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Thema des Monats

 
       
   

Alleinlebende in Deutschland - Eine Einführung in die amtliche Statistik des Single-Daseins

 
       
   

Teil 1: Der Alleinlebende - Das unbekannte Wesen (Fortsetzung)

 
       
     
   
     
 

Singles als Alleinwirtschaftende

Hier wird für die Zugangsweise der amtlichen Statistik nicht der Begriff des Alleinlebens verwendet, denn die Haushaltsstatistik ordnet alle Dimensionen der Wirtschaftsweise unter. Diese Begriffslogik lässt sich folgendermaßen veranschaulichen:

Abbildung 2: Die Begriffslogik der Zuordnung zu den Alleinlebenden in der amtlichen Statistik

Die Frage, ob jemand zusammenwirtschaftet oder allein wirtschaftet entscheidet über die Zugehörigkeit zur Paargemeinde und zur Gruppe der Zusammenwohnenden. Eine solche Sichtweise ist vorindustriellen Denkmustern verpflichtet, für die ein Individualeinkommen nicht existiert hat. In dem Buch Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik schreibt Hans ACHINGER:

Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik

"Die Fixierung des Einkommens an persönlich scharf herausgeschnittene Arbeitsleistungen hat zur Folge (...), daß der Arbeitsertrag zunächst dem Individuum, nicht mehr einem Kollektivum, dem Hof, dem Hause, der Familie, der Werkstatt, zufällt. Der Arbeitsertrag wird völlig auf Lohntüten verteilt, die dem einzelnen jeweils die Gesamtverfügung über ihren Inhalt verschaffen. Dabei bleibt dann völlig offen, wie sich ein Familienverband, einschließlich der Nichtlohntütenempfänger, durch die Kombination von solchen Individualeinkommen wieder lebensfähig macht. Es entspricht dem neuen Zustand, daß jetzt in der Arbeitswelt völlig isolierte Personen erscheinen, deren »private« Familien- oder Haushaltszugehörigkeit nicht bekannt zu sein braucht und auch nichts besagt."
(1958, S.35 )

Das Single-Dasein setzt also ein Individualeinkommen (oder ausreichende staatliche Sozialleistungen bei Ausfall des Verdienstes), wie es uns heute als selbstverständlich erscheint, voraus. Heutzutage ist die Selbstdefinition als Paar jenseits des Zusammenwirtschaftens nicht mehr ungewöhnlich. Die amtliche Statistik ist dagegen immer noch einem Verständnis verpflichtet, das der Schriftsteller Wilhelm GENAZINO in seinem 1950er-Jahre-Roman Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman (2003) verdeutlicht.

Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman

"Gudrun (...) war drei Jahre älter als ich und arbeitete als Sekretärin in einem Ingenieurbüro. Ihr Vater war aus dem Krieg nicht nach Hause gekommen, sie wohnte zusammen mit ihrer Mutter in einer kleinen Souterrainwohnung. Obwohl wir uns noch nicht lange kannten, hatten wir bereits ein gemeinsames Sparbuch, in das jeder von uns jeden Monat fünfzehn Mark einzahlte, wofür wir von Gudruns Mutter gelobt wurden. Obwohl wir noch nicht zusammen geschlafen hatten, waren wir uns schon einig, daß wir zwei Kinder haben wollten, einen Jungen und ein Mädchen. Wir wollten kein Risiko eingehen. Erst vor einem Vierteljahr hatte Gudruns Schwester Karin heiraten müssen. Zu einer solchen »Bauchhochzeit« (das war Gudruns Wort) waren wir nicht bereit. Es war uns nicht unheimlich, daß wir uns schon jetzt über das Möbelhaus einig waren, in dem wir in einigen Jahren unsere Einrichtung kaufen würden. Vorerst aber, das sagte Gudrun immer wieder, mußte ich eine Lehrstelle finden, und zwar so schnell wie möglich."
(2003, S.14)

Gilt für die amtliche Statistik der Grundsatz: zuerst das Geld und dann Partnerschaft und Zusammenwohnen, so ist in der Realität das zusammenwohnende, aber jeder für sich allein wirtschaftende Paar genauso möglich wie Paare ohne gemeinsame Wohnung. Solche Arrangements werden von den amtlichen Statistikern nicht ernst genommen, obgleich sie dauerhafter sein können als durchschnittliche, eheliche Gemeinschaften. Der Begriff des Alleinlebens unterstellt die Einheit von Zusammenwirtschaften, Zusammenwohnen und Paarsein. Er diskriminiert damit moderne Paarbeziehungen.  Alleinlebende sind begriffslogisch eine Teilmenge der Alleinstehenden, die sich folgendermaßen darstellt:

Abbildung 3: Alleinlebende als Teilmenge der Alleinstehenden

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass aufgrund eines Kategorienwandels inzwischen auch Verheiratete einen Einpersonenhaushalt führen können. Wie wir noch sehen werden, führt dies zu weiteren Problemen bei der Erfassbarkeit von Singles, denn Ehemänner (weniger Ehefrauen), die berufsbedingt sowohl in einer Paar- oder Familienwohnung als auch in einer Single-Wohnung leben, verfälschen die amtliche Erfassung der Singles. Diese Verzerrung muss vor allem bei historischen Vergleichen beachtet werden, denn durch Kategorienwandel ist die Vergleichbarkeit nicht mehr von vornherein gegeben. Der dramatische Anstieg der Einpersonenhaushalte ist u.a. auch eine Folge solcher Kategorienwechseln, denn während bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Personengruppen noch gar nicht zu einer Kategorie zählten, verschärfen sie den Anstieg nach der Änderung. Umgekehrte Phänomene sind natürlich auch möglich, sodass sich manche Änderungen aufheben könnten. In dieser Einführung werden wir des öfteren auf solche Kategorienänderungen stoßen. Wie sie zu bewerten sind, wird dann im Einzelnen untersucht. Im weiteren wird deutlich werden, dass der Einpersonenhaushalt der amtlichen Statistik eine Art Mülleimer für alle Fälle ist, mit denen die Wissenschaftler bis vor kurzem nichts anzufangen wussten: exotische Randgruppen, die vom Normalfamilienmodell abwichen.

Singles als Partnerlose

Verwies der Begriff Alleinstehender noch darauf, dass Partnerlosigkeit mit verschiedenen Wohnformen einhergehen kann, so verengt sich durch die Individualisierungsthese (siehe oben) der Fokus auf den allein wohnenden Partnerlosen, während z.B. der männliche Nesthocker im mittleren Lebensalter ausgeblendet wird. Oftmals gelten Alleinlebende - wie es der amtliche Begriff suggeriert - auch als Partnerlose, obwohl Paare ohne gemeinsame Wohnung selbst im mittleren Lebensalter keine Seltenheit mehr sind. Der Soziologe Günter Burkart hat in dem Buch Lebensphasen - Liebesphasen die Gründe kritisiert, die dazu führen, dass Paare ohne gemeinsamen Haushalt ignoriert werden:

Lebensphasen - Liebesphasen

"Manche rechnen auch die Alleinlebenden mit festem Partner zu den Singles. Die Begründung ist allerdings oft rein technisch: Das Kriterium »feste Partnerschaft« sei nicht exakt meßbar. Das mag für die üblichen Befragungen zutreffen. Doch für eine soziologische Theorie des Paares wäre das Kriterium »feste Partnerschaft« sehr wichtig - wenn auch dessen Erfassung etwas aufwendiger wäre, als es in den üblichen Befragungen geschieht. Der Verlauf einer Paarbeziehung hat einen definitiven Übergangspunkt, an dem die Beziehung als »fest« definiert ist. Wir unterscheiden im folgenden in erster Linie zwei Grundtypen: Alleinlebende ohne festen Partner (»Singles«) und Alleinlebende mit festem Partner."
(1997, S.148)

Solange die amtliche Statistik für die modernen Paarbeziehungen keinerlei Kategorien bereithält wird sich an der Gleichsetzung von Alleinlebenden und Partnerlosen nicht viel ändern. Bisher gibt es nur wenige repräsentative sozialwissenschaftliche Untersuchungen, die diesen Sachverhalt erhellt haben. Bei der Verbreitung der verschiedenen Single-Gruppen wird darauf näher eingegangen. Zum Schluss soll die hier vorgestellte Begriffslogik wieder durch ein Abbildung veranschaulicht werden. Es sollte nun deutlich geworden sein, dass Paare und Partnerlose sowohl Teilmengen der Alleinstehenden als auch der Alleinlebenden sind. Die Kategorie der Alleinlebenden ist in der Abbildung durch eine Linie von den Alleinstehenden abgegrenzt. Innerhalb des so entstandenen Rechtecks sind die alleinlebenden Partnerlosen und Paare dargestellt.

Abbildung 4: Paare und Partnerlose als Teilmenge der Alleinstehenden und Alleinlebenden

Singles als Kinderlose

Bis Mitte der 80er Jahre spielte die Kinderlosigkeit von Singles keine große Rolle in der öffentlichen Debatte. Mit der Veränderung der gesellschaftlichen Altersstruktur und der damit verbundenen abnehmenden Zahl Jugendlicher und junger Erwachsenen gilt die Kinderlosigkeit als entscheidendes Merkmal von Singles. Alleinlebende gelten als Kinderlose, denn sie führen weder einen Kleinfamilien- noch einen Alleinerziehendenhaushalt. Der Familienbegriff wird durch die amtliche Statistik auf eine Familienphase reduziert. Sobald die Kinder den elterlichen Haushalt verlassen - egal ob durch Auszug oder durch Scheidung, gelten Eltern wieder als Kinderlose. Die amtliche Statistik ignoriert die heutzutage üblich gewordene multilokale Mehrgenerationen-Familie. Haushaltsübergreifende Hilfebeziehungen werden dadurch ausgeblendet. Martin KOHLI, Harald KÜHNEMUND, Andreas MOTEL und Marc SZYDLIK. haben die Generationenbeziehungen jenseits des Familienhaushalts untersucht. Im Beitrag Generationenbeziehungen aus dem Sammelband Die zweite Lebenshälfte aus dem Jahr 2000 haben sie den unsichtbaren privaten Generationenvertrag beschrieben.

Generationenbeziehungen

"Krisendiagnosen der Familie unterschätzen das tatsächliche Ausmaß an intergenerationeller Solidarität. Wer sich lediglich auf die Abnahme des Zusammenlebens mehrer Generationen (...) stützt, kommt zu keinem wirklichkeitsgetreuen Bild der Verbundenheit. Zunächst wird das tatsächliche Ausmaß der Koresidenz unterschätzt, solange die jeweilige Familiendemographie nicht in Rechnung gestellt wird. Gleichzeitig werden die gestiegenen Möglichkeiten vernachlässigt, eine »innere Nähe durch äußere Distanz« zu realisieren. Dafür ist anstelle des gemeinsamen Lebens im selben Haushalt das gemeinsame Leben im selben Haus oder in der unmittelbaren Nachbarschaft aussagekräftiger".
(...).
Die Gültigkeit der »Krise der Familie« wird vollends zweifelhaft, wenn man die Dimensionen intergenerationeller familialer Solidarität berücksichtigt.
(...).
Die Auswertungen auf der Basis des Alters-Survey haben beispielsweise gezeigt, daß dem öffentlichen »Generationenvertrag« - der Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Rentnern - ein privater Transferfluß in der umgekehrten Richtung entspricht. (...). Es ist davon auszugehen, daß die nach wie vor hohe Popularität der Rentenversicherung auch bei den Jüngeren nicht zuletzt von der Erfahrung getragen ist, daß sei auf die Unterstützung durch ihre Eltern und Großeltern zählen können".
(aus: Die zweite Lebenshälfte 2000, S.205f.)

Man könnte also behaupten, dass der Haushaltsoptik ein individualistisches Vorurteil innewohnt. Während Personen, die einen Mehrpersonenhaushalt führen, Gemeinschaftsdenken unterstellt wird (auch wenn es sich nur um pure Not handelt), steht der Einpersonenhaushalt unter Egoismusverdacht (auch wenn die Person vielfältige Unterstützungsbeziehungen mit anderen Haushalten unterhält). Der Soziologe Hans BERTRAM hat ins seinem Beitrag Die Sicherheit privater Beziehungen (1995) den amtlichen Familienbegriff als überholt kritisiert.

Die Sicherheit privater Beziehungen

"Die Orientierung am Haushalt als Familiendefinition führt (...) dazu, daß die amtliche Statistik in diesem Punkt konträr zum Verständnis von Familie in der Bevölkerung steht. Die Bevölkerung definiert Familie mehrheitlich nicht über den Haushalt, sondern unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit der Familienmitglieder mit unterschiedlicher Gewichtung im Lebensverlauf. Die amtliche Statistik arbeitet mit einem Familienbegriff, der eigentlich nur gerechtfertigt war, solange Eltern das Erwachsenwerden ihrer Kinder nicht mehr erlebten. Diese Zeiten sind allerdings gut hundert Jahre vorbei."
(aus: Das Individuum und seine Familie 1995, S.120)

Wir halten also fest: Alleinlebende sind keineswegs immer kinderlos, sondern ihre Kinder leben zum Zeitpunkt der Erfassung nur nicht im Haushalt der Eltern. Neben den Fertilitätsstörungen, die das Medienbild bestimmen, können auch richterliche Sorgerechtsentscheidungen zu ungewollter Kinderlosigkeit führen. Zum Schluss soll jetzt noch einmal die Begriffslogik veranschaulicht werden. Eltern und Kinderlose sind nicht nur eine Teilmenge der Alleinstehenden, sondern auch der Alleinlebenden:

Abbildung 5: Eltern und Kinderlose als Teilmenge der Alleinstehenden und Alleinlebenden

Singles als Alleinwohnende

Alleinwohnen ist noch nicht lange selbstverständlich, denn es setzt das Vorhandensein entsprechenden Wohnraums voraus. Hartmut HÄUßERMANN & Walter SIEBEL haben in ihrer Soziologie des Wohnens (1996) die Grundvorsetzungen einer Wohnung beschrieben.

Soziologie des Wohnens

"»Eine Wohnung ist die Summe aller Räume, die die Führung eines Haushaltes ermöglichen, darunter ist stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit. Eine Wohnung hat grundsätzlich einen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, einem Treppenhaus oder einem Vorraum, ferner Wasserversorgung, Ausguß und Toilette, die auch außerhalb des Wohnungsabschlusses liegen können« (Statistisches Bundesamt 1995b, 5). Eine Wohnung muß also die Abgeschlossenheit der Privatsphäre garantieren, eine selbständige Haushaltsführung, die mit Essenszubereitung gleichgesetzt wird, und die körperliche Entleerung"
(1996, S.17).

Das Alleinwohnen wurde in seiner sozialökologischen Dimension erst in den 1990er Jahren zum Thema. Das Buch Raum ergreifen von Martina LÖW aus dem Jahre 1994 stellt erstmalig die Raumnutzung und nicht den Bindungsaspekt in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Raum ergreifen

"Das Alleinwohnen von Frauen wurde bis in die neunziger Jahre hinein (...) nur unter dem Aspekt der Partnerschaftslosigkeit diskutiert. Dagegen läßt sich heute eine Tendenz feststellen, wonach die Unterscheidung z.B. zur Familie in der Wohnform gesucht wird. Während die Familie aufgrund der für sie typischen Personenkonstellation »Vater, Mutter, Kinder« charakterisiert ist, ist das Alleinwohnen eine Lebensform, die auf der Basis einer bestimmten Raumnutzung entsteht".
(1994, S.63)

Einschränkend muss gesagt werden, dass LÖWs Buch sich nur dem Alleinwohnen der Frauen widmet. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass zwischen dem Alleinwohnen der Männer und der Frauen erhebliche geschlechtertypische Unterschiede bestehen. Auf diese sozialökologischen Aspekte des Alleinwohnens kommen wir in einer späteren Folge zurück. Hier wird dagegen nun die Differenz zwischen dem Alleinwohnen und dem Zusammenwohnen behandelt.

Mit dem statistischen Begriff des Alleinlebenden wird der Aspekt des Wohnens der Wirtschaftsweise untergeordnet. Dies führt dazu, dass Wohngemeinschaften, die nicht gleichzeitig auch Wirtschaftsgemeinschaften sind, in die Kategorie der Alleinlebenden fallen. Im Gegensatz zu den Kommunen der 68er sind die Wohngemeinschaften der Nach-68er jedoch selten Wirtschaftsgemeinschaften. Die Feministin Herrad SCHENK hat in ihrem Buch mit dem programmatischen Titel Wir leben zusammen, nicht allein aus dem Jahre 1984 verschiedene Typen von Wohngemeinschaften vorgestellt, die sich durch Motivation und die Stärke des Zusammengehörigkeitsgefühls unterscheiden.

Wir leben zusammen, nicht allein

"Für junge Erwachsene, die sich in der Phase der Ausbildung und der Ablösung vom Elternhaus befinden, stellt die Wohngemeinschaft eine gebräuchliche Alternative zu Wohnheimen, zur früher üblichen Form des isolierten Alleinlebens in Untermiete und auch zum Wohnen zu zweit dar. Obwohl heute die Möglichkeiten für unverheiratete Paare, eine gemeinsame Wohnung zu mieten, größer sind als noch vor einem Jahrzehnt, zeihen viele jüngere Leute das Leben in der Wohngemeinschaft vor, entweder, weil sie die entere Zweierbeziehung noch fürchten oder weil sie bereits bestimmte Erfahrungen damit gemacht haben. Die am stärksten verbreitete Form der Wohngemeinschaft ist sicher die der Zwanzig- bis Dreißigjährigen, die noch in der Ausbildung oder am Beginn einer Berufstätigkeit stehen und kinderlos sind.
Manchmal ergibt sich aus solchen Wohngemeinschaften, die für die einen nur Übergangsstadium zur Kleinfamilie oder zum Leben allein oder zu zweit sind, für andere ein auf längere Dauer angelegtes Lebensmodell. Sie bleiben als Singles in Wohngemeinschaften oder integrieren einen Partner, Kinder (oder Partner und Kinder) in eine Wohngruppe.
Seltener kommt ein anderer Typ von Wohngemeinschaft vor: Zusammenschlüsse von vorher für sich lebenden Kleinfamilien oder Ein-Eltern-Familien, mit dem erklärten Zweck, sich gegenseitig bei der Betreuung und Erziehung zu unterstützen und die in dieser Zeit häufig entstehende soziale Isolation der Erwachsenen, insbesondere der Mütter, zu verringern. Ebenfalls noch selten ist die Wohngemeinschaft als Lebensmodell für die späteren Erwachsenenjahre, wenn Kinder aus dem Haus sind."
(1984, S. 10.f)

Im Roman Die Frau fürs Leben (2004) des Schriftstellers Daniel BIELENSTEIN findet sich ein Dialog zwischen einem Alleinwohnenden ohne feste Partnerschaft und einem Freund, der sich selbst als Single bezeichnet, obwohl seine Lebensverhältnisse eher einer traditionellen Partnerschaft entsprechen.

Die Frau fürs Leben

"Herbert behauptet stock und steif, er sei Single. Dabei lebt er seit über zehn Jahren mit seiner Freundin Angelika zusammen. Unsere Gespräche darüber verlaufen stets nach dem gleich Strickmuster:
»Herbert, sieh es einfach ein. Du bist kein Single«
»Natürlich bin ich das. Genau wie du«
»Und was ist mit Angelika?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Ihr wohnt seit zehn Jahren in einer Wohnung«
»Na und? Wir haben eine WG. Um genau zu sein, eine Zweier-WG.«
»Natürlich. Und die Tatsache, dass ihr miteinander schlaft, hat wohl auch nichts zu sagen?!«
»Genau. Wir haben Sex miteinander. Deswegen ist man doch in keiner Beziehung. Das müsstest du doch am besten wissen.«
»Ich habe aber nicht seit zehn Jahren Sex mit derselben Frau.«
»Zufall. Es ergibt sich halt so, wenn man zusammenwohnt.«
"
(2004, S.32f.).

Es ist anzunehmen, dass Herbert bei einer Mikrozensus-Befragung angibt, dass er allein wirtschaftet und deshalb als Alleinlebender eingeordnet wird, obwohl er eher traditionell mit einer Frau zusammenwohnt. Auch Paare ohne gemeinsame Wohnung, also Teilzeit-Alleinwohnende bzw. Teilzeit-Zusammenwohnende, werden in der amtlichen Statistik den Alleinlebenden zugeordnet (siehe hierzu näher das Kapitel über Singles als Partnerlose). In dieser Einführung wird argumentiert, dass sowohl Wohngemeinschaften als auch Partnerschaften ohne gemeinsame Wohnung eigenständige Lebensweisen sind, die durch den statistischen Begriff des Alleinlebens negiert werden. Hier halten wir deshalb fest: Alleinwohnende und Wohngemeinschaften sind Teilmengen der Alleinlebenden. Dies soll in der nachfolgenden Abbildung nochmals veranschaulicht werden. 

Abbildung 6: Alleinwohnende und Wohngemeinschaften als Teilmenge der Alleinlebenden und Alleinstehenden

Fazit

Die amtliche Statistik, die den Begriff des Alleinlebenden in den Mittelpunkt stellt, ist mit der Erfassung des modernen Single-Daseins völlig überfordert. Fassen wir nochmals zusammen, welche zentralen Defizite die amtliche Erfassung des Single-Daseins kennzeichnen:

- Alleinlebende sind nicht unbedingt partnerlos, weil Paare ohne gemeinsamen Haushalt (ob sie nun zusammenwohnen oder keine gemeinsame Wohnung haben) nicht berücksichtigt werden.
- Alleinlebende sind keineswegs immer kinderlos. Die Kinder der Alleinlebenden leben jedoch zum Zeitpunkt der Erfassung nicht im Haushalt. Auszug der Kinder und richterliche Sorgerechtsentscheidungen können dafür verantwortlich sein.
- Alleinlebende wohnen nicht immer allein. Sie können entweder in Hausgemeinschaften, Wohngemeinschaften oder sogar mit einem Partner zusammenwohnen, wenn sie keine Wirtschaftsgemeinschaft bilden.
- Einzig Alleinwirtschaftende sind Alleinlebende immer, wenn sie ehrlich geantwortet haben.

Nun sind wir soweit, dass wir den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit der amtlichen Statistik durch eine Abbildung darstellen können. Nimmt man den Begriff des Alleinlebenden ernst, dann ist damit eine Person gemeint, die alleine wohnt, keinen festen Partner hat und auch keine Kinder. Zwischen der statistisch erfassten Personengruppe (äußere mittelblaue Linie) der Alleinlebenden (Einpersonenhaushalte) und den tatsächlich allein lebenden Personen (graue Fläche) besteht bereits auf dieser begriffslogischen Ebene ein großer Unterschied.    

Abbildung 7: Alleinlebende als kinderlose Alleinwohnende ohne feste Partnerschaft
Farbkennzeichnung der einzelnen Singlegruppen:

Wir halten also fest: Bei der amtlichen Statistik entscheidet die Frage nach dem Zusammenwirtschaften darüber ob ein Alleinstehender entweder den Alleinlebenden, Paaren oder Familien zugeordnet wird. Dadurch werden nicht zusammenwirtschaftende Paare, Eltern mit Kindern außerhalb des Haushaltes und Wohngemeinschaftsmitglieder nicht entsprechend ihren tatsächlich vorhandenen Bindungen erfasst. Neuere sozialwissenschaftliche Ansätze haben diese haushaltsübergreifenden Netzwerke untersucht und kommen deshalb zu ganz anderen Ergebnis hinsichtlich der Lebensweisen der Bevölkerung. Die amtliche Statistik mit ihrer starren Hierarchie ist der pluralistischen Gesellschaft nicht mehr angemessen und diskriminiert moderne Lebensformen.

Ausblick

Die weiteren Teile der Einführung widmen sich der Verbreitung unterschiedlicher Singlegruppen und ausgewählten Aspekten der Lebensweise von Singles. Im nächsten Teil steht die Verbreitung der Alleinlebenden im Mittelpunkt. Dabei geht es u. a. um die Frage, warum vom Terror der Individualisierungsthese gesprochen werden kann. Es wird gezeigt mit welchen definitorischen, kategorialen und darstellerischen Mitteln die Entwicklung der Einpersonenhaushalte dramatisiert wird.

Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte

Die Single-Debatte ist längst in eine Sackgasse geraten. Dies wird in diesem Buch u.a. der Individualisierungsthese des Münchner Soziologen Ulrich Beck angelastet.
        
Das Buch sollte als Beitrag zur Versachlichung der Debatte verstanden werden und liefert deshalb Argumente für eine neue Sichtweise auf das Single-Dasein im Zeitalter der Demografiepolitik.

 
     
 
       
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 15. Januar 2005
Update: 22. November 2018