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Was ist aus historischen
und internationalen Vergleichen für die heutige deutsche
Situation zu lernen?
Barbara WILLENBACHER
beleuchtet in ihrem Beitrag Nationalsozialistische
Bevölkerungspolitiken, Juliane ROLOFF blickt auf die
ehemalige DDR zurück und Corinna ONNEN-ISEMANN vergleicht die
Entwicklung in Deutschland und Frankreich.
Christiane
DIENEL hat in ihrem Buch Kinderzahl und Staatsräson
(1995) den Beginn der öffentlichen Debatte um den
Geburtenrückgang in Deutschland umfassend dargestellt. Der
Verlauf der Debatte in deutschen Zeitschriften wird aus dem
folgenden Schaubild deutlich:
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Quelle:
Christiane Dienel, 1995, S.34 |
Es lässt sich erkennen,
dass die Debatte um den Geburtenrückgang erst nach 1910 an
Intensität gewinnt. Nicht der Rückgang der Geburtenziffern, der
bereits um 1870 einsetzte wie der Nationalökonom Julius WOLF
Anfang des Jahrhunderts nachwies, sondern erst der Rückgang der
absoluten Geburtenzahlen - aber bei weiterem Geburtenüberschuss
-entfachte eine Debatte. Für
DIENEL wurde die Debatte jedoch nicht durch den Rückgang der
Geburtenzahlen an sich ausgelöst, sondern erst als
sich die preußische Regierung das Thema aufgriff, nahm die
Debatte Fahrt auf:
Kinderzahl und Staatsräson
"Die
zeitlichen Höhepunkte des Erscheinens von Artikeln
spiegeln meist Aktivitäten der Regierung oder andere
spektakulären Ereignisse, so Mitte 1912 das Bekanntwerden
der preußischen Aktion zur Erforschung des
Geburtenrückgangs, Ende 1913 unter anderem die Berliner
Gebärstreik-Debatte, in der ersten Jahreshälfte 1914 und
im Verlauf des ersten Weltkriegs die verschiedenen
Neuauflagen der Parlamentsdiskussion über
Geburtenrückgang."
(1995, S.36) |
Der 1. Weltkrieg
beschleunigte die Debatte weiter. Diese Einschätzung wird auch
von Matthias WEIPERT bestätigt, dessen Studie "Mehrung der
Volkskraft" aus dem Jahr 2006 nicht nur die Zeit bis 1918
abdeckt, sondern bis 1933.
Erst
vor dem Hintergrund der bevölkerungspolitischen Debatten im
Kaiserreich und der Weimarer Republik ist die
nationalsozialistische Bevölkerungspolitik vollständig
verstehbar. Es ist keineswegs allein die nationalsozialistische
Bevölkerungspolitik gewesen, die Skepsis gegenüber
bevölkerungspolitischen Anmaßungen aufkommen ließ. Nicht erst
Herwig BIRG beklagte die mangelnde öffentliche Akzeptanz der
Bevölkerungsfrage, sondern die Behauptung der Marginalisierung
der Befürworter einer aktiven Bevölkerungspolitik ist eine
durchgängige rhetorische Figur.
Wichtiger
wäre jedoch die Frage, ob die nationalsozialistische
Bevölkerungspolitik überhaupt von Erfolg gekrönt war.
WILLENBACHER weist jedoch darauf hin, dass aufgrund von
Aktenvernichtungen in den 1960er Jahren repräsentative
Untersuchungen im Hinblick auf die Auswirkungen der
nationalsozialistischen Familien- und Bevölkerungspolitik nicht
mehr möglich sind und auch bis dahin nicht vorgelegen haben.
WILLENBACHER
muss sich deshalb auf die Vorstellung der einzelnen Maßnahmen
beschränken. Dabei muss zwischen antinatalistischen (geburtenverhindernden)
und pronatistischen (geburtenfördernden) Politiken unterschieden
werden. Der
prominente Bevölkerungsstatistiker Friedrich BURGDÖRFER, der
bereits vor 1933 mit Büchern wie Volk ohne Jugend
bevölkerungspolitische Fragen popularisierte, beklagte bis zur
Machtergreifung Hitlers wortstark den Geburtenrückgang. Mit
anschaulichen Grafiken verdeutlichte BURGDÖRFER die Vergreisung
des deutschen Volkes
. Ab
1933 bemühte sich BURGDÖRFER dann, die steigenden
Geborenenzahlen als Erfolg der nationalsozialistischen
Bevölkerungspolitik darzustellen. Aus dem nachfolgenden
Schaubild ist deutlich sichtbar, dass die Geburtenzahlen
zwischen 1920 und 1933 bis unter das Bestandserhaltungsniveau
gefallen sind.
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Quelle:
Juliane Roloff, 2007, S.128 |
Erst nach der
Weltwirtschaftskrise stiegen die Geborenenzahlen bis in die
1940er Jahre an. BURGDÖRFER bezifferte den Fehlbestand an
Geburten für das Jahr 1933 mit fast einem Drittel. Auch
heutzutage wird von nationalkonservativen
Bevölkerungswissenschaftlern und ihren Sympathisanten ein
Geburtenfehlbetrag in dieser Größenordnung beklagt. Seit
der Machtergreifung Hitlers habe sich das Blatt jedoch gewendet.
1942, also während des 2. Weltkrieges, verkündet BURGDÖRFER den
Erfolg der nationalsozialistischen Politik folgendermaßen:
Geburtenschwund
"Der
nationalsozialistische Staat hat im Bewußtsein seiner
geschichtlichen Sendung (...) die Grundlage für die
neue Lebenszuversicht, den neuen Lebensmut und
Lebenswillen, der das deutsche Volk seit 1933 wieder
beseelt, (geschaffen) und auf biologischem Gebiet wurde
dieser Lebenswille noch gefördert durch eine Reihe von
bedeutsamen bevölkerungspolitischen Maßnahmen, wie
Ehestandsdarlehen, Kinderbeihilfen, steuerlichen Maßnahmen
usw.
So setzte alsbald nach dem politischen Umbruch - und zwar
durchaus spontan und, wie ausdrücklich bemerkt sei, schon
for der Einführung irgendwelcher bevölkerungspolitischer
Maßnahmen - auch ein biologischer Wiederaufstieg in
Deutschland ein, der nirgends in der Welt seinesgleichen
hat und der sich - trotz des Krieges - auch in den Jahren
1939, 1940 und 1941 noch fortgesetzt hat."
(1942,
S.68f.) |
Die Frage, die sich im
Nachhinein stellt: War der Anstieg der Geburtenzahlen im
Dritten Reich das Resultat einer nachhaltigen Erhöhung der
ehelichen Fruchtbarkeit oder nur das Ergebnis nachgeholter
Geburten, die nach Zäsuren wie Kriegen oder Wirtschaftskrisen
üblich sind. WILLENBACHER
geht von letzterem aus. Sie sieht außerdem in der zunehmenden
Spaltung der deutschen Bevölkerung in verheiratete Eltern und
kinderlose Unverheiratete die immer noch vorhandenen
Nachwirkungen der nationalsozialistischen Familienpolitik, die
auf einen Familienlastenausgleich im Steuerrecht und das
Ehegattensplitting setzte.
Die
unterschiedliche Geburtenentwicklung in West- und
Ostdeutschland, die man aus dem obigen Schaubild erkennt, ist
Gegenstand des Beitrages von Juliane ROLOFF. Das von der DDR
propagierte Leitbild einer berufstätigen Mutter mit drei
Kindern konnte nach ROLOFF nicht verwirklicht werden,
andererseits hatten die ostdeutschen Frauen der Geburtsjahrgänge
1941 bis 1954 durchweg höhere Kinderzahlen als gleichaltrige
Frauen im Westen. Die Wirksamkeit einer Geburtenpolitik ist
ROLOFF zufolge begrenzt, weil dadurch keine erhöhte
Fruchtbarkeit entsteht. Sie kann jedoch dazu beitragen, dass
gewünschte Kinder auch realisiert werden.
Corinna
ONNEN-ISEMANN vergleicht in ihrem Beitrag die
Geburtenentwicklung in Deutschland und Frankreich. Leider
berücksichtigt sie dabei nur die Frauenjahrgänge, die seit 1935
in beiden Ländern geboren wurden.
Zudem
wird die Kinderlosigkeit der älteren Jahrgänge auf Männermangel,
d.h. auf Kriegsfolgen, zurückgeführt. Die zeitgenössischen
Debatten zum Geburtenrückgang, der weltweit zuerst in
Frankreich einsetzte und ab 1870 auch in Deutschland, sahen
dagegen die Ursache des Geburtenrückgangs keineswegs
ausschließlich in Kriegsfolgen. Alle Vorwürfe, die heutigen
Kinderlosen gemacht werden, wurden Frauen bereits vor 1933
gemacht. Dieser Aspekt wird nicht nur von ONNEN-ISEMANN
ausgeblendet, sondern ist fast durchgängige Praxis. Frankreich
galt noch in der Zwischenkriegszeit als Beispiel für den
demografischen Niedergang. Erst in den letzten 10 Jahren gilt
Frankreich den Deutschen zunehmend als Vorbild
. In ihrem Buch
Kinderzahl und Staatsräson hat Christiane DIENEL gezeigt,
dass die Ländervergleiche in der Vergangenheit eher von innen-
und außenpolitischen Erwägungen geprägt waren, während die
Fakten der tatsächlichen Entwicklung in den Hintergrund traten.
Auch gegenwärtig spielen Idealisierungen eine große Rolle
. Dies sollte man im
Hinterkopf behalten, wenn man das Kapitel über
Fertilitätsunterschiede von ONNEN-ISEMANN liest. Aufschlussreicher
ist dagegen der Vergleich der Familienpolitiken beider
Länder, in denen unterschiedliche Familienbilder zum Vorschein
kommen. Die Autorin sieht für Deutschland zunehmende Probleme
durch die ungelöste Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Einen
Ausweg sieht sie in einer Arbeitsmarktpolitik und in der
Modernisierung der partnerschaftlichen Arbeitsteilung. Dass es
immer noch starke Widerstände gegen eine solche
Modernisierung der Geschlechterverhältnisse in Deutschland
gibt, zeigt HOLLAND-CUNZ.
Antifeminismus und konservative Kulturkritik
hemmen eine sinnvolle gesellschaftliche Neuausrichtung
Als
Beispiele für den Antifeminismus der öffentlichen Debatte
stellt HOLLAND-CUNZ zwei Beiträge vor, die in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung erschienen sind. Zum einen handelt es
sich um den Artikel Demographie und Krieg der Kulturen
des Stanforder Sozialwissenschaftler Stanley KURTZ, der
von single-generation.de ebenfalls ausführlich
kritisiert wurde
. Zum
anderen wird der Beitrag von Holger Betrand FLÖTHMANN über den
Wunsch nach einem Kind behandelt (FAZ 13.06.2005). Die beiden
Beiträge sind Extrembeispiele. Im allgemeinen kommt der
Antifeminismus mit leiseren Tönen daher. Ausführlich
werden die Beiträge von Herwig BIRG vorgestellt, der die
Zentralfigur nationalkonservativen Denkens und Zuspitzens ist
. HOLLAND-CUNZ
attestiert ihm, dass seine Argumente auf "krassen Rechnungen"
beruhen, die "möglichst drastische Zahlen erzeugen". Sie wirft
ihm vor, dass bei ihm "die Zahlen selbst Alarmismus" generieren.
In seinen Büchern, wie z.B. Die demographische Zeitenwende
gibt sich BIRG meist moderater. Nur das 12. Kapitel über den Kategorischen Fortpflanzungsimperativ wird als krude und
bedenklich eingestuft. Antifeminismus
und konservative Kulturkritik bilden HOLLAND-CUNZ zufolge die
Grundlagen des medialen Alarmismus. In der politischen Debatte
ergibt das dann eine brisante Mischung:
Alarmismus
"Im
politischen Diskurs schließlich werden beide
Debattenstränge großzügig gemischt, verbinden (um nicht zu
sagen: verbünden) sich Familienpolitik, Nationalökonomie
und frauenfeindliche Impulse zu einer brisanten
argumentativen Mischung, die heute bereits ernsthafte
Überlegungen zu rentenpolitischen Strafen für kinderlose
Frauen auf den Plan ruft (in der Pflegeversicherung für
beide Geschlechter bereits umgesetzt). Die Schuldzuweisung
für Kinderlosigkeit richtet sich bezeichnenderweise vor
allem gegen Frauen".
(aus: Grenzen der Bevölkerungspolitik 2007, S.69) |
Einen viel beachteten
ZEIT-Artikel zur Rente nach Kinderzahl hat die
Postfeministin Susanne GASCHKE verfasst, deren Argumente von
single-generation.de widerlegt wurden
. HOLLAND-CUNZ
vermutet, dass es bei der bevölkerungspolitischen Debatte nicht
um einen problemlösenden Umgang mit der Datenlage geht, sondern
der Diskurs fungiere als eine "Projektionsfläche für
gesellschaftliche und individuelle Ängste". HOLLAND-CUNZ
sieht Parallelen zwischen der Klima- und Bevölkerungspolitik,
denn es ginge in beiden Fällen ums Überleben. Der demographische
Wandel eigne sich besonders "als repressiver Anlass für
Politiken, die sich gegen unangepasste Frauen und ungewollte
Nicht-Deutsche" richte. Antifeminismus
und konservative Kulturkritik könnten zu einem ernsthaften
Problem für eine Modernisierung der Familie werden. Insbesondere
wenn sich in den nächsten Jahren die außenpolitische Situation
verschlechtern sollte oder die Arbeitsmarktkrisen die
Berufschancen von Frauen und Männern verschlechtern sollten. Die
Geschichte lehrt, dass Rückfälle in reaktionäre Politiken nicht
ausgeschlossen sind.
Neue Wege in der Familienpolitik
Juliane TRÄGER behandelt
in ihrem Aufsatz neue Wege familialer Arbeitsteilung. Den
Analyserahmen hierzu bildet einerseits die Typologie der
Wohlfahrtsregime von Gösta ESPING-ANDERSEN, die durch Ilona
OSTNER modifiziert wurde, und andererseits die
Gerechtigkeitstheorie von Nancy FRASER ("Die halbierte
Gerechtigkeit").
Während
in der familienpolitischen Debatte meist nur das
Alleinverdienermodell dem Doppelverdienermodell gegenüber
gestellt wird, differenziert TRÄGER zwischen sechs verschiedenen Mustern der Aufteilung von Erwerbstätigkeit und
Hausarbeit/Kinderbetreuung zwischen Mann und Frau. Anhand
empirischer Untersuchungen wird aufgezeigt wie sich die
familiale Arbeitsteilung in den letzten Jahren verändert hat.
Des Weiteren wird die Familienpolitik seit 1998 daraufhin
untersucht, ob sie die Modernisierung in den
Geschlechterarrangements unterstützt oder hemmt. Zum
Schluss formuliert TRÄGER Kriterien, denen eine
Vereinbarkeitspolitik genügen muss. Ziel einer modernen
Familienpolitik sollte sein, individuelle Wahlmöglichkeiten
nicht einzuschränken, sondern zu unterstützen. Dabei sollte den Alleinerziehenden und kinderreichen Familien besondere
Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gerade die letzte Forderung ist
für sich progressive verstehende Ansätze leider immer noch nicht
selbstverständlich.
Bettina
RAINER und Diana HUMMEL behandeln die "Bevölkerungsexplosion",
denn die Angst vor Überbevölkerung ist keineswegs verschwunden,
sondern wird auf die Entwicklungsländer bzw. auf Staaten
außerhalb der Europäischen Gemeinschaft projiziert.
RAINER zeigt, dass die Angst vor Unterbevölkerung nur die eine Seite "gefährlicher" Bevölkerungsentwicklungen ist.
Die andere Seite ist die Überbevölkerung, die sich aus dem Problem der "falschen" Fruchtbarkeit ergibt. Während die
deutschen Akademikerinnen zu wenig Kinder gebären, wird den
Staaten mit islamischer Bevölkerung eine bedrohliche
Überfruchtbarkeit zugeschrieben. Der Begriff "Youth bulge"
verkörpert neuerdings diese Angst (z.B. Gunnar HEINSOHN "Söhne
und Weltmacht", 2003). RAINER
veranschaulicht die
Bebilderung der Überbevölkerungsdebatte in verschiedenen
historischen Phasen. Während
RAINER die negativen Folgen dieser Debatte behandelt, stellt
Diana HUMMEL ein sozialökologischen Modell vor, das die
Anpassungsfähigkeit von Gesellschaften an demografische
Verhältnisse erhöhen soll. Nicht die Demografie eines Landes,
sondern die gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit ist HUMMEL
zufolge das
Problem:
Bevölkerungsentwicklung und gesellschaftliche
Naturverhältnisse
"Eine
»ideale« Bevölkerungsgröße, -struktur und -verteilung
lässt sich weder auf allgemeiner Ebene noch im Hinblick
auf konkrete soziale, ökonomische und ökologische
Bedingungen bestimmen. Die Bevölkerungsentwicklung an sich
besitzt keinen gesellschaftlichen Eigenwert (...). Was im
demogaphischen Diskurs pauschal als destruktive Wachstums-
oder auch Schrumpfungsdynamik einer Bevölkerung
beschrieben wird, erweist sich aus sozialökologischer
Perspektive als Problem misslingender Adaption an
veränderte gesellschaftliche und demographische
Randbedingungen. Nicht die Bevölkerungsentwicklung als
solche bildet das Problem, sondern vielmehr fehlende oder
nicht hinreichend ausgebildete Anspassungsfähigkeiten und
-möglichkeiten von gesellschaftlichen
Versorgungsstrukturen an demographische Veränderungen.
(...).
Wird die Bevölkerungsentwicklung aus einer
sozial-ökologischen Perspektive untersucht, dann kehrt
sich die übliche Blickrichtung um."
(aus: Grenzen der Bevölkerungspolitik 2007, S.191f.) |
In ähnlicher Weise hat der
kürzlich verstorbene Soziologe Karl Otto HONDRICH in seinem Buch
Weniger sind mehr argumentiert. Nicht die Stabilität
einer Bevölkerungszahl ist ausschlaggebend, sondern die
Steigerung der Problemlösungsfähigkeit von Gesellschaften
.
Fazit: Das Buch beleuchtet die gegenwärtige
bevölkerungsbewusste Familienpolitik auch aus Blickwinkeln,
die bislang zu Unrecht unterbelichtet geblieben sind
Die
Industrieländern entwickeln sich bereits seit längerem zu
Gesellschaften der Langlebigen
. Im traditionellen
Denken über Bevölkerungen wird dies zu einem Problem alternder
oder gar vergreisender Gesellschaften
. In Deutschland
rückt damit der Geburtenrückgang in den Mittelpunkt der Debatte
um den demografischen Wandel. Die
Veränderung der Bevölkerungszahl ist jedoch keineswegs
bedrohlich, wenn die Problemlösungsfähigkeit von
Gesellschaften gesteigert wird. Der Sammelband,
herausgegeben von Diana AUTH & Barbara HOLLAND CUNZ, beleuchtet
in acht Beiträgen, inwiefern die gegenwärtige Debatten um den
Geburtenrückgang und die Geburtenpolitiken zielführend sind. Während
die bisherigen Debatten durch Alarmismus gekennzeichnet
waren, prägt Aktionismus die Politik. Die Gründe für den
Geburtenrückgang werden nur unzureichend berücksichtigt, weshalb
die gegenwärtigen Anstrengungen suboptimal sind. Eine
Modernisierung der Familienpolitik ist unumgänglich. Die
Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie erfordert
die Berücksichtigung veränderter Geschlechterverhältnisse und
den Ausbau von Infrastrukturen, die sowohl Kindern als auch
Eltern zugute kommen. Es
wäre jedoch falsch, von einer solchen Familienpolitik zu viel zu
erwarten. Nicht erst die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
sondern bereits die Paarbildung als Voraussetzung der
Familiengründung ist aufgrund der gestiegenen
Mobilitätsanforderungen des Arbeitsmarktes und der Unsicherheit
moderner Arbeitsverhältnisse zum Problem geworden. Der
Sammelband bietet angesichts des demografischen Wandels für eine
moderne Gesellschaftspolitik vielfältige Anregungen, die bislang
nicht ausreichend in Erwägung gezogen wurden. Angesichts
der bisherigen Debatten und den eingeleiteten Maßnahmen ist die
Skepsis der Autorinnen bezüglich der Wirksamkeit von
Bevölkerungspolitik nur zu berechtigt. Bei einer weiter
stagnierenden Geburtenrate, so ist zu befürchten, stehen dann
nicht mehr so sehr Verbesserungen der Lage von Familien
auf der Agenda der Politiker, sondern die Bestrafung von
"kinderlosen" Lebensstilen.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Dies
ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem
nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend
die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt.
Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard
Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die
Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank
Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster
Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der
Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
Es wird aufgezeigt, dass sich die
nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles
im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die
nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen." |
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