken auf, denn die Erfolge rechter Parteien
sind kein Phänomen, das sich allein aus der DDR-Vergangenheit erklären
lässt. Es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, dass die AfD in nicht
allzu langer Zeit auch auf Landesebene mitregieren wird. Auf
kommunaler Ebene ist die AfD jedenfalls schon längst viel akzeptierter
als es unsere kosmopolitischen Eliten gerne hätten.
LEHMANN, Anna (2019): Bodo, der Balancekünstler.
Thüringer
Landtagswahlen: Ende Oktober wählt Thüringen. Bodo Ramelow, der
einzige Ministerpräsident der Linkspartei, regiert dort seit fünf
Jahren - und zwar so, dass selbst CDU-Anhänger sich eine weitere
Amtszeit wünschen. Wie macht er das?
in:
TAZ v. 12.10.
Wie bereits im Neues Deutschland, gibt es nun auch in der taz
eine Lobeshymne für Bodo RAMELOW. Anna LEHMANN stilisiert den
Ministerpräsidenten zum Held von Bischofferode. LEHMANN erzählt wie
die Bergleute dort ihren Kampf gegen die Treuhand-Privatisierung
verlor:
"Die Schließung von Bischofferode
war politisch gewollt. Die Trauhand hatte der Kali und Salz AG die
Grube regelrecht aufgedrängt: Um den Erhalt von Jobs sollte sich der
Konzern nicht scheren, für Verluste und ökologische Altlasten würden
größtenteils die Steuerzahler haften. Die Arbeitsplätze im Westen
waren wichtiger.
Als zum Jahresende 1993 alle Verhandlungen gescheitert sind, handelt
Ramelow im Auftrag der Kumpel die Sozialpläne mit der Treuhand aus.
(...).
Bischofferode wird ein Wendepunkt: Menschen, die vier Jahre vorher
noch skandierten »Wir sind ein Volk«, sind nun zutiefst enttäuscht.
Und Ramelow? Tritt 1999 in die PDS ein, wird Fraktionschef in
Thüringen, sitzt später im Bundestag, managt die Fusion von WASG und
PDS zur Linken und kehr nach Thüringen zurück. (...).
In Erinnerung an den schwersten Arbeitskampf im Osten kämpft er jetzt
um die 4.500 Arbeitsplätze im Bergbau Thüringens."
LEHMANN stellt uns außerdem zwei
CDU-Unternehmer vor, die RAMELOW mögen. LEHMANN rechnet uns außerdem
vor, dass die Linkspartei und die CDU nach der letzten Umfrage als
Koalition einen 4-Stimmen-Vorsprung hätte.
"Oft heißt es, Ramelow ist
eigentlich kein linker, sondern waschechter Sozialdemokrat",
erzählt uns LEHMANN, die die
Fraktionsvorsitzende
Susanne HENNIG-WELLSOW - entsprechend ihrem Selbstbild - als
"linke Linke" bezeichnet. RAMELOW wird außerdem als Gönner
dargestellt:
"Er drückt die Partner nicht an die
Wand, gönnt ihnen Erfolge. Die Grünen durften den Freien Schulen die
Budgets erhöhen, die SPD sich rühmen, den Verfassungsschutz für
Thüringen gerettet zu haben. Einen neuen Feiertag und ein
Vergabegesetz mit Mindestlohn kann die Linke für sich reklamieren."
Von Verkehrswende also keine Spur!
Dafür jedoch die Demografisierung gesellschaftlicher Probleme und
deren kosmopolitische Lösung:
"Im April 2019 fliegt er nach
Vietnam (...). Ziel: vietnamesische Azubis für den
demografiegebeutelten thüringischen Arbeitsmarkt zu rekrutieren und
neue Märkte zu erschließen."
JAKOB, Christian (2019): Der Flügel-Bekämpfer.
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringens Innenminister Georg Maier hat
Neonazi-Festivals ausgetrocknet. Er schießt wie kein anderer gegen
Björn Höckes AfD-Truppe. Gelohnt wird es dem Sozialdemokraten im
Wahlkampf eher wenig,
in:
TAZ v. 14.10.
Nach der
Springer-Presse
lobpreist nun auch die taz den SPD-Innenminister, der aus dem
Frankfurter Bankenviertel nach Erfurt exportiert wurde. Die
gescheiterte Gebietsreform wurde für Georg MAIER zum
Karrieresprungbrett:
"Ins Amt gebracht hat Maier die
gefloppte Kreisgebietsreform. Aus 23 Landkreisen und kreisfreien
Städten wollte Rot-Rot-Grün 8 machen. Die Bevölkerung schrumpft, das
hätte Geld gespart. »Das war eine neoliberale Logik, wir haben nicht
gesehen, dass wir damit die Identifikation der Leute verlieren«, sagt
Maier. Die Proteste waren heftig, sein Vorgänger Holger Poppenhäger
musste gehen. (...). Der Widerstand ging weiter, Maier ließ die
Kreise, wie sie waren, und fusionierte stattdessen 300 Gemeinden.
»Aber alle freiwillig. Das haben die Leute akzeptiert.«"
Geld gespart? Das ist nicht nur
neoliberale Logik, sondern offensichtlich auch falsch, den solche
Reformen bringen keineswegs die versprochenen Einsparungen.
"Maier kandidiert im Wahlkreis
Gotha. Er will das Direktmandat gewinnen. Angewiesen ist er darauf
nicht, er steht auf Platz 5 der SPD-Liste. (...). Bei der EU-Wahl im
Mai bekam die CDU im Landkreis Gotha 24, die AfD 22 - und die SPD 14
Prozent. »Schier unmöglich. Aber ich schaff das«, sagt Maier",
der zum Strategieteam des
gefloppten Kanzlerkandidaten Peer STEINBRÜCK gehörte. Christian JAKOB
vergleicht MAIER mit
Martin DULIG, dessen Beliebtheit die SPD auch nicht retten konnte.
LÖHR, Julia (2019): "Thüringen hat zu niedrige Löhne".
Thüringer
Landtagswahlen: Den thüringischen Wirtschaftsminister und
SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Tiefensee stört, dass seine Heimat als
Niedriglohnland gilt. An die Unternehmen appelliert er: Behandelt eure
Mitarbeiter besser,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.10.
Julia LÖHR spitzt ihren
Arnstadt-Artikel auf die Person von Wolfgang TIEFENSEE zu:
"Das Land Thüringen selbst hat
festgelegt, dass Unternehmen nur dann Fördermittel bekommen, wenn
nicht mehr als 20 Prozent der Belegschaft Leiharbeiter sind, die
Lohnsumme um jährlich 2 Prozent steigt oder ein Tarifvertrag besteht.
Tiefensee betont, dass dies auch für die Ansiedlung des chinesischen
Batteriezellenherstellers CATL gilt. (...). 7,5 Millionen Euro
Unterstützung bekommt CATL dafür vom Steuerzahler. (...).
Die Ansiedlung von CATL ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Ort
Arnstadt gerade mal 28.000 Einwohner hat. »Wir setzen, anders als uns
die berühmten Wirtschaftsforscher raten, weiter auf Ansiedlungen in
ländlichen Regionen«, sagt Tiefensee. (...).
Dass das Nachbarland Sachsen mit dieser Leuchtturmpolitik ziemlich
erfolgreich war (...), will Tiefensee so nicht stehenlassen."
TIEFENSEE war in den Nuller Jahren
ein glühender Verfechter der sächsischen Leuchtturmpolitik, scheiterte
aber in
Leipzig glücklicherweise mit seiner Olympiabewerbung, die die
Stadt erst Recht ruiniert hätte. TIEFENSEE tritt im Wahlkreis 42 Gera
II an, wo der Linkspartei leichte Vorteile zugeschrieben werden. Eine
Verkehrswende steht für den Wirtschaftsminister nicht zur Debatte.
WAHLKREISPROGNOSE.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
wahlkreisprognose.de v. 15.10.
Im Vergleich zur
letzten Wahlkreisprognose hat
die CDU einen sicheren Wahlkreis hinzugewonnen und zwar dort, wo die
AfD ihren unbeliebtesten Spitzenkandidaten aufgestellt hat. Während er
vor 8 Tagen noch mit einem Vorsprung von 6 - 12 % gehandelt wurde,
gilt jetzt ein Vorsprung von über 12 Prozent. Bei der Linkspartei ist
Birgit KELLER,
Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, in die Kategorie
6 - 12 % Vorsprung aufgestiegen, obwohl in Thüringen die
Bahnverkehrsinfrastruktur alles andere als gut ist. Insbesondere die
Zentralisierung auf die Landeshauptstadt Erfurt führt dazu, dass der
ländliche Raum abgehängt ist. Vier Wahlkreise werden nun neu für die
Linkspartei in der Kategorie 6 - 12 % Vorsprung eingeordnet.
Bei Grünen und SPD gibt es keine
Veränderungen. Dagegen ist die AfD abgerutscht. Ihre
vier Wahlkreise, die am
aussichtsreichsten waren, werden nun ebenfalls mit dem geringsten
Vorsprung eingestuft.
Tabelle: Wahlkreise, in denen die Direktkandidaten
einen Vorsprung von 6 und mehr Prozent haben |
Wahlkreis
(Vorsprung über 12 %) |
Partei |
KandidatIn |
Listenplatz |
AfD-Gegenkandidat |
Listen-
platz |
Werteunionkandidat |
1 Eichsfeld I |
CDU |
KÖNIG, Thadeus
(Vererbung) |
36 |
HÖCKE, Björn |
1 |
|
2 Eichsfeld II |
CDU |
TASCH, Christina
(Wiederwahl) |
4 |
SCHWERDT, Jürgen |
31 |
|
21
Suhl/Schmalkalden-Meiningen IV |
Linkspartei |
WELTZIEN, Philipp
(Vererbung) |
28 |
STIER, Martina |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian
(Ablösung der CDU) |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
25 Erfurt II |
Linkspartei |
HENNIG-WELLSOW,
Susanne
(Wiederwahl) |
2 |
- |
|
|
26 Erfurt III |
Linkspartei |
RAMELOW, Bodo
(Ablösung der CDU) |
1 |
ERFURTH, Marek |
- |
|
27 Erfurt IV |
Linkspartei |
BLECHSCHMIDT,
André
(Wiederwahl) |
14 |
MÖLLER, Stefan |
2 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen
(Ablösung der CDU) |
4 |
- |
|
|
37 Jena I |
Linkspartei |
WOLF, Torsten
(Wiederwahl) |
8 |
JANKOWSKI, Denny |
3 |
|
38 Jena II |
Linkspartei |
LUKIN, Gudrun
(Wiederwahl) |
- |
KNIESE, Tosca |
4 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Wahlkreis
(Vorsprung 6 - 12 %) |
|
|
|
|
|
|
3 Nordhausen I |
Linkspartei |
KELLER, Birgit
(Ablösung der CDU) |
7 |
STRUBE, René |
34 |
|
4 Nordhausen II |
Linkspartei |
MITTENDORF, Katja
(Wiederwahl) |
15 |
LEUPOLD, Andreas |
22 |
IFFLAND, Steffen |
6 Wartburgkreis
II/Eisenach |
Linkspartei |
ENGEL, Kati
(Ablösung der CDU) |
19 |
SCHREIBER, Susi |
- |
|
10
Kyffhäuserkreis I/Eichsfeld III |
Linkspartei |
MARTIN-GEHL,
Iris
(Ablösung der CDU) |
27 |
KÖHLER, Ralf |
- |
SCHARD, Stefan |
11
Kyffhäuserkreis II |
Linkspartei |
STRICKRODT,
Dietmar
(Ablösung der CDU) |
- |
COTTA, Jens |
- |
|
24 Erfurt I |
Linkspartei |
STANGE, Karola
(Wiederwahl) |
11 |
HEROLD,
Corinna |
10 |
|
|
Quelle:
wahlkreisprognose.de (Stand: 15.10.2019) |
Neben dem gestrigen TV-Duell im MDR
dürfte der Anschlag in Halle für einen Großteil der Neueinstufungen
verantwortlich sein. Zwölf Tag vor der Wahl sind jedoch noch große
Änderungen in den Wahlkreisen möglich wie die letzten ostdeutschen
Wahlen gezeigt haben. Nur in 16 der 44 Wahlkreise gibt es überhaupt
einen nennenswerten Vorsprung der führenden Partei.
Die Werte-Union hat nun
weitere Veranstaltungen mit Hans-Georg
MAAßEN in ihren Veranstaltungskalender aufgenommen. Folgende
CDU-Direktkandidaten werden nun zusätzlich aufgelistet: Michael HEYM
(Wahlkreis 12 Schmalkalden-Meiningen I; 15.10.), Jörg KELLNER
(Wahlkreis 16 Sömmerda I/Gotha III; 16.10.), Hans-Georg CREUTZBURG
(Wahlkreis 14 Gotha I; 16.10.) und Stefan SCHARD (Wahlkreis 10
Kyffhäuserkreis
I/Eichsfeld III;
22.10.)
NEFF, Benedict
(2019):
Radikal jovial.
Thüringer
Landtagswahlen: Seine Partei ist in der Krise, doch in Thüringen
kommt der linke Ministerpräsident bei den Leuten an. Ein Tag mit Bodo
Ramelow,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 15.10.
Benedict NEFFs Porträt ist in
erster Linie eine psychologische Charakterstudie, in der Politik nur
ein Randthema ist:
"Ramelows Wahlkampfslogan lautet »Ramelow
oder Barbarei« und klingt ziemlich AfD-fixiert. Diesen Slogan habe
sich seine Partei ausgedacht, erklärt Ramelow, er habe mit ihm auch
gefremdelt. Die CDU (...) spielt in dessen Wahlkampf kaum eine Rolle.
Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring, ein konservativer Hoffnungsträger
seiner Partei, arbeitet sich hingegen verzweifelt an ihm ab. (...).
Eigentlich macht er nicht Wahlkampf für die Linkspartei, er wirbt für
seine rot-rot-grüne Regierung, die gemäss Ramelow fast alles richtig
gemacht hat: 3.809 Lehrer neu eingestellt, zwei beitragsfreie
Kindergartenjahre eingeführt, 500 Millionen Euro für den Waldumbau.
Man könnte es auch so zusammenfassen: Die Steuereinnahmen sind
gesprudelt, und der Ministerpräsident hat Geld verteilt."
Der ländliche Raum ist abgehängt?
Selber schuld!
"In der Fragerunde klagt ein Mann,
dass es auf dem Land keine Läden mehr gebe und keine Kneipen. Die tote
Infrastruktur - das Dauerthema im ländlichen Osten. Ramelow hat da nur
bedingt Verständnis. Wenn keiner mehr in die Kneipe gehe, müsse man
sich nicht wundern, wenn diese schliesse, antwortet er. Wenn die Leute
alles im Discounter kauften oder bei Amazon bestellten, müsse sich
niemand wundern, wenn es keinen Dorfladen mehr gebe."
Die Nachfrage bestimmt das Angebot?
Oder bestimmt das Angebot die Nachfrage? Oder besteht hier gar kein
direkter Zusammenhang und dieser Kausalzusammenhang ist unterkomplex?
DPA/ND
(2019):
Ramelow und Mohring im TV-Duell.
Thüringer
Landtagswahlen: Schlagabtausch zu Bildungspolitik, Migration und
Integration,
in:
Neues Deutschland v. 16.10.
Agenturmeldung über das vorgestrige
TV-Duell, bei dem sich CDU und Linkspartei gegenseitig
Schuldzuweisungen für den Lehrermangel von sich wiesen.
RIETZSCHEL, Antonie (2019): Wahlkampf im Wald.
Thüringer
Landtagswahlen: Die hohen Fichten fällt der Sturm, und auch den
Buchen geht es schlecht. Thüringens Landesregierung will nun die Bäume
retten - und Stimmen gewinnen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 16.10.
"Anja Siegesmund ist
Umweltministerin in Thüringen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Bodo
Ramelow und weiteren Kabinettskollegen ist sie in einen Wald in
Osthausen gefahren, südlich von Erfurt. Früher galt die Gegend als
Fichtehochleistungsstandort. Dürre und Borkenkäfer haben davon kaum
etwas übrig gelassen. (...). Es ist der Auftakt der Aktion »Thüringen
pflanzt« (...). 40.000 Hektar Wald sind in Thüringen bedroht. (...).
Am 27. Oktober ist in Thüringen Landtagswahl. Der Wald ist Thema
Nummer eins. (...). Sein Revier sei (...) das »Epizentrum«, sagt Elger
Kohlstedt. Der 58-Jährige ist Forstamtsleiter in Leinefelde im
Nordwesten Thüringens. In seinem 16.000 Hektar Wald habe die
Katastrophe früher begonnen als anderswo, erklärt er. (...).
Im Januar 2018 zog das Orkantief mit Windstärke zwölf über Deutschland
hinweg. In Kohlstedts Revier wütete Friederike besonders schlimm,
entwurzelte 30 Meter hohe Fichten. 180.000 Bäume wurden zerstört.
(...). Früher bekam er für jeden Festmeter Fichte 90 Euro. Jetzt sind
es 30 Euro. (...).
Thüringens Landesregierung (...) hat das Ziel ausgegeben, jedes Jahr
20 Millionen Bäume neu pflanzen zu lassen. Unrealistisch, findet
Kohlstedt. (...).
In Kohlstedts Revier steht die einzige noch staatliche Forstbaumschule
in ganz Thüringen. Hier, nahe
Breitenworbis, wächst der Baum der Stunde: die Eiche. (...). Im
Herbst 2018 wurden in ganz Thüringen zwei Tonnen Eicheln gesammelt und
in Breitenworbis ausgesät. (...). In einem Jahr, so sein Plan, sollen
die Bäume in Forstrevieren in ganz Thüringen eingepflanzt werden. Zwei
Millionen Stück",
berichtet Antonie RIETZSCHEL. Was
früher als Wahlberichterstattung daherkam, das wird nun als "Werkstatt
Demokratie" gehypt.
Osthausen gehört zum Wahlkreis 23 Ilm-Kreis I, wo der
AfD-Direktkandidat derzeit vorne gesehen wird.
MASCOLO, Georg & Ronen STEINKE (2019): Schmerzfrei.
Thüringer
Landtagswahlen: Hans-Georg Maaßen war Chef des Verfassungsschutzes
und stürzte. Er ist weg - und doch auch nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 16.10.
MASCOLO & STEINKE zeichnen ein
wohlwollendes Porträt des Ex-Verfassungsschutzchefs, der für die
Werteunion in Thüringen Wahlkampf macht:
"Otto Schily (...) ist (...) immer
noch ein genauer Beobachter. »Ich hätte ihn zum Staatssekretär
gemacht«, sagt Schily über Maaßen. »Der ist nicht AfD-nah, aber er
muss sehr aufpassen, nicht deren Narrativ zu bedienen«"
Mit keinem Wort werden seine
gestrigen und heutigen
Wahlkampfauftritte in Thüringen erwähnt, denn
Wahlkampfberichtserstattung kommt heute nicht mehr als Aufklärung,
sondern als unterschwellige Einflussnahme daher. Der Wahlkampf in
Thüringen findet weitgehend unter Ausschluss der (west)deutschen
Öffentlichkeit statt.
Erstaunlich auch: Uns werden immer
noch die
INSA-Wahlumfrage vom 26. September 2019 als aktuelle Umfrage
präsentiert. Wir erinnern uns: Als in Brandenburg und Sachsen
Landtagswahlen stattfanden, wurden wir 12 Tage vor den Wahlen fast
täglich mit neuen Umfragen bombardiert. Bei der Thüringenwahl herrscht
dagegen Friedhofsruhe!
FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN (2019): Politikbarometer-Extra Thüringen
Oktober I.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
Forschungsgruppe Wahlen v. 17.10.
Das CDU-freundliche
ZDF-Politikbarometer legt erstmals nach den Anschlägen in Halle eine
Wahlumfrage für Thüringen vor. Es ist zugleich die erste seit der
letzten Landtagswahl, sodass sich keine Entwicklungstendenzen ablesen
lassen. Vor der letzten Landtagswahl wurden jedoch die CDU-Anteile
über- und die AfD-Anteile unterschätzt. Das könnte nun wieder der Fall
sein.
Die CDU wird mit 26 % nur ein
Prozent hinter der Linkspartei mit 27 % gesehen. Die AfD dagegen nur
noch bei 20 Prozent. Die SPD liegt mit 9 Prozent nur ein Prozent vor
den Grünen. Die FDP wird bei 5 Prozent gesehen. Das war auch in
Sachsen und Brandenburg der Fall, reichte jedoch aufgrund der
gestiegenen Wahlbeteiligung nicht zum Einzug in die Landtage. Erst
wenn Infratest dimap seine Wahlumfrage veröffentlicht, können
aussagekräftigere Entwicklungstendenzen gemacht werden. Der
Unsicherheitsfaktor ist jedoch hoch, denn "zurzeit (wissen) 38 Prozent
noch nicht sicher, wen oder ob sie wählen wollen".
Da solche Ergebnisse von
Wahlumfragen auch in die Wahlkreisprognosen einfließen, kann das zu
erheblichen Fehlschlüssen führen wie sich
in Sachsen und Brandenburg gezeigt hat.
INFRATESTDIMAP (2019): Ländertrend Thüringen
Oktober.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
infratest-dimap.de
v. 17.10.
Obwohl die Umfragen für ZDF und ARD
in der gleichen Zeitspanne stattfanden, gibt es doch erstaunliche
Differenzen. Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede beider
Umfragen:
Umfrage
(14. - 16.10.2019) |
Stärkste Partei |
Zweitstärkste Partei |
Drittstärkste
Partei |
Viertstärkste
Partei |
Fünftstärkste
Partei |
Sechststärkste
Partei |
ARD-Ländertrend |
Linkspartei |
29% |
AfD |
24% |
CDU |
24% |
SPD |
8% |
Grüne |
7% |
FDP |
4% |
ZDF-Politikbarometer |
Linkspartei |
27% |
CDU |
26 % |
AfD |
20% |
SPD |
9% |
Grüne |
8% |
FDP |
5% |
Differenzen |
|
2% |
|
2% |
|
4% |
|
1% |
|
1% |
|
1% |
Unterschiede können sich ergeben
durch die Verteilung der Umfragen über die Zeitspanne. Während die
Forschungsgruppe Wahlen nur auf 38 % Unentschlossene kommt, sind es
bei Infratest Dimap 42 %. Außerdem kann es an unterschiedlichen
Korrekturmechanismen für soziale Erwünschtheit liegen. Die größten
Differenzen gibt es bei der AfD.
Eine Möglichkeit zur genaueren
Annäherung an die momentane Stimmungslage, wäre die
Durchschnittsbildung. Danach würde die FDP nicht in den Landtag
einziehen. Die Linkspartei läge mit 28 % vor der CDU mit 25 % und der
AfD mit 22 %. Die SPD läge bei 8,5 % und die Grünen bei 7,5 %.
Für Infratest Dimap liegen zwei
Umfragen im Abstand von einem Monat vor, wodurch eine Trendaussage
möglich ist, die aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist:
Umfragen
|
Stärkste Partei |
Zweitstärkste Partei |
Drittstärkste
Partei |
Viertstärkste
Partei |
Fünftstärkste
Partei |
Sechststärkste
Partei |
ARD-Ländertrend
(Oktober) |
Linkspartei |
29% |
CDU |
24% |
AfD |
24% |
SPD |
8% |
Grüne |
7% |
FDP |
4% |
ARD-Ländertrend
(September) |
Linkspartei |
28% |
CDU |
22 % |
AfD |
25% |
SPD |
7% |
Grüne |
8% |
FDP |
5% |
Differenzen |
|
+ 1% |
|
+ 2% |
|
- 1% |
|
+ 1% |
|
- 1% |
|
-1% |
Der Trend zeigt für die CDU am
stärksten nach oben, aber auch Linkspartei und SPD können zulegen,
während sich für AfD, Grüne und FDP ein Abwärtstrend zeigt. Die Trends
liegen jedoch innerhalb der Fehlertoleranzen und könnten deshalb auch
Forschungsartefakte sein.
Fazit: Die Umfrageergebnisse legen
nahe, dass der Ausgang der Thüringenwahl 10 Tage vor der Wahl alles
andere als sicher ist.
LOCKE, Stefan (2019): Frühstück bei Tiefensee.
Thüringer
Landtagswahlen: Vor der Wahl in Thüringen wird es unübersichtlich.
Ob Rot-Rot-Grün weitermachen kann, hängt von vielen Dingen ab - unter
anderm vom Abschneiden der FDP,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.10.
Die FAZ ist geradezu rührend
besorgt um den SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang TIEFENSEE, der bereits
im dritten Thüringen-Artikel in Folge
im Mittelpunkt steht. Der Weimarer SPD-Direktkandidat Thomas HARTUNG
(Wahlkreis 32 Weimar) wird lediglich einmal namentlich erwähnt.
Selten, dass der SPD so viel Lob bei der FAZ wiederfährt.
"Eher zuversichtlich als
verzweifelt ist die Stimmung bei den Grünen. Die Partei ist drauf und
dran (...) die SPD zu überholen."
Bei den Grünen spielt der
Fraktionschef Dirk ADAMS neben der Umweltministerin Anja SIEGESMUND
lediglich die zweite Geige.
"In Weimar und Jena, wo die Grünen
bei den Kommunal- und Europawahlen im Mai stärkste Kraft wurden,
könnten sie ihre ersten zwei Direktmandate in Thüringen überhaupt
erringen",
meint Stefan LOCKE. Das sehen die
Wahlprognostiker anders. Weder bei
election.de, noch bei
wahlkreisprognose.de werden den Grünen Chancen eingeräumt.
Election.de sieht die Grünen lediglich im Wahlkreis 37 Jena I an
zweiter Stelle. Dort tritt SIEGESMUND an. 2014 gewann dort Torsten
WOLF von der Linkspartei (29,7 %) vor CDU (25,5 %) und der Grünen
SIEGESMUND (15,9 %).
"Die Grünen haben sich 2014
schwergetan (...). Mehrfach stand das Bündnis auf de Kippe, etwa beim
Thema der Finanzierung freier Schulen, die den Grünen - anders als SPD
und Linken - enorm wichtig sind. (...). Als Fehlgriff (...) erwies
sich der grüne Justizminister Dieter Lauinger, der (...) der Koalition
einen Untersuchungsausschuss (...). einbrockte",
meint LOCKE. Beim
FDP-Spitzenkandidaten Thomas KEMMERICH war nur der originelle Auftritt
für LOCKE erwähnenswert. Die FDP hofft nun doch noch in einem
Ostparlament einziehen zu können. Weder in Sachsen noch in Brandenburg
hat das geklappt. Mit Prognosen für die FDP hält
sich LOCKE zurück, denn die stehen eher schlecht.
HAAK, Sebastian
(2019): Die schwarze Welt aus den Fugen.
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringens CDU hadert damit, dass Rot-Rot-Grün
nicht nur ein Intermezzo sein könnte,
in:
Neues Deutschland v. 17.10.
Sebastian HAAK beurteilt die Lage
von Rot-Rot-Grün aufgrund veralteter Umfragedaten und sieht die CDU
deshalb in der Opposition.
"Die Gründe für dieses Abrutschen
der Union (...) sind vielschichtig. Der (...) Bundestrend trägt
maßgeblich dazu bei. Die Querelen in der Großen Koalition in Berlin um
die Grundrente, die Mohring - ebenso wie auch der Thüringer
SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee - seit Monaten fordert. Beide
hätten diese gerade für viele Ostdeutsche so wichtige Rente gerne noch
vor der Landtagswahl verabschiedet gesehen",
meint HAAK. Die Grundrente spielt
für Ostfrauen jedoch eine eher geringere Rolle, sondern zielt in
erster Linie auf Männer mit längeren Arbeitslosenzeiten, wobei die
Hürden bei der geplanten Grundrente jedoch viel zu hoch sind, als dass
dies vielen ostdeutschen Männern zugute kommen könnte. Das Thema
könnte also überschätzt sein.
"(D)ie CDU (muss) vor allem in den
ländlichen Regionen des Freistaats und besonders dramatisch im Osten
und Südosten des Landes Stimmverluste an die AfD fürchten. (...).
Die Ergebnisse der jüngsten Kommunal- oder Europawahlen in Thüringen
zeigen(...:) In nicht nur einzelnen Gemeinden in Ost- und
Südostthüringen war die AfD damals stärkste Kraft geworden. Nun droht
der Union dort sogar der Verlust von früher fast absolut sicheren
Direktmandaten",
meint HAAK. Im Jahr 2014 siegte die
CDU in 34 Wahlkreisen. Die Linkspartei errang 9 und die SPD einen
Wahlkreis. Es lässt sich sicher sagen, dass die AfD, wenn überhaupt,
in erster Linie der CDU die Wahlkreise abjagen wird (siehe
hier).
TÖNNESMANN, Jens (2019): Da geht was.
Thüringer
Landtagswahlen: Eine neue Studie zeigt: Familienunternehmer haben
die Wendezeit erstaunlich gut überstanden - und treiben nun die
Wirtschaft Ostdeutschlands an,
in:
Die ZEIT
Nr.43. 17.10.
Jens TÖNNESMANN versucht das Wirken
der Treuhand in Ostdeutschland zu beschönigen, indem eine
Auftragsstudie des Interessenverbandes der Familienunternehmen
präsentiert wird. Da es sich nur um eine "qualitative" und nicht um
eine "repräsentative" Studie handelt, sind die Aussagen nicht
stichhaltig. Eine Typologie von Unternehmen ersetzt hier die
quantitative Bedeutsamkeit:
"Die Studie unterscheidet im
Wesentlichen drei Arten von Unternehmen: jene, die aus dem Westen
herzogen. Jene, die Teile der ehemaligen Staatsbetriebe übernommen
haben. Und jene, die nach 1990 Betriebe zurückbekamen, die sie einst
selbst aufgebaut und besessen haben".
Beispielhaft gilt die Bauerfeind AG
im thüringischen
Zeulenroda-Triebes, wo 1.100 der 2.100 Beschäftigten des
Unternehmens arbeiten. Die Kleinstadt liegt im strukturschwachen
Landkreis Greiz, der zu den
drei Vierteln der Raumordnungsregionen von Thüringen gehört, die als
gefährdet gelten. Schon allein dies spricht gegen die
Erfolgsstory, die TÖNNESMANN uns erzählt.
Die Treuhand reprivatisierte gemäß
TÖNNESMANN nur rund 1.600 Firmen, was angesichts der 4.000 größeren
Unternehmen, die zwischen 1990 und 1994 liquidiert wurden, ein Tropen
auf den heißen Stein war. Und die Sache ist noch viel schlimmer, wenn
man dazu nimmt, dass vorwiegend Frauenarbeitsplätze liquidiert wurden
und diese jungen Frauen abwanderten und nun Landauf Landab - als
demografisch bedingte Probleme - verharmlost werden.
Fazit: Die Treuhand war kein Segen
und die überlebenden Unternehmen nicht die Rettung des Ostens - wie
TÖNNESMANN - uns einzureden versucht, sondern die Treuhand war ein
Fluch des Neoliberalismus, dessen Symptome nun als "demografische
Probleme" des Ostens wiederkehren!
PUSCHNER, Sebastian
(2019): Der geborene Wossi.
Thüringer
Landtagswahlen: Bodo Ramelow hat große Chancen auf eine
Wiederwahl. Ein Grund dafür ist seine Biografie mit starkem Bezug zum
Osten,
in:
Freitag
Nr.42. 17.10.
Bei Sebastian PUSCHNER erfährt der
Leser, warum die ausgeblutete Linkspartei zur Hyper-Personalisierung
des Bodo RAMELOW keine Alternative hat:
"Die Jungen fehlten auch bei ihnen
in Apolda, sagt Doris Hüttenrauch, Genossin seit 1973, (...) nur zwei,
drei Neueintritte in den vergangenen paar Jahren. Aber das mit dem
Wahlkampf sei ein bisschen anders, denn »der Ministerpräsident ist der
große Vorteil«."
PUSCHNER setzt auf biografische
Attraktivität, die Bischofferode-Geschichte und die Anekdoten um
Thüringer Wirtschaftserfolge, um SPD- und Grünen-Anhänger zu
mobilisieren, denn es drohe ein Patt zwischen R2G und CDU/AfD.
ELECTION.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
election.de.de v. 18.10.
Bei election.de werden
nicht mehr
12, sondern 17 Wahlkreise als sicher bzw. wahrscheinlich eingestuft. Diese sind
aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich:
Tabelle: Wahlkreise, die für die Parteien sicher sind
bzw., in denen die Parteien wahrscheinlich das
Direktmandat gewinnen. |
Wahlkreis
(sicher) |
Partei |
KandidatIn |
Listen-
platz |
AfD-Gegenkandidat |
Listenplatz |
Werteunionkandidat |
1 Eichsfeld I |
CDU |
KÖNIG, Thadeus
(Vererbung) |
36 |
HÖCKE, Björn |
1 |
|
2 Eichsfeld II |
CDU |
TASCH, Christina
(Wiederwahl) |
4 |
SCHWERDT, Jürgen |
31 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Wahlkreis
(wahrscheinlich) |
|
|
|
|
|
|
30 Weimarer
Land I/
Saalfeld-Rudolstadt III |
CDU |
MOHRING, Mike
(Wiederwahl) |
1 |
BRAGA, Torgen |
6 |
|
31 Weimar I/
Weimarer Land II |
CDU |
GOTTWEIS,
Thomas
(Vererbung) |
34 |
KÜHN, Ulrich |
27 |
|
35
Saale-Holzland-Kreis I |
CDU |
TIESLER,
Stephan
(Vererbung) |
48 |
LUGE, Dirk |
- |
|
4 Nordhausen II |
Linkspartei |
MITTENDORF, Katja
(Wiederwahl) |
15 |
LEUPOLD, Andreas |
22 |
IFFLAND, Steffen |
21
Suhl/
Schmalkalden-Meiningen IV |
Linkspartei |
WELTZIEN, Philipp
(Vererbung) |
28 |
STIER, Martina |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian
(Ablösung der CDU) |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
24 Erfurt I |
Linkspartei |
STANGE, Karola
(Wiederwahl) |
11 |
HEROLD,
Corinna |
10 |
|
25 Erfurt II |
Linkspartei |
HENNIG-WELLSOW,
Susanne
(Wiederwahl) |
2 |
- |
|
|
26 Erfurt III |
Linkspartei |
RAMELOW, Bodo
(Ablösung der CDU) |
1 |
ERFURTH, Marek |
- |
|
27 Erfurt IV |
Linkspartei |
BLECHSCHMIDT,
André
(Wiederwahl) |
14 |
MÖLLER, Stefan |
2 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen
(Ablösung der CDU) |
4 |
- |
|
|
37 Jena I |
Linkspartei |
WOLF, Torsten
(Wiederwahl) |
8 |
JANKOWSKI, Denny |
3 |
|
38 Jena II |
Linkspartei |
LUKIN, Gudrun
(Wiederwahl) |
- |
KNIESE, Tosca |
4 |
|
44 Altenburger
Land II |
Linkspartei |
PLÖTNER, Ralf
(Ablösung der CDU) |
26 |
- |
- |
|
15 Gotha II |
SPD |
HEY, Matthias
(Wiederwahl) |
3 |
STEINBRÜCK,
Stephan |
- |
|
|
Quelle:
election.de (Stand: 18.10.2019) |
Die fett markierten Wahlkreise sind
im Vergleich zur letzten Prognose
neu in die Kategorien aufgerückt.
Bei 9 Wahlkreisen handelt es sich
um eine erneute Kandidatur des Wahlsiegers von 2014, bei 4
Wahlkreisen wird der Wahlkreis innerhalb der Partei
erfolgreich weitervererbt, während die CDU 4 Wahlkreise an die
Linkspartei verliert. Bei diesen 4 Wahlkreisen könnten die zur
Wiederwahl anstehenden CDU-Kandidaten ihren Wahlkreis nicht
verteidigen, während Bodo RAMELOW im Wahlkreis 26 die
Vererbung eines Wahlkreises verhindern würde.
Wie beim Amtsbonus des
Ministerpräsidenten gibt es sozusagen auch bei den
Wahlkreiskandidaten einen Amtsbonus, der im besten Fall auch
einem Nachfolger zugute kommt, weshalb hier der Begriff
Vererbung benutzt wird.
Der AfD wird nur noch in 3
der vormals 12
Wahlkreise ein Vorsprung zugeschrieben. Es sind dies die
Wahlkreise 28, 40 und 43. Dies sind 3 der 4 von
wahlkreisprognose.de ebenfalls prognostizierten Wahlkreise.
Der vierte Wahlkreis 23
Ilm-Kreis II gehört zu den medial
umkämpften Wahlkreisen, bei dem election.de einen
Vorsprung der Linkspartei sieht. 2014 lag der
Linkspartei-Kandidat nur 2,1 % hinter dem siegenden
CDU-Kandidaten. Diesmal tritt jedoch eine
Linkspartei-Kandidatin an, die lachende Dritte im Duell
zwischen CDU und AfD sein könnte.
LÖHR, Julia (2019): Der Dealmaker in Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen: Menschen & Wirtschaft: Autobahnanschluss,
Grundstück oder schnelles Internet: Für die Landesregierung in
Erfurt lockt Andreas Krey Unternehmen mit einem
Rundumsorglos-Paket,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.10.
Der Artikel ist
Teil 4 einer FAZ-Wahlkampfkampagne
für den SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang TIEFENSEE. Es geht
wieder um Arnstadt und den chinesischen
Batteriezellenhersteller CATL. Diesmal wird TIEFENSEE in
Zusammenhang mit dem Chef der Landesentwicklungsgesellschaft,
Andreas KREY, gebracht:
"Die anfängliche
Schnelligkeit und das spätere Beharrungsvermögen des Duos Krey/Tiefensee
haben sich ausgezahlt: Im Sommer vergangenen Jahres verkündete
CATL tatsächlich, dass das Unternehmen seine Fabrik in der
Nähe von Erfurt bauen will. (...). An diesem Freitag findet
der offizielle erste Spatenstich statt."
Die Methode der
Landesentwicklungsgesellschaft mit ihrer "Vorratshaltung" von
Gewerbegebieten wird uns als Erfolgsmodell gepriesen:
"1.100 Unternehmen hätten
sich seit 1995 angesiedelt, davon 110 aus dem Ausland. 10,5
Milliarden Euro hätten diese Unternehmen investiert und mehr
als 58.000 Arbeitsplätze geschaffen".
Dass die Chinesen die
thüringische Solarindustrie auf dem Gewissen haben, und ihren
Sieg nun dadurch demonstrieren, dass sie ihre Zentrale
ausgerechnet im Gebäude der insolventen Solarworld errichten,
das könnte der AfD jedoch im medial umkämpften Wahlkreis 23
Ilm-Kreis II Vorteile verschaffen.
REINECKE, Stefan
(2019): In Ramelows Schatten.
Thüringer
Landtagswahlen: Ob Rot-Rot-Grün in Thüringen weiterregiert, hängt
vor allem von SPD und Grünen ab. Die SPD wirkt für viele
farblos. Dabei ist ihre Bilanz gar nicht mal schlecht,
in:
TAZ
v. 19.10.
Stefan REINECKE widmet sich der
SPD, die bei den Grünen nicht besonders gelitten ist.
Vorgestellt wird Matthias HEY, dem als einzigen
SPD-Direktkandidat Chancen eingeräumt werden, seinen Wahlkreis
erneut zu gewinnen.
"(D)er SPD scheint als
einziger Partei Rot-Rot-Grün nicht so gut zu bekommen. In
Umfragen liegt sie besorgniserregend unter 10 Prozent (...).
Dabei ist die Bilanz nicht einmal so übel. Die SPD bekam,
obwohl nur halb so stark wie die Linkspartei, drei
Schüsselressorts: Finanzen, Wirtschaft und das
Innenministerium",
meint REINECKE, der eine
solide Finanzpolitik von Heike TAUBER, das Vergabegesetz von
Wolfgang TIEFENSEE und die Verfassungsreform, bei der die SPD
"linksliberalen Unfug" verhindert hätte. Als Problem wird der
"merkelartige" Bodo RAMELOW genannt, der eher Sozialdemokrat
als Linker sei.
Die Bildungspolitik eigne
sich auch nicht für die Profilierung, obwohl sich die SPD als
Retter der Förderschulen inszeniere (keine "überambitionierte
und unterfinanzierte Inklusionspolitik" wie in NRW) und ein
hoher Unterrichtsausfall herrsche. Dass die CDU dies nicht
skandalisieren könne, liege daran, dass sie selber "24 Jahre
lang" dazu beigetragen habe.
"Wenn Hey seinen Wahlkreis
spektakulär wiedergewinnt, wäre das zumindest ein Symbol
dafür, dass die SPD überhaupt noch gewinnen kann. »Leider
denken viele, dass ich sowieso gewinne. Dabei mobilisiert die
AfD enorm«, sagt er
Nun hofft die SPD auf taktische WählerInnen. Die Linkspartei
sei mit fast 30 Prozent an der Grenze ihres Potenzials.",
setzt REINECKE auf die
Mobilisierung der Grünen-Anhänger, sozusagen ein
Aufruf zum
Stimmensplitting im Wahlkreis 15 Gotha II. Um dem
Nachdruck zu verleihen, präsentiert er zwei Grünen, die
bekehrte Linkspartei-Fans sind: zum einen Astrid
ROTHE-Beinlich, die als Bürgerrechtsbewegte die
PDS-Vergangenheit kritisierte, und die Umweltministerin Anja
SIEGESMUND:
"Anja Siegesmund, grüne
Umweltministerin und Spitzenkandidatin, sitzt in einem Café in
Jena, studentisch und hip. Die Universitätsstadt Jena ist ein
grünes Biotop. Siegesmund kann sogar das Direktmandat gewinnen
- 2014 wäre das noch unvorstellbar gewesen. (...). Siegesmund
war 2014 eine Verfechterin von Schwarz-Grün und gab mit
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring gemeinse Interviews. Sie hat
sich längst mit der Linkskoalition angefreundet. (...). »Der
härteste Gegner beim Thüringer Klimaschutzgesetz war
SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee.«
REINECKE schreibt den
Grünen etliche Erfolge zu:
"Keine Abschiebungen nach
Afghanistan, das Klimaschutzgesetz, das grüne Band (...), die
Förderung freier Schulen, die kontinuierliche Aufarbeitung der
DDR-Geschichte."
Der Wahlkampf der CDU wird
von REINECKE dagegen nur herablassend beurteilt, obwohl sie
vor allem im ländlichen Raum agiert, wo die Grünen vollkommen
chancenlos sind:
"Die Grünen haben es im
ländlich geprägten Thüringen schon immer schwer gehabt. Rund
tausend grüne Parteimitglieder gibt es - fast zwei Drittel
davon in Erfurt, Jena und Weimar."
Die Grünen sind eine urbane
Milieupartei der Studenten und Besserverdienenden, aber genau
das ist das Problem, warum die AfD in Thüringen stärker
punkten könnten, als es die Umfragen erwarten lassen.
Am Ende des Artikels steht
ein Drohszenario, das die R2G-Fans mobilisieren soll:
"AfD und CDU sowie CDU und
Linkspartei sind inkompatibel. Womöglich droht eine
geschäftsführende Regierung, vielleicht Neuwahlen."
JAKOB, Christian & Alexander NABERT
(2019): "In der Rückschau gibt es berechtigte Kritik".
Thüringer
Landtagswahlen: Das Thüringer Innenministerium verteidigte im
diesjährigen Sommer das Vorgehen der Polizei gegen
Journalisten am Rande einer Neonaziveranstaltung. Wir haben
mit Innenminister Georg Maier über den Polizeieinsatz,
Neonazis und Pressefreiheit gesprochen,
in:
TAZ
v. 19.10.
Christian JAKOB hat
vor 5 Tagen den
Innenminister noch als "Flügel-Bekämpfer" gelobt, nun darf er
sich gegen Vorwürfen anlässlich zweier Kleiner Anfragen der
Linkspartei-Landtagsabgeordneten
Katharina KÖNIG-PREUSS wehren. Doch die Antworten des
Innenministers können nicht unbedingt überzeugen.
BÄHR, Sebastian & Nelli TÜGEL
(2019): Erhobenen Hauptes inmitten der Niederlage.
Thüringer
Landtagswahlen: Bischofferode wurde 1993 zum Symbol der
Treuhand-Politik. Heute fordern frühere Kumpel eine
Aufarbeitung,
in:
Neues Deutschland v. 19.10.
"Bahnhof Bleicherode-Ost (...) im
Nordwesten von Thüringen (...). In Bleicherode wurde Anfang
der 1990er Jahre wie in den umliegenden Gemeinden nach fast
100 Jahren der Abbau des Kalisalzes eingestellt. Die Kinder
der früheren Bergleute verlassen die Region. Wenn sie bleiben,
fahren sie heute als Taxifahrer ältere Anwohner zum
Arzttermin, haben eine Stelle im überschaubaren
Mittelstandsgewerbe oder pendeln zum Arbeiten nach
Niedersachsen und Hessen. Die bewohnten Fachwerkhäuser sind
gepflegt, geradezu pittoresk. Dazuwischen findet sich jedoch
immer wieder Leerstand und Verfall. Rund 4.500 Menschen
arbeiten laut dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke)
noch im thüringischen Bergbau. Im Jahr der Wende waren es dem
Bergmannsverein Erfurt zufolge knapp 31.000 Beschäftigte.
Bleicherode ist für Zugreisende der letzte Zwischenstopp
auf dem Weg nach Bischofferode, eine 1.900-Einwohner-Gemeinde,
bröckelnde CDU-Bastion und etwa 15 Kilometer entfernt im
Eichsfeld gelegen. Ein Bahnhof ist dort schon lange nicht mehr
in Betrieb. (...) Die roten Hügel von Bischofferode erzählen
von der Vergangenheit. Auch das neben ihnen gelegene
Bergbau-Museum erinnert an die lokale Tradition. Und an einen
der bedeutendsten Arbeitskämpfe in Ostdeutschland - den Kampf
um den Erhalt des Bergwerks im Jahr 1993.
(...). Gerhard Jüttemann (...) erinnert (...) als Vorsitzender
des Kalivereins gemeinsam mit alten Mitstreitern an die
früheren Schlechten",
erzählen uns BÄHR & TÜGEL jene
Geschichte, die zu einem Narrativ gehören, das der PDS zum
Image einer Protestpartei verholfen hat und den Mythos Bodo
RAMELOW mitbegründete. Doch diese Geschichte stirbt mit den
Beteiligten aus. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss,
den die Linkspartei anstrebt, wird - Ironie des Schicksals -
ausgerechnet einzig noch von der AfD befürwortet, die der
Linkspartei die Rolle der Protestpartei erfolgreich abspenstig
gemacht hat. Die Gemeinde
Bischofferode gibt es seit 2010 nicht mehr, sondern sie
ist nur noch ein Ortsteil der Gemeinde
Am Ohmberg. Damit ist nach dem Bergbau auch der Ort selber
von der politischen Landkarte getilgt worden.
"Thüringens
CDU-Ministerpräsident Bernhard Vogel versprach 1993 den
Kalikumpeln von Bischofferode 1.000 Ersatzarbeitsplätze,
entstanden sind bis heute 70. Viele der neu angesiedelten
Firmen gingen in die Insolvenz. Rund 1.000 Einwohner, knapp
ein Drittel, zogen weg, fünf Wohnblöcke wurden abgerissen. Der
Rest hatte sich dann so gut es eben ging arrangiert. (...).
Die Auseinandersetzungen (...) haben zumindest Momente der
Selbstermächtigung und Solidarität geschaffen, kleine Siege in
der großen Niederlage. Und vielleicht damit auch
Immunisierungen gegen die Versuche von Rassisten, die Wut nach
rechts zu kanalisieren. Allerdings: Das jüngste Mitglied des
Kalivereins aus Bischofferode ist in seinen 50ern, es fehlt
der Nachwuchs (...).
Dass sich etwas verschiebt im Eichsfeld, zeigten auch die
thüringischen Kommunalwahlen im Mai. Die jahrelang
unangefochtete CDU verlor neun Prozent und kam nur mehr auf 48
Prozent der Stimmen, die AfD wurde mit 13,5 Prozent auf den
zweiten, die Linkspartei mit Verlusten und rund sieben Prozent
auf den dritten Platz gewählt. Björn Höcke erhielt 12.390
Stimmen, Jüttemann für die Linke nurmehr 826 Stimmen: Es ist
das erste Mal, dass er nicht mehr im Kommunalparlament sitzen
wird",
berichten BÄHR & TÜGEL,
wobei der Niedergang der CDU dramatisiert, aber der Absturz
der Linkspartei verharmlost wird. Gerhard JÜTTEMANN
kandidierte für den Kreistag des Landkreises Eichsfeld. Auf
der Liste stand er auf Platz 6 von 17 Kandidaten. Die
Linkspartei verlor im Eichsfeld fast ein Drittel der Stimmen
gegenüber 2014. Statt der fünf, kam sie nur noch auf 2 Sitze.
JÜTTEMANN hätte also mit seiner diesjährigen Platzierung
selbst im Jahr 2014 den Einzug in den Kreistag nicht
geschafft. 2014 stand er noch auf Platz 4. Der Stellenwert des
Mythos Bischofferode innerhalb der Linkspartei ist also
geschwunden. Nichts zeigt den Bedeutungsverlust der
Protestpartei PDS deutlicher als diese Deklassierung.
WINTER, Steffen (2019): Der Landesfürst.
Thüringer
Landtagswahlen: Der erste Ministerpräsident der Linken ist äußerst
populär, hält Distanz zur eigenen Partei und zieht Kritiker
auf seine Seite. Trotzdem wird es für Bodo Ramelow schwer,
sein Amt zu verteidigen,
in:
Spiegel Nr.43 v. 19.10.
Steffen WINTER wirbt für Bodo RAMELOW, denn: "Er ist die
Partei". Joachim GAUCK wird als bekehrter RAMELOW-Fan
vorgestellt und ein CDU-naher Unternehmer wird uns als Modell
für die Landtagswahl vorgestellt: Zweitstimme für die Linke,
denn:
"Die meisten Vertreter der
Thüringer Wirtschaft seien für den Ministerpräsidenten."
SUPP, Barbara (2019): Jenseits von Schlöben.
Thüringer
Landtagswahlen: Hoffnungen: Saale-Holzlandkreis II, das ist, im
Osten Thüringens, SPD-Diaspora. Vor fünf Jahren holte die
Partei hier 9,6 Prozent. Vor der Landtagswahl wirbt ein
Briefträger für die Sozialdemokraten. Wofür kämpft man, wenn
es nichts zu gewinnen gibt?
in:
Spiegel Nr.43 v. 19.10.
Auf der Suche nach dem
Wunder in Thüringen, ist Barbara SUPP auf das Dorf Schlöben
und einen Helden der SPD gestoßen:
"Schlöben hat 900 Einwohner
und ist ein »Bioenergiedorf« von Ruf. Wer sich einer
Genossenschaft anschloss, bekommt Wärme und
Breitbandversorgung von der Kommune. Energiespender sind 470
Kühe, mit ihrer Gülle und dem Mist betreiben sie Biogasanlage,
genauer: drei Blockheizkraftwerke. Erdacht, diskutiert,
verbessert und über sieben Jahre hartnäckig mit dem
Gemeinderat zusammen durchgezogen hat das Hans-Peter Perschke,
Bürgermeister, Sozialdemokrat. (...).
Bei der letzten Kommunalwahl war die SPD in Schlöben stärkste
Kraft vor der CDU und AfD, 75 Prozent der Schlöbener gingen
zur Wahl. (...).
Ein Mensch, der einen Plan hat, der die Leute überzeugt, der
an den Nutzen für viele glaubt und deshalb gegen
Schwierigkeiten kämpft und Hinderniss3e aus dem Weg schafft,
das gibt es.
Sogar in der SPD."
Angesichts dieses
Vorbildes, sieht die SPD in Thüringen noch desolater aus.
Beispielhaft wird uns Moritz KALTHOFF, Direktkandidat im
Wahlkreis 36 Saale-Holzland-Kreis II vorgestellt, der mit
Platz 27 der Landesliste, chancenlos ist:
"Moritz Kalthoff, 27, ist
Briefträger von Beruf und Sozialdemokrat. (...).
Kalthoff wohnt in Eisenberg, in einer 11.000-Einwohner-Stadt
zwischen Jena und Gera, die im 19. Jahrhundert aufstrebender
Industriestandort war und jetzt nichts Großes mehr besitzt,
eher Mittelstand, Ziegel, Möbel, Pianos.
Es gibt einen Marktplatz mit Fachwerk, Kirche und Heimatmuseum
und einem Büro der AfD (...). Und ein vietnamesisches
Restaurant, in das fast jeder geht, schon weil kaum etwas
anderes da ist. (...).
Bei der Europawahl im Mai hat in dieser Stadt jeder Vierte CDU
gewählt, jeder Fünfte AfD, jeder Siebte die Linke, jeder 10.
SPD. Von denen, die überhaupt zur Wahl gegangen sind; hier
waren es 39 Prozent. Bei der zeitgleichen Kommunalwahl lief es
etwas besser; höhere Wahlbeteiligung, mehr Stimmen für die
SPD. (...).
Moritz Kalthoff war nicht immer Ostdeutscher, geboren ist er
in Lüdenscheid (...). Der Vater Schlosser, die Mutter
Lehrerin. (...). Ging nach Jena zum Studieren, weil das Leben
da weniger teuer war, scheiterte am Latinum. Verliebte sich,
blieb, wurde Briefträger (...).
Seit 1990 hat Thüringen sieben Prozent seiner Bevölkerung
durch Abwanderung verloren, weil es lange keine Arbeit gab.
Heute ist das anders, nur 5,1 Prozent sind arbeitslos, aber
gut bezahlt ist die Arbeit nicht. (...).
Kalthoff ist stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins
Eisenberg, er glaubt an Ideen, die von unten kommen. (...)
Nirgends merkt man so schnell wie auf der kommunalen Ebene,
wenn das Geld fehlt. Also wird er denjenigen, der an der
Schwarzen Null festhält, ganz gewiss nicht an die Parteispitze
wählen: Olaf Scholz."
Jenseits von Schlöben ist
Moritz KALTHOFF, denn wer gegen Olaf SCHOLZ ist, der ist das
Feindbild unserer kosmopolitischen Elite.
WAHLKREISPROGNOSE.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
wahlkreisprognose.de v. 20.10.
Im Vergleich zur
letzten Wahlkreisprognose
steht nun die Linkspartei schlechter und die CDU besser da.
Auch der SPD wird nun ein Mandat zugeschrieben:
Tabelle: Die 17 Wahlkreise, in denen die Direktkandidaten
einen Vorsprung von 6 und mehr Prozent haben |
Wahlkreis
(Vorsprung über 12 %) |
Partei |
KandidatIn |
Listenplatz |
AfD-Gegenkandidat |
Listen-
platz |
Werteunionkandidat |
1 Eichsfeld I |
CDU |
KÖNIG, Thadeus
(Vererbung) |
36 |
HÖCKE, Björn |
1 |
|
2 Eichsfeld II |
CDU |
TASCH, Christina
(Wiederwahl) |
4 |
SCHWERDT, Jürgen |
31 |
|
21
Suhl/Schmalkalden-Meiningen IV |
Linkspartei |
WELTZIEN, Philipp
(Vererbung) |
28 |
STIER, Martina |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian
(Ablösung der CDU) |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
25 Erfurt II |
Linkspartei |
HENNIG-WELLSOW,
Susanne
(Wiederwahl) |
2 |
- |
|
|
26 Erfurt III |
Linkspartei |
RAMELOW, Bodo
(Ablösung der CDU) |
1 |
ERFURTH, Marek |
- |
|
27 Erfurt IV |
Linkspartei |
BLECHSCHMIDT,
André
(Wiederwahl) |
14 |
MÖLLER, Stefan |
2 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen
(Ablösung der CDU) |
4 |
- |
|
|
37 Jena I |
Linkspartei |
WOLF, Torsten
(Wiederwahl) |
8 |
JANKOWSKI, Denny |
3 |
|
38 Jena II |
Linkspartei |
LUKIN, Gudrun
(Wiederwahl) |
- |
KNIESE, Tosca |
4 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Wahlkreis
(Vorsprung 6 - 12 %) |
|
|
|
|
|
|
30 Weimarer
Land I/
Saalfeld-Rudolstadt III |
CDU |
MOHRING, Mike
(Wiederwahl) |
1 |
BRAGA, Torgen |
6 |
|
3 Nordhausen I |
Linkspartei |
KELLER, Birgit
(Ablösung der CDU) |
7 |
STRUBE, René |
34 |
|
4 Nordhausen II |
Linkspartei |
MITTENDORF, Katja
(Wiederwahl) |
15 |
LEUPOLD, Andreas |
22 |
IFFLAND, Steffen |
6 Wartburgkreis
II/Eisenach |
Linkspartei |
ENGEL, Kati
(Ablösung der CDU) |
19 |
SCHREIBER, Susi |
- |
|
10
Kyffhäuserkreis I/Eichsfeld III |
Linkspartei |
MARTIN-GEHL,
Iris
(Ablösung der CDU) |
27 |
KÖHLER, Ralf |
- |
SCHARD, Stefan |
11
Kyffhäuserkreis II |
Linkspartei |
STRICKRODT,
Dietmar
(Ablösung der CDU) |
- |
COTTA, Jens |
- |
|
22 Ilm-Kreis I |
Linkspartei |
SCHAFT, Christian
(Ablösung der CDU) |
6 |
DIETRICH, Jens |
23 |
|
24 Erfurt I |
Linkspartei |
STANGE, Karola
(Wiederwahl) |
11 |
HEROLD,
Corinna |
10 |
|
32 Weimar II |
Linkspartei |
DITTES, Steffen
(Ablösung der CDU) |
4 |
- |
|
|
15 Gotha II |
SPD |
HEY, Matthias
(Wiederwahl) |
3 |
STEINBRÜCK,
Stephan |
- |
|
|
Quelle:
wahlkreisprognose.de (Stand: 20.10.2019) |
Drei Wahlkreise (Wegfall
durch Rotmarkierung gekennzeichnet) sind seit der letzten
Wahlkreisprognose für die Linkspartei unsicherer geworden: 32
Weimar II, 22 Ilm-Kreis I und 3 Nordhausen I, während bei der
CDU ein Wahlkreis aufgerückt ist. Gleiches gilt für die SPD.
Die Linkspartei könnte nun max. 22 Mandate gewinnen (- 5), die
CDU 11 (+ 5), die AfD 10 (+1; alle jedoch nur bei minimalem
Vorsprung!). Die SPD hat nur in einem Wahlkreis Chancen, dafür
die besten. Die Grünen gehen leer aus.
Fazit: Aufgrund der
Tatsache, dass nur in 17 der 44 Wahlkreise nennenswerte
Vorsprünge existieren, könnten sich eine Woche vor der Wahl
noch enorme Verschiebungen ergeben.
STENGER, Kurt
(2019): Akkus aus Arnstadt.
Thüringer
Landtagswahlen: Chinesischer Weltmarktführer errichtet
Batteriezellfabrik in Thüringen - für die deutsche
E-Auto-Wende,
in:
Neues Deutschland v. 21.10.
Nachdem Arnstadt bislang
einzig die FAZ beackert hat, will nun auch die Parteizeitung
aus Arnstadt Kapital für das bedrohte R2G schlagen. Denn der
Spatenstich wurde ganz gezielt in die Schlussphase des
Wahlkampfes gelegt, obwohl solch offensichtliche Manöver auch
schon in Sachsen nicht funktionierten:
"(Zum) Spatenstich für das
Großprojekt (...)(kamen) auch mehrere Kommunalpolitiker wie
die Landrätin des Ilm-Kreises, Petra Enders (Linke) (...).
Es geht um ein Projekt von weit mehr als regionaler Bedeutung.
Der chinesische Konzern CATL (...) errichtet in Arnstadt sein
erstes Werk außerhalb der Volksrepublik. Umgekehrt ist es die
absehbar einzige Fabrik dieser Art in Deutschland.
(...) Batteriezellen (...) machen (...) nur einen geringen
Teil der Wertschöpfung aus, und die Herstellung ist sehr
stromintensiv, weshalb die Produktion hierzulande als wenig
profitabel gilt. Kein Wunder, dass das letzte Werk
dieser Art (...) im sächsischen Kamenz, im Jahr 2015
geschlossen wurde."
Für Kurt STENGER ist die
Förderung der Batteriezellfabriken in Europa unterfinanziert,
Während CATL von staatlichen Subventionen in China profitiert.
Neben den üblichen Standortvorteilen durch die Lage nennt
STENGER weitere Pluspunkte von Arnstadt:
"Zudem konnte CATL für
Fertigung, Vertrieb und Logistik ein 70-Hektar-Areal mit
fertigen Hallen und Bürogebäude kaufen (...).
Noch wichtiger ist ein weicher Standortvorteil: Thüringen hat
besonders viele Absolventen in den MINT-Fächern. Außerdem wird
an den Universitäten in Ilmenau und Jena intensiv zu
E-Mobilität und Batterieentwicklung geforscht, auch dank
Landesmittel. Beides sind zudem Standorte von
Fraunhofer-Instituten."
Gerne wird betont, dass bis
zu 2.000 Arbeitsplätze entstehen sollen. Doch erst einmal
entstehen nur 200 Arbeitsplätze und die geplanten
Investitionen sind abhängig vom Markterfolg der E-Autos, der
keineswegs sicher ist, denn E-Autos taugen allenfalls für eine
kurze Übergangsperiode bzw. für Zweitwagen der urbanen
Mittelschicht. Thüringen könnte also auf eine
Sackgassen-Technologie setzen!
ROTHE, Simone
(2019): Batterie-Riese CATL baut Zellfabrik.
Thüringer
Landtagswahlen: Chinesische Firme investiert bis zu 1,8 Millionen
Euro in Produktion in Thüringen,
in:
Welt v. 22.10.
Wenig enthusiastisch berichtet
Simone ROTHE über die CATL-Fabrik in Arnstadt:
"Mehr als ein Jahr hatte
Tiefensee mit einem Team um die Ansiedlung gekämpft - und CATL
einen roten Teppich ausgerollt, um Bedenken wegen hoher Löhne
und Stromkosten zu zerstreuen. Das Unternehmen scheint es zu
honorieren: Der erste Spatenstich für das Großprojekt kam gut
eine Woche vor der Landtagswahl in Thüringen."
KRAUEL, Torsten
(2019): Darum vertagt sich die GroKo bei der Grundrente.
Thüringer
Landtagswahlen: Beim Koalitionsausschuss legt man sich beim
wichtigsten Symbolvorhaben zur Halbzeit der großen Koalition
noch nicht fest. Das hat mit der Thüringen-Wahl zu tun,
in:
Welt v. 22.10.
Nicht nur die GroKo legt
sich nicht fest, auch Torsten KRAUEL mäandert sich durch
seinen Artikel, der sich um das Wohl von Olaf "Schwarze Null"
SCHOLZ und Mike MOHRING sorgt:
"Es wäre sowohl für den
Kandidaten zum SPD-Bundesvorsitz, Olaf Scholz, als auch für
Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring gut gewesen, wenn
der Koalitionsausschuss gesagt hätte: Machen wir (...).
Stattdessen gibt es nun Mitte der Woche eine weitere Sitzung
der Arbeitsgruppe Grundrente. (...) Die Frage der
Bedürftigkeitsprüfung ist für die CDU eben ein Kardinalpunkt
(...). Mag sein, dass SPD und Union sich Mitte der Woche doch
noch auf einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss einigen
und kurz vor der Thüringenwahl die Fanfaren blasen. (...) Die
Grundrente darf der Union nicht schaden (...) Lieber eine
Verschiebung der Verkündigung auf den November als
GroKo-Streit kurz vor der Thüringen-Wahl."
LÖHR, Julia (2019): Abstand nach links.
Thüringer
Landtagswahlen: Wirtschaftlich haben die fünf Jahre unter Bodo
Ramelow Thüringen nicht geschadet,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.10.
Teil 5 einer FAZ-Wahlkampfkampagne
für den SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang TIEFENSEE. Julia
LÖHR vergleicht Bodo RAMELOW mit Winfried KRETSCHMANN.
Neoliberale Kennzahlen wie Arbeitslosenquote und
Wachstumsraten sprächen für Thüringen, das dem neoliberalen
Primus Sachsen (BIP pro Kopf) dicht auf den Fersen sei, doch:
"Dass die Wirtschaft von
vielen kleinen Mittelständlern geprägt ist, (...) muss kein
Nachteil sein. Schwierigkeiten könnte allerdings die große
Abhängigkeit von der Autoindustrie bereiten. Was für Sachsen
und Brandenburg der Kohleausstieg ist, ist für Thüringen der
Strukturwandel in dieser Branche. Zwar steht das Opel-Werk in
Eisenach momentan ausnahmsweise nicht auf der Kippe. Aber
mehrere Autozulieferer aus der Region mussten zuletzt
Insolvenz anmelden, andere wollen Standorte schließen. (...).
Kein Wunder, dass es der Landesregierung so wichtig war, den
Spatenstich für die neue Batteriezellenfabrik nahe Erfurt noch
vor der Landtagswahl zu feiern. (...).
Ob sich die Wähler damit beeindrucken lassen, ist fraglich. Im
Straßenwahlkampf dominiert ein anderes Thema, der Unmut über
die geringen Einkommen."
Für LÖHR sind die geringen
Einkommen - anders als für die Betroffenen - kein Nachteil,
sondern ein Vorteil für die nachwachsende kosmopolitische
Mittelschicht:
"Man sollte nicht
vergessen, dass auch die Lebenshaltungskosten geringer sind
als andernorts. Unter Studenten aus dem In- und Ausland
erfreut sich Thüringen deshalb schon seit längerem großer
Beliebtheit."
LOCKE, Stefan (2019): Mohring will's wissen.
Thüringer
Landtagswahlen: Thüringens CDU will nach fünf Jahren Opposition
endlich wieder regieren. Doch vor der Landtagswahl am Sonntag
fehlt ihr dafür eine klare Perspektive,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.10.
Stefan LOCKE porträtiert den CDU-Spitzenkandidat Mike MOHRING,
der sich schon als neuer Ministerpräsident sah:
"Doch dann kam zum
Sommerende der Einbruch in den Umfragen, die Union fiel erst
hinter die Linke, dann hinter die AfD zurück. Wie zuvor in
Brandenburg und Sachsen, schien nun (...) der Wahlkampf auf
ein Duell zwischen Amtsinhaber und AfD hinauszulaufen. (...).
Darunter leidet (...) die CDU, der Meinungsforscher zuletzt 24
Prozent attestierten, knapp zehn Prozentpunkte weniger als bei
der Wahl 2014."
LOCKE bezieht sich bei den
24 Prozent auf Infratest dimap
und nicht auf die Forschungsgruppe Wahlen, die am gleichen Tag
26 Prozent für die CDU prognostizierte.
"In Bad Berka, südlich von
Weimar - es ist Mohrings Wahlkreis - ist die
Grundrente gleich das
erste Thema, das ihn am Morgen nach dem Abend in Greiz
erreicht. (...). »Mit dem Thema gewinnt man sicher keine Wahl,
aber es würde zumindest deutlich, dass wir uns in Berlin
durchsetzen könne«, sagt er später. Er hofft, dass sich die
große Koalition noch in dieser Woche einigt".
Zum Schluss nennt LOCKE
zwei Aspekte, die MOHRING ungelegen sind:
"Das Vertrauen in ihn hat
(...) gelitten, auch weil er nach der Wahl 2014 (...) versucht
haben soll, Rot-Rot-Grün zu verhindern. Heute schließt er eine
Koalition mit der AfD ebenso wie mit der Linkspartei aus. Auch
deshalb habe ihn der »Rat« von Altbundespräsident Joachim
Gauck geärgert, der Thüringens CDU Gespräche mit der Linken
nach der Wahl empfohlen hat. (...). Vielmehr setzt er auf eine
noch nie dagewesene Vierer-Koalition mit SPD, Grünen und FDP."
MOHRING pokert hoch, denn
die FDP wird voraussichtlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern.
LITSCHKO, Konrad (2019): Hasspost mit tausend Absendern.
Thüringer
Landtagswahlen: Nach Morddrohungen erfährt der Thüringer
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring breite Solidarität. Doch auch
andere werden bedroht. Ermittler finden gegen den Hass kein
Mittel,
in:
TAZ
v. 22.10.
HAAK, Sebastian
(2019): Widerspruch und Wirklichkeit.
Thüringer
Landtagswahlen: In Eisenach hat die Neonazi-Szene trotz der
rot-rot-grünen Landesregierung Oberwasser bekommen,
in:
Neues Deutschland v. 22.10.
In
Eisenach stellt die Linkspartei mit Katja WOLF seit 2012
die Oberbürgermeisterin und Thüringens Innenminister Georg
MAIER (SPD) wird als erfolgreicher Rechtsextremismusbekämpfer
gepriesen. Deshalb will Sebastian HAAK nun erklären, warum die
Neonazis in Eisenach trotz Rot-Rot-Grün so erfolgreich sind:
"Das, was in Eisenach, aber
auch in Themar oder Kahla im Kleinen geschieht, ist ein
Widerspruch zum engagierten Kampf gegen Rechts, der unter
Rot-Rot-Grün geführt worden ist. Nach Einschätzung von
König-Preuss sind es mehrere Faktoren, die dazu geführt haben,
dass die Neonazi-Szene in Eisenach in den vergangenen Jahren
so stark geworden ist; Faktoren, die unabhängig von
Rot-Rot-Grün sind."
R2G ist nach dieser Sicht
unschuldig, weil die Zivilgesellschaft (nicht genug
Engagement) und die Polizei (Unterschätzung der Gefahr)
versagt haben.
"Zudem (...) habe die Szene
mit dem sogenannten Flieder Volkshaus von Eisenach vor etwa
fünf Jahren eine Immobilie übernommen, die heute ein wichtiger
Stützpunkt der Neonazis nicht nur in der Stadt, sondern in der
gesamten Region sei. (...). Gleichzeitig sei die Immobilie
aber immer wieder auch ein Anlaufpunkt für »Menschen aus der
sogenannten bürgerlichen Mitte«, wenn dort Familienfeste oder
Ähnliches stattfänden. Wozu passt, dass ausgerechnet der
NPD-Funktionär (..) bei der Kommunalwahl in Eisenach im Mai
genau 4.600 Stimmen erhielt. Nur Wolf bekam noch mehr Stimmen
als er."
Bei der Kommunalwahl verlor
die Linkspartei und ist nun mit 8 Sitzen nur noch so stark wie
AfD (4 Sitze) und NPD (4 Sitze). Nimmt man die CDU (7 Sitze)
hinzu, dann sind die rechten Parteien in Eisenach in der
Mehrzahl, da die Grünen auch nur auf 4 Sitze kommen.
Fazit: Eisenach zeigt, dass
Rot-Rot-Grün selbst in den thüringischen Mittelstädten
schwächelt. Das ist gerade in einem Bundesland wie Thüringen
fatal, in dem die Mehrheit im ländlichen Raum wohnt. Wer wie
R2G eine reine Großstadtpartei ist, dessen Basis wird schnell
erodieren.
POLLMER, Cornelius (2019): Der rote Konservative.
Thüringer
Landtagswahlen: Bodo Ramelow regiert in Thüringen so pragmatisch
und präsidial, dass seinen Gegnern die Angriffe schwerfallen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 22.10.
Das Proträt von Cornelius
POLLMER reiht sich ein in die Unzahl der bereits gedruckten,
denn die Hyperpersonalisierung des Ministerpräsidenten, hinter
der sich die Linkspartei wegduckt, lässt keinen Raum links
oder rechts.
"Statt alles umzukrempeln
im Land, gestand Rot-Rot-Grün lieber mal ein Scheitern ein wie
bei der geplanten Gebietsreform - und steht nach fünf Jahren
eher vor der Frage, was genau die Regierung Ramelow erreicht
hat außer der Einstellung von Lehrern und der Einführung eines
Azubi-Tickets",
fasst POLLMER die Bilanz
zusammen. RAMELOW wird uns als Verfechter des
aktivierenden Sozialstaats präsentiert:
"Ein Linker, der auf
Eigenverantwortung verweist und diese politisch unterstützen
möchte".
FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN (2019): Politikbarometer-Extra Thüringen
Oktober II.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
Forschungsgruppe Wahlen v. 24.10.
Obwohl die Umfragen für ZDF und ARD
in der gleichen Zeitspanne stattfanden, gibt es doch erstaunliche
Differenzen. Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede beider
Umfragen:
Umfrage |
Stärkste Partei |
Zweitstärkste Partei |
Drittstärkste
Partei |
Viertstärkste
Partei |
Fünftstärkste
Partei |
Sechststärkste
Partei |
ZDF-Politikbarometer
(23. - 24.10.2019) |
Linkspartei |
28% |
CDU |
26% |
AfD |
21% |
SPD |
9% |
Grüne |
7% |
FDP |
5% |
ZDF-Politikbarometer
(14. - 16.10.2019) |
Linkspartei |
27% |
CDU |
26 % |
AfD |
20% |
SPD |
9% |
Grüne |
8% |
FDP |
5% |
Differenzen |
|
+1% |
|
0% |
|
+1% |
|
0% |
|
-1% |
|
0% |
Das CDU-freundliche
Politikbarometer hofft auf einen Einzug der FDP, damit die CDU
doch noch Chancen auf die Regierungsbildung unter Mike MOHRING
hat. Der ARD-Ländertrend sah dagegen
keine Chancen für die FDP. Bei Linkspartei, Grünen und AfD gab
es eine Annäherung an die ARD-Prognose.
Fazit: Das ZDF setzt auf
einen Regierungswechsel, während die ARD eine Fortsetzung von
Rot-Rot-Grün vorsieht. Welche Medien die Parteifans
erfolgreicher mobilisieren konnten, das wird sich am Wahltag
entscheiden. Innerhalb der einen Woche, die zwischen den
ZDF-Umfragen lag, hat sich keine Veränderung bei de
Unentschlossenen und potenziellen Nichtwählern ergeben. Wie
zuvor sind 38 % der Wähler noch unsicher. Angesichts dieser
Unsicherheiten könnte es durchaus größere Abweichungen zu den
Umfrageergebnissen geben.
POLLMER, Cornelius (2019): Der tut was.
Thüringer
Landtagswahlen: Matthias Hey hat das einzige Direktmandat für die
SPD in Thüringen. Für seine Partei ist das fast ein Wunder. Er
will es mit aller Kraft verteidigen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 24.10.
"Für seine Sympathisanten
ist Hey ein Hoffnungsträger, der rote Ritter von Gotha City.
Aber die anderen Kämpfer haben aufgerüstet. »Die Stadt ersäuft
im Blau«, sagt Hey (...). Das Gesicht dieser Erde hat auf
vielen Plakaten die Farbe der AfD bekommen. Noch mehr
Unbehagen verspricht die CDU. Das Budget von Heys
Gegenkandidatin Marion Rosin soll gewaltig sein, ihre Plakate
sind jedenfalls doppelt so groß wie die von Hey und den
anderen. Als wäre das nicht genug, kam kürzlich Heys
Wahlkampfzeitung in halbiertem Format aus der Druckerei (...).
So schwer der Wahlkampf auch deswegen fällt, Matthias Hey
versteht die Strategie der Konkurrenz. Es sei doch klar, »wenn
du der SPD in Thüringen endgültig das Genick brechen willst,
dann musst du ihr diese rote Bastion nehmen«",
erzählt uns Cornelius
POLLMER und lädt damit den Kampf um den Wahlkreis 15 Gotha II
emotional auf. Dabei gilt der Wahlkreis sowohl bei
election.de als auch bei
wahlkreisprognose.de
als einer der wenigen Wahlkreisen, bei denen sich ein größerer
Vorsprung abzeichnet.
Erst nach Erscheinen des Artikels wird der Wahlkreis von
Matthias HEY als unsicherer eingestuft. Auch
die taz machte schon
kräftig Werbung für den SPD-Direktkandidaten.
HEY wird den Wahlkreis mit
38,2 Prozent vor der AfD (22,7 %), der Linkspartei (17,4 %)
und der CDU-Kandidatin Marion ROSIN (14,6 %) ganz klar
gewinnen. Was uns POLLMER jedoch verschweigt, das schreibt
zwei Tage später Ulrike NIMZ
ebenfalls in der SZ:
"Die rot-rot-grüne Mehrheit
in Thüringen war schon immer fragil. sie hing über weite
Strecken an nur einer Stimme. Im April 2016 war der
AfD-Abgeordnete Oskar Helmerich (...) zu den Sozialdemokraten
übergelaufen, ein Jahr später aber wechselte die
SPD-Abgeordnete Marion Rosin ins Lager der Christdemokraten.
Es waren die Momente, in denen das Thüringer Regierungsmodell
bundesweit Aufmerksamkeit erregte".
Die
sozialdemokratische Hassfigur Marion ROSIN dürfte entscheidend
zur Mobilisierung der SPD-Sympathisanten beigetragen haben.
BARTSCH, Michael (2019): Allen Untergangsprognosen getrotzt.
Thüringer
Landtagswahlen: Nach fünf Jahren klopft sich Rot-Rot-Grün in
Thüringen auf die Schulter. Die drei Koalitionspartner würden
am liebsten zusammen weitermachen,
in:
TAZ
v. 24.10.
Michael BARTSCH listet noch einmal alle mehr oder weniger
vermeintlichen Erfolge der Regierung auf, um der CDU
gleichzeitig einen Seitenhieb zu verpassen:
"Die CDU-Kritik am Lehrer-
und Polizistenmangel oder an schwacher Kommunalfinanzierung
gleicht einem Eigentor. Linke, SPD und Grüne haben die rigide
Sparpolitik und den Personalabbau der CDU-geführten
Vorgängerregierungen gestoppt. Statt der im Koalitionsvertrag
vorgesehenen 2.500 sind 3.900 Lehrer neu eingestellt worden,
was freilich immer noch keine vollständige
Unterrichtsversorgung sichert. Tausend Erzieherinnen mehr
verbessern die Kita-Betreuung."
Der Lehrermangel in
Deutschland ist nicht irgendeiner Partei zu verdanken, sondern
der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme und damit
verbundene unrealistische Bevölkerungsvorausberechnungen, die
nur ein Ziel hatten: Sozialausgaben zu verhindern. Die
Kollateralschäden solcher politisch motivierten
Bevölkerungsvorausberechnungen werden nun im
Bildungsbereich spürbar, wobei die Probleme sich rasch
ausweiten werden.
Selbst die gescheiterte
Gebietsreform wird noch als Erfolg präsentiert. Daneben werden
vermeintliche Vorzeigeprojekte der Grünen und der SPD
hervorgehoben. Die Nichterreichung von Zielen wird dagegen
nicht der Politik, sondern der Personalnot in der Verwaltung
angelastet:
"Aber die Planungs- und vor
allem Baukapazitäten reichten für das Förderangebot oft nicht
aus. Von 400 Millionen Euro für die Sanierung von Schulen
beispielsweise wurden bislang lediglich 220 Millionen
abgerufen. Defizite (...) auch beim Breitbandausbau.
Beachtlich ist indes die Umkehr der Privatisierungstendenzen
bei der Daseinsvorsorge. So blieb etwa die rund 70 Millionen
Euro teure Übernahme von 5.000
Geraer Wohnungen in Landeseigenturm bislang beispiellos."
Verkehrswende? Fehlanzeige
im Autoland Thüringen!
LÖWISCH, Gerd (2019): Im Labor wird's spannend.
Thüringer
Landtagswahlen: Kommentar zur Bedeutung der Wahl in
Thüringen,
in:
TAZ
v. 24.10.
"Während im Sommer vor den
Wahlen in Brandenburg und Sachsen ein medialer Countdown lief,
ist von Thüringen kaum die Rede.
Das hat Gründe. (...). Ein wenig ist die rot-rot-grüne
Regierung (...) selbst schuld: Sie legte den Wahltermin (...)
so spät wie möglich (...). Das Kalkül: Nach dem AfD-Schocker
in Brandenburg und Sachsen profitieren wir von der
Gegenmobilisierung. Jetzt wirkt es aber so, als wollten viele
das Land (...) am liebsten wegschweigen",
erkennt Gerd LÖWISCH
reichlich spät, denn das war hier schon vor zwei Wochen auf
dieser Website zu lesen. LÖWISCH versucht zu erklären, warum
die Thüringen-Wahl bedeutsam ist. Die Wahl soll Björn HÖCKE
seine Grenzen aufzeigen, doch wird sie in erster Linie die
Grenzen von Rot-Rot-Grün aufzeigen, denn die Fixierung auf den
völkischen Flügel der AfD könnte zum Bumerang werden!
HAAK, Sebastian
(2019): Druck von unten.
Thüringer
Landtagswahlen: Die CDU sagt, sie will nicht mit der AfD
kooperieren. In den Kommunen wackelt der Vorsatz,
in:
Freitag
Nr.42 v. 24.10.
Mit dem Slogan "Bodo oder
Barbarei" will die Linkspartei die AfD kleinhalten. Sebastian
HAAK sieht in dem CDU-Direktkandidaten Michael HEYM einen
Sympathisanten der AfD. Dies konnte jedoch nicht dessen
wichtigen Sieg im
Wahlkreis 12 Schmalkalden-Meiningen I verhindern, der den
Einzug in den Landtag bedeutete. CDU-Kandidaten kamen bei der
Wahl nämlich nur über Direktmandate zum Zug.
HAAK, der der harten Linie
von Susanne HENNIG-WELLSOW einer strikten Ablehnung jeglicher
Kooperation mit der AfD vertritt, geißelt Kooperationen auf
Ebene der Kommune. Beispiele findet er in
Geisa (Wahlkreis
5 Wartburgkreis I) und in
Langenwetzendorf (Wahlkreis
39 Greiz I).
"Im Zuge der Wahlen hat die
AfD zahlreiche Sitze in den Gemeinde- und Stadträten sowie
Kreistagen errungen. CDU- und AfD-Vertreter zeigen dort nicht
selten Umgang miteinander (...)
Dort (...) zeigen sie kaum Hemmungen, mit ihnen über die
Sanierung von Straßen, mehr Kitaplätze oder kommunale
Zuschüsse für Sportvereine zu reden. Ihr Argument: Die
Kommunalpolitik sei nicht der richtige Ort für Parteipolitik,
dort gehe es darum, das Leben für die Menschen ganz konkret
besser zu machen. (...). Gerade vor Ort gelte es, den Menschen
mit einem eigenen Antrag zu zeigen, dass die AfD eben nicht
die Partei sei, die sich um Probleme kümmere",
zitiert HAAK die grüne
Landtagsabgeordnete Madeleine HENFLING. Ob sich damit eine
Normalisierung der AfD verhindern lässt, das ist jedoch eine
ganz andere Frage. Wer welchen Antrag ins Parlament
eingebracht hat, das wissen die wenigsten Wähler. Die
Argumente zeigen eher wie realitätsfern Politiker und
Journalisten sind.
WAHLKREISPROGNOSE.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
wahlkreisprognose.de v. 25.10.
Gegenüber der
letzten Prognose gab
es kaum Veränderungen bei den sicheren Wahlkreisen. Der
sichere SPD-Wahlkreis 15 Gotha II ist unsicherer geworden (nur
noch 3-6 % Vorsprung statt 6-12 %. Auch bei der Linkspartei
ist der Wahlkreis 11 Kyffhäuserkreis II unsicherer geworden.
Bei geschwundenen Vorsprüngen könnte die Linkspartei jedoch 24
Wahlkreise (+ 2) und die AfD nur noch 8 (- 2) gewinnen. Bei
den anderen Parteien gibt es keine Veränderungen.
ELECTION.DE (2019): Erststimmenprognose LTW Thüringen.
Thüringer
Landtagswahlen,
in:
election.de v. 25.10.
Gegenüber der
letzten Prognose vor einer
Woche gab es kaum Veränderungen bei den sicheren Wahlkreisen.
Jedoch sind bei der Linkspartei 2 Wahlkreise unsicherer
geworden: 32 Weimar II und 44 Altenburger Land II. Die CDU
könnte maximal 19 Wahlkreise, die Linkspartei 21 Wahlkreise,
die SPD einen und die AfD maximal 3 Wahlkreise (
28
Saalfeld-Rudolstadt I, 40 Greiz II und 43
Altenburger Land I)
gewinnen.
Vor zwei Wochen
waren der AfD noch 12 Wahlkreise mit Vorsprung zugeschrieben
worden.
ROTHENBERG, Christian (2019): Thüringen droht ein Patt.
Thüringer
Landtagswahlen: Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow bangt um
sein Amt. Schlimmstenfalls reicht es in seinem Bundesland
nicht einmal für eine Vier-Parteien-Koalition,
in:
Handelsblatt v. 25.10.
Das Handelsblatt
präsentiert eine Grafik mit der aktuellsten INSA-Umfrage. Zur
AfD wird angemerkt, dass der Verband der Wirtschaft Thüringens
vor einem Imageschaden gewarnt hat.
HÜBNER, Wolfgang
(2019): Auf der Regierungsstraße.
Thüringer
Landtagswahlen: Fünf Jahre mit Bodo Ramelow als Ministerpräsident
haben die Thüringer Linke nicht entzaubert. Im Gegenteil,
in:
Neues Deutschland v. 25.10.
Wolfgang HÜBNER zeichnet eines der
üblichen Bodo RAMELOW-Porträts, das sich nur in einem abhebt:
"Wer jetzt durch das Land
fährt, sieht die Plakate, das finale Motiv einer Serie:
aufknallrotem Grund der weiße Schriftzug »Bodo Ramelow! Die
Linke«. Sonst nichts, kein Bild, nur der Name."
In allen anderen Porträts
werden Plakate genannt, die die Linkspartei ausblenden. Nicht
fehlen darf das einzige Leuchtturmprojekt, das Rot-Rot-Grün
offenbar auf die Beine gebracht hat: die
chinesische Batteriefabrik in
Arnstadt.
"Ein bemerkenswerter
Ansiedlungserfolg, der aber Folgen hat für Arbeitskräfte,
Wohnungsfragen, den Nahverkehr."
ND/DPA
(2019): Thüringen will ein Institut für Gipsersatz.
Thüringer
Landtagswahlen: Mit dem Kohleausstieg werden auch die
Gipsvorkommen knapp. Natürliche Vorkommen etwa im Südharz
werden den Bedarf nicht decken können. Der Freistaat will an
Ersatzstoffen forschen,
in:
Neues Deutschland v. 25.10.
Der SPD-Wirtschafsminister Wolfgang
TIEFENSEE versucht sich in Nordhausen mit einem
Kompetenzzentrum profilieren.
"Thüringen ist mit
Vorkommen im Südharz das wichtigste Gipsabbaugebiet in
Deutschland. (...). In Nordhausen und Weimar liefen bereits 15
Forschungsprojekte zum Gipsrecycling und zur Entwicklung von
Ersatzbaustoffen."
In den beiden Nordhausener
Wahlkreisen wird zwar die Linkspartei gewinnen, aber die SPD
kann nicht profitieren, sondern bleibt dort auf
Landesdurchschnitt.
KRÜGER, Anja (2019): Wer Wind erntet, sät Sturm.
Thüringer
Landtagswahlen: Windräder verschandeln die Wälder, davon ist der
Gärtner Tobias Gruber überzeugt. Über all im Thüringer
Wahlkampf mischen Bürgerinitiativen gegen Windenergie den
Wahlkampf auf. Wirklich dagegen halten mag kaum einer,
in:
TAZ
v. 25.10.
Dies ist der erste taz-Bericht,
der nicht dem üblichen Mantra der R2G-Erfolge in Thüringen
folgt, sondern die Schwäche der Grünen aufzeigt, denn mit der
FDP ist den Grünen im ländlichen Raum ein Gegner erwachsen,
der die Grünen an den Rand einer Katastrophe bringen wird:
"St.
Gangloff liegt zwischen Gera und Jena im
Saale-Holzland-Kreis in einer wunderschönen Landschaft mit
viel Wald und grünen Hügeln. Knapp 1.200 Menschen leben in dem
Örtchen. Viele fürchten, dass es bald mit der Idylle vorbei
ist. Denn am Rande des Dorfs sollen neun gewaltige Windräder
gebaut werden, für die viele Hektar Wald weichen müssen. Die
Windräder werden mit einer Gesamthöhe von mehr als 230 Metern
und einem Rotordurchmesser von fast 150 Metern die Bäume weit
überragen. Die BürgerInnen fürchten um ihre Lebensqualität
durch Bau und Betrieb, durch Lärm und durch die Zerstörung des
Waldes. Wer ein Eigenheim besitzt, macht sich Sorgen um einen
möglichen Wertverlust. 1.000 Widerspräche haben BürgerInnen
gegen das Projekt eingereicht.
St. Gangloff ist kein Einzelfall. (...). Die FDP biete sich
als parlamentarischer Arm der Windkraftgegner an. Doch die
haben längst einen - jedenfalls in Hermsdorf. Die
Bürgerinitiative hat bei den letzten Kommunalwahlen im Mai 46
Prozent geholt, im Landkreis über 10 Prozent. Als
Direktkandidat für den Thüringer Landtag tritt eines ihrer
Mitglieder an, der Landschaftsgärtner Tobias Gruber (...).
Gruber sieht sich und seine Leute als die wahren
UmweltaktivistInnen. (...). Auf Landesebene ist das (...)
Infrastrukturministerium in der Hand der Linkspartei. Es ist
für Windenergie zuständig. Doch die Linken spielen bei den
WindkraftgegnerInnen eine untergeordnete Rolle, die SPD gar
keine. Sie haben vor allem die Grünen im Visier. (...).
In der Region gibt es durchaus AnwohnerInnen, die mit
Leidenschaft für Windenergie sind, auch im Wald. Einer von
ihnen ist Olaf Möller, Staatssekretär der Grünen im Thüringer
Umweltministerium, einer der Gegenkandidaten von Gruber.
(...).
WindkraftbefürworterInnen wagen sich in Thüringen selten aus
der Deckung. Selbst die Grünen haben für den Wahlkampf keine
Plakate mit Windrädern gestalten lassen, und Veranstaltungen
zu dem Thema gibt es nicht. Dafür machen einige junge Leute
mobil."
St. Gangloff gehört zum Wahlkreis 35 Holzland-Saale-Kreis
I. Dort erhielt die FDP 11,4 % der Zweitstimmen und Tobias
GRUBER 38,5 Prozent. Diese reichten jedoch nicht für den Sieg
im Wahlkreis. In der Gemeinde Eineborn erhielt die FDP mit
16,8 Prozent sogar das Dreifache an Stimmen als auf
Landesebene, während die Grünen auf 0,5 Prozent kamen. Der von
Anja KRÜGER erwähnte FDP-Direktkandidat Hardy SCHEIDIG trat
nicht in diesem Wahlkreis an, sondern im
Wahlkreis 36 Holzland-Saale-Kreis II. Im
Wahlkreis 35 Holzland-Saale-Kreis I trat dagegen der
FDP-Direktkandidat Stefan BEYER an, der mit 5,6 % mehr Stimmen
als der grüne Direktkandidat (5,1 %) bekam. Bei den
Zweitstimmen lag die FDP im Wahlkreis sogar bei 6,7 %
gegenüber den 4,3 % der Grünen. Tobias GRUBER erreichte 6,4 %.
KAMANN, Matthias & Annelie NAUMANN (2019): "Hier kann man sich
ohne Angst zur AfD bekennen".
Thüringer
Landtagswahlen: Am Sonntag wird in
Thüringen gewählt. Rund um Gera ist die Empfänglichkeit für
die rechte Partei mit ihrem radikalen Spitzenkandidaten Björn
Höcke besonders groß. Das hat aber nicht allein mit
ostdeutschen Besonderheiten zu tun,
in:
Welt v. 25.10.
"(In) Ostthüringen (...),
wo die AfD in Gera bei der Kommunalwahl im Mai auf 28,8
Prozent kam und seither die stärkste Fraktion im Stadtrat
stellt. Zu diesem Erfolg der Partei hat beigetragen, dass man
sich hier in Ostthüringen benachteiligt fühlt - innerhalb des
Freistaats: Benachteiligt sehen sich die Geraer gegenüber der
Prosperität in den anderen Großstädten Erfurt und Jena.
Gera ist die drittgrößte Stadt Thüringens (...). Ab 1990
fielen Tausende von Arbeitsplätzen weg, blühende Landschaften
gab es hier zuletzt 2007 bei der Bundesgartenschau, auf dem
Areal eines ehemaligen Uranerzbergbaus. Von 135.000 Bewohnern
im Jahr 1989 sind 95.000 geblieben. (...).
Es gibt in der Stadt eine auflagenstarke, kostenfreie
Wochenzeitung, sie heißt »Neues Gera« und erscheint im Verlag
des AfD-Fraktionschefs im Stadtrat. (...).
Die Partei verfügt in Gera sogar über bemerkenswert großen
Rückhalt bei Leuten, die als etabliert und wohlhabend gelten
können. Zu ihnen gehört Jörg Müller, Jahrgang 1968, der eine
Augenarztpraxis hat und ebenfalls der AfD-Stadtratsfraktion
angehört. (...).
Gera, wo noch viele Wohnungen leer stehen, erlebt einen Zuzug
von Asylsuchenden und Flüchtlingen aus anderen Teilen
Thüringens. Der Anteil aller Ausländer lag in der Stadt Ende
2018 bei knapp sieben Prozent.
(...) Dieter Laudenbach, (...) Inhaber des Geraer Kaffeehauses
»Graf Zeppelin«, in dem sich viele Ärzte, Juristen und
Unternehmer zum Mittagessen treffen (...), Jahrgang 1957,
kandidierte 2018 in Gera bei der Oberbürgermeisterwahl und
unterlag erst in der Stichwahl. Am Sonntag tritt er für die
AfD bei der Landtagswahl an",
berichten KAMANN & NAUMANN
über die Lage in Gera. Während Dieter LAUDENBACH jedoch den
Wahlkreis 41 Gera I an die Linkspartei verlieren wird,
wird im
Wahlkreis 42 Gera II der
AfD-Kandidat Wolfgang
LAUENWALD vor der Linkspartei gewinnen. Nicht einmal, dass
dort der SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang TIEFENSEE antrat,
konnte diesen Sieg verhindern. Oder gewann die AfD gerade
wegen TIEFENSEE, der der Linkspartei die entscheidenden
Stimmen wegnahm?
ECKERT, Daniel (2019): Zweifel an Thüringens
Zukunftsfähigkeit.
Thüringer
Landtagswahlen: Auf den ersten Blick steht das Bundesland heute
besser da. Doch vor der Landtagswahl zeigt sich: Dem Freistaat
mangelt es an Gründern und Dynamik,
in:
Welt v. 25.10.
"Mit 1,05 Millionen
Erwerbstätigen zählte Thüringen Ende 2018 in etwa so viele
(...) wie 2013. Wenn die Arbeitslosigkeit seither dennoch
deutlich zurückgegangen ist, so liegt das zum nicht geringen
Teil an der Demografie. (...). Schon jetzt ist ein Drittel der
Thüringer 60 Jahre oder älter. Lediglich das Nachbarland
Sachsen-Anhalt weist mit 34 Prozent einen noch höheren Anteil
an Senioren auf. (...). Thüringen ist ein Bundesland der
starken Kontraste: Während die Zahl der Älteren in der
Studentenstadt Jena bei 26,5 Prozent liegt, haben in Suhl vier
von zehn Einwohnern ihren 60. Geburtstag bereits hinter sich.
Die alte Industriestadt ist symptomatisch: Wie viele andere
Gebietskörperschaften im Osten musste Suhl einen
demografischen Aderlass verkraften.
Seit der Wende 1989 hat Suhl fast 40 Prozent seiner Einwohner
verloren, Thüringen insgesamt zählt heute 445.000 Menschen
weniger als zu Beginn der Neunzigerjahre. Das entspricht einem
Bevölkerungsschwund von 17 Prozent. Nur Sachsen-Anhalt musste
mit 22 Prozent ein größeres Minus hinnehmen.
Und wie im Nachbarland ist auch in Thüringen der Rückgang
keineswegs gestoppt. Während Brandenburg, Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern den Trend umkehren konnten (...).
Leben und Wirtschaften im Freistaat sind zum nicht geringen
Teil von Menschen im Rentenalter geprägt. Den gut eine Million
Erwerbstätigen stehen 659.000 Ruheständler gegenüber, davon
283.000 Männer und 376.000 Frauen, wie aus Daten der Deutschen
Rentenversicherung Bund hervorgeht. Und von den zehn Städten
und Landkreisen mit dem höchsten Anteil von Älteren in
Deutschland liegen nicht weniger als fünf in Thüringen: Neben
Suhl sind das das Altenburger Land, Greiz, Gera und
Saalfeld-Rudolstadt.
Die Tendenz zur Vergreisung (...) hat Rückwirkungen auf die
Innovationsfähigkeit",
erzählt uns Daniel ECKERT,
der Innovationsfähigkeit mit der Anzahl der Patentanmeldungen
im Bereich Digitalisierung und dem Anteil der Gründer gemessen
an 10.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten
gleichsetzt. Bei den Zahlen zur Alterung fällt auf, dass
einmal von "Senioren", dann wieder von "60 Jahre und älter"
gesprochen wird, während in anderen Artikeln der Welt
die Steigerung der Seniorenerwerbstätigkeit bejubelt wird.
Außerdem fehlt bei diesen Zahlen der Zeitpunkt der Erhebung.
"Im Ländervergleich zeigt
sich die Alterung der Gesellschaft unterschiedlich stark: In
Brandenburg (+67,6 %), Mecklenburg-Vorpommern (+61,1 %) und
Schleswig-Holstein (+49,8 %) ist die Zahl der Seniorinnen und
Senioren seit 1997 am deutlichsten gestiegen",
meldete das Statistische
Bundesamt in der Pressemitteilung
Rund jede fünfte Person in Deutschland ist 65 Jahre oder älter
(27.09.2018) zur Entwicklung der Alterung von 1997 bis 2017 in
den Bundesländern.
Im Jahr 2017 (aktuellster
Datenbestand) waren gemäß
DESTATIS-Regionalatlas in Sachsen-Anhalt 26 Prozent älter
als 65 Jahre. In Sachsen waren es 25,9 % und Thüringen 25,3 %.
Es ist also der Willkür des Journalisten geschuldet, wenn
Thüringen "demografisch" schlechter dasteht als Sachsen.
Auch wenn man die 10
kreisfreien Städte und Landkreise betrachtet, bietet der
DESTATIS-Regionalatlas für das Jahr 2017 zwei Indikatoren zur
Alterung an: zum einen den Anteil der 65 Jahre und Älteren und
zum anderen das
Durchschnittsalter der Bevölkerung. Dies ergibt dann die
folgende Rangliste:
Rang |
Kreisfreie
Stadt/Landkreis (Lkr) |
Bundesland |
Anteil 65 + |
Durchschnittsalter |
1 |
Suhl |
Thüringen |
31,5 % |
50,5 Jahre |
2 |
Dessau-Roßlau |
Sachsen-Anhalt |
30,8 % |
49,9 Jahre |
3 |
Altenburger
Land (Lkr) |
Thüringen |
29,9 % |
50,0 Jahre |
4 |
Vogtlandkreis
|
Sachsen |
29,5 % |
49,3 Jahre |
5 |
Görlitz (Lkr) |
Sachsen |
29,1 % |
49,2 Jahre |
6 |
Mansfeld-Südharz (Lkr) |
Sachsen-Anhalt |
28,9 % |
49,8 Jahre |
7 |
Erzgebirgskreis |
Sachsen |
28,8 % |
48,8 Jahre |
7 |
Zwickau (Lkr) |
Sachsen |
28,8 % |
48,8 Jahre |
9 |
Greiz (Lkr) |
Thüringen |
28,5 % |
49,8 Jahre |
10 |
Saalfeld-Rudolstadt (Lkr) |
Thüringen |
28,4 % |
49,4 Jahre |
11 |
Gera |
Thüringen |
28,4 % |
48,7 Jahre |
Die von ECKERT aufgezählten
5 Städte in Thüringen belegen die ersten 11 und nicht 10
Plätze. Da Sachsen im Gegensatz zu Thüringen eine
Gebietsreform durchgezogen hat, wird das Ergebnis durch die
unterschiedliche Zahl der Gebiete verfälscht. Während
Thüringen auf 23 Kreise und Städte kommt, sind es in Sachsen
nur 13. In Sachsen-Anhalt sind es 14. Da in der Regel Gebiete
mit schlechten Kennzahlen von der Landkarte verschwinden, kann
die Statistik also zu Fehldeutungen verleiten.
Innovationsfähigkeit von
Regionen ist in erster Linie politischen Entscheidungen und
wirtschaftlichen Erwägungen geschuldet. So entsteht z.B. in
Zwickau ein modernes E-Auto-Werk, obwohl Zwickau
altersstrukturell eigentlich völlig ungeeignet wäre -
zumindest, wenn man die simplen Maßstäbe von ECKERT anlegt.
SÜDDEUTSCHE
ZEITUNG-Tagesthema:
Thüringen vor der Wahl.
Bodo Ramelow ist Deutschlands erster linker Ministerpräsident. Zu
seinem Amtsantritt gab es Proteste, inzwischen zollen ihm sogar
CDU-Politiker Anerkennung. Dennoch muss er nun um seine Mehrheit
fürchten |
NIMZ, Ulrike (2019): Bis nichts mehr geht.
Thüringer
Landtagswahlen: Linke, CDU und AfD schließen Koalitionen
untereinander aus. Gut möglich, dass in Erfurt keine
Regierungsmehrheit zustande kommt
in:
Süddeutsche Zeitung v. 26.10.
"Das dritte Szenario ist
(...) Umfragen zufolge wahrscheinlich: Es gibt keine Mehrheit
jenseits der AfD oder eines Bündnisses von CDU und Linken, das
beide Parteien klar ablehnen. In diesem Fall bliebe Bodo
Ramelow so lange Ministerpräsident, bis sich eine
Minderheitsregierung gefunden hätte. Anders als in Sachsen und
Brandenburg gibt es in Thüringen keine Frist für die
Regierungsbildung",
erklärt uns Ulrike NIMZ,
deren Artikel eine
Umfrage-Grafik der Forschungsgruppe Wahlen ziert.
POLLMER, Cornelius (2019): Wem die Fehlstunde schlägt.
Thüringer
Landtagswahlen: Unterrichtsausfall, Schuldenberg,
Verfassungsschutz: Wie die Bilanz von Rot-Rot-Grün aussieht
und vor welchen Aufgaben das Land steht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 26.10.
"Aus der enormen Bedeutung
des Themas Lehrermangel im Wahlkampf lässt sich bereits
ableiten, dass diese Herausforderung wesentlich werden wird
für die nächste Regierung, ganz gleich welche Parteien daran
beteiligt sein werden",
meint Cornelius POLLMER,
der wie üblich die Bilanz von Rot-Rot-Grün schönfärbt. Der
Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs könnte genauso wie
die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum der Haushaltsdisziplin
zum Opfer fallen. Bekanntlich halten sich R2G streng an die
neoliberale Austeritätspolitik. Ulrike NIMZ erzählt uns
dagegen heute, dass es dämlich ist, wenn SPD-Politiker das
auch noch im Wahlkampf betonen:
"Wolfgang Tiefensee (...)
sagt Sätze wie: »Im Dorf gibt es keinen Arzt, kein Bus fährt
in die nächste Stadt, unsere Schulen leben in der Kreidezeit.«
Ist das klug nach insgesamt zehn Jahren
Regierungsbeteiligung?"
Fazit: Rot-Rot-Grün ist
kein linkes Projekt, sondern ein neoliberales!
ENDT, Christian (2019): Zuhören und mitzählen.
Thüringer
Landtagswahlen: Die Politik will mehr über die Meinung der
Bevölkerung erfahren. Warum stehen dann ausgerechnet
Wahlumfragen so in der Kritik? Sie sind in den meisten Fällen
zuverlässig, zeigt eine Datenanalyse,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 26.10.
Was Christian ENDT belegen will, wird durch seine Grafiken
nicht belegt. Am meisten stört jedoch, dass nicht darüber
aufgeklärt wird, wie die Berechnungen zustande kommen, sondern
nicht nachprüfbare Ergebnisse präsentiert werden.
"Wahlumfragen entstehen
unter zunehmend widrigen Umständen: Die Teilnahmebereitschaft
bei Telefonumfragen sinkt. Die Parteibindung der Wähler hat
abgenommen. Zugleich ist die Parteienlandschaft
unübersichtlicher geworden. Dennoch lassen sich bei den
Umfragen zwar Schwankungen, aber kein Trend zu schlechterer
Qualität feststellen",
behauptet ENDT. Belegt soll
das mit den Schwankungen des mittleren Umfragefehlers werden.
Dazu zeigt eine Grafik diese Werte von 2000 bis 2019. Aber
sagen diese Schwankungen tatsächlich aus, dass es keine
Qualitätsverschlechterung gegeben hat? Warum also waren die
Werte in den Jahren 2005, 2007 und 2019 besonders schlecht?
Und warum waren sie 2002, 2010 und 2018 besonders gut? Gibt es
Zusammenhänge mit der Anzahl von Wahlen im Jahr oder mit dem
Anteil von neuen Bundesländern? Im Jahr 2018, in dem ein
niedriger Wert beim Umfragefehler ermittelt wurde, standen
z.B. lediglich 2 Landtagswahlen in den Westländern Hessen und
Bayern an. 2019 mit dem höchsten Fehlerwert standen dagegen
Wahlen in drei Ost- und einem kleinen Stadtstaat im Westen an.
Eine weitere Grafik zeigt
uns, die Unter- bzw. Überschätzung von Parteien durch
Umfragen. Viel aufschlussreicher wäre jedoch, welches
Umfrageinstitut bestimmte Parteien über- bzw. unterschätzt.
Stattdessen wird uns lediglich eine simple Rangliste der
Umfrageinstitute anhand der durchschnittlichen Abweichung
präsentiert, die von
Forschungsgruppe Wahlen (1) bis INSA (6) reicht. Dies wird
jedoch den Realitäten nicht gerecht, was auf dieser Website
bereits anhand mehrerer Wahlen aufgezeigt wurde.
Auffällig ist auch, dass
die SZ vor der Wahl versucht, die Umfrageergebnisse des
ZDF-Politikbarometers als besonders gut zu inszenieren, statt
sich z.B. auf Hilfestellungen zum Umgang mit Umfragewerten zu
beschränken. Vor der Sachsen- bzw. Brandenburgwahl gab es z.B.
erst - nach dem Umfragedesaster - einen Artikel, während bei
früheren Wahlen Hilfestellungen im Vordergrund standen. Es
zeigt sich also eine bedenkliche Tendenz in den angeblichen
Qualitätsmedien!
LOCKE, Stefan (2019): Mir geb'n net uff.
Thüringer
Landtagswahlen: Das thüringische Steinbach leidet unter dem
Schicksal vieler anderer Orte: Wegzug, Verlust von
Arbeitsplätzen. Dennoch hat die AfD dort nicht Fuß gefasst,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.10.
Stefan LOCKE führt uns in ein CDU-Musterdorf, wo die Welt
angeblich - trotz aller Probleme - noch heil ist:
"Marcus Malsch (...), 41
Jahre alt, war mal stellvertretenden Bürgermeister und ist
seit fünf Jahren Landtagsabgeordneter der CDU, zuständig auch
für den ländlichen Raum. Im thüringischen Steinbach aber ist
er als Macher bekannt. Er verspricht, sich zu kümmern. (...).
Steinbach im Wartburgkreis, 1000 Einwohner, liegt auf der
Südseite des Thüringer Waldes. (...). Der Kirchturm ist
unübersehbar, ihn überragt der steilste Bergfriedhof
Deutschlands.
Zweimal geriet Steinbach bisher in die Schlagzeilen. Das erste
Mal 1521, als Martin Luther hier (...) zu seinem Schutz auf
die Wartburg gebracht wurde, sowie im 19. und 20. Jahrhundert
dann durch seine florierende Messerindustrie.
(...). In der DDR produzierten hier noch 1989 im »VEB Stahl-
und Schneidwaren« mehr als 1.100 Mitarbeiter Messer und
Schlösser, im Jahr nach der Wiedervereinigung waren noch zehn
Angestellte übrig. (...).
Von diesem Umbruch hat sich Steinbach bis heute nicht erholt.
Fast die Hälfte der einst knapp 2.000 Einwohner ist
weggezogen; wer geblieben ist, arbeitet in Nachbarorten,
pendelt nach Eisenach oder über die Landesgrenze nach Hessen.
Nicht wenige Häuser vor allem im Ortskern stehen leer,
verlassene Produktionsgebäude sind zu sehen, die nach und nach
in sich zusammenfallen. Ein Großteil der Straßen ist marode,
die letzte Bahn fuhr 1974 hier hinauf, der Altersdurchschnitt
ist drastisch gestiegen. Das Land Thüringen stuft Steinbach
als »Gebiet mit erhöhter Problemintensität« ein. Und dennoch
ist die Stimmung überraschend positiv. Die AfD? (...). Im
Stadtrat von
Bad Liebenstein, wozu Steinbach seit einigen Jahren
gehört, ist die CDU mit fast 50 Prozent stärkste Kraft,
gefolgt von Freien Wählern und der Linken."
Bad Liebenstein gehört zum
Wahlkreis 7 Wartburgkreis III, den Marcus MALSCH bei der
Landtagswahl mit 29,0 % gewinnen wird. Die AfD wird mit 25,3 %
zweitstärkste Partei vor der Linkspartei (24,8 %). In Bad
Liebenstein wurde die Linkspartei mit 33,7 % sogar stärkste
Partei vor der CDU (26,6 %) und der AfD (22,2 %). Marcus
MALSCH verlor 6,9 % und kam nur noch auf 40 Prozent der
Erststimmen. Die AfD kam von 0 im Jahr 2014 auf 21,1 % der
Erststimmen. Heile Welt sind anders aus!
LOCKE zeigt uns wie die CDU
sich das Land vorstellt: Eigeninitiative statt Daseinsvorsorge
plus Flexibilität:
"Elvira Schmager (...) ist
Chefin des Karnevalsvereins, den es schon seit 1975 gibt.
(...) Das Dorf ist ihre Heimat, und nur einmal, während des
Studiums in Leipzig, hat sie überlegt, nicht zurückzukommen.
Schmager war Deutsch- und Geschichtslehrerin, und als 1991 die
Schule im Ort schloss, ging sie ans Gymnasium nach Bad
Lieberstein. Als das zumachte, nach Bad Salzungen. (...).
Schmager macht auch beim jüngsten Verein mit, dem
Zukunftsstammtisch, der sich vor zwei Jahren nach einem Aufruf
in der Kirche gründete. Als Ende 2016 der letzte Laden
schloss, der Bäcker aufhörte und es im Dorf nur noch
anderthalb Fleischer und einen Friseur gab (...) sah sich ein
Großteil der Dorfbewohner abgehängt. Malsch fühlte sich
herausgefordert. (...). Doch trotz intensiver Suche fand sich
niemand, der einen Dorfladen - verbunden mit einem (...)
Imbiss am nahen Rennsteig - betreiben wollte. Also machte es
Malsch selbst".
LOCKE behauptet gar, dass
Steinbach den Thüringer Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft"
gewonnen habe. Tatsächlich hat Steinbach lediglich einen
Sonderpreis gewonnen.
Nicht einmal für die Teilnahme am Bundeswettbewerb reichte es.
HEEG, Tiemo (2019): Auf dem Weg zum Mars.
Thüringer
Landtagswahlen: Die Stadt Jena ist ein Wirtschaftszentrum
Thüringens - mit Jenoptik und Zeiss Meditec vornedran,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.10.
"Es ist nicht die
Hauptstadt Erfurt, es ist die Universitätsstadt Jena, die das
wirtschaftliche Kraftzentrum des Bundeslandes bildet. Von
Strukturschwäche hier keine Spur",
meint Tiemo HEEG.
Selbst das neoliberale IW
Köln sieht das anders, denn Jena ist nicht einmal in der
Lage der umgebenden Region Ostthüringen notwendige Impulse zu
geben. Auch das chinesische
Batteriewerk in Arnstadt und Wolfgang TIEFENSEE werden wieder
gehypt, wobei der Name Arnstadt nicht mehr fällt, sondern
es heißt nur noch "Gewerbegebiet am Erfurter Autobahnkreuz".
Möglicherweise kommt das Mantra wohl doch nicht so gut an!
LOCKE, Stefan (2019):
Linke und CDU in Thüringen
fast gleichauf.
Thüringer
Landtagswahlen: Umfrage sieht beide Parteien nur zwei
Prozentpunkte auseinander. Rot-Rot-Grün hätte demnach keine
Mehrheit,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.10.
Die Überschrift nennt das für die CDU schmeichelhafte
Umfrageergebnis des ZDF-Politikbarometers,
das Hoffnungen nährt, die dann am Wahltag umso herber
enttäuscht werden. Am Ende liegt die Linkspartei 9,2 % vor der
CDU - ein Pyrrhussieg für R2G sondergleichen.
STRAUß, Simon (2019): Wie müsst ihr anders werden!.
Thüringer
Landtagswahlen: Morgen wählt
Thüringen. Ein Land voller sozialer Wunden und politischer
Widersprüche. Aber auch eines, in dem die Kultur am Leben ist.
Eine Reise durch die Region mit der höchsten Theaterdichte
Deutschlands,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.10.
Simon STRAUß, Sohn von Botho STRAUß ("Anschwellender
Bocksgesang", 1993), definiert die Identität des Bürgers
über das Theater:
"Ein Theater ist (...).
Ankerpunkt und Schöpfungsstätte städtischen Empfindens. Wer
die Theater schließt und die Orchester zum Schweigen bringt,
der schafft das Selbstwertgefühl der Bürger und Bürgerinnen
ab. Und bringt damit das ganze Land in Gefahr."
Vor dem Hintergrund dieses
bildungsbürgerlichen Pathos beschreibt STRAUß die Thüringer
Spielstätten in Weimar, Eisenach, Meiningen, Rudolstadt,
Nordhausen, Erfurt, Gera, Altenburg und Jena.
"Alle zwei Kilometer ein
Dorf, alle zwanzig Kilometer eine Stadt - so lautet eine
augenzwinkernde Selbstbeschreibung. Und in fast jeder Stadt
ein Theater. Was die zwei Millionen Thüringer da besitzen, ist
unvergleichlich. Es ist ein Identitätswert, der nicht
leichtfertig verspielt werden darf",
erklärt uns STRAUß. Nicht
einmal alle kreisfreien Städte haben demnach ein Theater, denn
Suhl fehlt auf der FAZ-Theaterlandkarte. Von den 17
thüringischen Kreisstädten haben gemäß FAZ-Theaterlandkarte
nur 3 ein Theater.
Fazit: STRAUß geht es nicht
um die Theaterlandschaft in Thüringen, sondern lediglich um
die von Land und Kommunen geförderten 9 Theater. Der Artikel
richtet sich gegen Spardiktate wie sie zum Beispiel im
Arbeitspapier
Perspektive 2025 von Linkspartei-Kulturminister
Benjamin HOFF zum Tragen kommen.
FROMM, Anne (2019): Es ist angerichtet.
Thüringer
Landtagswahlen: Am Sonntag wird in
Thüringen gewählt. Unsere Autorin stammt aus Erfurt. Sie liebt
die Klöße ihrer Oma, die hübschen Städte, den Wald. Und frag
sich, warum sowohl Bodo Ramelow als auch Björn Höcke hier so
erfolgreich sind,
in:
TAZ
v. 26.10.
"2,1 Millionen Einwohner,
drittkleinster Flächenstaat.
Was Brandenburg seine Alleen sind und Mecklenburg sein
Ostseestrand ist, das ist Thüringen sein Wald. (...).
Die bedeutendsten Städte sind wie auf einer Perlenkette
entlang der A4 aufgefädelt: Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar,
Jena, Fachwerk, hübsch, ein Schlösschen hier, eine Burgruine
da - Thüringen ist hier lieblich, fast kitschig. Wer im Sommer
mit einem Eis unter der Krämerbrücke in Erfurt sitzt (...),
der fühlt sich wie in einer ZDF-Vorabendserie. Wer zu Ostern
durch den Ilmpark in Weimar spaziert, (..), der wird beim
besten Willen nicht verstehen, warum so viele Thüringer so
frustriert und voller Wut sind, dass sie die AfD wählen.
(...).
Den Thüringern geht es gut, materiell gesehen. (...).
Was die Thüringer aber eint mit ihren ostdeutschen Nachbarn:
Viele fühlen sich abgehängt. Knapp 60 Prozent der Thüringer
leben in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern. Es sind
die Orte, wo die Busse nicht mehr regelmäßig fahren, das
Internet schwach ist, es keinen Bäcker und keinen Hausarzt
mehr gibt. (...).
Jeder fünfte Thüringer, so die jährliche Umfrage des
Thüringen-Monitors, ist rechtsextrem eingestellt. (...). Im
Landtagswahlkampf war das kaum Thema",
meint Anne FROMM, die
offenbar keine Zeitungen liest, denn es war so ziemlich das
einzige Thema - insbesondere bei der taz, aber nicht
nur dort. Das Ergebnis der Wahl aber zeigt, dass es nicht
reicht, die Symptome zu benennen. Wer wie Rot-Rot-Grün nur das
urbane Milieu im Fokus hat und den ländlichen Raum höchstens
als Fläche für
Windenergieanlagen und Bio-Anbau betrachtet, der darf sich
nicht wundern, dass am Ende ein sattes Minus steht.
LANDESWAHLLEITER THÜRINGEN (2019): Vorläufiges Ergebnis der
Landtagswahl 2019.
Thüringer
Landtagswahlen: Ergebnisse,
in:
statistik.thueringen.de v. 27.10.
Die SZ brach noch
am Samstag eine Lanze für
die Forschungsgruppe Wahlen, deren Ergebnisse besonders gut
seien, während INSA dagegen besonders schlecht abschneidet.
Tatsächlich hat jedoch die Forschungsgruppe Wahlen - wie schon
in Sachsen und Brandenburg - besonders stark daneben gelegen.
Aus der nachfolgenden Tabelle lässt sich erkennen, dass
besonders die Ergebnisse für CDU, AfD und Grüne weit jenseits
der Fehlertoleranzen liegen:
Ergebnis und Umfragen |
Stärkste Partei |
Zweitstärkste Partei |
Drittstärkste
Partei |
Viertstärkste
Partei |
Fünftstärkste
Partei |
Sechststärkste
Partei |
Vorläufiges
Endergebnis
(27.10.2019) |
Linkspartei |
31,0% |
AfD |
23,4% |
CDU |
21,8% |
SPD |
8,2% |
Grüne |
5,2% |
FDP |
5,0% |
ZDF-Politikbarometer
(23. - 24.10.2019) |
Linkspartei |
28% |
CDU |
26% |
AfD |
21% |
SPD |
9% |
Grüne |
7% |
FDP |
5% |
INSA
(14. - 21.10.2019) |
Linkspartei |
28% |
AfD |
24 % |
CDU |
24% |
SPD |
9% |
Grüne |
8% |
FDP |
5% |
Bei den Wahl entscheidenden
Ergebnissen von AfD und CDU liegt INSA näher an der Realität.
Nur bei den Grünen liegt INSA weiter entfernt. Diese Tendenz
gab es bereits bei den anderen Wahlen. Die Abweichungen vom
Ergebnis sind kein Zufall, sondern ist Ergebnis der Nähe bzw.
Ferne zu den jeweiligen Parteien. Obwohl die beiden Umfragen
zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt wurden, wurden
beide am selben Tag veröffentlicht.
Bei solchen Umfragen geht
es nämlich nicht in erster Linie um Treffsicherheit, sondern
um die Erzielung von Mobilisierungseffekten, denn es macht
einen Unterschied, ob man die FDP bei 4 (ARD-Ländertrend) oder
5 Prozent sieht. Vier Prozent sind tendenziell
demobilisierend, während fünf Prozent mobilisierend wirken.
Oder wie das Handelsblatt vom Freitag schreibt:
"Selbst ein Viererbündnis
aus CDU, SPD, Grünen und FDP hat keine sicherer Mehrheit.
Thüringen könnte nach dem Wahlabend vor der Unregierbarkeit
stehen. Für die FDP ist diese Ausgangslage im Schlussspurt
hilfreich, um Anhänger zu mobilisieren und nach 25 Jahren
Abstinenz wieder Abgeordnete im Erfurter Landtag zu stellen."
Ob die 5,0 % für die FDP
auch einer Überprüfung stand hält, ist noch eine ganz andere
Frage, denn der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ist
hauchdünn. Schon ein halbes Dutzend Stimmen weniger - und die
FDP hätte ausgeträumt!
Wahlumfragen mit hohen
Fehlerquoten führen dazu, dass auch die Wahlkreisprognosen
besonders fehlerhaft sind. So zeigen sich sowohl bei
election.de als auch bei wahlkreisprognose.de
krasse Fehleinschätzungen zu den maximal erreichbaren
Wahlkreismandaten:
Tabelle:
Vergleich von Wahlkreisprognosen mit Endergebnis |
|
|
Wie schon bei der
Sachsenwahl zeigt sich auch in Thüringen, dass die vorletzten
Wahlkreisprognosen zutreffender sind als die letzten. Ein
Vergleich mit den Wahlkreisprognosen von Anfang Oktober zeigt,
dass nur die Hälfte der 12 damals prognostizierten Wahlkreise
von der AfD gewonnen werden konnten, während 5 Wahlkreise
nicht auf dem Radar erschienen:
Tabelle:
Vergleich der Wahlkreise, in denen die AfD-Direktkandidaten
einen Vorsprung hatten mit dem
vorläufigen Endergebnis |
Wahlkreisprognose
(Vorsprung) |
AfD-Kandidat |
Listenplatz |
vorläufiges
Endergebnis |
Wahlkreisgewinner
(bei AfD Prozentzahl) |
Platzierung AfD
(wenn nicht Gewinn) |
8 Unstrut-Hainich-Kreis I |
GRÖGER, Thomas
(Ablösung der CDU) |
20 |
CDU |
2 |
14 Gotha I |
GRÖNING, Birger
(Ablösung der CDU) |
26 |
24,5 % |
|
16 Sömmerda I/Gotha III |
SCHRÖDER, Stefan
(Ablösung der CDU) |
24 |
CDU |
2 |
17 Sömmerda II |
CZUPPON, Torsten
(Ablösung der CDU) |
13 |
29,6 % |
|
23 Ilm-Kreis II |
KIEßLING, Olaf
(Ablösung der CDU) |
9 |
29,6 % |
|
28
Saalfeld-Rudolstadt I |
FROSCH, Karlheinz
(Ablösung der CDU) |
- |
29,1 % |
|
29
Saalfeld-Rudolstadt II |
KAUFMANN, Michael
(Ablösung der CDU) |
7 |
CDU |
2 |
33
Saale-Orla-Kreis I |
THRUM, Uwe
(Ablösung der CDU) |
- |
29,0 % |
|
34
Saale-Orla-Kreis II |
BERGNER, Heiko
(Ablösung der CDU) |
- |
CDU |
2 |
40 Greiz II |
HAHN, Sigvald
(Ablösung der CDU) |
28 |
CDU |
2 |
41 Gera I |
LAUDENBACH,
Dieter
(Ablösung der Linkspartei) |
12 |
Linke |
2 |
43 Altenburger
Land I |
RUDY, Thomas-Otto
(Ablösung der CDU) |
17 |
29,5 % |
|
Gewonnene
AfD-Wahlkreise, die nicht als Vorsprung
prognostiziert wurden |
9 Unstrut-Hainich-Kreis II |
SCHÜTZE, Lars |
- |
27,3 % |
|
11
Kyffhäuserkreis II |
COTTA, Jens |
8 |
29,2 % |
|
13
Schmalkalden-Meiningen II |
AUST, René |
- |
24,2 % |
|
18
Hildburghausen/Schmalkalden-Meiningen III |
HOFFMANN, Nadine |
19 |
29,0 % |
|
42 Gera II |
LAUERWALD,
Wolfgang |
21 |
32,9 % |
|
|
Quelle:
election.de (Stand: 11.10.2019);
wahlkreisprognose.de (Stand: 07.10.2019) |
Im
Wahlkreis 13 Schmalkalden-Meiningen II lagen die
Kandidaten von SPD (23,3 %) und CDU (22,8 %) fast gleichauf
mit der AfD. Sogar die Linkspartei erhielt noch 19,6 Prozent.
Der
Wahlkreis 11 Kyffhäuserkreis II galt
wahlkreisprognose.de (15.10.
und 20.10.) als eher
sicherer Wahlkreis der Linkspartei, wurde jedoch
am 25.10. um eine
Stufe heruntergestuft.
Wie schon bei der
Landtagswahl in Sachsen zeigt sich auch hier in Thüringen,
dass die AfD vor allem dort Wahlkreise gewinnt, wo diese nicht
medial umkämpft sind. Ausnahme war der Wahlkreis 23 Ilm-Kreis
II. Zu diesem Wahlkreis gehört Arnstadt. Die Stadt stand im
medialen Blickpunkt -
insbesondere der FAZ, weil dort eine chinesische
Batteriefabrik entstehen soll. Der Spatenstich erfolgte in der
letzten Woche vor den Wahlen. Der SPD-Wirtschaftsminister
Wolfgang TIEFENSEE sollte - nach Meinung der Printmedien - mit
diesem Projekt punkten. Genützt hat es weder dem Ilm-Kreis II
noch TIEFENSEE. Er ist im
Wahlkreis 42 Gera II angetreten und unterlag dort
ebenfalls dem AfD-Kandidaten. TIEFENSEE kam mit 15,3 % auf
Platz 3. Seine Partei schnitt im Wahlkreis sogar mit
unterdurchschnittlichen 7,9 Prozent ab.
Zusammenfassend kann gesagt
werden, dass der Erfolg von Bodo RAMELOW darüber
hinwegtäuscht, dass die Linkspartei ausgeblutet ist. Sie ist
wie Grüne und SPD in erster Linie nur noch eine Stadtpartei.
Letztlich war die Anti-AfD-Kampagne der Medien für
Rot-Rot-Grün ein Nullsummenspiel. Im ländlichen Thüringen
schrammten die Grünen nur knapp an einer Katastrophe vorbei.
Bei der CDU zogen bei
dieser Wahl nur jene Kandidaten, die ihren Wahlkreis gewannen,
in den Landtag ein. Bei der Linkspartei dagegen kamen nicht
einmal die Hälfte der Abgeordneten über eine Direktmandat zum
Zuge, d.h. die Linkspartei ist an der Basis alles andere als
stark verankert.
ESSLINGER, Detlef (2019): Regieren. Aber wie?
Thüringer Landtagswahlergebnisse
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.10.
Detlef ESSLINGER macht uns die Minderheitsregierung
schmackhaft:
"Frage, was schlechter
ankäme, wenn die künftigen Partner streiten, oder wenn sie
nicht streiten? Den ersten Fall mögen die Leute ohnehin nicht,
und im zweiten würde die AfD ihnen erst recht einreden,
zwischen all den anderen Parteien bestehe ja gar kein
Unterschied, nicht einmal zwischen Schwarz und Dunkelrot. Wo
landet Höcke beim nächsten Mal? Möglicherweise aus diesem
Grund könnte eine Minderheitsregierung einen Versuch wert
sein."
ESSLINGER ist
offensichtlich der irrigen Meinung, dass ein solches
Anti-AfD-Bündnis die "Schmähparole" vom "Kartell der
Altparteien" erfolgreich bekämpfen könnte. Dabei ist auch eine
Minderheitsregierung für die AfD nichts weniger als ein
"Kartell der Altparteien". Wer meint, dass es keine
Richtungsänderung in der Politik braucht, der könnte schon
bald eines Besseren belehrt werden. ESSLINGER versucht wie
üblich das AfD-Problem auf ein Kommunikationsproblem der
Altparteien zu reduzieren. Es gibt aber kein
Kommunikationsproblem zu lösen!
SIGMUND, Thomas (2019): Kein Rezept gegen die AfD.
Thüringer Landtagswahlergebnisse
in:
Handelsblatt v. 28.10.
Thomas SIGMUND sieht zwar, dass die AfD ihre Wähler aus
unterschiedlichen Interessenlagen rekrutiert. Das bleibt
jedoch ansonsten ohne Konsequenzen.
HAAK, Sebastian
(2019): Die Uhren gehen jetzt anders.
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Das Wahlergebnis könnte
Parteien zusammenbringen, die sich bislang nicht sonderlich
nahe standen,
in:
Neues Deutschland v. 29.10.
Die Grünen zeigen sich gemäß Sebastian HAAK nicht von einer
Minderheitsregierung begeistert, was angesichts der Tatsache,
dass die Grünen nur haarscharf einer Katastrophe entgangen
sind, wenig verwundert.
HAAK, Sebastian
(2019): Gespaltenes Votum im Freistaat.
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Bei Zweitstimmen lag in
den meisten Wahlkreisen die Linke vorn. Dagegen konnte sie nur
11 von 44 Direktmandaten erringen,
in:
Neues Deutschland v. 29.10.
"Die Zahlen auf der Seite
des Landeswahlleiters zeigen gleich mehrere Trends, die in den
meisten Wahlkreisen ähnlich aussehen (...).
Da ist zum Beispiel das Verhältnis von Erst- zu Zweitstimmen.
In fast allen der 44 Wahlkreisen hat die Linke die meisten
Zweitstimmen erhalten. Nur in sechs Wahlkreisen vor allem im
katholisch geprägten Eichsfeld kommen CDU und AfD auf mehr
Zweitstimmen als die Partei Ramelows. (...).
Nur in einigen kleinen, besonders abgelegenen Gemeinden holte
die AfD mehr Stimmen als die Linke, was aber für das Ergebnis
in den einzelnen Wahlkreisen nicht entscheidend war. In den
Ostthüringer Wahlkreisen war das Ergebnis der Europawahl im
Mai noch ganz anders: Damals war die AfD in der Region
stärkste Kraft geworden",
meint Sebastian HAAK, der
zwar sieht, dass die Anzahl der von der Linkspartei gewonnenen
Wahlkreise in keinem Verhältnis zum Zweitstimmenanteil steht,
aber den Erfolg der AfD trotzdem zu verharmlosen versucht.
Diese hat auf Anhieb 11 Direktmandate gewonnen und damit genau
so viele wie die Linkspartei.
"Direktkandidaten der
Linken konnten sich lediglich in Erfurt, Jena, Weimar, Suhl,
Gera sowie in zwei Nordthüringer Wahlkreisen durchsetzen.
(...). Stattdessen haben selbst völlig unbekannte
AfD-Kanidaten Wahlkreise gewonnen. (...). Und selbst in
Regionen, die unmittelbar an Erfurt grenzen und keinesfalls
als abgehängt gelten können - ein weiterer Beleg dafür, dass
die Erfolge der AfD nicht mit simplen Thesen zu erklären
sind."
Verschwiegen wird jedoch,
dass in dem Erfurtnahen Wahlkreis, den die AfD gewann,
Arnstadt und die geplante chinesische Batteriefabrik liegt.
Offenbar war es doch vielen zu viel, dass die Chinesen ihr
Hauptquartier im insolvent gegangenen Solarworld-Gebäude
aufgeschlagen haben. Denn dessen Niedergang verdankt sich
diesen Chinesen. Leuchtturmprojekte wie sie von der SPD und
der CDU gerne präsentiert werden, stehen im kollektiven
Gedächtnis eher für das Gegenteil von gelungener
Ansiedlungspolitik, sondern für dreiste Mitnahmeeffekte und
das Hinterlassen von Ruinen, wenn die Profite nicht mehr
stimmen.
HAAK brüstet sich damit,
dass R2G in den Großstädten eine "komfortable Mehrheit von 52
Prozent" erzielt haben, was zugleich das Defizit dieser
Stadtparteien aufzeigt.
BECKER, Kim Björn & Stefan
LOCKE (2019): In einem Land ohne einfache Mehrheiten.
Thüringer Landtagswahlergebnisse: In Erfurt beginnt die
schwierige Suche nach einer Koalition. Die Blicke richten sich
aufs Eichsfeld, wo ein CDU-Politiker gegen Höcke gewonnen hat,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.10.
BECKER & LOCKE inszenieren die CDU als HÖCKE-Bezwinger:
"Im Wahlkreis Eichsfeld I,
ganz im Nordwesten Thüringens hat sich der CDU-Kandidat
Thadäus König durchgesetzt - nicht knapp, sondern deutlich. 49
Prozent der Wähler stimmten hier für König, nur 21,4 Prozent
gaben dem AfD-Kandidaten ihre Stimme."
Niemand, der die Wahl
verfolgte, konnte davon ausgehen, dass Björn HÖCKE als
unbeliebtester Politiker seiner Partei, das Direktmandat
gewinnen konnte. Symbolische Kämpfe wie jener im
Wahlkreis 1 Eichsfeld I sollen lediglich Stärke
vortäuschen, wo im Grunde Schwäche vorherrscht. Vergleicht man
das Ergebnis mit der Wahl 2014, dann hat KÖNIG 6,4 % verloren,
denn 55,4 % bei der letzten Wahl sollten den Maßstab abgeben.
Dagegen hat Björn HÖCKE sein Wahlergebnis von 2014 (8,6 %) auf
21,4 % mehr als verdoppelt. Dass kosmopolitische Journalisten
jetzt nach Heiligenstadt pilgern, weil sie wissen wollen wie
man die AfD schlägt, ist nichts als glatter Selbstbetrug.
Dementsprechend kann KÖNIG auch keine brauchbaren Rezepte
liefern.
"Obermehler
im Nordwesten Thüringens (...), wo von 612 Wahlberechtigten am
Sonntag nur 324 wählen gingen. Und wer seine Stimme abgab, der
votierte vor allem für die AfD. Der Ort geriet vor kurzem in
die Schlagzeilen, weil hier bisher Unbekannte auf ein
Flüchtlingsheim geschossen hatten. Jetzt wählten hier 41,7
Prozent der Menschen AfD, fast doppelt so viele wie im ganzen
Freistaat. Und im Wahlkreis Unstrut-Hainich II, zu dem
Obermehler gehört, setzte sich der AfD-Kandidat gegen die
CDU durch",
erzählen uns BECKER &
LOCKE, die jedoch verschweigen, was
Wikipedia weiß:
"Knapp die Hälfte der
Einwohner sind Flüchtlinge, die seit 2015 in den Wohnblocks
außerhalb des Dorfs am Flugplatz zwischen Großmehlra und
Schlotheim untergebracht wurden..
Den Wahlkreis 9
Unstrut-Hainich II hatten weder die Berichterstatter
noch die Prognostiker
auf ihrem kosmopolitischen Radar, denn diese starrten nur auf
den Nachbarkreis 8 Unstrut-Hainich I, den die AfD aber dann
gar nicht gewann. Die meisten Stimmen gewann die AfD in diesem
Wahlkreis gar nicht in Obermehler, sondern in
Ballhausen (44,6 %), obwohl dort der Gemeinderat von der
CDU dominiert wird.
Fazit: Selbstbetrug - wie
ihn die FAZ hier inszeniert - dürfte der AfD mehr
nützen als schaden. Außerdem stellt sich die Frage, wieso
während des Wahlkampfes derart über die Realität in Thüringen
hinweggetäuscht wurde. Wer sich ein realistisches Bild machen
wollte, der war mit den angeblichen Qualitätsmedien schlecht
informiert worden.
ENDT, Christian (2019): Anfällig für die Populisten.
Thüringer Landtagswahlergebnisse:
Nach den jüngsten Erfolgen der AfD in Thüringen richtet sich
der Fokus auf deren viele jungen Wähler. Doch eine bessere
Erklärung könnte ein sozialpsychologischer Ansatz liefern,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.10.
Christian ENDT meint, dass die Typenbildung der Studie
"Die andere deutsche Teilung" der beste Zugang zum
Wählerverhalten bietet. Die Studie ist jedoch in erster Linie
eine Marketinginstrument, um einen Think Tank bekannt zu
machen, der sich ums "Gemeinwohl" und den "gesellschaftlichen
Zusammenhalt" Sorgen macht. In letzter Zeit sind diese Themen
en vogue. Nachdem das neoliberale Mantra der
Alternativlosigkeit verbraucht ist, werden nun wieder Werte
beschworen.
Warum die ziemlich simple Typenbildung, bei der die "Wütenden"
und die "Enttäuschten" als AfD-Wähler bezeichnet werden, neue
Einblicke verschaffen soll, ist völlig schleierhaft. Vielmehr
handelt es sich um Stereotype, die sich in den Debatten seit
Entstehung der Partei herausgebildet haben. Erkenntnisgewinn
ist davon nicht zu erwarten. Warum Wütende oder Enttäuschte
sich zudem einzig bei der AfD oder bei den Nichtwählern
sammeln sollen, ist unlogisch.
Wütende und Enttäuschte finden sich auch bei Linkspartei oder
SPD und vermehrt auch in der CDU, wo sie Herausforderungen für
die Parteifunktionäre darstellen, die sie disziplinieren
versuchen. Die AfD ist eher nur sichtbares Symptom dafür, dass
das Parteiensystem nicht mehr in der Lage ist, die
gesellschaftlichen Interessen angemessen zu vertreten.
Fazit: Wer die politische
Lage in Deutschland auf das Problem des Populismus reduziert,
der dürfte bald aus diesen Träumen gerissen werden!
MACHOWECZ, Martin (2019): Mehr Ramelow wagen.
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Ein Gegner reicht: Die
CDU sollte sich trauen in Thüringen mit den Linken
zusammenzuarbeiten,
in:
Die ZEIT Nr.45 v. 30.10.
"Es herrschen jetzt klare
Verhältnisse. Höcke wählt man nicht aus Versehen. (...).
Wer in Thüringen für die AfD gestimmt hat, ist also entweder
ein so wütender Protestwähler, dass er Höcke in Kauf nimmt.
Oder er unterstützt ihn bewusst",
meint Martin MACHOWECZ, der
daraus ableitet, dass die Linkspartei nicht mit der AfD
gleichzusetzen sei, wie das in der CDU gemacht würde. Er
plädiert deshalb für eine große Koalition Ost. MACHOWECZ
gehört zu den Dänemark-Fans und Bodo RAMELOW ist für ihn die
Linkspartei, aber im Grunde nur ein besserer Sozialdemokrat:
"Er ist migrationspolitisch
eher konservativ, sozialpolitisch eher links. Er zeigt, wie
erfolgreich die SPD sein könnte, wenn sie ein bisschen mehr
Ramelow wagen würde."
MACHOWECZ will also zum
einen der Sozialdemokratie Dänemark als Vorbild nahe legen und
zum anderen RAMELOW und die Linkspartei normalisieren und sie
in der Mitte eingliedern.
"Wer sagt eigentlich, dass
eine Koalition mit der Linken vor allem die CDU verändern
müsste?"
Das wahre Feindbild ist für
MACHOWECZ der "linke Flügel" der SPD:
"Gegen Ramelow ist der
Sozialdemokrat Ralf STEGNER sozusagen ein radikaler
Autonomer."
"Mehr Ramelow wagen" klingt
zwar nach Willy BRANDT, aber ist nur Helmut SCHMIDT.
NABERT, Alexander (2019): Bodo, überstimmt.
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Nachdem die CDU ein
links-schwarzes Bündnis in Thüringen weiter ausschließt,
bliebe die Minderheitsregierung Rot-Rot-Grün. Doch ein solches
Experiment birgt zu große Gefahren,
in:
TAZ v. 30.10.
Alexander NABERT klärt darüber auf, was eine
Minderheitsregierung in Thüringen bedeuten würde, nämlich das
Gegenteil dessen, was die Dänemark-Fans glauben, denn:
"Es gibt dort eine
parlamentarische Mehrheit links der Mitte. Das ist in
Thüringen nicht der Fall. Dort hätten AfD, CDU und FPD eine
Mehrheit gegen Rot-Rot-Grün. (...). Brächte die CDU einen
Antrag ein (...) wäre es denkbar, dass FDP und AfD zustimmen.
In diesem Fall müsste die Regierung Ramelow sich zwei
unangenehmen Optionen stellen: Entweder sie setzt die
tendenziell rechte Politik gemäß Parlamentsbeschluss um, oder
sie missachtet die Demokratie. (...). CDU und FDP könnten
schon die nächsten Haushaltsverhandlungen zum Anlass nehmen,
Ramelow zu stürzen und Neuwahlen zu provozieren.
Aus dem folgenden Chaos könnte die AfD gestärkt hervorgehen."
Ein solches Szenario ist
keineswegs aus der Luft gegriffen.
ORDE, Sabine am (2019): "Ein entscheidendes Kriterium ist die
Handwerkerdichte".
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Wer hat die AfD in
Thüringen gewählt? Und was zeichnet Kommunen mit hoher
Zustimmung für die Partei aus? Ein Gespräch mit
Politikprofessor Wolfgang Schroeder,
in:
TAZ v. 04.11.
Im Gegensatz zur taz-Doktrin
differenziert Wolfgang SCHROEDER zwischen überzeugten Rechten
und Protestwählern.
"Im ländlichen Raum sind
die beiden entscheidenden Kriterien für die Wahrscheinlichkeit
von verstärkter AfD-Wahl der erhöhte Altenquotient und eine
höhere Handwerkerdichte",
meint SCHROEDER. Das
blendet die städtischen Erfolge der AfD aus.
"Die nicht-akademische
Mittelschicht, die mitunter mehr verdient und eine stärkere
Rolle in den lokalen Netzwerkstrukturen des sozialen Raums
hat, fühlt sich durch Politik und Staat (...) nicht
hinreichend wertgeschätzt. (...). Die ostdeutschen AfD-Wähler,
häufig Facharbeiter, haben wenig Chancen, sich
weiterzuentwickeln",
nennt SCHROEDER Gründe, die
die Wähler in die Arme der AfD treiben. SCHROEDER sieht zum
einen ein wachsendes Stammwählerpotenzial und zum anderen eine
wachsende Immunität der AfD-Wähler gegen die Argumente der
Kosmopoliten. SCHROEDER spricht von einer zentralen Bedeutung
der "lokalen Einflusselite des Mittelstands". Im Osten haben
die westdeutschen Parteien die lokale Ebene von Anfang an
vernachlässigt. Dies gilt insbesondere für die Länder, in
denen die CDU lange Zeit geradezu selbstherrlich regieren
konnte. Das Problem liegt keineswegs ausschließlich im Osten:
"Die AfD ist (...) relativ
stark in den Wohlstandsgürteln von Hessen, Baden-Württemberg
und Bayern",
erklärt SCHROEDER. Auch
hier bestand eine lange Vorherrschaft der CDU bzw. CSU, die
dann durch schwarz-affine Grüne verlängert wurde. Auch hier
könnte die AfD bei den nächsten Landtagswahlen die
20-Prozent-Marke überspringen.
SCHROEDER gibt einer
Rot-Rot-Grünen Minderheitsregierung maximal zwei Jahre, bevor
es zu Neuwahlen kommt.
MÜHL, Melanie (2019): Wer ist deutsch und wer nicht?
Thüringer Landtagswahlergebnisse: Eine Gesprächsrunde im
thüringischen Altenburg lädt die Bürger zu einer Diskussion
über das Deutschsein ein. Keiner kommt. Aber am Bahnhof hat
eine Gruppe Neonazis Gesprächsbedarf,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.11.
Früher schickte die Kirche Missionare zu den Heiden, um sie zu
bekehren. Heute schicken Universitäten ihre Mitarbeiter ins
Land, um in Politischen Laboratorien die Bekehrung zum
richtigen Nationenverständnis zu verfeinern. Dies jedenfalls
ist das Ziel eines
Forschungsprojekts, das noch bis 2021 an der Universität
Leipzig gefördert wird.
Die Veranstaltung in Altenburg über die Melanie MÜHL
berichtet, war Teil dieses Forschungsprojekts. Nur dass in
Altenburg niemand teilnahm, weshalb nun MÜHL die Veranstaltung
ins Feuilleton verlegt. Dort wird aus einer Diskussion jedoch
eine Belehrung über falsches Nationenverständnis. Das fehlende
Interesse in Altenburg wird von MÜHL als Verweigerungshaltung
gebrandmarkt:
"Die Gesprächswerkstatt in
Altenburg ist nicht die erste öffentliche Veranstaltung zu der
Frage, was Deutschsein heißt. Neulich, erzählt Julia Leser,
waren sie in Suhl, einem »posttraumatischen Ort«, gelegen in
einem Talkessel, ausgeblutet wie Altenburg. Heute leben in
Altenburg nur noch gut 33.000 Menschen, vor der Wende waren es
knapp 55.000. Dass in Suhl etwa zwanzig Leute zur
Gesprächsrunde kamen zeigte Julia Leser, dass sich die
Menschen nicht überall in diesem Land in Filterblasen
abschotten."
Die Gründe für die
Nichtteilnahme in Altenburg wurden aber gar nicht erforscht,
sondern sind reine Unterstellung. Beide Orte sind strukturell
kaum vergleichbar, denn
Suhl ist eine kreisfreie Stadt, während
Altenburg lediglich eine Kreisstadt ist. Suhl ist
zersiedelt, während Altenburg eher eine kompakte Stadt ist.
Gemeinsam ist aber beiden Städten, dass die dominierende
Linkspartei bei der letzten Kommunalwahl im Mai 2019 massiv
verloren hat. In Suhl hat davon die AfD profitiert, während es
in Altenburg zwei Bürgerinitiativen waren. Bei der
Landtagswahl wurde in beiden Städten die Linkspartei stärkste
Partei. Während in Suhl die CDU vor der AfD lag, war es in
Altenburg umgekehrt. Als nächstes wird ein Termin in
Nesse-Apfelstädt angekündigt. Auch dort ist die Misere der
Linkspartei bei der Kommunalwahl ähnlich.
Angeblich soll es in den
Gesprächswerkstätten um "Austausch" gehen, aber sowohl die
Auswahl der Veranstaltungsorte als auch die Zielsetzung der
PoliLabs widerspricht dieser Beschreibung. Die Teilnehmer
haben eher den Status einer "Versuchsperson" im Rahmen einer
Feldforschung.
Interessant ist in diesem
Zusammenhang auch ein taz-Artikel, der einen Tag später
erscheint. Unter dem Titel Politische Vermessung der Welt geht
es um eine umstrittene Berufung im Bereich
Politikwissenschaft. Es wird kritisiert, dass die Politische
Theorie der Empirie untergeordnet wird und es nicht mehr darum
ginge, wie die Welt sein sollte, sondern nur noch darum wie
sie ist. Man könnte es auch anders formulieren: Universitäten
jenseits der wenigen Eliteuniversitäten hängen am Tropf der
Drittmittelförderung. Ihre mangelhafte Ausstattung können sie
in erster Linie nur durch Aufträge des Staates, politischer
Parteien oder sonstiger politischer Interessengruppen
kompensieren. Leipzig gehört - im Gegensatz zu Dresden - nicht
zur gut ausgestatteten Elite, sondern ist auf Förderungen
angewiesen. Das PoliLab ist ein Beispiel für diese
Abhängigkeiten.
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