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Debatte

 
       
   

Frank Schirrmacher

 
       
   

Leben in der Methusalem-Gesellschaft. Oder: Eine neue Sinnstiftung für die deutsche MÄNNLICHE Elite

 
       
   

Ein Kritik anlässlich des  Essays "Die Revolution der Hundertjährigen" von Frank Schirrmacher im Spiegel vom 15.03.2004

 
       
     
       
   
     
 

Zitat: Frauen übernehmen die Macht in der zerfallenden Gesellschaft

Männerdämmerung

"Ein Kreis mächtiger Frauen um Friede Springer und Ann-Katrin Bauknecht hat sich unterdessen zusammengetan, um privat Angela Merkel zu stützen, die sich ihrerseits bis weit in manche Landesverbände in der Personalpolitik der CDU durchzusetzen beginnt.
Eine solche Akkumulation weiblicher Macht ist noch nicht dagewesen in der Geschichte des Landes, das einst als »vaterlose Gesellschaft« begann. Sie ist auch ziemlich sensationell. (...). Frauen übernehmen die Vermittlung und sogar die Macht in einer zerfallenden Gesellschaft."
(Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 01. 07.2003)

Ein MANN strebt die Deutungshoheit für das nächste halbe Jahrhundert an!

FAZ-Herausgeber Frank SCHIRRMACHER hat ein neues Buch geschrieben: Das Methusalem-Komplott. Der SPIEGEL hat ihm Gelegenheit gegeben in einem Essay UNGEHEUERLICHES zu verbreiten. Sowohl im Negativen als auch im Positiven wird damit eine Debatte eröffnet, deren Horizonte weitreichend sind.

Das Methusalem-Komplott

"Sorge dich nicht, werde alt!

Unsere Gesellschaft wird schon in wenigen Jahren ihre Alterung als einen Schock erfahren, der mit dem der Weltkriege vergleichbar ist. Nur eine militante Revolution unseres Bewusstseins kann uns wieder verjüngen. Anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse erstellt das Buch eine erschreckende Diagnose unserer Gesellschaft und ruft zu einem Komplott gegen den biologischen und sozialen Terror der Altersangst auf. Noch bleibt uns eine Chance."
(2004)

Nachdem im Jahr 2002 die Novemberrevolution fehlgeschlagen ist und uns Rot-Grün immer noch regiert, greift der gescheiterte Putschist nun erneut nach der kulturellen Hegemonie in Deutschland. Diesmal möchte er sich die Deutungshoheit gleich bis zum Jahr 2050 sichern.  Der Essay gibt einen Vorgeschmack auf das demagogische Denken von SCHIRRMACHER. Mit sicherem Instinkt für deutsche Gefühlslagen, hat SCHIRRMACHER das Gelände zukünftiger Debatten dreist vermint. Wer sich mit der Thematik bisher nicht intensiv beschäftigt hat - und das sind die Wenigsten - wird sicher die eine oder andere Tretmine auslösen.

Das Verweissystem des demografischen Wandels als unhinterfragbare Selbstverständlichkeit

Der naive Leser wird das von SCHIRRMACHER Vorgetragene möglicherweise ganz vernünftig finden, denn unsere Mitte-Eliten haben ganze Arbeit geleistet. Seit gut 3 Jahren (alles fein säuberlich auf single-generation.de und single-dasein.de dokumentiert) wird uns Nicht-Eliten tagein tagaus das Verweissystem des demografischen Wandels eingehämmert. Würde uns jemand mitten in der Nacht wecken und uns danach fragen, dann würden wir gedankenlos antworten: Vergreisung - zu wenige Kinder - wir dürfen uns auf den Sozialstaat nicht mehr verlassen, sondern müssen selber vorsorgen. Als Poppen für die Rente hat das jemand scheinbar konsequent auf den Punkt gebracht.

Die zwei Elementarteilchen der Sinnstiftung

Der Essay leistet zwei zentrale Aufgaben: zum einen stiftet er eine deutsche Eliten-Identität und zum zweiten befeuert er die europäische Angstgesellschaft. Beides sind der Stoff, aus dem heutzutage Bestseller gemacht werden.

Die ewige Zielgruppe als Machtbasis

Im Gegensatz zu Florian ILLIES beschränkt sich SCHIRRMACHER nicht allein auf die Altersgruppe der Generation Golf, sondern zielt -  wie bereits Martin SCHACHT - auf die ewige Zielgruppe der heute 30 - 49Jährigen.

Die ewige Zielgruppe

"Krise? Welche Krise?
Arbeitslosigkeit? Zukunftslosigkeit? Rentenloch? Nicht für die Generation der 30- bis 49-Jährigen! Martin Schacht befreit sie von der Angst vor dem Leben im Abseits und zeigt, dass sie trotz eines momentanen Zwischentiefs die von allen umworbene Gruppe ist - und es bleiben wird.
        
 Sie waren die Babyboomer, die Generation, der allein wegen ihrer Größe Zukunftsängste und Konkurrenzdenken eingeimpft wurde. Sie waren immer zu viele. Doch etwas Entscheidendes wurde lange Zeit übersehen: Wo Masse ist, ist immer auch Macht, ist immer auch ein Markt! Die geburtenstärkste Generation des 20. Jahrhunderts, die der heute 30- bis 49-Jährigen, ist der Markt der Gegenwart - und der Zukunft! Sie ist kaufkräftig und meinungsbildend.
        
 Die ewige Zielgruppe gibt einen vollständig veränderten Ausblick auf das Altern einer Generation: Sie wird trotz aller Krisen nicht im Abseits stehen, sondern immer im Mittelpunkt."
(aus: Klappentext 2004)

Der Aufstieg von der verlorenen Generation zur umworbenen Elite

Nach dem Motto "Masse = Kaufkraft = Macht" bastelt SCHIRRMACHER den bislang nur noch als verlorener Generation bekannten Altersgruppen einen goldenen Notausgang.  Dieses Katz-und-Maus-Spiel gelingt am ehesten in Situationen der Panik, in denen man immer die einzige offene Tür wählt - selbst wenn sie in den Abgrund führt! Nach dieser - notwendig - weit schweifenden Einleitung, sollen nun zwei konkrete Aspekte behandelt werden.

Der säkulare Geburtenrückgang als Hauptproblem der vergreisenden Gesellschaft

Mit nichts weniger als dem "Trauma eines rapide alternden Landes" befasst sich unser selbsternannter Vordenker:

Die Revolution der Hundertjährigen

"Manches spricht heute dafür, dass jene demografischen Veränderungen, die 2014 zweifellos schon für jedermann mit Händen zu greifen sein werden, das 20. Jahrhundert beerdigen werden."
(Frank Schirrmacher im Spiegel vom 15.03.2004)

Dieser Satz entfaltet seine Sprengkraft nur im Zusammenhang mit dem perfiden Vergleich. SCHIRRMACHER beruft sich nicht auf eine soziale Innovation, sondern - das Wort "beerdigen" signalisiert es bereits - er vergleicht die zukünftige Situation mit dem Beginn des 1. Weltkrieges. Wir dürfen uns also als eine Art Generation Stahlgewitter 2.0  vorstellen!

Ein wichtiges Thema wird verschenkt: Die Folgen einer Gesellschaft der Langlebigen

Hätte sich SCHIRRMACHER nur mit den Folgen der verlängerten Lebenserwartung befasst, single-generation.de wäre ganz einverstanden gewesen, denn vor kurzem wurde an dieser Stelle "nichts anderes als eine kopernikanische Wende" der Politik im Umgang mit dem Alter gefordert (siehe hierzu das Essay zur Gesellschaft der Langlebigen ). Das tut SCHIRRMACHER ebenfalls. Er prangert die Altersdiskriminierung ( neudeutsch: "Ageism") an. Schließlich wird er ja ebenfalls zu diesen "neuen Alten" gehören!

Die Alten schlagen zurück: Die Gefahr der Unterjüngung

SCHIRRMACHER begnügt sich jedoch nicht mit diesem Aspekt, dessen Ausführungen man gerne gefolgt wäre, nein, SCHIRRMACHER geht es primär um das, was Wissenschaftler neuerdings als "Unterjüngung" bezeichnen. Dieser Terminus beinhaltet eine implizite Schuldzuweisung, die eigentlich eine Kernzielgruppe von SCHIRRMACHER, nämlich die Generation Golf, attackiert. Das passiert so nonchalant nebenbei, dass es im Strahlen der Nebelkerzen nahezu untergeht:

Die Revolution der Hundertjährigen

"Unsere Gesellschaft wird aus zwei Richtungen untergraben: Zum einen sind die Menschen, um die es mir geht, alle schon geboren (...). Zum anderen wurden die Jungen, die wir für die Zukunft benötigen, niemals geboren."
(Frank Schirrmacher im Spiegel vom 15.03.2004)

Der dreiste Versuch der Demografiepolitiker ihre Vorausberechnungen gegen Kritik zu immunisieren

SCHIRRMACHER betet hier die Parolen des nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftlers Herwig BIRG und seiner Linientreuen in den Statistikverwaltungen nach. Am 7. März hat die greisenhafte Süddeutsche Zeitung ( meist mit der Verbreitung von Niedergangsszenarien beschäftigt ) die Vorwürfe des Statistikers Gerd BOSBACH an der neuesten Bevölkerungsvorausberechnung mit den gleichen Argumenten zu entkräften versucht wie SCHIRRMACHER in seinem Essay. Angeblich sind die neuesten Prognosen ja immer die Genauesten und die Menschen, um die es geht, sind bereits geboren. Ist  immer irgendwie richtig! Eigentlich ist die SZ nicht mehr im Netz zu lesen, aber der Versuch BOSBACH zu entkräften, wurde von der neoliberalen Elite extra ins Netz gestellt. Offenbar nimmt man die Kritik von BOSBACH ernst.

Der einzige Zweck der neuesten Bevölkerungsvorausberechnung: Die reibungslose Durchsetzung der Agenda 2010-Reformen

Die Bevölkerungsvorausberechnung vom Juni 2003 diente einzig dem Zweck, die Agenda 2010-Reformen ungestörter durchzusetzen. Und der Zweck heiligte dabei gewaltig die demagogischen Mittel! Man erinnere sich. Gravierendste Neuerung: eine enorme Zunahme der Lebenserwartung, die bislang in Vorausberechnungen zu niedrig angesetzt worden ist. Was aber wirklich dreist war, das war die Beibehaltung einer Geburtenrate von 1,4 für die nächsten Jahrzehnte! Und genau das ist der Knackpunkt, der das Machwerk der Bevölkerungsvorausberechnung zu Fall bringen wird.

Die Single-Lüge - Eine Kritik der Argumentationsmuster im Zeitalter der Demografiepolitik

"Dies ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt. Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
          
 Es wird aufgezeigt, dass sich die nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen."

Uns blüht ein statistisches Waterloo

Wir können uns noch genau an die letzte Präsidentschaftswahl in den USA erinnern. BUSH wurde nur Präsident, weil mit einem vorsintflutlichen Wahlverfahren gearbeitet wurde. Wir Deutschen haben uns über die "High-Tech"-US-Nation mit ihrer Low-Tech-Ausstattung lustig gemacht. Unser eigenes statistisches Waterloo steht uns dagegen noch bevor.

Das Golden Age of Marriage als Maßstab der Bevölkerungsfortschreibung

Unsere Bevölkerungsstatistik basiert auf den Normen der 1950er Jahre-Gesellschaft. Eine korrekte Erfassung setzt ein Golden Age of Marriage voraus! Die lebenslange Ehe ist notwendig, damit Geburten korrekt einer Frau zugeordnet werden können. NULL voreheliche Geburten! NULL Scheidungen! NULL Wiederverheiratungen! Ist das gegeben, dann kann das Ausmaß der lebenslangen Kinderlosigkeit korrekt gemessen werden.

Ein lange bekannter Skandal, den niemand interessiert

Bereits Anfang der 1980er Jahre wies die Bevölkerungswissenschaftlerin Charlotte HÖHN auf diesen Missstand hin. Bis heute basiert die amtliche Statistik auf den 50er Jahre Normen. Dies störte bislang niemand. NIEMAND! Die Mehrzahl profitierte auf irgendeine Weise von diesem skandalösen Zustand!

Die Profiteure einer vorsintflutlichen Statistik

Die Aufdeckung dieser Misere könnte dazu führen, dass das beliebte Schlagwort von der "Single"-Gesellschaft völlig absurdum geführt würde (siehe hierzu auch den Essay zum Terror der Individualisierungsthese ). Viele Minderheiten - wie z.B. zusammenlebende Paare mit Kind(ern), die sich aufgrund eines Alleinerziehenden-Status Vorteile verschaffen, haben es sich in ihrer "Individualisierungs-Nische" bequem gemacht. Der eine Lebenspartner firmiert als Single-Haushalt, der andere als Alleinerziehenden-Haushalt.

Postmoderne Arithmetik:
 Zwei Haushalte - eine Familie

Zwei-Haushalte - eine Familie! Wundersame Explosion der Single-Zahlen! Sozusagen ein familienpolitisch nutzbares Perpetuum Mobile! Die Single-Zahlen steigen mit der Zunahme postmoderner Familienformen an und führen gleichzeitig wieder zu vermehrten Erwartungen an die Familienpolitik. Alleinerziehende sind nur ein Beispiel für diese postmoderne Unübersichtlichkeit. Die Haushaltsstatistik kennt nur Haushaltsfamilien. Alle haushaltsübergreifenden Familienformen fallen durch die Raster der herkömmlichem Amtsstatistik .

Der Familiensurvey 2000 enthüllt die eklatante Schwäche der Bevölkerungsstatistik

Der Knüller kommt jedoch noch! Der Bevölkerungswissenschaftler Gert HULLEN (2003) hat anhand einer sozialwissenschaftlichen Erhebung erstmalig nachgewiesen, dass von den in den 1960er Jahren geborenen Frauen nur 14 % lebenslang kinderlos geblieben sind!

Tempo und Quantum der Reproduktion

"Der Familiensurvey gibt anders als der Mikrozensus erstens Angaben über alle Kinder wieder, im Fachterminus: über die biologische, nicht nur über die eheliche Fertilität, und darüber hinaus hat dieser Survey, verglichen mit anderen, eine außerordentlich breite Altersspanne von unter 20 bis über 50 Jahren."
(
aus: Partnerschaft und Familiengründung 2003, S.28)

In der öffentlichen Debatte schwanken dagegen die Zahlen von über 20 % bis zu über 30 % (1965 Geborene; siehe hierzu auch den Essay zur Geburtenkrise als politische Konstruktion ).

Die Gebärfaulheit der 60er-Jahre-Frauenjahrgänge als Artefakt der Bevölkerungsstatistik

Die angebliche Gebärfaulheit ist auf gravierende Messfehler der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung zurückzuführen. Dies wird sich nicht mehr lange geheim halten lassen. Der Mohr (also die Bevölkerungsvorausberechnung vom Juni 2003) hat inzwischen jedoch seine Schuldigkeit getan und eine Aufdeckung dieses Skandals wird die Reformen nicht mehr rückgängig machen. Unsere Elite hat uns getäuscht. Sie wird uns sagen, dass es nur zu unserem Besten war. Sie wird verschweigen, dass es vor allem ihr Bestes war! Während die Anschuldigungen von BOSBACH halbherzig waren, ist die Kritik von single-generation.de nicht zu entkräften. Die Geburtenrate der jüngeren Kohorten werden zu pessimistisch eingeschätzt. Das ist FAKT! Die Surveydaten mögen nicht exakt sein, weil die Datenbasis nicht genau der Bevölkerungsstruktur entspricht. Die Verzerrung ist jedoch nicht so hoch, dass die Ergebnisse von HULLEN gänzlich angezweifelt werden könnten. Es mag um einige Prozentpunkte gehen, aber die Tendenz ist eindeutig: die in den 1960er Jahren geborenen Frauen sind nicht so gebärfaul wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden.

Die Unterjüngung wird niedriger ausfallen

Die Konsequenz ist: der demografische Wandel wird - aufgrund der niedrigeren "Unterjüngung" nicht so dramatisch ausfallen wie unsere Sozialpopulisten und SCHIRRMACHER behaupten:

Die Revolution der Hundertjährigen

"Ein Kreis mächtiger Frauen um Friede Springer und Ann-Katrin Bauknecht hat sich unterdessen zusammengetan, um privat Angela Merkel zu stützen, die sich ihrerseits bis weit in manche Landesverbände in der Personalpolitik der CDU durchzusetzen beginnt.
Eine solche Akkumulation weiblicher Macht ist noch nicht dagewesen in der Geschichte des Landes, das einst als »vaterlose Gesellschaft« begann. Sie ist auch ziemlich sensationell. (...). Frauen übernehmen die Vermittlung und sogar die Macht in einer zerfallenden Gesellschaft."

(Frank Schirrmacher im Spiegel vom 15.03.2004)

"Spätestens im Jahr 2050 wird eine Gesellschaft entstehen, in der sich der Anteil der mindestens 80-Jährigen auf fast 12 Prozent verdreifacht haben wird",

prophezeit SCHIRRMACHER. Diese Relationen basieren auf der zu niedrig angesetzten Geburtenrate und werden deshalb keinen Bestand haben. Das wird jedoch im Jahr 2050 niemanden mehr interessieren. Über die Geburtenrate der jüngeren Frauen lässt sich  noch nicht viel sagen. Nur eines ist gewiss: Die Berechnungsgrundlage von Bevölkerungsvorausberechnungen müsste GRUNDLEGEND revidiert werden. Andere europäische Länder sind da weiter.

Die Kritik international renommierter Demografen wird in Deutschland nicht zur Kenntnis genommen

International renommierte Demografen wie Ron LESTHAEGHE oder John BONGAARTS haben darauf hingewiesen. In der Mitte-Presse gab es darauf jedoch keinerlei Echo. Im schwer verständlichen wissenschaftlichen Jargon liest sich das bei Gert HULLEN folgendermaßen:

Tempo und Quantum der Reproduktion

"Bongaarts und Feeney haben darauf jüngst hingewiesen und eine breite Diskussion eröffnet, ob bzw. dass die Kohortenfertilität gerade zuzeiten rapider Erhöhungen des Medians deutlich über der Periodenfertilität liegen könne. (...). Daran entzündeten sich auch Erwartungen einer schließlich wieder höheren Geburtenhäufigkeit heutiger Frauenjahrgänge (Lesthaeghe 2001)."
(aus: Partnerschaft und Familiengründung 2003, S.33)

Einzig Detlef GÜRTLER hat auf eigene Faust Berechnungen angestellt, die sich erst mehr als ein Jahrzehnt später als zutreffend erweisen werden . HULLENs Ergebnisse bestätigen GÜRTLERs Kritik an der Bevölkerungsvorausberechnung. Die einstmals alternative taz lehnte dagegen sogar einen Leserbrief von single-generation.de mit einer ziemlich fadenscheinigen Begründung ab.

Die Mitte-Eliten verspielen ihren Vertrauensvorschuss

Die Mitte-Elite hat nun erfolgreich den Ausstieg aus dem Umlagesystem der Sozialversicherung eingeleitet. Der Skandal ist jetzt nur noch von historischem Interesse, aber er könnte langfristig die Glaubwürdigkeit der selbstgefälligen Eliten erschüttern. Der Machtzerfall eines überlebten Regimes fängt gewöhnlich an der Peripherie an! SCHIRRMACHERs Pamphlet steht und fällt aber mit der Richtigkeit der Datenbasis, die alles andere als gegeben ist.

Die Ausweitung der Kampfzone: Die Demografiepolitik erobert neue Politikfelder

Der zweite Aspekt, der hier herausgehoben werden soll, besteht in dem Versuch die Demografie aus der gegenwärtigen familienpolitischen Engführung zu befreien und stattdessen Demografiepolitik primär als Außen- und Innenpolitik zu begreifen.

Der Youth Bulge und die islamistischen 68er

Frank SCHIRRMACHER befeuert die europäische Angstgesellschaft mit seinen Thesen zum Youth Bulge in den muslimischen Ländern.

Söhne und Weltmacht

"Mit diesem Buch liefert der Völkermordforscher Gunnar Heinsohn eine spannende und zugleich provokative Antwort auf den weltweit eskalierenden Terror.
Mit eindrücklichen Beispielen aus der Aktualität und der Geschichte belegt er, dass weder religiöser Fanatismus noch Armut für tödliche Gewaltbereitschaft sorgen. Vielmehr erweist sich ein übergrosser Anteil perspektivloser Jugendlicher an der Gesamtbevölkerung als Hauptgrund für Unruhen, Terror und Krieg, bis hin zum Aufstieg und Fall ganzer Nationen."
(aus: Klappentext 2003)

Gunnar HEINSOHN hat im letzten Jahr das Buch Söhne und Weltmacht veröffentlicht. Dieses Buch wurde bislang nur in der Welt und in der ZEIT besprochen. Nach den Anschlägen von Madrid und dem Essay von SCHIRRMACHER wird diesem Buch sicherlich vermehrte Beachtung zukommen. Eine gewaltige Jugendwelle in den muslimischen Ländern steht den vergreisenden Gesellschaften in Europa gegenüber. Demografiepolitik als die Politik der großen Zahl zieht daraus seine neue Attraktivität. Zusammen mit dem Ansatz von HUNTINGTON wird hier die Front einer neuen Weltordnung skizziert, die den kalten Krieg im Ost-West-Konflikt in einen heißen Krieg zwischen McWorld und Dschihad  zu überführen droht:

Die Revolution der Hundertjährigen

"In vielem gleicht die Protesthaltung der jungen Muslimen jener der Studenten von 1968 (...). Immer mehr Kinder aus bürgerlichen muslimischen Mittelstandsmilieus sammeln sich, geprägt von einer fundamentalistischen Ideologie und verbittert über die Ungerechtigkeit in der Welt, zu einer Wiederaufführung des Revolutionsdramas von einst genau in dem Augenblick, da die westlichen Revolutionäre, die Achtundsechziger aus Berkeley, Berlin und Paris, im Begriff sind, in Rente zu gehen."
(Frank Schirrmacher im Spiegel vom 15.03.2004)

 

SCHIRRMACHER spielt hier mit den Ängsten der alten Mitte vor den 68ern. Der Vergleich hinkt jedoch gewaltig. Während die 68er innenpolitische Veränderungen anstrebten, zielt  SCHIRRMACHER hier auf einen außenpolitischen Konflikt. Der 68er-Vergleich zielt einzig auf die Reflexe des alten Bürgertums. Bei der neuen Mitte wird sich SCHIRRMACHER damit jedoch keine Freunde machen.

Fazit: Eine EinMANN-Armee erobert die Bewusstseinsindustrie zurück   

Die Angst vor der Machtübernahme durch die Frauen hat ein Buch gezeugt. SCHIRRMACHER bietet seinen männlichen Leidensgenossen eine neue Sinnstiftung für das nächste halbe Jahrhundert an. Beim Kriegshandwerk haben Frauen nichts zu suchen. Der Mann hat seinen letzten genuinen Gegenstand gefunden. Den islamistischen Fundamentalisten sei dank, könnte ein allzu zynisches Schlusswort lauten. Aber so einfach wollen wir es uns nicht machen. SCHIRRMACHER hat mit sicherem Instinkt die Themen der Zeit mit der spezifisch deutschen Gefühlslage verknüpft. Das Buch wird ein Bestseller werden und wer es nicht kennt, der wird im Kampf um die kulturelle Hegemonie in Deutschland ins Hintertreffen kommen. Frauen mögen das anders sehen.  Mit dem Essay hat SCHIRRMACHER eine Debatte eröffnet, deren Verlauf möglicherweise zu ganz neuen Fronten führen könnte. Neben der konfrontativen Strategie (Clash der Zivilisationen) enthält der Essay versöhnliche Töne, die auf eine Annäherung von alter und neuer Mitte abzielen. Beim Putschversuch im Jahre 2002 hat die Neue Mitte SCHIRRMACHER noch kalt abblitzen lassen (siehe hierzu die verbitterte Anklage in der FAZ vom 17.12. 2002 ). Wird sie nun sein neues Angebot annehmen?       

 
     
 
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 15. März 2004
Update: 26. November 2018