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GOLINI, Antonio
(1999): Geburtenentwicklung und demographische Trends in Italien. In: Christian Leipert (Hrsg.) Aufwertung der
Erziehungsarbeit Europäische Perspektiven einer Strukturreform der
Familien- und Gesellschaftspolitik, Opladen: Leske + Budrich,
S.59-66
"In den vergangenen
Jahrzehnten hat Italiens Geburtenrate das bisher niedrigste Niveau
erreicht, das jemals in der überlieferten menschlichen Geschichte
registriert worden ist. So lag die Geburtenrate in den Jahren von 1993
bis 1995 zwischen 1,17 und 1,26 Kinder pro Frau. Das war die weltweit
niedrigste Geburtenrate in einem hoch bevölkerten Land. Im Jahre 1996
erzielte dann
Spanien den Jahres»rekord« mit dem Wert von 1,15 Kindern pro Frau.
Die italienische Geburtenrate liegt seit 1977 unter dem Niveau des
Ersatzes der Bevölkerung (»Reproduktionsniveau«) und ist seitdem bis
heute ständig unter diesem Niveau geblieben. Den gleichen Trend hat
man auch bei Geburtenraten von Frauenkohorten beobachtet, auch wenn
diese nicht ganz so rapide absanken. Als Geburtenrate des
Frauenjahrgangs (Kohorte) des Jahres 1965 ist etwa ein Wert von 1,59
Kindern pro Frau ermittelt worden. Italien ist mit seinen
Kohortengeburtenraten seit dem Jahrgang des Jahres 1948 (1,96 Kinder
pro Frau) ständig unter dem Niveau des Generationenersatzes geblieben"
(S.47f.),
erläutert Antonio GOLINI
die Geburtenentwicklung in Italien anhand der
zusammengefassten
Geburtenziffer (TFR) und der
Kohortenfertilität (CFR). Der Frauenjahrgang 1965 hat jedoch im
Jahr 1997 erst das Alter von 32 Jahren erreicht, d.h. die endgültige
Kinderzahl ist für diesen Jahrgang noch nicht erreicht.
2001
HELBERT,
Frank (2001): Versichert und vorbei.
"Hausfrau"
ist in Italien mittlerweile ein anerkannter Beruf
- ab März sogar mit eigener Versicherung. Doch
auch im traditionellen Mamaland ist die casalinga
ein aussterbendes Lebensmodell,
in:
TAZ v. 24.02.
HELBERT,
Frank (2001): Hausfrau adé.
in:
TAZ v. 24.02.
taz-Thema:
Kein Nachwuchs für
Europa |
BRAUN, Michael (2001): "Die Frau arbeitet
viel mehr als ein Mann" (Rom),
in: TAZ
v. 22.03.
BRAUN,
Michael (2001): Die Familie als Ersatz für den
Sozialstaat (Rom),
in: TAZ v. 06.04.
GÖTZ,
Thomas (2001): Belebungsversuche für die
Ermatteten,
in: Berliner Zeitung v. 14.04.
MINARDI, Sabina
(2001): Single tutto si fa per te Minisurgelati.
Monofamiglie. La nuova
frontiera della aziende,
in:
L'Espresso
v. 03.05.
FISCHER, Heinz-Joachim (2001): Bei
Mamma ist's am schönsten.
Immer mehr junge Italiener wohnen noch bei
ihren Eltern,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.
15.09.
2002
GREGORIO,
Walter de (2002): Die Mammas machen sich
davon.
SZ-Thema: Italiens Frauen
zeigen, was Emanzipation wirklich heisst:
Für ihr Glück brauchen sie weder einen
Ehemann noch dessen Karriere
in: SonntagsZeitung v.
20.01.
KLÜVER, Henning (2002):
Pronto? Mamma? Setz die Pasta auf!
Die Italiener sind
ein Volk von Muttersöhnchen – und doch hat sich „la famiglia“ in den
letzten Jahren radikal gewandelt,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.02.
MUMELTER,
Gerhard (2002): "Die Wiegen sind leer".
Italiens Gemeinden locken
mit Finanzhilfen die Frauen zum Kinderkriegen,
in:
Der
Standard v. 02.03.
MIGGE, Thomas (2002):
"Frauen sind einfach besser drauf".
Scheidung in Italien: Männer verkraften
Trennung schlecht,
in: Saarbrücker Zeitung v. 11.05.
2003
PILLER, Tobias (2003): Junge Rentner in Italien.
Ein Abschied von
Privilegien mit langen Übergangsfristen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.08.
Tobias PILLER beschreibt
uns zuerst ausführlich die paradiesischen Zustände für Rentner in
Italien vor den Rentenreformen 1992 und 1995.
"Das System der Frühverrentung,
mit dem Italien neben Frankreich noch immer die jüngsten Rentner
der OECD hervorbringt (Männer mit durchschnittlich 59,3 Jahren,
Frauen mit 58,4), soll bis 2008 auslaufen."
PILLER, Tobias
(2003): Italiens Gewerkschaften streiken gegen Berlusconis
Rentenreform.
Gegen
Einschränkung des Rechts auf Frührenten. Jüngere Italiener werden
schlechter behandelt,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 25.10.
2004
CAPUA, Carlotta Mismetti (2004): Mamme no grazie.
L'Italia sta diventando un
Paese senza figli. Le donne aspettano, per tanti motivi. La carriera,
l'attesa del momento giusto, la ricerca della stabilità. E tante
rinunciano,
in: Espresso v. 14.10.
Dirk SCHÜMER berichtet über das vergreisende
Ein-Kind-Familien-Italien: "Die ländliche Küche, die heimeligen
Altstädte, die Geborgenheit der Großfamilie - das alles gibt es im
Alltag der Vorstadtitaliener, die hektisch aus der Kühltruhe
leben, längst nicht mehr. Während viele halb aufgegebene Dörfer
und Städtchen in der Toskana und Umbrien höchstens am Wochenende
von nordeuropäischen oder Mailänder Zweitwohnungsbesitzern belebt
werden, wächst in den Städten die Mehrheit der Sprößlinge als
gestresste Einzelkinder heran - mit starker Bindung an die
Großeltern, die das alte, das solidarische, das rückständige
Italien noch aus eigener Erfahrung kennen."
2005
Nach der
FAZ berichtet
nun auch die Welt über den Geburtenrückgang in Italien.
RUSSO, Claudia (2005): Lebenslang Hotel Mama.
Italien leidet unter so hoher
Jugendarbeitslosigkeit wie kaum ein anderes EU-Land. Auch Reformen
verbesserten die Situation der Jugendlichen nicht. Die Politik ist
ratlos,
in: Welt am Sonntag v. 18.09.
2006
SCHÜMER, Dirk (2006): Generation Promille.
Jung aus Not: Ein Roman klärt über Italiens Jugend auf,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 25.04.
Dirk SCHÜMER berichtet über den
Roman Generazione 1000 Euro, den die Italiener Antonio
INCORVAIA (Jahrgang 1975) und Alessandro RIMASSA (Jahrgang 1974)
im Internet veröffentlicht haben. Er behandelt die italienische
Variante der deutschen "Generation Praktikum". Die
Wiener Stadtzeitschrift Falter hat deshalb die Romane von
INCORVAIA & RIMASSA und von Nikola RICHTER ("Die
Lebenspraktikanten") bereits im März
zusammen besprochen und die Autoren interviewt. SCHÜMER
meint zur italienischen Situation:
"Wieso
Italiens Geburtenrate zu den niedrigsten der Welt gehört, wieso
die Raten für Scheidung und Abtreibung konstant hoch liegen und
im Süden die organisierte Kriminalität nicht zurückzudrängen
ist, kann bei den prekären Lebensumständen der heute
Dreißigjährigen niemanden verwundern. Wo nur zehn Prozent der
Studienabgänger im ersten Jahr eine Festanstellung bekommen, wo
weitere zehn Prozent sich mit einem Kurzzeitvertrag begnügen
müssen und der Rest zur bloßen Verfügungsmasse wird, richten
Normen und Traditionen nicht mehr viel aus."
2007
JUNGLE WORLD-Titelgeschichte: Wohnst du noch?
Wohnungsnot in Europa |
MATTEONI, Federica (2007): Hotel Mamma.
Wohnungsnot in Italien,
in: Jungle World Nr.2 v. 10.01.
SPIEGEL
-Titelgeschichte: Der vergoldete Käfig.
Wie
der Staat die Frauen vom Beruf fernhält - und trotzdem nicht mehr
Kinder geboren werden |
SMOLTCZYK, Alexander (2007): Ciao, bambini.
In manchen Städten gibt es mehr Bilder von Caravaggio als
Kinderspielplätze: Italien ist zum Land der Einzelkinder geworden,
in: Spiegel Nr.9 v. 26.02.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie: Projekt
Familie (Teil 2) Kinder, Krippen, Karriere.
SZ-Korrespondenten berichten, wie die Kinderbetreuung im Ausland
funktioniert. Die Unterschiede sind gewaltig |
STEFAN, Ulrich (2007): Unter Druck.
Italien: Die meisten Mütter müssen arbeiten - sonst reicht das
Geld nicht,
in: Süddeutsche Zeitung v. 16.03.
PILLER, Tobias (2007): Italiens Trugbild von den Renten.
Wegen Verschwendung steht den jungen Italienern eine böse
Überraschung bevor,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 11.08.
"Zwar gehört Italien mit einer Geburtenrate von 1,35
Kinder je Frau - zusammen mit Deutschland und Spanien - zu den
Ländern mit der ungünstigsten Altersstruktur in der Bevölkerung.
Dennoch leisten sich die Italiener noch ein überaus luxuriöses
Rentensystem. Nach 35 Beitragsjahren, im Alter von 57 - oder bald 58
- Jahren bezahlt die staatliche Rentenkasse rund 70 Prozent des
letzten Gehalts. So viel erhält in Deutschland nicht einmal ein
Rentner mit 45 Beitragsjahren. Und dennoch brüsten sich seit Jahren
die italienischen Politiker, sie hätten im Gegensatz zu den
Deutschen die Rentenprobleme ihres Landes schon gelöst",
kritisiert
Tobias PILLER. Erst zum Schluss
verrät der Autor, dass diese Luxusrenten nur für die älteren Rentner
gelten, denn:
"Italiener
mit heute 30 oder 40 Jahren können nur noch Sparrenten von 35 oder
40 Prozent des letzten Einkommens erwarten".
2008
KLINGHOLZ,
Reiner/KRÖHNERT, Steffen/HOßMANN, Iris (2008): Die
demografische Zukunft von Europa. Wie sich die Regionen
verändern, München: Deutscher Taschenbuch Verlag
GÜCKEL, Bernhard (2008): Warum bekommen italienische Mütter immer
weniger Bambinies?
Erklärungsversuche gewollter Kinderlosigkeit in Italien,
in: BIB-Mitteilungen, Heft 2 v. 08.09.
BAER, Hermann (2008): Der Weg senkt
sich.
Italien liest wieder Spenglers "Untergang des Abendlandes",
in: Süddeutsche Zeitung v. 07.10.
2014
MESCO, Manuela
(2014): Immer mehr Frauen in Italien entscheiden sich gegen Kinder,
in: Wallstreet Journal Deutschland
Online
v. 27.04.
"Ein Viertel aller
italienischen Frauen beenden die gebärfähige Phase, ohne ein Kind
in die Welt gesetzt zu haben. In Frankreich liegt ihr Anteil bei
10 Prozent, in den USA bei 14 Prozent.
(...).
Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) ist der Anteil der kinderlosen Frauen mit
Geburtsjahr 1965 – also allen Frauen, die im nächsten Jahr 50
Jahre alt werden – fast 10 Prozentpunkte höher als unter jenen,
die 1960 geboren wurden",
erklärt uns MESCO. 25 %
kinderlose Frauen des Jahrgangs 1965, das wären mehr Kinderlose als
in Deutschland. Im Artikel wird weder das Jahr genannt, in dem die
Daten erhoben wurden, noch wird angegeben, ob die italienische
Statistik Kinderlosigkeit überhaupt korrekt erfassen kann. In
Deutschland wurde dies bislang lediglich in den Jahren 2008 und 2012
erhoben. In Punkto Kinderlosenzahlen sollte man generell skeptisch
sein. In Deutschland wurde die Kinderlosigkeit des Frauenjahrgangs
1965 lange Zeit auf ein Drittel geschätzt, obwohl sie nur ca. ein
Fünftel beträgt.
"Das hohe Niveau der
Kinderlosigkeit verschärft die gefährliche demographische Krise in
Italien. Schon jetzt kommen auf 100 Kinder unter 14 Jahren rund
150 Menschen im Alter über 65. Die jüngere Generation ist
zunehmend nicht mehr in der Lage, die Renten für die wachsende
Zahl der Pensionäre zu verdienen. Nach Projektionen von Istat
werden bis 2050 insgesamt 263 Ältere auf 100 Jüngere in Italien
kommen",
schreibt MESCO weiter. Der
Altenquotient wird in der Regel als Verhältnis der Erwerbsfähigen zu
den Älteren angegeben, während hier die Kinder ins Verhältnis zu den
Älteren gesetzt werden, was keinen Sinn macht, denn die
Erwerbsfähigen und nicht die Kinder müssen für die Renten aufkommen.
Fazit: Für ein Wirtschaftsblatt
ist der Artikel eine Blamage. Die Informationen, die geliefert
werden, sind zur Einschätzung der Lage in Italien ungeeignet, aber
offenbar hält man uns Leser für besonders dämlich. Uns kann man
offenbar auch ganz sinnfreie Zahlen vorsetzen. Das Thema
demografischer Wandel ist ja derart präsent, dass jeder Bericht, der
dem Zeitgeist entspricht, geglaubt wird!
2016
KERNER, Regina
(2016): Seid fruchtbar und mehret euch.
Italiens Geburtenrate ist auf dem
absoluten Tiefpunkt angelangt. Regierung steuert mit Baby-Bonus gegen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 24.02.
"2015 gab es die niedrigste
Geburtenrate seit Bestehen der Republik, im Schnitt bekommt eine
italienische Frau 1,35 Kinder",
verkündet
Radio Vatikan am 21.02.2016. Dies ist Unsinn.
Im Jahr 2000 war die italienische Geburtenrate mit 1,26 Kindern pro
Frau niedriger. Regina KERNER schreibt dagegen:
"So wenig Nachwuchs wie noch
nie seit der Gründung Italiens im Jahr 1861 kam vergangenes Jahr
zur Welt. (...). Italienerinnen haben im Schnitt nur noch 1,35
Kinder, während sogar in Deutschland die Geburtenrate zuletzt auf
1,47 anstieg."
Auch dies könnte zu
Missverständnissen führen. Der Tiefststand der Geburten bezieht sich
höchstens auf die Geburtenzahlen - wenn überhaupt, aber nicht auf
die Geburtenrate.
SAUER, Ulrike (2016): Reich
vererbt sich.
Die heutigen Spitzenverdiener in
Florenz stammen aus Familien, die bereits im 15. Jahrhundert
superreich waren. Eine Studie zeigt beispielhaft, wie wenige Wohlstand
bewahren. Trotz Krisen, Revolutionen und Umverteilungspolitik,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 09.06.
Ulrike SAUER berichtet über eine
Untersuchung von Guglielmo BARONE &
Sauro MOCETTI über die Reichtumsvererbung im italienischen Florenz,
mit der sie Theorie zur Inter-Generationen-Mobilität des
US-Amerikanischen Ökonomen Gary BECKER widerlegen.
KERNER, Regina
(2016): Eieruhr und nationaler Fruchtbarkeitstag.
Italiens Gesundheitsministerin
empört das Land mit einem Aufruf, mehr Kinder zu bekommen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 02.09.
Gemäß Regina KERNER hat Italien derzeit die Rote Laterne in Sachen
europäischer Geburtenraten, wobei uns jegliche Zahl vorenthalten
wird, sodass wir das glauben können oder auch nicht, denn in Sachen
Geburtenraten herrscht in unseren Qualitätszeitungen ein laxer
Umgang. Die Argumente, die uns KERNER präsentiert sind uns Deutschen
bereits bis zum Erbrechen zu den Ohren hingestopft worden. Nun haben
uns die Italiener abgelöst, so scheint es jedenfalls. Die
Gesundheitsministerin Beate LORENZIN, eine späte Mutter, die mit 43
Jahren noch Zwillingen gebar, will nun ihre Landsmänninnen
missionieren mit Plakataktionen, die uns Deutschen sehr bekannt
vorkommen. Wenig Fakten, dafür umso mehr Emotionen liefert uns
KERNER in ihrem Artikel. Bei diesem Thema werden Fakten von
Journalisten sowieso eher als störend empfunden: Die Emotionen
ersetzen die Nachricht!
PILLER, Tobias
(2016): Renzi verspricht Älteren mehr.
Für vorgezogenes Rentenalter und
mehr Sozialrente,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.09.
"Nach Gesprächen mit den Gewerkschaften gilt nun die Einführung einer
vorgezogenen Rente mit 63 Jahren als so gut wie beschlossen. Damit
will Renzi auch das Problem der arbeitslosen älteren Italiener lösen,
die keinen Arbeitsplatz haben, andererseits auch keine
Sozialleistungen erhalten",
berichtet uns
Tobias PILLER aus Italien, wo 2011 durch die Regierung unter
Ministerpräsident Marion Monti das Renteneintrittsalter im
Hauruck-Verfahren auf 67 Jahre hoch gesetzt wurde. Nun soll das
Renteneintrittsalter flexibilisiert werden. Wer früher in Rente gehen
will, muss mit Abschlägen von bis zu 15 oder gar 20 Prozent rechnen.
Als Gegner dieser Regelung wird uns Giuliano CAZZOLA ("langjähriger
Gewerkschafter und anerkannter Rentenexperte") genannt.
BREMER, Jörg
(2016): Kleine Anregungen zur Zeugung.
Italien begeht den "Tag der
Fruchtbarkeit", um die Geburtenrate zu steigern,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.09.
EUROSTAT (2016): Beinahe 27 Millionen Menschen in der Europäischen
Union sind 80 Jahre oder älter.
Lebenserwartung von fast 10
Jahren für 80-Jährige,
in:
Pressemitteilung des
statistischen Amt der Europäischen Union v. 29.09.
MEISSNER, Juliane
(2016): Uralt und immer noch fit.
Warum leben Menschen in
bestimmten Gegenden besonders lang? Forscher rätseln,
in: Frankfurter
Rundschau
v. 06.10.
Nach den Methusalems werden uns nun
"Superhundertjährige", ein Club von Hundertzehnjährigen, als
neues Maß der Dinge in Sachen Methusalems vorgestellt.
"Von 46 Frauen und Männern
(...) stammen immerhin vier aus Italien. Nun hat eine kleine
Studie einige Bewohner der westitalienischen Region Cilento
untersucht",
erzählt uns Juliane MEISSNER, die uns auch
Vilcabamba in Ecuador preist:
"vielleicht besser bekannt
unter dem Namen Tal der Hundertjährigen. Hier leben etwa 4000
Männer und Frauen, überdurchschnittlich viele von ihnen werden 100
Jahre alt."
Was "überdurchschnittlich viele"
heißt, bleibt genauso im Dunkeln wie die Frage, ob solche
Geschichten nicht eher Mythen sind, weil Aufzeichnungen in
abgelegenen, ländlichen Gebieten selten überprüfbar sind. Die Frage,
ob hier Phantome gejagt werden, wird von MEISSNER ausgeklammert.
Selbst in gut dokumentierten westlichen Ländern sind
Statistikleichen im Bereich der Hochaltrigen nicht selten.
DÖRHÖFER, Pamela
(2016): Viel zu Fuß über Stock und Stein.
Ulla Rahn-Huber beschäftigt sich
mit glücklich Gealterten auf Sardinien, die zum Teil auch heute noch
ähnlich leben wie ihre Vorfahren in der Bronzezeit,
in: Frankfurter
Rundschau
v. 06.10.
Pamela DÖRFHÖFER stellt uns die Buchautorin Ulla
RAHN-HUBER vor, die mit populärwissenschaftlichen Büchern den
Sensationsfunden der Hundertjährigenforschung nachreist: Zuerst
Okinawa in Japan und nun
Sardinien, das zu Italien gehört. DÖRHÖFER sieht den Ansatz von
RAHN-HUBER eher kritisch.
MEILER, Oliver
(2016): Reform oder Rente.
Italien stimmt über eine neue
Verfassung ab - und über die Zukunft von Premier Renzi,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 05.12.
Die Schlagzeile Reform oder Rente stammt aus dem Arsenal des
Medien-Dummdeutsch, denn angeblich würde RENZI zurücktreten, falls die
Reform scheitere - also in Rente gehen. Typischerweise werden
hierzulande Reformen
in anderen Ländern von den Eliten beklatscht, die den Trend zur
Postdemokratie stärken. Die Eliten würden sich lieber ihre Bevölkerung
wählen, statt umgekehrt sich demokratischen Prinzipien zu beugen.
Postdemokratische Prinzipien zielen darauf ab die Opposition zu
schwächen und die demokratische Willensbildung auszuhebeln.
2017
SPALINGER, Andrea
(2017): Italiens Mittelstand verarmt.
Den meisten Italienern geht es
heute deutlich schlechter als vor zehn Jahren. Auch wer studiert hat
und hart arbeitet, kommt kaum mehr über die Runden. Besonders
beunruhigend ist die Abhängigkeit der jungen Generation vom Vermögen
und von den Pensionen der Eltern,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 13.02.
"Lebten vor Beginn der Krise 2007
noch 1,8 Millionen Italiener unter der Armutsgrenze, waren es 2015
fast 4,6 Millionen, das heisst rund 8 Prozent der Bevölkerung. Die
Arbeitslosenquote ist derweil von 6,7 Prozent (2008) auf 10,9 Prozent
(2016) gestiegen. Vor allem Schul- und Universitätsabgänger finden
kaum mehr Stellen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent.
2008 war sie noch halb so hoch",
berichtet Andrea SPALINGER über die
Lage der Bevölkerung in Italien. Die wirklich Armen interessieren
SPALINGER jedoch nicht, sondern nur die "Verarmung des einst
gutsituierten Bürgertums. Sie erklärt - wie das bei Neoliberalen
üblich ist - die Rentenentwicklung zum Hauptproblem:
"Das Nettoeinkommen von
Angestellten lag 1989 bei umgerechnet 20 000 Euro. 2015 betrug es noch
17 000 Euro. Die durchschnittlichen Renten haben sich im gleichen
Zeitraum fast verdoppelt, von 7000 auf 13 000 Euro. Auch die Einnahmen
aus Wohneigentum stiegen stark an. Das heisst, die Familien sind
stärker von Immobilien und Pensionen der älteren Generation abhängig
geworden."
Italien galt schon immer als Land
der Nesthocker. Was früher normal war, wird im Zeichen neoliberaler
Individualisierung als Problem betrachtet. Zudem wird die Entwicklung
der Jahre 1989 bis 2015 linear fortgeschrieben, um einen Kollaps
proklamieren zu können:
"Die Jungen leben in Wohnungen,
welche die Vorfahren in besseren Zeiten gekauft hatten. Doch in der
nächsten Generation wird das System kollabieren. Nicht einmal jeder
vierte Italiener kann heute laut dem Pew Research Center noch Geld
fürs Alter auf die Seite legen. Da immer weniger Leute eine feste
Stelle haben, werden zudem viel weniger als heute dereinst eine
Pension bekommen."
Der angebliche Kollaps, mit dem in
Deutschland ja schon seit Ende der 1970er Jahre Einschnitte in die
soziale Sicherheit gefordert und mittlerweile auch längst durchgeführt
wurden, ist die Konsequenz des herrschenden Finanzkapitalismus, der
mittels Finanzialisierung die Alterssicherung bedroht. Auch in Italien
soll das Rentensystem weiter neoliberalisiert werden. Der Artikel ist
nur in diesem Zusammenhang verständlich.
EUROSTAT (2017): Über 5 Millionen Neugeborene im Jahr 2015 in der EU.
Frauen bei Geburt ihres ersten
Kindes im Schnitt knapp 29 Jahre alt,
in:
Pressemitteilung des
statistischen Amt der Europäischen Union v. 08.03.
WENGER,
Karin A.
(2017): Die Krisenkinder.
Junge Krankenpfleger in Süditalien
tun sehr viel, um endlich Arbeit zu finden - zum Beispiel Deutsch
lernen und nach Hamburg ziehen,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 02.05.
"In Süditalien hat jeder zweite
Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren keine Arbeit, jeder dritte
ist langzeitarbeitslos. Im Norden hat jeder vierte keine Stelle,
jeder zehnte seit mehr als einem Jahr. Noch 2008 war die
Jugendarbeitslosigkeit in Italien halb so hoch. Die Finanz- und
Wirtschaftskrise hat das Land viel härter getroffen als andere
Staaten in Europa (...).
In dem Quartier in Neapel, in dem Caterino aufgewachsen ist,
stehen diverse Wohnungen leer. Sie gehören Akademikern, die im
Ausland arbeiten. Immer mehr Italiener wanderten in den
vergangenen Jahren aus. Rund 100.000 Personen waren es 2015,
beliebte Destinationen sind Grossbritannien, Deutschland und die
Schweiz. Von früheren Auswanderergenerationen unterscheidet sie,
dass viele von ihnen jung und gut ausgebildet sind. Zudem fällt
auf, dass 2015 zwar immer noch viele Sizilianer die Heimat
verliessen, doch vermehrt auch die Norditaliener die Koffer
packten",
berichtet uns Karin A. WENGER
über die Situation in Italien. Vor nicht einmal 20 Jahren galt
Deutschland aus neoliberaler Sicht als kranker Mann Europas und uns
wurde damit gedroht, dass unsere Jugend Deutschland den Rücken
kehren würde. Mit der amtlichen Statistik wurde dieser Brain Drain -
also die Abwanderung der Gutgebildeten - angeblich nachgewiesen.
Diese Debatte ist längst vergessen, genauso wie die Tatsache, dass
die Generation Golf (Jahrgang 1965 - 1975) zur verlorenen
Generation stilisiert wurde. Das ist inzwischen vergessen -
vielleicht wird man bald von einer goldenen Generation sprechen,
wenn man über die Generation Golf redet. Von daher sollten
Momentaufnahmen kritisch hinterfragt werden, zumal die
EU-Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit - genauso wie zu anderen
politischen Themen - gravierende Mängel aufweisen, sodass Vergleiche
erschwert werden. Zumal man in Deutschland über Italien seit
Jahrzehnten nur Krisenberichte gewöhnt ist. Wie schlimm es um
Italien tatsächlich steht, lassen solche Reportagen kaum vermitteln.
DUDZIAK,
Johannes
(2017): Sechs Jahrhunderte Stillstand.
In Florenz sind die reichen
Familien von 1427 immer noch reich. Und die armen nach wie vor arm.
Wie lebt die Stadt damit,
in:
Die ZEIT Nr.23 v. 01.06.
Anknüpfend an die
Untersuchung von Guglielmo BARONE & Sauro
MOCETTI über die Reichtumsvererbung im italienischen Florenz
berichtet Johannes DUDZIAK aus Florenz.
"Die Prestigeimmobilie der
Oberschicht ist in Italien nicht wie in England oder Frankreich
das Landhaus, sondern der Palazzo, der Stadtpalast. In keiner
anderen italienischen Stadt bewohnen mehr Familien über
Jahrhunderte ihren Palazzo als in der toskanischen Hauptstadt. Der
Wirtschaftshistoriker Richard Goldthwaie schätzt, dass ungefähr 20
Renaissance-Paläste von den Familien bewohnt werden, die sie einst
haben errichten lassen. Dazu kommt, dass von den zehn ältesten
noch aktiven Familienunternehmen der Welt drei aus Florenz
stammen."
Um die Herausforderungen einer
Traditionsstadt zu beschreiben, greift DUDZIAK auf den im Rahmen der
Agenda 2010 berühmten Satz aus dem Roman Il Gattopardo von Guiseppe
Tomasi Di LAMPEDUSA zurück. DUDZIAK erklärt die Kontinuität in
Italien durch eine andere Haltung des Adels zur Wirtschaft:
"Anders als in Deutschland oder
Frankreich rümpften nord- und mittelitalienische Aristokraten nie
die Nase über Handel und Kommerz. Die Adligen haben Florenz als
Unternehmer, Politiker, Banker, Künstler oder Wissenschaftler seit
dem Mittelalter maßgeblich geprägt.
DUDZIAK erzählt begeistert über
die Starrheit der Tradition:
"Die Traditionen zu pflegen und
ihr Wissen an ihre Nachkommen weiterzugeben ist für viele
Stadtbewohner ein Lebensziel. Das macht die Gesellschaft
vielleicht weniger dynamisch, aber dafür gemütlicher. »Der Mensch
wird aggressiv, wenn er nicht weiß, wo er herkommt«, sagt die
Archivarin und Familienunternehmerin".
Diese Sicht entspricht dem, was
neuerdings Reaktionäre wie Peter SLOTERDIJK verkünden, die an der
Abschottung der Eliten arbeiten und sich die Nase rümpfen über die
Massen. Das Bild dieser traditionsgelenkten Menschen (RIESMAN) wird
nur getrübt durch den Aufstieg der Populisten:
"Bei den Regionalwahlen kamen
die großen populistischen Parteien Cinque Stelle, Lega Nord und
Fratelli d'Italia zusammen auf knapp 30 Prozent der Stimmen in
Florenz. Im nationalen Vergleich war ihr Stimmanteil zwar nicht
ungewöhnlich hoch, in der toskanischen Hauptstadt aber erzielten
die Populisten ein Rekordergebnis."
Am Ende der Reportage siegt
jedoch wieder die neoliberale Standortwettbewerbsdoktrin über die
reaktionäre Geruhsamkeit:
"Dass
Mailand nach dem Zweiten Weltkrieg
zerbombt und neu aufgebaut werden musste, hatte neben all der
Zerstörung und dem Leid einen Vorteil: Die Mailänder mussten sich
neu erfinden."
Zerstörung durch Kriege und das
SCHUMPETERsche Diktum der schöpferischen Zerstörung haben vieles
gemeinsam. Nur über die Armen von Florenz berichtet DUDZIAK mit
keinem Wort.
STEINFELD, Thomas
(2017): Mit der Leere leben.
Italiens Industrie verschwindet.
Literatur, Kunst und Geschichtsschreibung gewöhnen das Land schon mal
an die Lücke,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 01.06.
Thomas STEINFELD beschreibt
Mailand als Zentrum einer niedergehenden Industriekultur:
"In einem weiten Kreis war die
Industrie um Mailand herum angesiedelt: in Sesto San Giovanni die
Stahlwerke, in Arese die Autohersteller von Alfa Romeio, in
Lambrate deren Kollegen von Lambretta und Innocenti, in Taliedo
der Flugzeugbauer Caproni, in Bicocca die Reifenfabrik von
Pirelli. Und während die Stadt selbst bürgerlich war und blieb,
ein Ort der Verwaltung und der Banken, des Verlagswesens und
später der Mode, die reichste Großstadt Italiens, entstand um sie
herum eine »Kultur der Maschinen« (Cività delle Macchine,
so der Name einer zwischen 1953 und 1979 veröffentlichten
Zeitschrift), in der industrielle Produktion und Lebensform stets
zusammengedacht werden sollten: als italienisches »Kalifornien«
für die einen, als lombardisches »Stalingrad« für die anderen, in
jedem Fall aber als eine Veranstaltung von äußerster Modernität,
woran die mehr oder minder kommunistischen Arbeiterbewegungen
einen erheblichen Anteil hatten. Auch an ihnen macht sich
mittlerweile ein Bewusstsein von verlorener Heimat fest."
STEINFELD stellt etliche Bücher
vor, in denen der Niedergang der Industriekultur in Italien die
Hauptrolle spielt: Fabbrica di carta, eine Anthologie
herausgegeben von Giuseppe LUPO & Giorgio BIGATTI, Tutto è in
frantumi e danza von Guido Maria BRERA & Edoardo NESI, der
autobiografische Roman Un' educazione milanese von Alberto
ROLLO und Populismo 2.0 von Marco REVELLI.
SAUER, Ulrike (2017): Mailand!
Einst eine sterbende Stadt, ist
die Wirtschaftsmetropole nahe der Alpen aufgeblüht, tickt ganz
anders als Italien. Während das Krisenland in Schuldenproblemen und
politischer Perspektivlosigkeit gefangen bleibt, berauschen sich die
Mailänder am Wandel,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
17.06.
Während
Thomas STEINFELD vor nicht einmal 3
Wochen Mailand in der selben Zeitung als Zentrum einer
niedergehenden Industrie beschrieb, skizziert Ulrike SAUER die
aufstrebende Metropole. Wie in Frankreich driften in Italien die
Metropolen und die Peripherie auseinander.
Ulrike SAUERs Wirtschaftsreport
ist eher eine PR-Kampagne für Mailand geworden. Viel Zukunftsmusik
wird uns da geboten:
"Im Norden Mailands entsteht
eine Gesundheits-City mit Kliniken und Forschungsinstituten auf
dem Gelände des Ex-Stahlwerks Falck in Sesto San Giovanni, dem
früheren Stalingrad Italiens, das so genannt wird, weil hier die
Kommunistische Partei stark und im Zweiten Weltkrieg der
Widerstand gegen den Faschismus erbittert war."
Die Erzählung vom Niedergang
Mailands wird von SAUER am Buch La Peste di Milano aus dem
Jahr 2009 festgemacht, das nie ins Deutsche übersetzt wurde, aber
sich gut zur Legendenbildung eignet, die SAUER betreibt. Das neue
Mailand wird als Gegenbild zum Mailand des Silvio BERLUSCONI
entworfen:
"Nach der großen Depression
der Jahre 2012 bis 2014 (...)(wurde) im Osten Mailands der Bau
der Smart City Milano4You in Angriff (genommen)(...). In Segrate
entsteht ein komplett vernetzter Smart District (...).
Vor 40 Jahren begann in Segrate der Aufstieg von Silvio
Berlusconi. Der Selfmade-Unternehmer zog hier sein
Retortenviertel Milano2 hoch."
Der Wandel Mailands entsteht
sozusagen nach dieser Sicht auf den Ruinen, die BERLUSCONI
hinterlassen hat. Als Wendepunkt wird die Expo 2015 gesehen.
"2016 trugen sich in das
Register der Mailänder Handelskammer 24.000 neue Firmen ein. Auf
der Rangliste der Financial Times der Städte mit den meisten
innovativen Unternehmen schob sich Mailand in Europa auf Platz
3. Hinter London und Paris, vor Berlin."
SAUER verkauft uns die 1,4
Millionstadt Mailand als das bessere Rom. Die Gentrifizierung in
Mailand wird glorifiziert, wenn es heißt:
"Porta Nuova ist der
Inbegriff dieser Verwandlung. In einer verrufenen Gegend um den
Bahnhof Porta Garibaldi entstand ein neues Innenstadtviertel.
1,3 Millionen Quadratmeter glitzernde Kulisse. (...). Das
Quartier (...) gehört einem Investor aus Katar. (...).
Früher war Garibaldi eine Grenze, die man nicht überschritt.
Einer der hässlichen Flecken der Modestadt. Im Norden davon lag
der heruntergekommene ehemalige Arbeiterbezirk Isola. Heute
spannt Porta Nuova eine Brücke mitten in das neue Szeneviertel."
SPALINGER, Andrea
(2017): Italien kommt nicht in Schwung.
Fokus der Wirtschaft: Die Krise
hat das Land sehr viel härter getroffen als andere Staaten im
Euro-Raum - noch heute ist es ärmer als 2007,
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
24.06.
Das Gejammer
über zu hohe Steuern ist kein Novum der Deutschen, sondern die
Regel. Jedes Land sieht das eigene Land als Hochsteuerland an:
"Die Brutto-Netto-Lohnschere
ist viel grösser als anderswo in Europa",
zitiert Andrea SPALINGER einen
italienischen Jungunternehmer. Nach den Zahlenangaben müsste die
Steuer- und Abgabenbelastung bei 50 % liegen, während in
Deutschland die Unternehmen bereits bei 40 Prozent den Niedergang
der Wirtschaft behaupten.
"Während die
Arbeitsproduktivität in Deutschland und Frankreich in den
vergangenen zwei Jahrzehnten stark zugenommen hat, stagniert das
Produktivitätswachstum in Italien seit der Jahrtausendwende",
erklärt uns SPALINGER. Dies ist
wortwörtlich der
KFW-Studie
Arbeitsproduktivität der großen Euroländer driftet auseinander
– Italien fällt zurückv om Juli 2016 entnommen. Dieser Studie ist aber
auch zu entnehmen, dass in allen drei Ländern die
Arbeitsproduktivität zurückgegangen ist - nur ist das in Italien
von einem niedrigeren Niveau aus geschehen (vgl. Grafik 3, S.2).
Das aber wird den Deutschen und Franzosen dann vorgehalten. Die
Wirtschaft ist nie zufrieden, weshalb in jedem Land immer das
Negative publiziert wird.
PILLER, Tobias (2017): Einmal ohne alles.
Lounge: Italien fehlen die
Zutaten für einen Aufschwung. Dauerwahlkampf und riesige
Alltagsprobleme blockieren das Land. Kommendes Jahr wird es eng,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 08.07.
REUSCHER, Constanze
(2017): "Unser
Europa, nicht nur das von Merkel".
Luigi Di Maio könnte Premier in
Rom werden, denn seine Fünf-Sterne-Bewegung liebt in Umfragen vorne.
Er warnt, in Italien drohe eine Flüchtlingskrise wie 2015 in
Deutschland,
in:
Welt v. 12.07.
REINSCH,
Melanie
(2017): Aufatmen - ein wenig.
Leidartikel: Die Kinderlosigkeit
steigt nicht weiter. Das ist ein Erfolg. Die angestrebte Trendwende
gibt es aber nicht. Wie lässt sie sich erreichen?
in: Frankfurter
Rundschau
v. 27.07.
"Ein Blick in
die Nachbarländer zeigt: Deutschland bildet mit der Schweiz,
Italien und Finnland das Schlusslicht. Nirgendwo sonst in Europa
leben mehr Frauen ohne Baby",
erklärt uns Melanie REINSCH.
EUROSTAT (2017): Teenage and older mothers in the EU,
in:
Pressemitteilung des
statistischen Amt der Europäischen Union v. 08.08.
SIEFERT, Almut (2017): Der Schein vom Paradies auf Erden trügt.
StZ-Serie
Leben in Europa (2):Banken vor der Pleite, Staaten vor dem
Bankrott: Die Krise, die 2007 begann, hat die EU und das Leben der
Menschen verändert. Die Folgen sind noch immer zu spüren. Unsere
Serie beleuchtet den Alltag. Heute: Familie Prunella in Italien,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 08.08.
Almut SIEFERT stellt eine
süditalienische Akademikerfamilie (mit deutscher Normfamiliengröße)
vor, die zu den Globalisierungsgewinnern zählt. Italiens Entwicklung
beschreibt SIEFERT folgendermaßen:
"Italien wurde vom Ausbruch der
Wirtschaftskrise vor rund zehn Jahren besonders hart getroffen. Erst
seit kurzem wächst die Wirtschaft der drittgrößten Volkswirtschaft
der Eurozone wieder. Jedoch nur langsam. Der Internationale
Währungsfonds hat seine Prognose für das Wachstum Italiens für 2017
vor wenigen Wochen von 0,8 auf 1,3 angehoben. Doch die
Arbeitslosenquote ist noch immer nahe ihres Höchststands im Jahr
2014 (12,64 Prozent). Sie beträgt 11,3 Prozent, 2007, vor der Krise,
lag sie bei 6,1 Prozent. Das größte Problem ist die
Jugendarbeitslosigkeit: 37 Prozent der jungen Italiener sind
arbeitslos. Im Süden des Landes trifft es sogar mehr als 40
Prozent."
Über das System der sozialen
Sicherung heißt es:
"Im Freundes- und Bekanntenkreis
der Familie Prunella gibt es viele, die arbeitslos sind, in einem
Alter, in dem sie sich nur noch bis zur Rente durchschlagen können.
Die normale Arbeitslosenunterstützung erhält man in Italien sechs
Monate lang. Je nach Branche und Abwicklungsform der Firma gibt es
zudem einen Lohnausgleich über die »Cassa Integrazione« oder die so
genannte »Mobilità«, eine Übergangszahlung bis zum Renteneintritt.
»Bei mir waren das etwa 900 Euro im Monat«, sagt Lino. Und die seien
noch zu versteuern gewesen. Ein Jahr lang musste die ganze Familie
von diesem Betrag leben. (...). Fünf Jahre lang können solche Bezüge
beansprucht werden. Und danach? »Tja, danach (...) fällst du aus dem
System.«"
Daneben ist die so genannte
"Staatsschuldenkrise" ein Thema:
"Die Staatsschulden Italiens
haben mal wieder einen neuen Höchstwert erreicht: Sie liegen bei
132,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes. In absoluten Zahlen:
Italien hat 2,26 Billionen Euro Schulden. Vor der Krise, im Jahr
2007 waren es noch 1,6 Billionen Euro, rund 100 Prozent des BIP."
Die Kritik an der Bankenrettung
wird konterkariert durch den "Extremismus". Damit wird die Lega Nord
belegt. Der Fünf-Sterne-Bewegung wird das Motto "In Europa bleiben
aber die Regeln neu diskutieren und verhandeln" zugeschrieben.
STRAUBHAAR, Thomas (2017): Mehr Kinder machen glücklich(er)!
Kolumne,
in:
Welt v. 09.08.
LOOS,
Melanie (2017): In Osteuropa leben die meisten Teenager-Mütter.
Den geringsten Anteil haben
Italien und die Niederlande,
in:
Welt v. 10.08.
Während EUROSTAT vor allem die
jüngeren Mütter in den Vordergrund stellte, rückt Melanie LOOS die
älteren Mütter in den Mittelpunkt. Bei den über 50-Jährigen stand im
Jahr 2015 Italien mit 212 Erstgeburten an der Spitze. In Deutschland
waren es 67.
SAUER, Ulrike (2017): Das große
Zittern.
Wenn EZB-Präsident Mario Draghi
die ultralockere Geldpolitik beendet, dann bekommen seine Landsleute
ein Problem. Sie müssen bis zu 25 Milliarden Euro auftreiben, um
ihren Haushalt zu finanzieren,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
17.08.
SCHMID, Birgit (2017): Wo bleiben die Kinder?
Italien in der Kinderkrise: In
Sizilien kommen inzwischen so wenige Kinder zur Welt wie im übrigen
Italien. Dabei prägten die Bambini unser Bild vom Süden. Was
passiert mit dem Land, das einst die Kinder liebte? Eine Reportage
aus Palermo,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 28.08.
"»Letztes Jahr brachte eine
Sizilianerin durchschnittlich 1,3 Kinder zur Welt«, sagt sie. »Nur
dank den Migrantinnen liegt die Fertilitätsrate auf Sizilien total
bei 1,4 Kindern. Das ist wenig über dem nationalen Durchschnitt von
1,3 Kindern pro Frau.« Migrantinnen auf Sizilien hätten im
Durchschnitt 2 Kinder. Doch auch diese könnten die fehlenden Kinder
nicht mehr kompensieren: »Inzwischen sterben bei uns mehr Menschen,
als geboren werden.« Sie schiebt ein Blatt Papier über den Tisch,
darauf die neusten Erhebungen: In den ersten sechs Monaten des
Jahres nahm die Einwohnerzahl von Palermo um fast 3000 Bewohner ab",
zitiert Birgit SCHMID eine Ärztin
in einer sizilianischen Geburtsstation. Die im
Statistischen Jahrbuch 2017 veröffentlichten Geburtenraten für
2016 sind lediglich Schätzungen (vgl. Tabelle 3.2, S.96). 2015 lag
die Geburtenrate in Sizilien bei 1,35, während sie in Palermo bei
1,41 und in Catnia sogar bei 1,45 lag (vgl.
ISTAT-Datenbank
Popolazione e famiglie).
"Heute trägt der Mezzogiorno,
wozu auch die Inseln Sizilien und Sardinien gehören, zur abnehmenden
Anzahl Kinder in Italien bei. Sardinien stellt sogar das Rekordtief
aller Regionen: Letztes Jahr wurden hier noch 1,07 Kinder pro Frau
geboren",
behauptet SCHMID. Aber auch diese
Zahlen stammen nicht aus 2016, sondern beziehen sich auf das Jahr
2015. Nachzulesen sind sie im
Statistischen Report vom 28.11.2016, Tabelle S.10. Die Zahl 1,07
bezieht sich jedoch nur auf die italienischen Frauen, während die
Geburtenrate ausländischer Frauen bei 1,70 lag.
"Die Demografen sind alarmiert.
So wie diesen Mai wieder, als der Präsident des nationalen
Statistikamts, Giorgio Alleva, für 2016 ein historisches Rekordtief
von 474.000 Geburten vorstellte, was im Vergleich zu 2008 über
100.000 weniger sind und 12.000 weniger als noch 2015. Alleva sagte,
eine so tiefe Geburtenzahl sei in Italien «seit Mitte des 16.
Jahrhunderts nicht mehr registriert worden, als die Bevölkerung ein
Fünftel der heutigen betrug». Damit hat Italien nicht nur eine der
tiefsten Fertilitätsraten in Europa, sondern auch die tiefste
Geburtenrate: Auf 1000 Einwohner kamen letztes Jahr noch 8
Neugeborene bei einem europäischen Durchschnitt von 10. Die Schweiz
liegt mit 10,5 Geburten knapp darüber. Bei uns bleibt die Kinderzahl
pro Frau seit 1975 stabil und schwankt zwischen 1,5 und 1,6",
erzählt uns SCHMID. Im Mai wurde
das
Statistische Jahrbuch 2017 vorgestellt. Die Zahlen zu der
Geburtenentwicklung 2016 für Italien wurden teilweise bereits
im
März 2017 veröffentlicht (siehe auch den
NZZ-Artikel von Patricia ARNOLD). Die absoluten
Geburtenzahlen sind dem Jahrbuch in Tabelle 3.3, S.99 zu entnehmen.
Die rohe Geburtenziffer, die von
SCHMID fälschlicherweise als Geburtenrate bezeichnet wird, ist für
internationale Vergleiche ungeeignet, weil damit nicht die
Fruchtbarkeit gemessen wird, sondern auch die Altersstruktur der
Bevölkerung mit einfließt. Sie zeigt deshalb in erster Linie die
Entwicklung der Anzahl gebärfähiger Frauen an.
Die Kritik an der Familienpolitik
ähnelt jener in den deutschsprachigen Staaten.
"Rund 115 000 Italiener wanderten
2016 aus, dreimal mehr als noch vor sechs Jahren. Wegen der
wirtschaftlichen Tieflage verlassen vor allem junge, gut
ausgebildete Leute den Mezzogiorno. Es gibt Szenarien, wonach im
Jahr 2065 nur noch 29 Prozent der gesamten italienischen Bevölkerung
im Süden leben wird",
erläutert SCHMID. In Deutschland
flammte diese Debatte bereits Anfang des Jahrtausends auf.
"Eine Frau in Italien ist 31
Jahre alt bei der ersten Geburt, so alt wie nirgendwo in Europa. Wie
überall bedeuten besser ausgebildete Frauen auch weniger und spätere
Kinder, nur beschleunigt das hier die ungute Entwicklung
zusätzlich",
berichtet SCHMID.
Gemäß EUROSTAT lag das Erstgebäralter im Jahr 2015 in Italien
bei 30,8 Jahren, dicht gefolgt von Spanien (30,7 Jahren) und der
Schweiz (30,6 Jahre). In Deutschland (29,5 Jahre) war die Klage über die späte Mutterschaft seit Anfang des Jahrtausends
ein Dauerthema.
"Birnenförmig statt wie ein
Tannenbaum sieht die Pyramide inzwischen aus, mit der typischen
Ausbuchtung in der Mitte und einer breiten Spitze. Das
Durchschnittsalter beträgt in Italien 44,9 Jahre. 22,3 Prozent der
Einwohner sind sogar über 65",
erklärt uns SCHMID, obwohl mit
dem "Tannenbaum" lediglich die Zeit hoher Kindersterblichkeit
glorifiziert wird!
"Früher waren die Sizilianer arm
und hatten viele Kinder. Heute sind sie arm und bleiben kinderlos.
Nur wer reich ist, kann sich noch fortpflanzen. Und so muss die
italienische Mamma ihre Liebe nicht mehr durch sechs teilen, sondern
sie gehört jetzt ungeteilt einem einzigen. Diesem Kind wird alles
geboten, es wird endlos verwöhnt, auf ihm lasten aber auch grosse
Erwartungen",
meint SCHMID zum Abschluss des
Artikels.
ZOLLINGER, Marc (2017): Im Norden wissen sie, wie das Kindermachen
geht.
In keiner anderen Region Italiens
kommen so viele Kinder zur Welt wie in Südtirol,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 28.08.
"Südtirol (trägt) den Übernamen »Culla
d'Italia«, die Wiege Italiens. In allen anderen Regionen des Landes
sterben mehr Menschen, als Kinder zur Welt kommen. Nur in Südtirol
wächst die Bevölkerung, und zwar um 1,4 Prozent. Und dies, weil dort
auch tatsächlich viele Kinder gezeugt werden. Nebenbei: Nirgendwo im
Lande werden die Menschen älter. Während der Landesdurchschnitt 1,34
Kinder pro Frau beträgt, sind es hier 1,78. Dieser auch europaweit
beachtliche Wert verführte das Statistische Amt (Istat) in seinem
Bericht zu einem Gedankenspiel: »Könnte man die Fruchtbarkeit der
Provinz Bozen auf ganz Italien ausdehnen, so zählten wir zu den
Top-Ländern der Europäischen Union, wie Frankreich, Grossbritannien
und Schweden»«",
erzählt uns Marc ZOLLINGER.
Dagegen heißt es im
ASTAT-Info
Nr.44 vom 25. August:
"Die
Gesamtfruchtbarkeitsziffer (GFZ),
welche die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau im gebärfähigen
Alter angibt, hat sich in den vergangenen zehn Jahren etwas erholt
und liegt im Jahr 2016 bei 1,75 Kindern. Das ist die höchste GFZ auf
dem gesamten Staatsgebiet, wo eine Frau im Schnitt nur 1,34 Kinder
auf die Welt bringt (Quelle: ISTAT, Schätzung für 2016)." (S.3)
Der Geburtenüberschuss betrug
gemäß ASTAT lediglich 162 Geburten. 2015 lag die Geburtenrate der
einheimischen Frauen bei 1,62 und diejenige der Ausländerinnen bei
2,42, was im Vergleich zu anderen Landesteilen auch zur hohen
Geburtenrate von 1,7 beitrug. ZOLLINGER hebt vor allem die vielen
Kinderspielplätzen in der Stadt Bozen hervor. Bozen trägt jedoch am
wenigsten zum "Geburtenwunder" in Südtirol bei:
"Während der Bevölkerungszuwachs
in fast allen Bezirksgemeinschaften sowohl vom natürlichen Wachstum
als auch vom Wanderungssaldo bestimmt wird, weist die
Landeshauptstadt ein Geburtendefizit auf. Bozen verzeichnet seit
jeher landesweit die geringsten Geburtenraten und die höchsten
Sterberaten, was in erster Linie auf die fortschreitende Alterung
der Stadtbevölkerung zurückzuführen ist und auch von der
Gebärfreudigkeit junger Zuwanderer nicht aufgewogen wird." (S.2f.)
PILLER, Tobias (2017): Erstmals
Sozialhilfe in Italien.
Für Familien gibt es bis zu 490
Euro im Monat,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.08.
KERNER, Regina (2017): Endstation
Elternhaus.
Viele Italiener logieren auch mit
Mitte 30 noch im "Hotel Mama". Dahinter stecken aber nicht nur
Bequemlichkeit und klammernde Eltern: Sie können sich eine eigene
Wohnung einfach nicht leisten. Und verlieren jede Hoffnung auf eine
eigenständige Zukunft,
in:
Frankfurter Rundschau v. 26.10.
CARLINI, Roberta (2017): Armes
Italien.
Am 1. Dezember tritt in Italien ein
neues Sozialgesetz in Kraft. Die Leistungen für Arbeitslose sind
bescheiden und an einige Bedingungen geknüpft. Doch wer kann
entscheiden, was Arme brauchen und was nicht?
in:
TAZ v. 06.11.
SAUER, Ulrike (2017): Arrivederci
Italia? No!
Italiens Wirtschaft wird gerade von
vielen mies gemacht: nicht fit für den Euro, nicht fit für den
Weltmarkt. Dabei exportierte das Land 2017 so viel wie nie zuvor,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.12.
PILLER, Tobias (2017): Italiens Politiker buhlen um
die Rentner.
Der Babybonus wird gekürzt, weil
kein Geld da ist. Für eine Rückkehr zur alten Frührente wollen die
Parteien aber viele Milliarden ausgeben,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.12.
SPALINGER, Andrea (2017):
Schulden machen auf Italienisch.
Das italienische Staatsbudget 2018
ist endlich verabschiedet - und der Weg für Neuwahlen frei,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 29.12.
Andrea SPALINGER lobt den Finanzminister
Pier Carlo PADOAN, der die überbordenden Forderungen der
Rentnerlobby erfolgreich abgewehrt hat:
"Frauen und Männer werden
in Italien 2018 mit 66 Jahren und 7 Monaten in Rente gehen.
Für 15 Job-Kategorien sind aber Ausnahmen vorgesehen. Zudem
sollen Frühpensionierungen flexibler gestaltet werden und
Angestellt, die ihre Stelle kurz vor dem Ruhestand
verlieren, mehr Überbrückungshilfe erhalten. Die Änderungen
am umstrittenen Pensionsgesetz werden den Staat zusätzlich
1,4 Mrd. € kosten.
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