2018
HAGELÜKEN,
Alexander & ROSSBACH, Henrike (2018): Teure Pläne, vages Budget.
Union und SPD wollen viele
besser stellen: Mütter, bedürftige Senioren und solche, die aus
Gesundheitsgründen aus dem Beruf ausscheiden. Die Rente soll
allgemein stabil bleiben. Das kann Beitrags- und Steuerzahler
viel Geld kosten,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
16.01.
HAGELÜKEN & ROSSBACH stellen die
Rentenpläne unter Vorbehalt ("wenn die Wirtschaft weiter sehr
gut läuft"). Weder die Grund- noch die Mütterrente soll zu den
"prioritären Ausgaben" gehören, zitieren sie einen anonymen
Politiker ("aus Sondierungskreisen"). Man kann davon ausgehen,
dass dieser Politiker dem Wirtschaftsflügel der Parteien
angehört.
Während Andrea NAHLES die
48 Prozent Sicherungsniveau bis 2025 schönredet, obwohl
ihr eigener Gesetzesentwurf vom November 2016 ein
Mindestniveau von 46 Prozent bis 2045 vorsah, rechnet Bernd
RAFFELHÜSCHEN das Sicherungsniveau schlecht. Die
Stabilisierung solle bis 2025 angeblich 48 Milliarden Euro
kosten. Dagegen sieht der
Rentenversicherungsbericht 2017 bis 2024 ein
Sicherungsniveau von 48 Prozent vor, d.h. erst im Jahr 2025
würde die Stabilisierung überhaupt Geld kosten. Zur
Mütterrente heißt es:
"Nach Berechnungen der
Rentenversicherung dürfte die neue Mütterrente im Jahr 2019
Mehrausgaben von etwa 3,7 Milliarden Euro mit sich bringen.
Kostenbremsend wirkt, dass nur Mütter mit mindestens drei
vor 1992 geborenen Kindern Anspruch auf den dritten
Rentenpunkt haben sollen. Auf 2,7 Millionen Renten treffe
das zu."
AUST,
Andreas/ROCK, Joachim/SCHABRAM, Andrea (2018):
"Grundrente" und Rentenniveau in den Sondierungsergebnissen von
CDU, CSU und SPD.
Kurzexpertise Nr. 1/2018,
in:
infothek.paritaet.org
v. 19.01.
SCHWENN, Kerstin
(2018):
Übermütige Rentenversprechen.
Wenn die Babyboomer in Rente
gehen, wird sich die Garantie nicht halten lassen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 05.02.
Neben der Mütterrente gilt
SCHWENN die Stabilisierung des Rentenniveaus als besonderer
Dorn im Auge.
"Selbst bei weiter guter
Wirtschaftsentwicklung dürfte sie 2025 rund 4 Milliarden
Euro kosten",
erklärt uns SCHWENN. Das
wird - wie bei NAHLES - zum Positivszenario erklärt. Die
Garantie gilt nur bis 2025 was SCHWENN - genausowenig wie
andere Neoliberale - nicht daran hindert so zu tun, als ob die
Stabilisierung des Rentenniveaus auf Ewigkeiten
festgeschrieben wäre. Denn ohne diese Suggestion könnten die
Babyboomer nicht als Drohszenario eingesetzt werden und darauf
verzichten Neoliberale nie. Alles könnte jedoch zur Makulatur
werden, wenn nicht von angeblichen Positivszenarien
ausgegangen wird, sondern von pessimistischen Annahmen, die
auch dem Rentenversicherungsbericht 2017 und der
Bevölkerungsvorausberechnung zugrunde liegen.
Beide hinken dem tatsächlichen Geburtenanstieg in Deutschland
hinterher. Dies mag sich 2025 noch nicht auswirken, aber
die Jahre ab 2030 sind keineswegs durch die demografische
Entwicklung festgelegt - ganz zu schweigen von Entwicklungen,
die noch gar nicht in den Blick kommen, weil die Zukunft offen
ist.
RÜRUP, Bert
(2018): Politik in Zeiten alternder Wähler.
Leitartikel: Rentenreformen
halten allenfalls zwei Legislaturperioden,
in:
Handelsblatt v. 02.03.
Das Problem ist, dass weder
das ökonomische, noch das demografische Umfeld auf längere
Zeit prognostiziert werden kann, obwohl das gerne von Ökonomen
behauptet wird. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt dies -
auf andere Weise als dies von RÜRUP gemeint ist.
"Norbert Blüm war der
erste Sozialminister, der sich Ende der 1980er Jahre den
Problemen der Rentenversicherung infolge der
Bevölkerungsalterung stellte.
Laut damaligen Prognosen hätte sich der Beitragssatz bis zum
Jahr 2030 auf 36 bis 41 Prozent mehr als verdoppelt. Um den
Anstieg auf 27 Prozent zu begrenzen, beschloss eine
informelle Koalition aus Union, FDP und SPD am Vormittag des
9. Novembers 1989 das Rentenreformgesetz 1992",
erzählt uns RÜRUP.
Tatsächlich gab es Anfang des Jahrtausends laute Aufschreie
der Neoliberalen, weil der Beitragssatz auf 22 Prozent bis
2030 begrenzt werden soll. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent,
d.h. weit unter dem befürchteten Anstieg, der seit den 1990er
Jahren zu hysterischen Debatten geführt hatte. Entscheidender
ist jedoch ein anderer Aspekt:
"Die (...)
Leistungsrücknahmen wurden kaschiert, indem zuvor die
Erwerbsbiografie des Standardrentners von 40 auf 45 Jahre
verlängert und so das ausgewiesene Rentenniveau um gut sechs
Prozentpunkte angehoben wurde."
Eine Wiederholung dieser
Praxis wird seit Jahren von Neoliberalen von Bundesbank bis
Axel BÖRSCH-SUPAN gefordert. Die Erwerbsbiografie des
Standardrentners soll von 45 auf 47 Jahre verlängert werden,
um die weitere Absenkung des Rentenniveaus zu verschleiern.
Dieses Spielchen wird in Zukunft öfters gespielt werden.
RÜRUP geht davon aus, dass
die Leistungsausweitungen seit 2014 schnell wieder dem "Diktat
leerer Kassen geopfert werden" können, denn:
"In einer Demokratie
besteht Rentenpolitik durchweg im Nachsteuern entsprechend
geänderter Rahmenbedingungen und
Gerechtigkeitsvorstellungen. Das ist allemal besser, als die
Rentenpolitik einem wohlwollenden Diktator zu überlassen,
und sei dieser ein noch so kluger Ökonom."
Diese Sicht verschleiert
jedoch ebenfalls, denn sie lässt die Interessenpolitik außer
Acht. Welche politische Entscheidungen Rahmenbedingungen und
Gerechtigkeitsvorstellungen erfordern, das ist keine Frage
objektiver Fakten, sondern eine Frage politischer
Machtverhältnisse.
SIEMS, Dorothea (2018):
Geschwätz von gestern.
Die Angst vor Altersarmut
wächst. Doch die große Koalition treibt mit ihren populären
Plänen nur die Ausgaben weiter in die Höhe, statt Rücklagen für
die schwierigen Jahre zu stabilisieren. Vertrauensbildende
Sozialpolitik sieht anders aus,
in:
Welt v. 31.03.
Dorothea SIEMS präsentiert
die üblichen Positionen des öffentlichkeitsscheuen
CDU-Wirtschaftsrats, der seine Positionen hauptsächlich über
ihm freundlich gesinnte Medien verbreiten lässt, und der BDA.
SIEMS arbeitet brav alle Punkte von Mütterrente II bis zur
Stabilisierung des Rentenniveaus ab.
Die Kosten der
Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis 2025
werden in Form zweier Extremszenarien präsentiert: Andauern
des jetzigen Konjunkturaufschwungs ("vier Milliarden Euro")
oder wirtschaftliche Flaute ("Zusatzkosten von 15 Milliarden
Euro. Im Extremfall sogar bis zu Milliarden 38 Euro"). Dabei
beruft SIEMS sich auf eine nicht nachvollziehbare "Analyse des
Wirtschaftsrats".
Fazit: Seriöser
Journalismus sieht anders aus! Der Artikel richtet sich nicht
an Andersdenkende, sondern an Anhänger der eigenen
Glaubensgemeinschaft.
DRIBBUSCH, Barbara
(2018):
Milchschäumen mit 67.
Debattereihe Zukunft der
Arbeit: Immer mehr Leute jenseits der 60 arbeiten, auch noch im
Rentenalter. Ist das nun gut oder schlecht? Kommt drauf an. Das
soziale Gefälle ist groß,
in: TAZ
v. 16.04.
Barbara DRIBBUSCH wendet
sich gegen eine Stabilisierung des Rentenniveaus, weil Ältere
ihre Rente durch Erwerbsarbeit aufbessern sollen. Lediglich
für Menschen mit gesundheitlichen Problemen und "KleinrentnerInnen"
sieht DRIBBUSCH andere Möglichkeiten vor:
"Das neue Programm mit
bezahlten Jobs für Langzeitarbeitslose, das sie Groko plant,
sollte vor allem Menschen über 55 Jahren mit
gesundheitlichen Einschränkungen zugutekommen.
Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind bereits
beschlossen. Auch eine Aufstockung für KleinrentnerInnen mit
langer Berufsbiografie wäre ein richtiges Signal."
Im Grunde ist DRIBBUSCH
nicht mehr weit von den neoliberalen Hardlinern entfernt, die
weitere Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente
ablehnen, weil sie die vorhandenen Verbesserungen als
ausreichend empfinden. Zu einer Erhöhung des
Renteneintrittsalters schweigt DRIBBUSCH genauso wie zur
privaten Altersvorsorge.
MEA (2018): Pressemitteilung zu den Kosten
der doppelten Haltelinie,
in:
Pressemitteilung MEA
v. 24.04.
"(B)ereits im Jahr 2023
(wird) die im Koalitionsvertrag von derzeit 43% auf 48%
anzuhebende Haltelinie des Rentenniveaus unterschritten und zwei
Jahre später die auf 20% abzusenkende Haltelinie beim
Beitragssatz überschritten (...).Da durch den demographischen
Wandel die Zahl der Rentenempfänger weiter steigt und die der
Beitragszahler weiter fällt, aber nun die beiden wichtigsten
finanziellen Stellschrauben der umlagefinanzierten
Rentenversicherung fixiert sind, entsteht ein Fehlbedarf, der
laut Koalitionsvertrag durch Steuermittel sicher zu stellen ist.
Er wird (...) im Jahr 2025 inflationsbereinigt knapp 11 Mrd.
Euro betragen. Danach steigt der Fehlbetrag sehr schnell an.
Würde man die doppelte Haltelinie weiter fortsetzen, würde der
Fehlbetrag im Jahr 2030 45 Mrd. erreichen und bis 2035 auf über
80 Mrd. Euro pro Jahr anwachsen, also mehr als dem doppelten der
heutigen Nachhaltigkeitsreserve. Im Jahr 2048 läge der durch
Steuermittel sicherzustellende Finanzbedarf bei über 125 Mrd.
Euro. Diese Zahlen sind kaufkraftbereinigt", heißt es in der
Pressemitteilungen zu den Berechnungen von BÖRSCH-SUPAN &
RAUSCH.
BÖRSCH-SUPAN, Axel & Johannes RAUSCH (2018): Die Kosten der
doppelten Haltelinie, MEA Discussion Papers 03-2018
Auch
im
Ifo Schnelldienst 9/2018 vom 09.05.2018 veröffentlicht.
BEISE, Marc & Henrike ROßBACH (2018): Rentenpläne der Koalition
"unbezahlbar".
Union und SPD haben
versprochen, das Niveau der Altersbezüge zu sichern. Doch die
Kosten dafür sind gigantisch. Ökonomen beziffern sie auf
Dutzende Milliarden Euro jährlich,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 24.04.
Wer bezahlt eigentlich die
Berechnungen, die im Tagesrhythmus erscheinen und doch nichts
Neues ergeben? Die angebliche Studie ist lediglich ein
Diskussionspapier der neoliberalen Ökonomen Axel BÖRSCH-SUPAN
& Johannes RAUSCH mit dem Titel
Die Kosten der doppelten Haltelinie. Im Feuilletonteil
würde man so etwas Polemik nennen!
Der Koalitionsvertrag sieht
eine Stabilisierung des Rentenniveaus nur bis 2025 vor. Das
Papier sieht für diesen Zeitraum keinerlei
Finanzierungsprobleme. Zudem war seit fast 15 Jahren immer nur
von einer Beitragsobergrenze von 22 Prozent die Rede. Die
Jahre davor rechnete man sogar mit weit höheren
Beitragssätzen. Nun aber werden plötzlich nur noch 20 Prozent
angenommen. Allein dies führt zu einer Kostenexplosion bei
sonst konstanten Annahmen. Dies war von den Koalitionspartnern
offensichtlich so gewollt, damit die Pläne auf möglichst viel
Widerstand treffen können. Der Debatte haftet also eine
gewisse Verlogenheit an.
Die
Bevölkerungsvorausberechnung basiert auf der Annahme einer
konstanten Geburtenrate von 1,5 bis 2060 (vgl. S.15), obwohl
sie derzeit bereits bei 1,59 liegt und seit 5 Jahren ansteigt.
Der Wanderungssaldo liegt bei 200.000 Personen (vgl. S.15),
obwohl der Wanderungssaldo derzeit mindestens das Doppelte
beträgt. Lediglich bei der Lebenserwartung wird eine
Steigerung angenommen (vgl. S.15), obwohl diese derzeit
stagniert. Die Annahmen berücksichtigen nicht die aktuellen
Trends, sondern sind so gesetzt, dass eine Stabilisierung zu
möglichst hohen Kosten führen muss. Das ist unseriös!
Fazit: Allein die Annahmen
zur Bevölkerungsentwicklung entsprechen nicht im Mindesten der
aktuellen Entwicklung, sondern basieren auf einem sehr
pessimistischen Szenario. Die ökonomische Annahmen sind in der
Regel noch unsicherer, was die Entwicklung der vergangenen 10
Jahre zeigt. Das Papier sollte also ins Altpapier, denn zu
einer seriösen Diskussion ist es untauglich!
BEISE, Marc (2018):
Das größte Problem.
Kommentar zur Rente,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 24.04.
"Die Lösung kann nur in
einem Mix liegen, bei dem das Rentenniveau sinkt, der
Beitragssatz steigt - und die Menschen länger leben",
erklärt uns der Neoliberale
Marc BEISE. Nur mit dem demografischen Wandel lässt sich das
nicht begründen, sondern es wäre allein Ausdruck der
politischen Machtverhältnisse!
SCHWENN, Kerstin
(2018):
Heils Rentenpaket belastet
Scholz' Finanzplanung.
Mütterrente, hohes
Rentenniveau, niedriger Beitragssatz: Der Koalitionsvertrag
enthält für jeden Geschmack etwas. Der Nachteil: Die
Steuerzahler müssen das mit immer mehr Milliarden bezahlen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 25.04.
Kerstin SCHWENN traktiert uns mit den
unseriösen Berechnungen der MEA-Studie,
wobei hier die mittelfristige Finanzplanung als Problem
herbeigeschrieben wird:
"Noch vor Ende der
Wahlperiode wird Finanzminister Olaf Scholz (SPD) jedes Jahr
einen zweistelligen Milliardenbetrag aus Steuern für die
Rente in die mittelfristige Finanzplanung einstellen
müssen",
erklärt uns SCHWENN. Dass
es so kommt, ist lediglich eine Fiktion oder wie es der
Sprecher des Arbeitsministeriums nennt:
"Die Zahlen und
Berechnungen zu Kosten einer doppelten Haltelinie fußen auf
Annahmen, die ohne Fundament sind (...). Etwaige Kosten
lassen sich derzeit nicht seriös bestimmen, da die
Einzelheiten der angestrebten Leistungsverbesserungen in der
gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht gestehen".
Auch Markus KURTH (Grüne)
kann den Zahlen nichts abgewinnen. Lediglich - wenig
überraschend - der FDP passen die Zahlen zu ihrer Politik.
Fazit: Wer sich mit
Planungen auskennt, der weiß: am Ende kommt es selten so wie
es geplant wurde! Das gilt für mittlere Finanzplanungen erst
recht.
THELEN, Peter (2018):
Nur keine Panik!
Leidartikel: In der
Rentenpolitik kommen wir mit Horrorszenarien der einen oder
anderen Seite keinen Schritt weiter,
in:
Handelsblatt v. 26.04.
Peter THELEN kritisiert Axel BÖRSCH-SUPAN,
den er als Mitglied der geplanten Rentenkommission nennt:
"Es ist (...) nicht
allerbester Stil, dass der Wissenschaftler nun mit einem
wahren Horrorszenario den Eindruck erweckt, eine zeitliche
Verlängerung der Haltelinien wäre schlicht unbezahlbar."
THELEN ist hinsichtlich von
Berechnungen zur Zukunft der Rentenversicherung ein gebranntes
Kind, denn in der Vergangenheit gab es dazu grandiose
Fehleinschätzungen:
"(I)m Jahr 2018 (dürfte
es) nach allen verfügbaren Langfristprognosen seit der
Jahrtausendwende alle (...) positiven Nachrichten eigentlich
gar nicht geben (...). So kommt eine Prognos-Studie aus dem
Jahr 2003, erstellt für die deutsche Rentenversicherung,
selbst in der optimistischsten Variante für 2018 zu einem
Rentenbeitrag von deutlich über 19 Prozent und einem
Rentenniveau von um die 44 Prozent.
Tatsächlich liegt es aktuell über 48 Prozent. 2014 konnten
sich Prognos und das Handelsblatt Research Institute in
einer Untersuchung zur Zukunft der Altersvorsorge
insbesondere wegen der teuren Rentenreform von 2014 mit
Mütterrente nicht vorstellen, dass der Rentenbeitrag unter
die damals erreichten 18,9 Prozent fallen würde. Und doch
hat er es getan. Die Rentenversicherung fürchtete sogar, der
Beitrag würde bis 2017 auf 19,4 Prozent steigen.
Mit dieser Erfahrung im Rücken scheint es angebracht, neuen
Horrorszenarien über die Zukunft der Rente mit Skepsis zu
begegnen."
THELEN kritisiert die
Hybris des Ökonomen, der mit seinen postdemokratischen
Vorstellungen sozusagen die demokratische Willensbildung
aushebeln möchte, wenn er schreibt:
"Es wird am Ende keine
ökonomische, sondern eine rein politische Frage sein, wie
viel Umverteilung sich unsere Gesellschaft leisten will, um
auch künftigen Rentnern eine Rente zu gewähren, die zu den
eingezahlten Beiträgen in einem vertretbaren Verhältnis
steht.
Bezahlbar oder unbezahlbar ist da keine Kategorie."
THELEN propagiert ein
anderes Politikverständnis als Neoliberale, die die politische
Willensbildung als Störung und uneffiziente Einmischung
betrachten:
"Beim Thema Haltelinien
(...) empfiehlt es sich, auf Sicht zu fahren (...). Der
größte Vorzug des umlagefinanzierten Rentensystems gegenüber
der ergänzenden Vorsorge über den Kapitalmarkt ist, dass die
Umlageregeln jederzeit per einfaches Gesetz geändert werden
können."
Ein solches
Politikverständnis wird zuweilen als Regieren nach Kassenlage
oder als Muddling-through angeprangert. Die Alternative der
Neoliberalen, die angeblich eine "nachhaltige", "verlässliche"
Politik versprechen, stellt sich oftmals als genauso
unzuverlässlich heraus, weil sie unvernünftige Regelungen der
politischen Gestaltbarkeit entzieht.
BÖRSCH-SUPAN, Axel (2018):
Länger leben, später in Rente.
Samstagsessay: Die
Bundesregierung will die Rentenversicherung durch teure
Eingriffe sichern. Doch statt solcher Versprechen hilft vor
allem eines: Wir müssen mehr arbeiten,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.04.
Axel BÖRSCH-SUPAN,
gemäß Peter THELEN Mitglied der geplanten
Rentenkommission, will das Ergebnis der Kommission mit seinem
Beitrag bereits vorbestimmen. In den letzten Tagen wurde sein
Horrorszenario über die angeblichen Kosten der doppelten
Haltelinie bereits in diversen neoliberalen Wirtschaftsteilen
beklatscht. Einzig das Handelsblatt
stimmte nicht in den Chor der Postdemokraten ein. Der
Essay hat gegenüber den Berechnungen nichts Neues zu bieten,
sondern wartet mit weiteren Lügen auf:
"Heute Vierzigjährige
werden (...) über zehn Jahre länger leben als bei
derzeitiger Lebenserwartung. Zehn Jahre mehr!".
Bekanntlich ist für die
Rentenversicherung weder die Lebenserwartung bei Geburt, noch
die Lebenserwartung von Vierzigjährigen, sondern die
fernere Lebenserwartung der 65- bzw. 67-Jährigen
ausschlaggebend.
Diese aber stagniert seit Jahren!
Der Rentenversicherungsbericht 2017 nimmt deshalb eine
geringere Lebenserwartung an als noch in vorangegangenen
Berichten. Das aber verschweigt BÖRSCH-SUPAN, der diesen
Bericht nur zitiert, wenn die Zahlen zu seinem Horrorszenario
passen. Der Rentenversicherungsbericht 2017 wird deshalb nur
zitiert, um den Rückgang des Rentenniveaus auf unter 23
Prozent ab 2023 zu suggerieren. Dagegen zeigt die
Rentenanpassung 2018, dass die Zahlen des
Rentenversicherungsberichts selbst für das Jahr 2018 schon zu
pessimistisch waren. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im
November 2017 wurde nämlich noch von einer um über 0,1 Prozent
niedrigeren Rentenerhöhung ausgegangen als jene, die nun
tatsächlich erfolgt.
Fazit: Wie die
Rentenversicherung 2030 oder gar 2040 dasteht, das kann heute
seriöserweise niemand - auch nicht BÖRSCH-SUPAN -
prognostizieren. Ökonomen scheitern oftmals sogar an
Prognosen, die für nicht einmal ein Jahr gelten sollen.
BÖRSCH-SUPAN aber möchte die demokratische Willensbildung auf
Jahrzehnte hinaus aushebeln. Politik muss flexibel auf
Veränderungen reagieren können, statt dem ökonomischen
Hirngespinst der Nachhaltigkeit auf den Leim zu gehen.
Nachhaltigkeit gibt es nur, wenn die Zukunft nichts als eine
Fortschreibung der Vergangenheit wäre. Das aber hat mit
Zukunft nichts zu tun!
BMAS (2018): Rentenkommission "Verlässlicher
Generationenvertrag" vorgestellt,
in:
Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums v. 03.05.
Nun ist es offiziell, wer
die Mitglieder der Rentenkommission sind. Vertreter der
Wissenschaft sind die neoliberalen Ökonomen
Axel BÖRSCH-SUPAN und
Gert G. WAGNER,
die mit ihren Vorstellungen bereits seit Jahren in der
Öffentlichkeit präsent sind. Ersterer hat erst vor kurzem mit
einem Horrorszenario, das
jeglicher Grundlage entbehrt, Stimmung gegen die
Stabilisierung des Rentenniveaus gemacht. Auch Gert G. WAGNER
steht für den weiteren Ausbau der kapitalgedeckten
Altersvorsorge und die Schwächung der gesetzlichen
Rentenversicherung. Die Soziologin
Simone SCHERGER steht für Erwerbsarbeit im Rentenalter,
was zur Linie der beiden anderen passt. Hier geht es um die
Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Fazit: Die Zusammensetzung
der Kommission aus der Wissenschaft ist bereits ein Hinweis
darauf, dass es um die Durchsetzung einer Erhöhung der
Erwerbsarbeit im Rentenalter gehen wird, vorzugsweise die
Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.
Außerdem soll ein weiterer Ausbau der betrieblichen und
privaten Altersvorsorge vorangetrieben werden.
Ergebnisoffenheit sieht anders aus!
DRIBBUSCH, Barbara
(2018): Spagat zwischen den Generationen.
Neue Kommission der Regierung
soll Vorschläge zum künftigen Rentenniveau erarbeiten,
in: TAZ
v. 04.05.
Barbara DRIBBUSCH nutzt die
Vorstellung der Rentenkommission, um das Horrorszenario von Axel
BÖRSCH-SUPAN zu verbreiten, als ob es sich dabei um ein
unabwendbares Szenario handeln würde. DRIBBUSCH ist die Rente
egal, denn ihre Zielgruppe ist die gut situierte Leserin, die
meist sogar im öffentlichen Dienst arbeitet. Altersarmut ist
kein Thema, denn Verzicht ist für diese Klientel mit großem
sozialen und kulturellem Kapital kein Problem.
KALBE,
Uwe
(2018):
Experten für den Unruhestand.
Arbeitsminister Hubertus Heil
setzt Rentenkommission ein. Konzept soll 2020 vorliegen,
in: Neues
Deutschland v. 04.05.
Uwe KALBE zitiert ausführlich
die Kritik des rentenpolitischen Sprechers der Linkspartei,
Matthias BIRKWALD, an der Berufung von Axel BÖRSCH-SUPAN in die
Rentenkommission. Der Linkspartei ist selbst eine Stabilisierung
des Rentenniveaus bei 48 Prozent noch zu wenig. Sie fordert die
Rückkehr zu 53 Prozent.
STEFFEN, Johannes (2018): Ein stabiles Rentenniveau? –
"Unbezahlbar!".
Kommissionsmitglied polemisiert gegen Umlagesystem,
in:
sozialpolitik-portal.de v.
09.05.
BUNTENBACH, Annelie (2018): Schluss mit Kürzungen!
Bei der Rente vertrete der DGB falsche Ideen,
schrieb ZEIT-Redakteur Roman Pletter kürzlich. Doch er irrt,
in: Die ZEIT
Nr.23 v. 30.05.
"Wegen (der)(...)
Kürzungsorgie liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent - so
niedrig wie seit 23 Jahren nicht mehr. Seit 1995 ist die
Zahl der Rentnerinnen und Rentner aber um fast sechs
Millionen auf heute 21 Millionen gestiegen. (...).
Wegreformiert wurde eine angemessene Alterssicherung, zu
Lasten der Jungen wie der Alten. Entlastet wurden vor allem
die Arbeitgeber. (...). In einem der reichsten Länder der
Welt müssen wir die Frage beantworten, wollen wir das Modell
»Falschensammeln« oder das Modell »Altern in Würde«",
meint Annelie BUNTENBACH
vom DGB. Sie kritisiert zudem das Rentenkommissionsmitglied
Axel BÖRSCH-SUPAN, das die vom DGB vertretene
Stabilisierung des Rentenniveaus mit
einem Horrorszenario als "unfinanzierbar" diffamiert hat:
"Bei ihm sehen die
Ausgaben doppelt so hoch aus, weil er die realen
Rentenerhöhungen der kommenden 40 Jahre einrechnet. Aber in
dieser Zeit würden sich auch die Löhne verdoppeln, real wäre
die Belastung halbiert.
Ja, ein stabiles Renteniveau kostet Geld,
volkswirtschaftlich unbezahlbar ist es nicht."
BENTELE, Verena
(2018): Rente geht alle an.
Gastwirtschaft: Neues
Vertrauen in die Altersvorsorge schaffen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 13.06.
Verena BENTELE, Präsidentin
des VdK, plädiert für eine Stärkung der gesetzlichen Rente bei
der Alterssicherung, die durch eine Stabilisierung des
Rentenniveaus bei 50 Prozent und den Ausbau zur
Erwerbstätigenversicherung erreicht werden soll.
REZMER, Anke & Peter
THELEN (2018): Die Angst vor Altersarmut.
Immer mehr Menschen fürchten,
im Ruhestand zu verarmen, zeigt eine Umfrage. Statt mehr zu
sparen, rufen sie nach dem Staat. Die Versicherer wollen mit
besseren Produkten reagieren,
in:
Handelsblatt v. 26.06.
"Für wenig sinnvoll halten es die
Befragten, selbst mehr fürs Alter zu sparen. Vielmehr
fordern sie die Politiker dazu auf, die Renten zu erhöhen.
(...) So fordern 70 Prozent der Befragten quer durch alle
Altersklassen und nahezu alle Einkommensgruppen vom Staat
als wichtigstes Ziel, sich um höhere Renten zu kümmern",
schreiben REZMER & THELEN
zu einer repräsentative Umfrage des Lebensversicherers Axa.
Die Mehrheit der Befragten schließt zudem keine neuen
Altersvorsorge-Produkte ab. Die Ergebnisse sollten eigentlich
die Lebensversicherer aufschrecken. Diesen fällt jedoch seit
Jahren nichts anderes ein, als dass die Bürger ihre
Sparanstrengungen einfach nur verdoppeln - besser
verdreifachen - müssten, um jene Privatrente zu erreichen, die
ihnen Anfang des Jahrtausends von Rentenkommissionsmitgliedern
wie Axel BÖRSCH-SUPAN und Generationengerechtigkeitskriegern
wie Bernd RAFFELHÜSCHEN vollmundig versprochen wurden. Dass
diese Experten immer noch von der neoliberalen
Mainstreampresse wie Päpste hofiert werden, ist der
eigentliche Skandal. Auch das Handelsblatt zitiert
wieder RAFFELHÜSCHEN und nennt große Summen, die die
Stabilisierung des Renteniveaus kosten würde - verschweigt
aber die riesigen Zeiträume, in denen diese fiktiven Summen
fällig werden könnten - vorausgesetzt die Zukunft würde sich
an lineare Vergangenheitsfortschreibungen halten, statt sie
nicht darum zu scheren!
Mit Eckart BOMSDORF gibt es
jedoch eine Gegenstimme:
"Er hält eine
Stabilisierung der Rentenniveaus auf heutigem Niveau bis
etwa 2030 für vertretbar. Außerdem plädiert er für eine
Rücknahme oder Abschwächung des sogenannten
Riester-Faktors."
Warum das nur bis 2030
möglich sein sollte, ist jedoch unklar, zeigt jedoch, dass die
Zeiten der Alternativlosigkeit vorbei sind!
SCHWENN, Kerstin
(2018): In der Rentenkasse droht ein Milliardenloch.
Die Rentenversicherung
rechnet vor: Wenn die Koalition ihre Pläne umsetzt, müssen die
Steuerzahler 2025 eine immense Lücke stopfen. Wie reagiert
Scholz?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.06.
"Üblicherweise
beschränken wir unsere Mittelfristbetrachtung auf einen
Zeitraum von fünf Jahren. Damit wäre der Endpunkt der
Schätzung das Jahr 2022. Vor dem Hintergrund der im
Koalitionsvertrag bis zum Jahr 2025 vorgesehenen doppelten
Haltelinie, möchte ich den Blick jedoch etwas weiter in die
Zukunft richten – nämlich bis zum Jahr 2025",
erklärt uns Alexander
GUNKEL, der für die Arbeitgeber die Interessen bei der
Deutschen Rentenversicherung vertritt. In diesem Sinne macht
GUNKEL Politik gegen den Rentenentwurf, den Sozialminister
Hubertus HEIL vor der Sommerpause vorlegen will.
Die neoliberale
Interessenpolitik von GUNKEL wird begierig von der
neoliberalen Mainstreampresse von FAZ und SZ
aufgegriffen.
Kerstin SCHWENN erklärt
uns, dass HEIL den Gesetzesentwurf bereits nächste Woche auf
den Weg bringen will. HEIL hat vor der CSU gekuscht, weshalb
nun nur kinderreiche Mütter von der geplanten Mütterrente
profitieren werden. Die CSU macht damit weitergehende
Positionen der Nationalkonservativen in der AfD salonfähig,
denn durch die voraussichtliche Falschfinanzierung der
Mütterrente, die durch Beiträge statt durch Steuern finanziert
werden soll, entspricht das Projekt einer Rente nach
Kinderzahl.
SCHWENN geht davon aus,
dass es keine Änderung der Rentenformel geben wird, sondern
einfach die geltende Regelung von 43 % bis 2020 durch 48 % bis
2025 ersetzt wird.
"Heil will darüber hinaus
erreichen, dass konkret Steuermittel eingesetzt werden, wenn
dieses Ziel verfehlt wird. Über die Ausgestaltung dieser
Garantie streitet er mit dem Finanzminister. Olaf Scholz
(SPD) müsste eine politische Zusage geben, denn seine
mittelfristige Finanzplanung mit dem Haushalt 2019 reicht
nur bis 2022. Den neuen Etat will Scholz am 6. Juli
präsentieren."
Dieser Vorschlag macht
skeptisch, weil er einen möglichen Regierungswechsel
überdauern müsste und bislang der Sozialminister in
Kontroversen mit dem Finanzminister immer den Kürzeren zog.
SCHWENN, Kerstin
(2018): Rente mit Niveau.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.06.
Kerstin SCHWENN hat eine
glänzende Idee, um die Debatten um die Stabilisierung des
Rentenniveaus mit einem postdemokratischen Basta zu beenden:
"Die Koalition sollte
(...) das Rentenniveau als Dreh- und Angelpunkt ihrer
Rentenpolitik einfach aufgeben."
ROSSBACH, Henrike
(2018): Die guten Zeiten sind bald vorbei.
Auf die Rentenversicherung
kommen gigantische Kosten zu,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.06.
Ob die guten Zeiten bald
vorbei sind, ist eine Frage, die nur die Zukunft zeigen kann.
Bekanntlich hätten die guten Zeiten spätestens mit dem
Rentenpaket 2014 vorbei sein sollen - oder wenn man
zurückblickt auf die Jahre 2003-2005, dann müsste der
Beitragssatz bereits längst die Schallmauer von 20 Prozent
durchbrochen haben und das Rentenniveau sich seit 3 Jahren im
freien Fall befinden.
Fazit: Wer Prognosen der
Neoliberalen auf den Leim geht, der darf sich nicht wundern,
wenn die gesetzliche Rente tatsächlich aufgrund von
selbsterfüllenden Prophezeiungen zur Armenfürsorge verkommt.
Die Zahlen, die uns GUNKEL heute präsentiert, werden wir
deshalb erst 2025 hervorkramen. Dann wird sich zeigen, was
davon übrig bleibt!
SCHMERGAL, Cornelia (2018): Wunschdenken.
Analyse: Das gesetzliche
Rentenniveau gilt als Maßstab für die Absicherung im Alter. Nur
die wenigsten wissen, dass die Zahl als Richtwert nicht taugt,
in: Spiegel
Nr.28 v. 07.07.
Ihre ehemalige Kollegin bei
der FAZ/FAS, Kerstin SCHWENN, forderte bereits
Ende Juni die Abschaffung des
Rentenniveaus als Maßstab. Nun polemisiert Cornelia SCHMERGAL
gegen die Stabilisierung des Rentenniveaus mit den üblichen
Falschbehauptungen der Neoliberalen, die uns falsche
Vorstellungen unterstellen, um ihre eigenen neoliberalen
Umdeutungen unters Volk zu bringen:
"(D)as Rentenniveau (...)
soll zeigen, ob Renten und Löhne im Gleichklang steigen. Für
den gesellschaftlichen Frieden und die Akzeptanz des
Rentensystems (...) ist das wichtig."
Dies ist bereits die erste
Umdeutung, denn diese Sicht aufs Rentenniveau wurde erst mit
der Abkopplung der Renten von den Löhnen wichtig. Als die
Kopplung noch bestand war dieser Aspekt irrelevant.
Das
"Sicherungsniveau vor Steuern", das SCHMERGAL uns
präsentiert, ist keine ursprüngliche Kennziffer für das
Rentenniveau, sondern eine neoliberale Erfindung, die durch
das 2005 in Kraft getretene Alterseinkünftegesetz notwendig
wurde, weil die ursprüngliche Kennziffer "Nettorentenniveau"
durch die Einführung einer nachgelagerten Besteuerung für
jeden Rentnerjahrgang hätte bestimmt werden müssen. Das aber
hätte die drastische Absenkung des Rentenniveaus so
offensichtlich werden lassen, dass Neoliberale schnell eine
unverfänglichere Kennziffer einführten.
Die angeblich immensen
Rentenanpassungen werden uns von SCHMERGAL als Wohltaten
gepriesen. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man die
Wirkungsweise der neuen Rentenformel anhand eines Gutachtens
der neoliberalen PROGNOS AG im Auftrag der Deutschen
Rentenversicherung erklärt bekommt:
"Die neue
Rentenanpassungsformel führt im Vergleich zur früheren
Nettolohndynamik zu deutlich geringeren Rentenanpassungen
und Rentenausgaben. Dies ist besonders in der bis 2010
geltenden Fassung der Formel der Fall, in der der steigende
Altersvorsorgeanteil - der eine zunehmende Abgabenbelastung
der Bruttoeinkommen der unselbständig Beschäftigten durch
die private Vorsorge widerspiegeln soll - die Rentendynamik
bremst. Entsprechend kommt es vor allem in diesem Zeitraum
zu einer Absenkung des Nettorentenniveaus, dem Verhältnis
einer standardisierten Nettorente zum durchschnittlichen
Nettoentgelt. Von Bedeutung für das Nettorentenniveau ist
dabei auch die Steuerreform, deren ausstehende Stufen 2004
und 2005 zu Steigerungen der Nettoentgelte beitragen, was
sich aber nach der neuen Formel nicht rentensteigernd
auswirkt." (2003,
S.51)
Fazit: Der Artikel von
SCHMERGAL ist abstrus irreführend und damit typisch für
neoliberale Argumentationsmuster. Mit dem Verschweigen der
diversen Umdefinitionen beim Rentenniveau, wird die
tatsächliche Absenkung des Rentenniveaus verniedlicht. Dass
SCHMERGAL nur auf die neoliberalen Verhunzungen der
Kennziffern eingeht, ist der eigentliche Skandal des Artikels,
der mit "Analyse" nichts, aber mit Polemik viel zu tun hat.
Wie SCHWENN plädiert
SCHMERGAL für einen neuen Maßstab, den ausgerechnet die
Rentenkommission finden soll. Die aber muss gar nicht erst
suchen, denn Axel BÖRSCH-SUPAN weiß genau wie man weitere
Rentenkürzungen und Altersarmut unsichtbar machen kann. Mehr
wollen Neoliberale auch nicht!
SUMMEN, Gabriele
(2018): Gisela schuftet fürs Rentenniveau.
Matthias Krinke ist Chef einer Zeitarbeitsfirma für Roboter,
in: Neues Deutschland
v. 07.07.
"Die Rentenversicherung
könnte (...) von ihren Rücklagen Roboter erwerben und diese
weiter verleihen und für sich arbeiten lassen. Ein voll
ausgelasteter Roboter sei in der Lage, ungefähr vier
monatliche Renten zu erwirtschaften - und das Problem der
Rentenlücke sei gelöst. So einfach wäre das",
zitiert Gabriele SUMMEN den
Chef der Firma Robozän.
BMAS (2018): Referentenentwurf eines Gesetzes über
Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen
Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und
-Stabilisierungsgesetz, Stand: 13.07.
Das
Bundesarbeitsministerium hat seine Pressemitteilung
Rentenpakt für Deutschland - Sicherheit für ein gutes Leben
mit einem Referentenentwurf, Stand: 12.07, verlinkt.
Noch vor einer Woche hieß es in den Medien, dass der
Gesetzesentwurf erst nach der Sommerpause vorgelegt würde. Nun
also doch noch eine Kehrtwende. Die SPD, die durch das
Sommertheater von CDU/CSU weiter in den Abgrund gerissen
wurde, braucht dringend vorzeigbare Erfolge. Ob das
Rentenpaket jedoch hält, was es verspricht, dürfte die
entscheidende Frage sein. Eine Passage im Gesetzesentwurf
dürfte die Rentner besonders brüskieren:
"Der im geltenden Recht
geringere Beitragssatz im Jahr 2019 führt wegen des dadurch
höheren Nettoentgelts zunächst zu einem geringeren Anstieg
des Sicherungsniveaus (von 48,1 Prozent auf 48,2 Prozent)
als in der Rechnung mit Maßnahmen (von 48,1 Prozent auf 48,4
Prozent). In den Folgejahren führen die Maßnahmen aufgrund
der höheren Ausgaben und des höheren Beitragssatzes über die
Rentenanpassungsformel automatisch zu etwas geringeren
Rentenanpassungen als dies bei geltendem Recht der Fall
wäre. Demzufolge ergibt sich auch ein geringeres
Sicherungsniveau, welches durch die Haltelinie erstmals im
Jahr 2022 bei 48 Prozent gehalten wird. Im Jahr 2025 ergibt
sich durch die mit der Haltelinie verbundenen höheren
Rentenanpassungen auch ein höheres Sicherungsniveau als im
geltenden Recht." (S.24)
Sollte sich bewahrheiten,
dass aufgrund der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus,
die eher einem Placebo gleichkommt, die Rentenanpassungen in
den nächsten Jahren tatsächlich niedriger ausfallen werden als
ohne diese "Niveausicherungsklausel", dann könnte dies die
Talfahrt der SPD weiter beschleunigen. Der einzige Gewinner
dieses Rentenpakets ist die CSU, die sich mit der Mütterrente
II ein Denkmal auf Kosten der Beitragszahler gesetzt hat, das
der SPD schwer zu schaffen machen dürfte.
BENTELE, Verena
(2018): Rente geht alle an.
Gastwirtschaft: Neues
Vertrauen in die Altersvorsorge schaffen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 13.06.
Verena BENTELE, Präsidentin
des VdK, plädiert für eine Stärkung der gesetzlichen Rente bei
der Alterssicherung, die durch eine Stabilisierung des
Rentenniveaus bei 50 Prozent und den Ausbau zur
Erwerbstätigenversicherung erreicht werden soll.
BEUCKER, Pascal
(2018): Heils Rentenpakt.
Mehr Geld für ältere Mütter, Erwerbsunfähige und
Geringverdiener. Demografiefonds geplant,
in: TAZ v. 14.07.
GERNHARDT, Grit
(2018): Reformen im Paket.
Bundessozialminister will Rentensystem sicherer machen,
in: Neues Deutschland
v. 14.07.
ROSSBACH, Henrike (2018): Aussicht auf mehr.
Bundessozialminister Hubertus
Heil hat sein milliardenschweres Rentenpaket vorgestellt,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 14.07.
Die Darstellung der
Kostenverteilung des Rentenpakets differiert bei den
Mainstreamzeitungen wie aus der nachfolgenden Tabelle
ersichtlich ist:
|
TAZ |
ND |
SZ |
FAZ |
Welt |
Gesamtkosten
bis 2025 |
rund 30 Mrd.
€ |
k. A. |
31,7 Mrd.
€ |
gut 30 Mrd.
€ |
rund 32 Mrd.
€ |
Steuerzahler
(Bund) |
11 Mrd.
€ |
k. A. |
knapp 11 Mrd.
€
|
11 Mrd.
€ |
rund 11 Mrd.
€ |
Beitragszahler |
19 Mrd.
€ |
k. A. |
"Restbetrag" |
rund 19 Mrd.
€ |
"Löwenanteil" |
Der Gesetzesentwurf (vgl.
S.24) sieht bis 2025 Mehrausgaben für den Bundeshaushalt von
10,58 Mrd. Euro vor.
SCHWENN, Kerstin
(2018): Das Rentenpaket kostet 30 Milliarden Euro.
Trotz voller Rentenkasse hält
der Arbeitsminister geringere Beiträge für "nicht
verantwortbar". Seine Kritiker weist er zurecht,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.07.
Die neoliberalen
Einpeitscherinnen von FAZ und Welt marschieren
heute gemeinsam, indem sie an den Anfang ihrer
Berichterstattung die Suggestion stellen, dass ohne die
geplante Rentenreform der Beitragssatz bei der Rente um 0,3
Prozent sinken könnte.
"Eigentlich könnte der
Rentenbeitragssatz (...) 2019 von 18,6 auf 18,3 Prozent
sinken. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will
jedoch auf eine Entlastung der Beitragszahler verzichten, um
die teuren Rentenversprechen des Koalitionsvertrags
finanzieren zu können",
heißt es bei Kerstin
SCHWENN. Ihre Kollegin Dorothea SIEMS formuliert dies noch
schärfer:
"Ohne gesetzliche
Änderungen könnten die 18,3 Prozent nach jetziger Prognose
(...) vier Jahre lang stabil gehalten werden.
Die große Koalition aber ist fest entschlossen, diese nach
dem Rentenrecht fällige Entlastung der Beitragszahler auf
jeden Fall zu verhindern."
Dass der Beitragssatz nicht
sinken kann, ist keine automatische Folge der Maßnahmen,
sondern vor allem der Falschfinanzierung der geplanten
Mütterrente zu verdanken. Diese Maßnahme kostet bis 2025 rund
25,9 Milliarden Euro, wobei die Zeche die Beitragszahler und
die Rentner - durch geringere Rentenanpassungen - zahlen
werden. Dieser Zusammenhang wird in keiner der
Mainstreamzeitungen erwähnt. Es wird stattdessen so getan, als
ob es für alle Rentner Wohltaten gäbe, während die Zeche vor
allem die Beitragszahler zahlen würden. Dem aber ist nicht so.
Zur Wirkungsweise der
Rentenformel liest man in den Mainstreamzeitungen eher wenig
Konkretes. Henrike ROSSBACH schreibt lapidar:
"Das Rentenniveau (...)
wird über Anpassungen an der Rentenformel abgesichert".
Bei SIEMS heißt es
lediglich:
"Der Minister kündigte
eine Änderung der Rentenformel an".
Nur SCHWENN widmet der
Rentenformel mehr als einen Satz:
"Heil will zur
Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025 nicht die
Rentenformel ändern und die Demographiefaktoren aussetzen
(...). Vielmehr soll der Rentenwert, sollte die Marke von 48
Prozent der Durchschnittseinkommen unterschritten werden,
centgenau erhöht werden, um das angestrebte Niveau zu
erreichen."
Im Gesetzesentwurf liest
sich das dagegen so:
"Die Bestimmung des
Sicherungsniveaus vor Steuern wird (...) durch § 154 Absatz
3a so angepasst, dass es für die Verwendung bei der
Berechnung der Rentenanpassung zum 1. Juli eines Jahres
geeignet ist: Hierfür wird abweichend zur bisherigen
Definition für die Berechnung der verfügbaren Standardrente
die Standardrente, die sich unter Berücksichtigung des zum
1. Juli angepassten aktuellen Rentenwerts für 12 Monate
ergibt, bei der Bestimmung des Sicherungsniveaus
berücksichtigt und nicht mehr die jahresdurchschnittliche
Standardrente aus dem bisherigen und dem neuen aktuellen
Rentenwert.
(...). Für das Jahr 2018 wird das verfügbare
Durchschnittsentgelt mit 32.064 Euro so festgesetzt, dass
das Sicherungsniveau nach der neuen und der bisherigen
Definition gleich hoch ist." (S.32)
Gemäß dem Gesetzesentwurf
wird die Standardrente neu definiert. Ob sich dadurch für die
kommenden Jahre Auswirkungen auf das ermittelte
Sicherungsniveau ergibt, ist eine entscheidende Frage, die
sich erst im Vergleich mit der ursprünglichen Definition der
Standardrente beantworten lässt. Man darf also gespannt sein,
ob die Experten nicht Probleme bei diesem Verfahren entdecken.
Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass bei Gesetzen mit
heiß gestrickter Nadel, die möglichst schnell vom Bundestag
abgenickt werden sollen, eklatante Mängel entdeckt würden.
SIEMS, Dorothea
(2018): Mehr Geld, aber nicht für alle.
Rente für Geringverdiener und
Mütter, Mindestniveaus und Obergrenzen: Hubertus Heil verspricht
Millionen Menschen mehr Leistungen, Beitragszahler gehen leer
aus,
in: Welt
v. 14.07.
STEFFEN, Johannes (2018): Übersicht zu den wesentlichen
Regelungen des Entwurfs zum RV-Leistungsverbesserungs- und
Stabilisierungsgesetz (Stand: Referentenentwurf v. 13.07.2018,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 16.07.
GÖBEL,
Heike
(2018): Schindluder mit dem Rentenversprechen.
Abermals missbraucht die
große Koalition die Rentenkasse und drückt sich vor Kernfragen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.07.
Heike GÖBEL sind die
Kosten, die ihre FAZ-Kollegin Kerstin SCHWENN am
Samstag nannte, zu niedrig, weshalb sie sich lieber and der
Welt-Kollegin Dorothea SIEMS orientiert.
2 Milliarden mehr mit einem
Federstrich - kein Problem für eine Journalistin! Auch
sonst setzt GÖBEL immer noch etwas oben drauf, denn sonst
könnte ja jemand auf die Idee kommen, dass die Kosten
gerechtfertigt seien.
Die
Babyboomer dienen GÖBEL als Argument, um die gesetzliche
Rentenversicherung zum zukünftigen System der Armenfürsorge zu
stilisieren. Da kommt das Äquivalenzprinzip als Mittel der
Akzeptanz nur als scheinheilige Rhetorik zum Zuge.
Die Besserstellung von
Erwerbsunfähigkeitsrentner - was selbst von neoliberalen
Wissenschaftlern gefordert wird - wird da nur als Fehlanreiz
diffamiert. Tatsächlich geht es GÖBEL nicht um die Interessen
von Arbeitnehmern - schon gar nicht von Geringverdienern -
sondern nur um die Arbeitgeber und deren Profite.
"»Uns« ist übrigens die
arbeitende Mitte, die von der Koalition (...) demotiviert
wird."
Es wundert höchstens, dass
sich GÖBEL nicht zur "schwer arbeitenden Mitte" zählt, wenn
sie solche 08/15-Argumente aus dem neoliberalen Satzbaukasten
zusammenstellt. Witzig ist es, wenn eine neoliberale
Reformeinpeitscherin sich plötzlich ganz bieder konservativ
auf geltendes Recht beruft, das gewöhnlich nur als Hindernis
für weitere Reformen dargestellt wird. Wenn es um
Leistungsverbesserungen geht, dann werden Neoliberale
plötzlich zu rückwärtsgewandten Verteidigern des Systems. Wenn
also der nächste Sozialabbau gepredigt wird, sollte man GÖBEL
an das geltende Recht erinnern, auf das sie nun selber pocht!
STEFFEN, Johannes (2018): Neue Berechnung des Rentenniveaus im
Rahmen des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und
Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 30.07.
MEDICK, Veit/MEYER,
Larin/REIERMANN, Christian/SAUGA, Michael/SCHMERGAL, Cornelia
(2018): Operation Retro.
Finanzen: Um ihre jüngsten
Rentenversprechen zu finanzieren, wollen Finanzminister Scholz
und Parteichefin Nahles Steuern und Beiträge erhöhen. Die
SPD-Spitze plant den Kursschwenk in der Sozialpolitik - und
gefährdet ihre Glaubwürdigkeit,
in: Spiegel
Nr.35 v. 19.08.
"Würde das Rentenniveau
auf dem heutigen Stand von 48 Prozent des
Durchschnittsverdienstes festgeschrieben, würde das die
Rentenkasse im Jahr 2040 fast 90 Milliarden Euro kosten",
zitiert das Sturmgeschütz
des Neoliberalismus Zahlen des von der AfD geschätzten Martin
WERDING. Weil derzeit ein hoher Haushaltsüberschuss droht,
muss uns das Autorenteam erklären, warum wir in einem
"demografischen Zwischenhoch" leben. Diese Wortschöpfung
mussten Neoliberale erfinden, weil ihre interessengeleiteten
Bevölkerungsprognosen dieses in der Vergangenheit wegdeuteten.
Nun also heißt die Devise:
"Es gehört zu den
verdrängten Wahrheiten, dass die Rentenkasse vor allem in
den Jahren nach 2025 vor großen Belastungen stehen wird."
Dieser "Rentenberg"
verschiebt sich seit Jahren immer mehr in die Zukunft, während
sich die Schrumpfung in Wohlgefallen aufgelöst hat. Dazu
müsste man jedoch die Fehlprognosen kennen und natürlich haben
Neoliberale kein Interesse daran, die Leser darauf zu
stoßen.
DAMS,
Jan & Dorothea SIEMS
(2018): Die Flucht nach links.
Die SPD erlebt in den
Umfragen ein Desaster nach dem anderen. Ausgerechnet
Bundesfinanzminister Olaf Scholz entdeckt jetzt seine soziale
Ader neu,
in: Welt
v. 21.08.
Die Springer-Presse hat den
SCHOLZ-Vorstoß durch seine Boulevardzeitung in die Welt
gesetzt. Was SCHOLZ genau gesagt hat, das wird uns jedoch
vorenthalten, stattdessen wird uns eine Kostenberechnung
genannt, die - wie in der Springer-Presse üblich, möglichst
hoch erscheint:
"Der Plan, bis 2040 das
Rentenniveau (...) bei 48 Prozent stabil zu halten,
erforderte (...)(nach) Berechnungen des Schweizer
Prognos-Instituts (bis 2040 zusätzlich rund 650 Milliarden
Euro".
Das klingt höchstens für
Unbedarfte viel. 650 Milliarden oder 0,65 Billionen (also
durchschnittlich 30 Milliarden Euro pro Jahr) sind nicht
einmal das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland in einem
einzigen Jahr.
2017 waren dies mehr als 3,2 Billionen Euro. Gäbe es
keinerlei Wachstum in den nächsten 22 Jahren ("Nullwachstum"),
dann wären das zusammen 70,4 Billionen Euro oder mehr als das
100-fache dessen was uns DAMS & SIEMS als Problem
prognostizieren, wobei es auch ganz andere Zahlen gibt.
SAUER,
Stefan
(2018): Streit über die Rente.
Vizekanzler Olaf Scholz macht
die Höhe der Absicherung im Ruhestand zum Thema. Die wichtigsten
Fragen und Antworten,
in:
Frankfurter Rundschau v. 21.08.
Stefan SAUER beantwortet
sich seine eigenen Fragen. Zu den Kosten liefert uns SAUER nur
eine einzige Berechnung, deren Herkunft er mit
"Max-Planck-Institut für Sozialpolitik" umschreibt, statt das
Rentenkommissionsmitgliede Axel BÖRSCH-SUPAN beim Namen zu
nennen:
"Nach Berechnungen (...)
ergibt sich schon aus der bereits beschlossenen
Rentengarantie bis 2025 in jenem Jahr ein Fehlbetrag von elf
Milliarden Euro, der bis 2030 auf 45 Milliarden, bis 2035
auf 80 und bis 2048 auf 125 Milliarden Euro anwachsen würde
- pro Jahr wohlgemerkt."
SAUER hält die Leser also
für dumm, was sich auch aus der Antwort auf die Frage "Sind
die Rentenprognosen belastbar?" ergibt.
"Zwischen 2024 und 2034
erreichen die
»Babyboomer« der Jahrgänge 1958 bis 1968 die
Regelaltersgrenze. Während Mitte der 60er zwischen 1,3 und
1,4 Millionen Babys pro Jahr in Deutschland zu Welt kamen,
wurden Anfang des Jahrtausends nur mehr um die 700.000
Geburten registriert. Im Salo werden also fast doppelt so
viele Menschen in Rente gehen, wie ins Arbeitsleben
eintreten",
will uns SAUER weismachen.
Wer wie SAUER Extreme gegenüberstellt, der will nicht
aufklären, sondern polemisiert. Entscheidend sind nicht. Nur
von 1961 bis 1966 wurden mehr als 1,3 Millionen Kinder in
Deutschland geboren. 1,4 Millionen gab es in keinem einzigen
Jahr. Die niedrigste Geburtenzahl gab es 2011 mit 662.685
Neugeborenen. Durchschnittlich ergäbe sich daraus, dass
geburtenstarken Jahrgängen mit 1,1 Millionen Kindern den
geburtenschwachen Jahrgängen mit 0,8 Millionen Kindern
gegenüber stehen. Von einer Halbierung ist diese minimale
Lücke weit entfernt.
Entscheidend sind weder die
Berufsanfänger, noch diejenigen, die neu in Rente gehen,
sondern das Verhältnis von Beitragszahlern und
Rentenempfängern. Beides hat nur sehr wenig mit den Zahlen zu
tun, die SAUER hier präsentiert, sondern hängt vom Bedarf und
der Lohnzahlungsbereitschaft der Wirtschaft ab. Darüber
schweigt sich SAUER jedoch aus!
CREUTZBURG,
Dietrich (2018): Hitziges Gefeilsche um die künftige Rente.
Scholz' Rentengarantie weckt
Begehrlichkeiten bei Gewerkschaften und Sozialverbänden. Merkel
hält sich bedeckt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.08.
Dietrich CREUTZBURG hat keine Neuigkeiten,
sondern holt bekannte
Positionen aus seiner
Mottenkiste. Zum vagen Rentenvorstoß von Olaf SCHOLZ liefert
CREUTZBURG einen Überbietungswettbewerb zu den angeblichen
Kosten des SCHOLZ-Vorstoßes, die von 75 Mrd. Euro im Jahr 2040 (INSM)
bis zu 80 Mrd. Euro im Jahr 2035 (Johannes Vogel, FDP) reichen.
HILDEBRANDT, Jan & Frank SPECHT
(2018):
SPD entfacht Renten-Wahlkampf.
Koalition: Die Union übt
scharfe Kritik an der von Finanzminister Scholz geforderten
Rentengarantie. Die Finanzierung ist ungeklärt,
in:
Handelsblatt v. 21.08.
HILDEBRANDT & SPECHT sitzen
im Tal der Ahnungslosen, denn sie gehen immer noch davon aus,
dass morgen das Rentenpaket beschlossen wird. Sie nennen uns
nur Berechnungen der Prognos AG im Auftrag der
Arbeitgeberlobby INSM:
"Würde die Fixierung des
Rentenniveaus auf 48 Prozent über das Jahr 2025 hinaus
verlängert, müssten (...) die Zuschüsse aus dem
Bundeshaushalt im Jahr 2030 um 36 Milliarden Euro steigen.
Im Jahr 2040 wären 75 Milliarden Euro nötig".
THELEN,
Peter (2018): Rentenreform gerät ins Stocken.
Union und SPD verhandeln über
ein großes Sozialpaket. Experten fürchten hohe Kosten durch
Rentengarantie,
in:
Handelsblatt v. 22.08.
Beim Handelsblatt hat man endlich
mitbekommen, dass die Beschließung des Rentenpakets verschoben
wurde. Peter THELEN geht von einer Woche aus.
"Strittig ist neben der
Ausgestaltung der Mütterrente vor allem die künftige Höhe
des Arbeitslosenbeitrags",
erzählt uns THELEN, damit
es nicht so aussieht, als ob die Union der SPD auf der Nase
herumtanzt. Ob diese Taktik der Gesichtswahrung nützlich ist,
darf bezweifelt werden. Kevin KÜHNERT, der letzte
Hoffnungsträger der verzweifelten Hype-SPD, wird als
Unterstützer von SCHOLZ vorgeschickt.
THELEN stellt uns vier
Kostenschätzungen neoliberaler Wissenschaftler vor: den
Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN, der
heute auch von der FAZ hofiert wird, Axel
BÖRSCH-SUPANs Berechnungen vom April ("40 Milliarden Euro im
Jahr 2030 und mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr 2040")
sowie Jochen PIMPERTZ (IW):
"Während Prognos bereits
bis 2030 mit Mehrkosten von 36 Milliarden Euro rechnet und
Börsch-Supan mit mehr als 40 Milliarden Euro, erwartet das
IW Mehrkosten von weniger als 30 Milliarden Euro."
Natürlich hat die
IW-Position einen gewaltigen Haken, den der Leser nur erkennt,
wenn er sich mit der Materie auskennt. Um das Rentenniveau
schön zu rechnen, kann man nämlich die Definition der
Standardrente ändern. Statt mit 45 Beitragsjahren wird dann
z.B. mit 47 Beitragsjahren gerechnet. Schon fallen die
Mehrkosten niedriger aus. Die Änderung der Definition hat bei
den Neoliberalen inzwischen eine hohe Priorität und wird
sicherlich auch von der Rentenkommission vorgeschlagen werden,
denn dort sitzt Axel BÖRSCH-SUPAN.
SCHWENN,
Kerstin (2018):
Koalition arbeitet an großem
Sozialpaket.
Das Kabinett verschiebt
überraschend die Rentenpläne von Arbeitsminister Heil.
Arbeitslosenbeitrag und Weiterbildung sollen damit verknüpft
werden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.08.
Nur eines ist sicher: Die CDU/CSU tanzt der
SPD nach Belieben auf der Nase herum. Statt heute das
Rentenpaket zu beschließen, hat sich die Union mit Forderungen
zur Entlastung beim Arbeitslosenbeitrag durchgesetzt und damit
Rentenpläne der SPD auf Eis gelegt. Die geplante
Rentenstabilisierung bis 2025 ist sowieso nur ein Placebo, das
der SPD noch schwer im Magen liegen könnte. Nichtsdestotrotz
arbeitet sich Kerstin SCHWENN am vagen SCHOLZ-Vorstoß ab und
setzt uns genauso vage Kostenannahmen vor:
"Über die (...) Kosten
eines stabilen Rentenniveaus bis 2040 kursieren derweil
unterschiedliche Zahlen. Sie varieren zwischen einem hohen
zweistelligen und einem dreistelligen Milliardenbetrag
jährlich."
Weil das SCHWENN viel zu
wenig ist, kommt sie uns mit dem Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN,
der Fiktionen namens"Generationenbilanz" ins Gespräch bringt,
die Neoliberalen besonders gerne in Umlauf bringen:
"Bernd Raffelhüschen
kommt sogar auf insgesamt 3 Billionen Euro".
Wer bietet mehr?
SCHERFF,
Dyrk (2018): Wer bezahlt die Scholz-Rente?
Finanzminister Olaf Scholz
verspricht stabile Renten. Das kostet mehrere Milliarden Euro,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.08.
Dyrk SCHERFF präsentiert uns keine
Berechnungen von Axel BÖRSCH-SUPAN, sondern stellt uns nur die
Ergebnisse vor:
"2040 kostet der
Vorschlag dann - in heutigen Preisen gerechnet - stolze 50
Milliarden Euro im Jahr. Bis dahin hätten sich die Kosten
von 493 Milliarden Euro angehäuft."
Ein Schaubild zeigt uns
einen kontinuierlichen Anstieg von 2,4 Mrd. Euro (2022) auf
50,4 Mrd. Euro im Jahr 2040. Die Zahl von 50,4 Mrd. Euro
entspricht ca. der Hälfte, die das Handelsblatt
noch vor vier Tagen BÖRSCH-SUPAN
in den Mund legte.
DELHAES,
Daniel & Donata RIEDEL (2018): Rentenstreit entzweit Koalition.
Die SPD beharrt darauf, mit
Milliarden aus dem Bundeshaushalt das Rentenniveau bis 2040 auf
heutigem Niveau zu halten. CDU-Chef Volker Kauder sieht die
Grundlagen der Rentenversicherung in Gefahr,
in:
Handelsblatt v. 27.08.
DELHAES & RIEDEL kommen
wieder mit neuen Kostenschätzungen zur Stabilisierung des
Rentenniveaus bis 2040 bei 48 Prozent:
"Nach Berechnungen von
Martin Werding (...) würden die Mehrkosten im Jahr 2040
knapp 90 Milliarden Euro betragen (...). Der Rentenexperte
Axel Börsch-Supan errechnete im Auftrag der »Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung« für 2040 einen Mehrbedarf von
50 Milliarden Euro. Für alle Jahre bis dahin addierte er
eine Summe von 493 Milliarden Euro zusätzlich für die
Rente."
Was nicht berichtet wird:
BÖRSCH-SUPAN korrigiert damit die im Handelsblatt
vor 5 Tagen zitierte Schätzungen
nach unten! Die Spannbreite der zitierten Kostenschätzungen
ist zudem enorm wie die nachfolgende Tabelle zeigt:
Tabelle:
Vergleich der zitierten Kostenschätzungen der
neoliberalen Mainstreammedien |
|
|
Noch vor 2 Jahren wurden von Jochen PIMPERTZ (IW) für die
Stabilisierung des Rentenniveaus bei 47,5 Prozent für das Jahr
2025 sage und schreibe 12 Mrd. Euro veranschlagt.
Jetzt wird von Neoliberalen für
eine halbprozentig höhere Stabilisierung dagegen nur noch 11
Mrd. Euro veranschlagt. Innerhalb von nur 2 Jahren haben
sich somit mehr als 1 Mrd. Euro in Wohlgefallen aufgelöst!
DELHAES & RIEDEL tun so,
als ob die Sommerloch-Debatte wichtiger ist als die politische
Arbeit, also die Verabschiedung der Rentenreform.
SCHULTE,
Ulrich (2018): Der rote Olaf und die schwarze Null.
Der SPD-Mann Scholz irritiert
mit seiner Ankündigung, die Rente soll bis 2040 sicher sein.
Einen Finanzierungsplan dafür hat der Finanzminister indes
nicht,
in: TAZ
v. 27.08.
Die Arbeitgeberlobbyorganisation INSM darf
sich freuen, denn ihre Propaganda fällt bei Ulrich SCHULTE auf
fruchtbaren Boden, wenn er posaunt:
"Die Kosten für Scholz'
Idee wären in der Tat happig, weil nach 2025 die
geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen.
Allerdings sind sie wegen vieler Faktoren schwer zu
berechnen. Die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale
Marktwirtschaft veröffentlichte eine Prognose, nach der
allein im Jahr 2040 rund 75 Milliarden Euro nötig wären, um
das Rentenniveau bei 48 Prozent zu fixieren."
Statt diese Kostenschätzung
zu hinterfragen oder wenigstens
mit anderen
Kostenschätzungen zu konfrontieren, begnügt sich SCHULTE
mit einem lapidaren "mit Zahlen wird auch Politik gemacht".
ROSSBACH, Henrike
(2018): Und noch eine Konfliktlinie.
Union und SPD diskutieren
immer noch über das Rentenpaket von Sozialminister Heil - obwohl
viele Punkte längst im Koalitionsvertrag festgehalten sind.
Warum werden sie sich nicht einig?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.08.
"Laut einer am Montag
veröffentlichten Studie der arbeitgeberfinanzierten
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft würde Scholz'
Vorschlag im Jahr 2040 zusätzliche Steuermittel in Höhe von
118 Milliarden Euro notwendig machen",
berichtet Henrike ROSSBACH,
was nicht über die
Pressemitteilung der INSM von gestern hinausgeht. Dort
steht:
"Die sogenannte doppelte
Haltelinie (mindestens 48 Prozent Rentenniveau, höchstens 20
Prozent Beitrag) würde im Jahr 2025 zusätzliche Steuergelder
von 17 Milliarden Euro erfordern. 2030 wären bereits 46
Milliarden Euro und 2040 sogar 118 Milliarden Euro nötig.
Das ergeben Berechnungen des Prognos Instituts im Auftrag
der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). "
Die Zahlen entsprechen also
nicht den Mehrkosten der Stabilisierung des Rentenniveaus bis
2040 bei 48 Prozent, die nach dieser Berechnung lediglich 75
Mrd. statt 118 Mrd. betragen. Dies ist aus der
Pressemitteilung der INSM vom 20.08.2018 zu entnehmen:
"aufgestockt werden. Nach
vorläufigen Berechnungen des Prognos-Instituts für die INSM
würden die Steuerzahler im Jahr 2030 beispielsweise mit
zusätzlichen 36 Mrd. Euro belastet. Die Kosten steigen, umso
mehr »Babyboomer« in Rente gehen, da diese geburtenstarken
Jahrgänge selbst relativ wenig Kinder bekommen haben und
dadurch die Zahl der Beitragszahler in den kommenden Jahren
zurückgehen wird. Im Jahr 2040 wären 75 Mrd. Euro nötig, um
das Rentenniveau bei 48 Prozent zu fixieren"
Die Differenz von 38 Mrd.
Euro geht auf die Fortschreibung der Obergrenze des
Beitragssatzes von 20 Prozent bis 2040 zurück,
wobei diese Zahlen lediglich
Science-Fiction sind.
In der Studie, die
Gestaltungsspielräume der Rentenpolitik nach 2025 zu
prognostizieren verspricht, findet sich die Zahl von 118 Mrd.
Euro in der Abbildung 17, S.25. Dort werden aber auch andere
Szenarien aufgelistet. Bei einer Obergrenze des Beitragssatzes
von 22 Prozent - was übrigens weit unter den Anfang des
Jahrtausends kursierenden Zahlen liegt - wären es 28 Mrd. Euro
weniger.
STEFFEN, Johannes (2018): Übersicht: Gesetz über
Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen
Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und
-Stabilisierungsgesetz)Bruttobedarf in der Grundsicherung nach
SGB XII.
Stand:
Kabinettsbeschluss v. 29.08.2018 – Inkrafttreten: Überwiegend
01.01.2019,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 29.08.
Das Kabinett hat nun zum zweiten Mal
beschlossen, dass es ein Rentenpaket 2018 geben wird, das nun
mit kosmetischen Korrekturen zur Gesichtswahrung vom Bundestag
verabschiedet werden könnte, vorausgesetzt es bedarf nicht noch
eines dritten Kabinettsbeschluss.
KALBE, Uwe
(2018): Warten auf Zukunftsversprechen.
Sozialpolitische Maßnahmen
der Koalition finden bei Kritikern kein Gehör,
in: Neues
Deutschland v. 30.08.
Uwe KALBE
zitiert Reiner HOLZNAGEL, den Präsidenten des Bundes der
Steuerzahler, der die Kosten einer Stabilisierung des
Rentenniveaus im Jahr 2040 auf "zusätzlich 100 Milliarden Euro"
schätze. Diese
Zahl entspricht jedoch inzwischen revidierten Schätzungen von
Axel BÖRSCH-SUPAN, weshalb die Nennung - ohne
Richtigstellung - durch KALBE unseriöser Journalismus ist.