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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Die Stabilisierung des Rentenniveaus  

 
       
   

Scheindebatte, Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut oder Mittel zur Akzeptanzsteigerung der gesetzlichen Rente? Eine Bibliografie der Kontroverse um die Bedeutung des Rentenniveaus
(Teil 2)

 
       
     
   
     
 

Einführung

Spätestens seit dem Paradigmenwechsel in der Alterssicherung im Jahr 2001 ist die Entwicklung des Rentenniveaus in den Fokus der Debatte um die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung geraten. Die Debatte um das Rentenniveau ist dabei eng verbunden mit Änderungen an der so genannten Rentenformel, mit denen diverse Eingriffe in die Berechnung der Altersrenten vorgenommen wurden.

Die Entwicklung des Rentenniveaus spielte auch bei der Debatte um die Ausgestaltung der Ostrentenangleichung eine Rolle. Dieser Aspekt wird in der Bibliografie Der lange Weg zum Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz behandelt. Dort befinden sich auch Statistiken zur unterschiedlichen Entwicklung des Rentenniveaus in Ost und West.

Der Beitrag Unsere Zukunft, unsere Rente beschäftigte sich mit den Positionen von Parteien und Interessenorganisationen im Bundestagswahlkampf 2017, bei dem es u.a. auch um die Stabilisierung des Rentenniveaus ging. Im Mittelpunkt stand dabei eine gleichnamige Serie der Süddeutschen Zeitung anhand derer sich die Spannbreite der öffentlichen Debatte in dieser Zeit ablesen lässt.

Die einen betrachten die Senkung des Rentenniveaus als Mittel zur Verhinderung eines Kollaps der Alterssicherung, während die anderen den Abschied von der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung und den Ausbau der kpaitalgedeckten Altersvorsorge als Weg in die massenhafte Altersarmut betrachten. Die einen argumentieren mit den hohen Kosten eines lebensstandardsichernden Rentenniveaus und fehlender Nachhaltigkeit der Finanzierung. Das Schlagwort dazu heißt Generationengerechtigkeit. Die anderen verweisen auf Akzeptanzprobleme durch das sinkende Rentenniveau und bezweifeln die Unfinanzierbarkeit einer Stabilisierung des Rentenniveaus. Die einen behaupten, dass ein höheres Renteneintrittsalter die Folgen der Senkung des Rentenniveaus kompensiert, während die anderen darauf hinweisen, dass die wahren Probleme nur verschleiert.

Welche Bedeutung jedoch dem Rentenniveau tatsächlich zukommt und inwiefern die Berechnung des Renteniveaus die Tür zu Manipulationen öffnet, das bleibt in der öffentlichen Debatte meist im Dunkeln. Diese Bibliografie soll Licht ins Dunkel der Bedeutung des Rentenniveaus anhand der öffentlichen Debatte bringen.

Die Debatte um das Rentenniveau hat eine grundsätzliche Bedeutung, denn eng damit verbunden ist die Frage wohin sich die gesetzliche Rentenversicherung weiterentwickeln wird. Soll sie nur noch der Grundversorgung im Alter dienen, d.h. eine Art neues Fürsorgesystem werden oder soll sie auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Lebensstandardsicherung im Alter für alle darstellen. Auch vor diesem Hintergrund werden die diversen Beiträge eingeordnet werden müssen. 

Kommentierte Bibliografie (Teil 2: 2016)

2016

SCHMERGAL, Cornelia (2016): Popcorn für alle.
Soziales: Die Gewerkschaften wollen die Rente zum Thema des nächsten Bundestagswahlkampfs machen. Die Frage ist nur: Wie soll die Reform aussehen, die sie fordern?
in:
Spiegel Nr.13 v. 26.03.

Cornelia SCHMERGAL berichtet über die von den Gewerkschaften geplante Rentenkampagne, die im August starten soll:

"Die Gewerkschaften wollen den Fall des Rentenniveaus stoppen, im Zweifel auch durch höhere Beitragssätze. Es wäre die Rückabwicklung vergangener Reformen."

Aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB, ein Wort, das SCHMERGAL meidet, sieht inzwischen auch die jüngere Generation in einer Stabilisierung des Rentenniveaus die bessere Alternative zur Privatisierung der Altersvorsorge. SCHMERGAL setzt auf die Durchsetzung der zurückhaltenden Gewerkschaftsfraktionen im DGB, wenn sie schreibt, dass Beitragssätze bis 2030, die auf über 22 Prozent auch innerhalb der Gewerkschaften nicht konsensfähig seien.

Angeblich lässt sich die Entwicklung des Rentensystems bis 2030 bereits heute ausrechnen, was der Versuch ist die Alternativlosigkeit der rot-grünen Agendapolitik zu behaupten. Angesichts der Unsicherheiten der weiteren Arbeitsmarktentwicklungen ist das nichts weiter als der wiederholte Versuch der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme.

KRÜGER, Anja (2016): Angst vor Altersarmut.
Versicherungsbranche: Die Gewinne sind hoch, die Auszahlungen für die Versicherten dagegen mickrig. Trotzdem schließen viele Menschen private Rentenversicherungen ab, weil sei keine Alternative sehen. Linkspolitiker Matthias W. Birkwald will das ändern,
in:
TAZ v. 06.04.

Anja KRÜGER stellt anlässlich der Geschäftszahlen der Versicherungswirtschaft die Sicht von Matthias W. BIRKWALD, dem rentenpolitischen Sprecher der Linkspartei und Kritiker der privaten Altersvorsorge, sowie des Sozialwissenschaftlers Stefan SELL vor, der vom "Cappucino"-Modell à la Schweiz schwärmt. Außerdem wird auf die geplante Kampagne der Gewerkschaften zur Stabilisierung des Rentenniveaus der gesetzlichen Rente bzw. die weitreichendere Forderung der IG Metall nach Rückgängigmachung der Rentenkürzungen von 2002 eingegangen.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Höheres Rentenniveau wird teuer.
Die CSU stellt die Riester-Reform infrage und will die gesetzliche Rente wieder ausbauen. Das Arbeitsministerium erwartet Kosten von 28 Milliarden Euro im Jahr,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.04.

Dietrich CREUTZBURG wertet den Anstieg der abgeschlossenen Riesterverträge um 200.000 im Jahr 2015 gegenüber 2014 als Erfolg des Modells - und nicht wie die taz als Angst vor Altersarmut und fehlende Alternativen. CREUTZBURG unterstellt deshalb SEEHOFER, dass er ohne Kenntnis dieses "Erfolgs" des Riester-Modells die Riester-Rente zum Auslaufmodell erklärte. Weiter werden die Aussagen SEEHOFERs als Abkehr der Rentenreform aus dem Jahr 2002 interpretiert.

Der großen Koalition schreibt CREUTZBURG dagegen den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorgung zu, die das schaffen soll, was die Riester-Rente nicht schafft: die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente zu kompensieren.

Nachdem dieses Kampffeld abgesteckt wurde, wird die Gewerkschaftskampagne zu einer "Kehrtwende hin zu einem höheren Niveau der gesetzlichen Rente" aufgegriffen. Es werden zuerst die hohen Kosten eines höheren Rentenniveaus hervorgehoben, wobei diese Berechnungen aus der FAZ wohlgesinnten Kreisen im Arbeitsministerium stammen.

CREUTZBURG kritisiert zweitens, dass von der Anhebung des Rentenniveaus nicht nur "armutsgefährdete Rentner" profitieren würden, wobei die FAZ nicht gerade als Anwalt der kleinen Leute bekannt ist. Und nicht zuletzt wird die Ansicht, dass die Altersarmut ein großes Problem werden könnte, als umstritten hervorgehoben.

Zum Abschluss wird Peter WEIß, der als "Rentenfachmann der CDU" charakterisiert wird, dahingehend zitiert, dass die Prognosen zur Entwicklung des Rentenniveaus nur bis zum Jahr 2030 reichen, also auch ein weiteres Absinken nach diesem Zeitraum nicht auszuschließen sei, und deshalb das Thema Rentenniveau auf die Tagesordnung gehöre.

Tenor des Artikels: das Rentenniveau wird auf der Tagesordnung bleiben, CREUTZBURG favorisiert jedoch keine Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Renten, sondern eine kapitalgedeckte Lösung.

PICHLER, Thomas (2016): Ein Wunschkonzert bei der Rente.
StZ-Tagesthema: Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stellt plötzlich frühere Rentenreformen infrage. Die Koalition will in den nächsten Monaten prüfen, wie sich Einbußen bei künftigen Rentnern vermeiden lassen. Wie höhere Leistungen finanziert werden, ist offen,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 13.04.

Zu den Kosten einer Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente äußert sich Thomas PICHLER eher kryptisch:

"Nach einer Faustformel würde die Stabilisierung des Rentenniveaus auf dem jetzigen Stand dazu führen, dass der Beitrag dauerhaft um rund 1,5 Prozentpunkte höher ausfallen müsste."

PICHLER kritisiert, dass auch ohne eine Stabilisierung des Rentenniveaus die Belastungen zu hoch seinen. Außerdem weist er darauf hin, dass der Bundeszuschuss bereits 84 Milliarden Euro pro Jahr beträgt. Vergisst jedoch hinzuzufügen, dass dies angesichts der gewaltigen Summen, die versicherungsfremde Leistungen (z.B. Mütterrente, Kosten der Deutschen Einheit) verschlingen, noch viel zu wenig ist.

BERLINER ZEITUNG-Tagesthema: Im Alter zu wenig Geld?
Derzeit geht es Rentnern in Deutschland vergleichsweise gut, doch vielen Beschäftigten von heute droht Altersarmut. CSU und SPD versprechen nun eine große Reform

DOEMENS, Karl (2016): Die Renten-Verunsicherung.
Altersversorgung: Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Seniorenbezüge klar steigen, flammt eine alte Diskussion neu auf. Muss das Absinken des Rentenniveaus gestoppt werden? Droht eine Altersarmut? Was von den Reform-Versprechen zu halten ist,
in:
Berliner Zeitung v. 14.04.

DOEMENS, Karl (2016): Renten-Rolle rückwärts.
Gabriel und Seehofer positionieren sich für den Wahlkampf,
in:
Frankfurter Rundschau v. 14.04.

Der inzwischen aus dem Netz genommene Artikel Rentenkapriolen bei SPD und CSU und der Artikel der Print-Ausgabe waren identisch. Die Artikel von Karl DOEMENS in der Berliner Zeitung ("Die Renten-Verunsicherung") und der FR unterscheidet sich folgendermaßen:

"Würde das Niveau bei 50 Prozent festgeschrieben, müssten die Beiträge von derzeit 18,7 Prozent bis 2030 auf über 24 Prozent steigen. Eine solche Botschaft wäre den Bürgern schlecht zu verkaufen."

Der letzte Satz fehlt in der Berliner Zeitung. Ist dies einem Unterschied der Leserschaft bei der Beurteilung der Rente geschuldet?

DOEMENS, Karl (2016): Effizient, rentabel, transparent.
Handlungsoptionen für eine große Rentenreform: Selbständige und Beamte in die gesetzliche Versicherung einbeziehen, betriebliche Altersversorgung stärken,
in:
Frankfurter Rundschau v. 14.04.

Unter der Rubrik Abschaffung der Kürzungsfaktoren fasst DOEMENS die Positionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Linkspartei zusammen:

"Das DGB-Modell sieht eine Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und eine Aussetzung der Rente mit 67 vor. Dadurch würden laut DGB-Berechnungen die Rücklagen der Rentenkassen bis 2030 komplett abgeschmolzen, dann müsste – auf dem Höhepunkt der demografischen Krise – der Beitragssatz deutlich über 22 Prozent steigen. Die Linkspartei will im Grunde zurück zum Status quo von 1998. Sie fordert ein Sicherungsniveau von 53 Prozent, will die Riester-Verträge ins gesetzliche System überführen und plant weitere Leistungsausweitungen. Sie erwartet für 2030 einen Beitragssatz von 28 Prozent, der aber hälftig vom Arbeitgeber getragen werden soll."

Erstaunlich ist wie schnell sich der demografische Wandel verflüchtigen kann! Im Jahre 2003 erzählte uns Karl DOEMENS im Artikel Vorruhestand (vgl. FR 25.04.2003):

"Erst im Jahr 2020 erreicht das demografische Problem in Deutschland seinen Höhepunkt."

Nun ist der Höhepunkt der demografischen Krise ins Jahr 2030 gewandert. Gäbe es den demografischen Wandel als schnell weiterwandernde Drohkulisse nicht, man müsste ihn erfinden!

EUBEL, Cordula & Rainer WORATSCHKA (2016): Die Rente kommt in die Jahre.
Fragen des Tages: Die Bundestagswahl naht - Zeit, die Altersvorsorge wieder zum Thema zu machen. Bisherige Gewissheiten kommen auf den Prüfstand. Was könnte sich ändern?
in: Tagesspiegel
v. 14.04.

Cordula EUBEL & Rainer WORATSCHKA sehen das Rententhema vom demografischen Wandel und von den Erfolgen der AfD getrieben. Ausgiebig rücken die Autoren die Darstellung des WDR-Fernsehens zurück, wonach die Altersarmut im Jahr 2030 jeden zweiten Bundesbürger betreffen könnte. Sie folgen dabei der Argumentation von nicht genannten Experten der Deutschen Rentenversicherung. Diese weisen darauf hin, dass bei der Frage nach der Altersarmut der Haushaltskontext und rentensteigernde Leistungen (Kindererziehung oder Pflege) mitberücksichtigt werden müssen. Warum Durchschnittswerte der gesetzlichen Rente die tatsächliche Rentensituation von Haushalten nicht widerspiegeln, das erklären die Autoren - wie auch ihre Journalistenkollegen - jedoch nicht. In der Rentenstatistik werden nämlich lediglich Renten, aber nicht Personen betrachtet, sodass Personen mehrere Renten beziehen können, wodurch sich ihr Rentenniveau erhöht. EUBEL & WORATSCHKA erläutern dies nur an einem Beispiel:

"Auch der Blick auf die tatsächliche Rentenhöhe ist den Versicherern zufolge verzerrend. Schließlich handle es sich bei vielen Niedrigrentenbeziehern um Selbständige oder Beamte, die nur kurz Rentenbeiträge eingezahlt, sich dann anderweitig abgesichert hätten und von ihrer gesetzlichen Mini-Rente nicht leben müssten."

Auch die Nichtberücksichtigung rentensteigernder Leistungen, die insbesondere Teilzeitbeschäftigte und nicht-berufstätige Hausfrauen betrifft, beruht auf dieser statistischen Beschränkung der Betrachtungsweise. Feministinnen und ihre männlichen Mitstreiter, die gegen abgeleitete Rentenansprüche kämpfen, klären darüber aus ideologischen Gründen nicht auf. Auch Verfechter der Kapitaldeckung haben kein Interesse an Aufklärung, wenn es um die Stärkung von Argumenten zugunsten der Kapitaldeckung geht. Umgekehrt gilt das auch für die Befürworter der gesetzlichen Rente, die ein höheres Rentenniveau anstreben und dafür das Altersarmutsargument in den Vordergrund rücken.

Obwohl also in der Rentendebatte aus unterschiedlichen ideologischen Gründen das Niveau der gesetzlichen Rentenansprüchen oftmals zu niedrig angegeben wird, ist die Altersarmut durch die rot-grünen Rentenreformen drastisch gestiegen:

"Aus 260.000 im Jahr 2003 sind inzwischen fast doppelt so viele geworden; die Quote erhöhte sich binnen zehn Jahren von 1,7 auf drei Prozent. Und die Dunkelziffer der „verschämten Alten“, die trotz Armut keine Leistungen beantragen, kommt noch hinzu."

EUBEL & WORATSCHKA sehen diese Entwicklung jedoch von der Regierung bereits in ihrer mittelfristigen Finanzplanung ausreichend berücksichtigt.

Richtschnur für die Entwicklung des Rentenniveaus sind für EUBEL & WORATSCHKA die rot-grünen Zielvorgaben der Riester-Reform:

"Bis 2030 sollte der Rentenbeitrag nicht über 22 Prozent steigen, das Rentenniveau sollte 43 Prozent nicht unterschreiten."

Während Karl DOEMENS darauf hinweist, dass das derzeitige Rentenniveau mit 47,5 % oberhalb des vor 10 Jahren prognostizierten Rentenniveaus liegt, vergleichen EUBEL & WORATSCHKA die heutige Situation mit dem Rentenniveau des Jahres 2008:

"2008 lag das Rentenniveau noch bei 50,5 Prozent, aktuell beträgt es 47,5 Prozent."

Vor diesem Hintergrund wird die derzeitige Rentensituation als Ausnahme aufgrund guter Lohnentwicklung beschrieben, wozu auch der Rentenanstieg ab Juli zählt.

Bei der Frage nach den Mitteln, das Rentenniveau zu stoppen, gehen EUBEL & WORATSCHKA zuerst auf eine nicht näher gekennzeichnete Forderung der "SPD-Linke" ein, wonach das Niveau der gesetzlichen Rente auf 50 Prozent angehoben werden soll. Danach wird mit einer Schätzung argumentiert, deren Herkunft ungenannt bleibt:

"Schätzungen zufolge würde das bis 2030 rund 28 Milliarden Euro kosten. Der Rentenbeitrag müsste dann auf 24 Prozent steigen. Eine enorme Zusatzbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die derzeit 18,7 Prozent zahlen."

In der FAZ dagegen wird folgende Schätzung vorgestellt:

"Wie teuer es wurde, haben Fachleute von Arbeitsministerin Andrea NAHLES (SPD) schon ausgerechnet, wie diese Zeitung aus dem Ministerium erfuhr. Ergebnis: Ein Niveau von 50 Prozent würde die Rentenkassen im Jahr 2030 mit Mehrausgaben von 27,6 Milliarden Euro belasten; der Beitragssatz müsste von derzeit 18,7 Prozent auf 24,3 Prozent des Bruttolohns steigen und damit um 2,3 Prozentpunkte stärker als vorgesehen."

Während EUBEL & WORATSCHKA darauf hinweisen, dass alternativ auch der Steuerzuschuss des Bundes erhöht werden könnte, wird diese Möglichkeit von CREUTZBURG gar nicht erst zur Debatte gestellt.

EUBEL & WORATSCHKA zitieren als Kritik zum Vorschlag der "SPD-Linken" namentlich den Rentenexperten der Grünen-Fraktion Markus KURTH, der die Schwächung der Rentenkasse durch die Falschfinanzierung des Rentenpakets anprangert (gemeint ist die Mütterrente und die Rente ab 63, die von EUBEL & WORATSCHKA als Rente mit 63 falsch etikettiert wird).

Warum funktioniert die Riester-Rente nicht? fragen EUBEL & WORATSCHKA. Ihre Antwort: die fehlende Zwangsverpflichtung führt zu einer zu geringen Verbreitung, was bereits darauf hindeutet, dass der Riester-Rente eine mangelnde Attraktivität innewohnt, denn sonst bräuchte es keinen Zwang. Die desolate Lage der Riester-Rente beschreiben die Autoren folgendermaßen:

"Aktuell haben nach Statistiken des Sozialministeriums nur knapp 16 Millionen Deutsche eine Riester-Rente abgeschlossen, das sind lediglich 40 Prozent des geschätzten Riester-Potenzials. Etwa jeder fünfte Vertrag ruht außerdem, es werden also keine Beiträge gezahlt."

Es wird die Kritik von Verbraucherschützern, die Unattraktivität für Geringervdiener (Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung) und die Niedrigzinsen als Probleme genannt. Namentlich wird als Politiker die Einschätzung von Karl-Josef LAUMANN ("Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse") zitiert.

Als Alternativen zur Riester-Rente wird die Stärkung der Betriebsrenten (Anliegen von Andrea NAHLES) und die Deutschland-Rente zur Sprache gebracht.

Zuletzt wird die geplante Lebensleistungsrente von NAHLES als Mittel zum Schutz vor Altersarmut als ungeeignet kritisiert, weil sie Langzeitarbeitslosigkeit und Solo-Selbständigkeit (vor allem Freiberufler) nicht ausreichend berücksichtigt.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Widerstand in der CDU gegen neue Rentenpläne.
Hessens Finanzminister Schäfer nennt Vorstöße von SPD und CSU für höheres Rentenniveau "unbezahlbar",
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 14.04.

DETTMER, Markus/NEUBACHER, Alexander/NEUKIRCH, Ralf/PFISTER, René/SAUGA, Michael (2016): Operation Gießkanne.
Union: CSU-Chef Seehofer startet die nächste Provokation: Mit seinem Plan, die Rentenformel der letzten Jahre zurückzudrehen, belastet er die junge Generation - und bringt große Teile der CDU gegen sich auf. Kann die Kanzlerin ihn stoppen?
in: S
piegel Nr.16 v. 16.04.

Forderungen nach einer Stärkung der gesetzlichen Rente bügeln die Autoren mit dem Kostenargument ab:

"Wer die Ansprüche der Senioren nur um einen Prozentpunkt anhebt, belastet die Alterskasse mit etwa 6 Milliarden Euro. Würde das Rentenniveau also auf dem gegenwärtigen Stand von knapp 48 Prozent eingefroren, wären pro Jahr zweistellige Milliardenbeträge zusätzlich fällig."

Woher diese Zahlen kommen, die zudem mehr als vage sind ("zweistellige Milliardenbeträge" reichen von 10 bis 99 Milliarden Euro!), legen die Autoren jedoch nicht offen. Sie stehen im Raum und einzig das ist wohl ihr Zweck! Als Beispiel der von Altersarmut bedrohten Risikogruppe stellt uns der Spiegel die Verkäuferin und den Selbständigen vor.

Zum Schluss werden uns eine Reihe von Experten genannte, die eine Stärkung der gesetzlichen Rente ablehnen und stattdessen die private Altersvorsorge umbauen wollen: Von Gert G. WAGNER über Manfred WERDING bis zu Marcel FRATZSCHER und Clemens FUEST reicht dieses mehr oder weniger neoliberale Experten-Spektrum.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Das Märchen von der Altersarmut.
CSU und SPD wollen das Rentenniveau steigern. Dabei stehen bis 2029 ohnehin Rentenerhöhungen um mehr als 40 Prozent bevor,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 16.04.

FRANKFURTER RUNDSCHAU-Titelgeschichte: Die Rente wird sexy

DOEMENS, Karl (2016): "Wir brauchen einen Kurswechsel".
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach über eine verlässliche Altersabsicherung, Wolfgang Schäuble und das Scheitern von Riester,
in:
Frankfurter Rundschau v. 22.04.

Annelie BUNTENBACH will das Niveau der gesetzlichen Rente zuerst bei 48 % einfrieren und danach im Rahmen einer Erwerbstätigenversicherung unter Einbeziehung von Selbständigen und Beamten anheben. Dazu müsste der Beitragssatz über die im Rentenversicherungsbericht 2015 bis 2020 angegebenen 18,7 % ansteigen. BUNTENBACH sieht angesichts der guten Lage jetzt Handlungsbedarf:

"Wenn die Regierung diese Chance verspielt, steigen die Beiträge wegen der Demografie sprunghaft an, während das Rentenniveau weiter absackt."

Ob sich die Demografie daran hält, ist ungewiss! Zur Finanzierung erklärt BUNTENBACH:

"Der DGB hat ein Rentenmodell entwickelt, nach dem das in kleinen Schritten zu verkraften ist. Durchschnittsverdiener müssten gerade einmal 7,50 Euro mehr im Monat zahlen – mit stabilen Renten als Gegenleistung, auch für junge Generationen. Entscheidend ist auch, dass die Arbeitgeber die Hälfte zahlen. Zudem muss die Mütterrente schnellstens aus Steuermitteln finanziert werden. Allein dadurch würden sieben Milliarden Euro jährlich frei."

BUNTENBACH lehnt sowohl die Riester-Rente als auch die Deutschland-Rente ab.

BORSTEL, Stefan von (2016): Arbeitgeber verteidigen Riester-Rente.
"Sinkendes Rentenniveau führt nicht zu Altersarmut",
in:
Welt v. 23.04.

Stefan von BORSTEL zitiert aus einem der Welt zugespielten Argumentationspapier des Arbeitgeberverbands (BDA). Dass der Arbeitgeberverband die Riester-Rente verteidigt ist wohl kein Wunder. Das Interesse der Arbeitgeber besteht in der Senkung der Beitragssätze zur gesetzlichen Rente. Dass diese für Arbeitnehmer Einkommen darstellen, spielt dabei keine Rolle.

"Im schlimmsten Fall werde der Anteil derjenigen, die ab 2030 auf eine Grundsicherung angewiesen sein werden, von heute knapp drei Prozent auf etwa fünf Prozent steigen",

erklärt uns BORSTEL. Man sollte genau lesen: "Ab 2030" heißt es und nicht im Jahr 2030! Man müsste schon Hellseher sein, um eine solche Aussage machen zu können.

DOEMENS, Karl (2016): Auch CDU schraubt an der Rente.
Fraktionsexperte fordert Zwölf-Milliarden-Reform. Betriebsrente soll Pflicht werden,
in:
Frankfurter Rundschau v. 27.04.

Karl DOEMENS referiert die Position von Karl SCHIEWERLING ("sozialpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion"), der eine Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente bei 45 statt bei 43 Prozent in die Rentendebatte einbringt:

"Allerdings würde auch eine Stabilisierung des Niveaus bei 45 Prozent rund zwölf Milliarden Euro kosten, die entweder aus dem Bundeshaushalt überwiesen oder von den Beitragszahlern gestemmt werden müssten. Rein rechnerisch entspricht das einer Anhebung des langfristig erwarteten Beitragssatzes von 22 auf 23 Prozent",

wirft DOEMENS ein. Lieber ist ihm die Stärkung der Betriebsrente, die SCHIEWERLING befürwortet.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Lebensfragen.
Buch zwei: Was man über die gesetzliche Rente und die zusätzliche Altersvorsorge wissen muss,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 30.04.

Hinsichtlich möglicher Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung, sieht ÖCHSNER vor allem Chancen für den Vorschlag einer neuen Untergrenze bei der gesetzlichen Rente von 45 statt 43 %, den Karl SCHIEWERLING ("einflussreiche CDU-Sozialexperte") in die Debatte eingebracht hat. Würde sich die positive Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre fortsetzen, dann wären diese 45 % auch ohne irgendeine Änderung erreichbar. Es wäre also eine Art Plazebo, die uns ÖCHSNER hier als Reform verkauft. Lediglich bei einer schlechteren zukünftigen Arbeitsmarktentwicklung würde die Festschreibung greifen. Es könnte aber auch ein Vorgriff auf eine Debatte für die Entwicklung nach 2030 sein. Danach wird nämlich mit einer weiteren Senkung gerechnet, wenn die Beiträge stabil bleiben sollen. Eine Absenkung auf 43 % z.B. erst im Jahr 2035 könnten Politiker dann wieder als einen Erfolg verbuchen.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Rentenniveau stabiler als erwartet.
DIW-Gutachten für die Grünen-Bundestagsfraktion,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.05.

Dietrich CREUTZBURG berichtet über das Gutachten zu Entwicklungen von Beitragssatz und Niveau in der Gesetzlichen Rentenversicherung des DIW im Auftrag der Bundestagsfranktion Bündnis 90/Die Grünen.

CREUTZBURG berichtet zwar über die Veränderung von Beitragssatz und Rentenniveau bis 2040, aber verschweigt dabei, dass die Annahmen der Prognose auf der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes vom April 2015 basieren. Sowohl die Annahmen zur Zuwanderung (Wanderungsüberschuss von 200.000 pro Jahr) als auch zur Geburtenrate (TFR = 1,4 Geburten pro Frau) sind unrealistisch.

Mit dem Gutachten soll eine Debatte über die Entwicklung des Rentenniveaus und des Beitragssatzes nach 2030 vor Veröffentlichung des neuen Rentenversicherungsberichts angestoßen werden. CREUTZBURG vergleicht deshalb die Berechnungen nur mit einer Studie der Prognos AG im Auftrag der Versicherungswirtschaft, ohne genauere Angaben zum Erhebungs- bzw. Veröffentlichungszeitpunkt zu machen. Die Berechnungen des Rentenniveaus vom DIW liegen um ca. 3 Prozent über dem der Prognos AG.

"Das DIW rechnet nun mit einem Rentenniveau von 45 % im Jahr 2030. Auf der anderen Seite steigt der Rentenbeitragssatz von heute 18,7 Prozent laut DIW auf 21,9 Prozent im Jahr 2030."

Eine Untergrenze des Rentenniveaus von 45 % wurde vor kurzem von Karl SCHIEWERLING in die Debatte eingebracht, was auf dieser Website als Verabreichung eines Placebo bezeichnet wurde. Die Berechnungen des DIW würden dies bestätigen. Auf der anderen Seite sind solche Prognosen aber Kaffeesatzleserei, weil Prognosen zur Arbeitsmarktentwicklung sehr unsicher sind.

SPECHT, Frank (2016): Die Bremse für sinkendes Rentenniveau,
in:
Handelsblatt v. 04.05.

Frank SPECHT berichtet zuerst darüber, dass der DGB-Bundesvorstand am Dienstag ihre Kampagne gegen das sinkende Rentenniveau beschlossen hat. Das Rentenniveau soll demnach auf dem jetzigen Stand stabilisiert und langfristig wieder angehoben werden.

Die Position von Bündnis90/Die Grünen wird als Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent - also ein Prozent über dem CDU-Vorschlag von Karl SCHIEWERLING - beschrieben

PIMPERTZ, Jochen (2016): Reform der Alterssicherung - Populäre Thesen, empirische Befunde und normative Ableitungen. Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Die Kostenberechnung von Jochen PIMPERTZ findet sich hier.

SCHWENN, Kerstin (2016): Mehr Rentenniveau kostet 52 Milliarden Euro.
Wer ein höheres Rentenniveau verlangt, darf die Rechnung nicht ohne den Wirt machen: Der Beitragssatz könnte dann schon 2024 auf mehr als 22 Prozent steigen, hat das IW ausgerechnet,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.05.

Bildzeitung und FAZ marschieren heute gemeinsam. Beide adeln den Extremwert des INSM-Gutachtens von Jochen PIMPERTZ zur Schlagzeile, um gegen die Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente Front zu machen.

"Ein Einfrieren des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand von 47,7 Prozent ließe die Rentenausgaben im Jahr 2029 auf 477 Milliarden Euro steigen – 28 Milliarden Euro mehr als heute von der Bundesregierung angenommen. Würde das Niveau wieder auf 50 Prozent angehoben, wie es Gewerkschaften und Linke fordern, stiegen die zusätzlichen Kosten sogar auf 52 Milliarden Euro",

zitiert Kerstin SCHWENN aus dem einseitig neoliberal geprägten INSM-Gutachten. Daneben wird ein Positionspapier des BDA erwähnt, das nur die Argumente der INSM verdoppelt. Am Rande wird das heutige Treffen von Andrea NAHLES mit der "jungen Generation" und der Monatsbericht der Bundesbank erwähnt der Rentenprognosen über das Jahr 2030 hinaus anmahnt.

BUNZENTHAL, Roland (2016): Das Niveau sinkt weiter.
Neoliberale Denkfabrik will Beschäftigte noch länger für ihre Rente arbeiten lassen,
in:
Neues Deutschland v. 18.05.

Roland BUNZENTHAL streut Gerüchte über eine geplante Rentenreform von Andrea NAHLES. Danach soll das derzeitige Rentenniveau von 47,6 Prozent als neue Untergrenze gelten, die Riester-Rente langfristig abgeschafft und zuletzt wird noch eine Rente mit 68 ins Spiel gebracht, eine Forderung, die auch der INSM zugeschrieben wird. BUNZENTHAL will darin Eckpunkte für Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Bundestagswahl sehen.

"Pro Prozentpunkt, den das künftige Niveau nach oben von geltendem Recht abweicht, betragen sie rund sechs Milliarden Euro, hat die Rentenversicherung errechnet",

behauptet BUNZENTHAL. Diese Zahlen kursieren auch in anderen Mainstream-Zeitungen, wo sie jedoch nicht der Rentenversicherung zugeschrieben werden. Unkritisch werden auch die Berechnungen des INSM-Gutachtens wiedergegeben. Am Ende wird die Position der Linkspartei (Rentenniveau von 53 %; Ausbau des Rentensystems zu einer Erwerbstätigenversicherung) skizziert und als Hemmnis die "Privilegien der Beamten und Politiker" genannt.

RIEXINGER, Bernd (2016): Gefährliche Entsolidarisierung.
Gastbeitrag: Die Demokratie kann dauerhaft nur erfolgreich verteidigen, wer ihre sozialen Grundlagen verteidigt,
in:
Frankfurter Rundschau v. 27.05.

Bernd RIEXINGER, einer der beiden Parteivorsitzenden, fordert mehr soziale Gerechtigkeit, jedoch mit einer Rhetorik die über weite Strecken von vorgestern stammt und höchstens noch stramme Linke ansprechen kann. Er zeigt damit das ganze Dilemma der sozialen Linken, die von der Schwäche der SPD nicht profitieren kann und dem Erstarken der Rechtspopulisten tatenlos zuschauen müssen.

"Heute reichen selbst 45 Jahren ununterbrochener Arbeit in Vollzeit mit einem Bruttolohn von 2500 Euro gerade mal für eine Rente knapp über der Grundsicherung. Wer weniger als zwölf Euro pro Stunde bekommt, geht trotz lebenslanger Arbeit sicher in die Altersarmut. Um die Renten zu stabilisieren, braucht es höhere Löhne, einen Mindestlohn von zwölf Euro und eine Abkehr von der Agenda-2010-Politik. Statt aber das Rentenniveau wieder auf mindestens 53 Prozent zu erhöhen – wie vor den Rentenkürzungen unter Rot-Grün – und eine armutsfeste Mindestrente einzuführen, flüchtet sich die Regierung in Scheinlösungen",

schreibt RIEXINGER zur Rententhematik. Aber wer versteht das überhaupt? Gemäß Deutscher Rentenversicherung lag das Gehalt des so genannten Eckrentners 2015 im Westen bei ca. 2.900 Euro, im Osten dagegen bei ca. 2.500 Euro. Ein Westrentner hätte dafür 2015 ca. 1.300 Euro, der Ostrentner 100 Euro weniger bekommen. Die Grundsicherung im Alter liegt derzeit bei ca. 773 Euro. Aktuell gilt also das Gesagte nicht. RIEXINGER geht jedoch davon aus, dass dies z.B. nach 2030 so sein könnte wenn das Rentenniveau so bleibt oder gar sinkt. Je nach Anhebung der Grundsicherung im Alter schrumpft dann der Abstand tatsächlich zusammen, wenn an der gegenwärtigen Rentenformel nichts geändert wird und sich die Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsentwicklung nicht grundlegend ändert. RIEXINGER kann sich hier auch auf die umstrittenen Berechnungen des WDR berufen, während sich die Verfechter einer Stärkung der privaten Altersvorsorge die Verharmlosung des Altersarmutsproblems auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Mit seiner Forderung auf Anhebung des gesetzlichen Rentenniveaus auf mindestens 53 Prozent liegt RIEXINGER derzeit weit über den Forderungen der anderen Parteien - ausgenommen der Parteilinken in der SPD oder dem DGB. 

KOCHSKÄMPER, Susanna (2016): Wie lange arbeiten für ein stabiles Rentenniveau?
Gesetzliche Rentenversicherung: Ein stabiles Rentenniveau in der Gesetzlichen Rente lässt sich mittelfristig nur mit einer höheren Belastung der Erwerbstätigengeneration erreichen – vorausgesetzt die Regelaltersgrenze bleibt auf dem politisch festgelegten Niveau. Das Rentenniveau könnte theoretisch stabilisiert werden, wenn die Menschen länger arbeiteten. Die Frage ist nur: wie viel länger?
in: IW-Kurzbericht Nr.27 v. 27.05.

MÜHLBAUER, Peter (2016): Rente mit 73?
Schock-Rechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft,
in:
Telepolis v. 31.05.

Peter MÜHLBAUER liefert einen unkritischen Bericht über den Kurzbericht Wie lange arbeiten für ein stabiles Rentenniveau? von Susanna KOCHSKÄMPER.

MATTHEIS, Hilde/BARTHEL, Klaus/BÜLOW, Marco (2016): Wir können soziale Gerechtigkeit.
Gastbeitrag: In einer Welt voller Ungleichheit wird die SPD dringend gebraucht. Doch sie muss ihr soziales Profil schärfen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 04.06.

Nachdem der Internationale Währungsfonds - Inbegriff des Neoliberalismus - ebendiesen totgesagt hat, hängen sich 3 SPDler nun im Vorfeld eines Parteikonvents an diese rhetorische Wende des IWF an:

"die europäische Sozialdemokratie (hatte sich) zu sehr dem Neoliberalismus angenähert und die Alternativen zu wenig deutlich gemacht",

lullen uns die SPDler mit Phrasendrescherei ein. Neoliberale Phrasen wie "das Land zukunftsfest machen" deuten jedoch darauf hin, dass die Parole weiter so heißt. Auch sonst findet sich nichts, was nicht bereits irgendwo gesagt worden wäre:

"In der Rentenpolitik muss die SPD die umlagefinanzierte, solidarische Rente (GRV) wieder zur Hauptsäule der Altersvorsorge machen. Das Rentenniveau ist deutlich oberhalb von 50 Prozent zu stabilisieren. Es darf nicht sein, dass man immer länger arbeiten muss, um der Armut im Alter zu entgehen."

Man darf bezweifeln, dass davon am Ende mehr bleibt, als schöne Worte. Die SPD wird so ihre Agenda 2010 nicht los. Wie wäre es mit einer neuen Partei, die nicht die Bürde einer neoliberalen Partei mit sich herumschleppen muss? Verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen ist weit schwieriger als gewonnenes Vertrauen zu zerstören. Ob die SPD das noch kapiert?

PROGNOS (2016): Perspektive 2040 - Fakten zur Rentendebatte. Pressegespräch vom 13.06.2016

Mit einem 4seitigem Papier, das zur "Kurzstudie" stilisiert wird, greift die Lobbyorganisation der Versicherungswirtschaft GDV in die Rentendebatte ein - nicht uneigennützig, denn schließlich ist die Senkung des Rentenniveaus eine Lizenz zum Gelddrucken für die Lebensversicherer. Bestrebungen das Rentenniveau zu stabilisieren werden deshalb massiv bekämpft.

DOEMENS, Karl (2016): Rentenniveau stürzt bis 2040 um knapp sechs Prozent.
Eine neue Studie des Freiburger Prognos-Instituts beschäftigt sich mit der Zukunft des Rentenniveaus. Dabei wurden mehrere Szenarien durchgerechnet. Das Fazit: Das Rentenalter anzuheben bringt wenig,
in: Berliner
Zeitung v. 14.06.

Im Gegensatz zu den anderen Medienberichten, gibt es zur GDV-Auftragsstudie Perspektive 2040 der Prognos AG eine Stellungnahme von Matthias W. BIRKWALD (Linkspartei), der sowohl eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, als auch eine weitere Förderung der Riester-Rente ablehnt. Eine Auseinandersetzung mit den Berechnungen gibt es jedoch auch hier nicht.

DRIBBUSCH, Barbara (2016): Kleine Brötchen für Minirentner.
Alter: Der linke Flügel der SPD fordert, das Rentenniveau anzuheben, Arbeitsministerin Andrea Nahles will über Reformen sprechen, denkt aber eher an kleinere Schritte,
in:
TAZ v. 08.07.

Die taz kommt uns wie die FAZ nur mit Berechnungen des arbeitgebernahen IW Köln, wobei Barbara DRIBBUSCH von 52 Milliarden Euro Kosten im Jahr 2029 spricht, während uns Kerstin SCHWENN von jährlich 52 Milliarden Euro Kosten berichtet. Angesichts der Tatsache, das die Zahl der Rentner zunimmt, ist also eine der Zahlen auf alle Fälle falsch (mehr hier). Rainer WORATSCHKA wiederum nennt uns Zahlen für das Einfrieren auf dem Niveau von 47,7 Prozent:

"Schon das (...) würde, Berechnungen der gesetzlichen Rentenversicherung zufolge, rund 18 Milliarden verschlingen."

Die IW Köln-Zahlen von DRIBBUSCH und SCHWENN stammen dagegen von Jochen PIMPERTZ, der im Auftrag der neoliberalen INSM in einem Gutachten vom 17. Mai folgende Kosten veranschlagt hat:

"Bei einem Sicherungsniveau vor Steuern von dauerhaft 47,5 Prozent übertreffen die jährlichen Ausgaben die bislang von der Bundesregierung unterstellte Entwicklung im Jahr 2029 um 28 Milliarden Euro. Bei einem höheren Sicherungsniveau von 50 Prozent sind dann sogar 52 Milliarden Euro mehr zu schultern als ursprünglich erwartet."

PIMPERTZ entnimmt die Annahmen zur weiteren Entwicklung dem Rentenversicherungsbericht 2015 der Bundesregierung:

"Weil aber nicht die Diskussion unterschiedlicher Annahmen im Fokus der Untersuchung steht, sondern vielmehr die Abweichungen der Ausgabenentwicklung in den beiden Szenarien gegenüber dem Status quo, bedient sich die folgende Schätzung direkt der Berechnungen zur finanziellen Entwicklung im langfristigen Zeitraum 2015 bis 2029 im Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung (BMAS, 2015, 37 ff.). Dort sind die Ergebnisse für die Entwicklung der Ausgaben, der Einnahmen, des Sicherungsniveaus vor Steuern sowie des Beitragssatzes in der mittleren Variante beschrieben (zu den Annahmen siehe BMAS, 2015, 37 ff., 45 ff.)."

PIMPERTZ kommt aufgrund dieser Annahmen auf folgende Mehrausgaben zwischen 2015 und 2029:

Tabelle: Entwicklung der Rentenausgaben bei den Szenarien Status quo, Einfrieren des Rentenniveaus auf 47,5 % und Anhebung des Rentenniveaus auf 50 %
Jahr Ausgaben gemäß
RV 2015
(Status quo)
Ausgaben bei
Rentenniveau von 47,5 %
Ausgaben bei Anhebung auf 50 % Ausgaben-differenz bei Anhebung auf 50 %
2015 272 Mrd. € 272 Mrd. € 286 Mrd. € 14 Mrd. €
2016 283 Mrd. € 282 Mrd. € 296 Mrd. € 13 Mrd. €
2017 295 Mrd. € 292 Mrd. € 307 Mrd. € 12 Mrd. €
2018 304 Mrd. € 304 Mrd. € 319 Mrd. € 15 Mrd. €
2019 315 Mrd. € 314 Mrd. € 330 Mrd. € 15 Mrd. €
2020 326 Mrd. € 326 Mrd. € 342 Mrd. € 16 Mrd. €
2021 338 Mrd. € 338 Mrd. € 355 Mrd. € 17 Mrd. €
2022 351 Mrd. € 353 Mrd. € 370 Mrd. € 19 Mrd. €
2023 366 Mrd. € 370 Mrd. € 389 Mrd. € 23 Mrd. €
2024 380 Mrd. € 388 Mrd. € 408 Mrd. € 28 Mrd. €
2025 392 Mrd. € 404 Mrd. € 424 Mrd. € 32 Mrd. €
2026 405 Mrd. € 420 Mrd. € 441 Mrd. € 36 Mrd. €
2027 419 Mrd. € 438 Mrd. € 460 Mrd. € 41 Mrd. €
2028 434 Mrd. € 456 Mrd. € 479 Mrd. € 45 Mrd. €
2029 449 Mrd. € 477 Mrd. € 500 Mrd. € 51 Mrd. €
Quelle: Reform der Alterssicherung v. 17.05.2016, Abbildung 4-2, S.15

Von 52 Mrd. Euro Mehrausgaben im Jahr wie von SCHWENN behauptet, kann also keine Rede sein. Inwiefern die Annahmen des Rentenversicherungsberichts 2015 überhaupt realistisch sind, das wäre noch eine ganz andere Frage.

Von der taz hätte man sich eigentlich Zahlen gewünscht, die nicht der neoliberalen Unternehmenslobby entstammen, aber die Zeiten der Gegenöffentlichkeit sind eben längst vorbei und die taz gehört wie die FAZ zum neoliberalen Establishment in Deutschland

ÖCHSNER, Thomas (2016): Mehr Rente, bitte!
Die IG Metall fordert einen Kurswechsel bei der gesetzlichen Alterssicherung. Auch Beamte sollen in die Kasse einzahlen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 21.07.

Thomas ÖCHSNER berichtet über das Diskussionspapier Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung der IG Metall.

Das 3-Phasen-Modell der IG Metall wird von ÖCHSNER eher unübersichtlich dargestellt. Es wird nicht ersichtlich, dass das Einfrieren des Rentenniveaus auf 47,5 Prozent bis 2021 ausreichend sein soll und erst danach die weiteren Schritte geplant sind. Genauer wird das dreistufige Reformkonzept von Pascal BEUCKER in der taz dargestellt:

"In einer »Stabilisierungsphase« soll zunächst das Rentenniveau bis 2021 bei 47,5 Prozent belassen werden. In der darauf folgenden " »Ankopplungsphase« sollen die Renten wieder mit der Lohnentwicklung verknüpft und auf die bislang vorgesehenen Dämpfungsfaktoren soll verzichtet werden. Schließlich soll in einer »Anhebungsphase« schrittweise das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente erhöht werden."

Thomas ÖCHSNER erzählt uns heute, dass die IG Metall das "Rentenniveau schrittweise auf mehr als 50 Prozent erhöhen will" Karl DOEMENS zitiert in der Frankfurter Rundschau dazu Hans-Jürgen URBAN:

"Man peile am Ende für das Jahr 2030 ein Rentenniveau von etwa 50,5 Prozent an, antwortet Urban auf Nachfrage."

Peter THELEN bezieht sich heute ebenfalls auf URBAN:

"Die IG Metall sei bereit über den genauen Umfang in einem »Dialog der Generationen« zu diskutieren, so Urban. Doch was sie will, ist klar: Das gesetzliche Rentenniveau soll am Ende genauso hoch sein, wie das Gesamtversorgungsniveau, das laut Rentenbericht erreicht würde, wenn alle riestern würden und jeder Riester-Vertrag vier Prozent Rendite hätte: 50 Prozent vor Steuern. Das sind in aktuellen Preisen 1450 Euro im Monat für einen Rentner, der während des gesamten Erwerbslebens immer zum Durchschnittsverdienst gearbeitet hat. Diese 1450 Euro soll es künftig aber bereits nach 43 statt nach 45 Beitragsjahren geben".

Das Diskussionspapier der IG Metall lässt dagegen das Rentenniveau der Anhebungsphase offen:

"Mit dem Stopp der weiteren Absenkung und der Kopplung an die Lohnentwicklung ist gleichwohl noch nicht wieder ein angemessenes Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Daher sollte in einer dritten Phase eine schrittweise Anhebung des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rente auf ein neues Sicherungsziel erfolgen. Dessen Höhe wäre ebenso in einer gesellschaftlichen Debatte zu definieren wie die Geschwindigkeit, mit der dieses Ziel erreicht werden soll." (2016, S.12)

ÖCHSNER präsentiert uns die Kosten des IG Metall-Rentenkonzeptes folgendermaßen:

"Rentenexperten schätzen die Kosten für das IG-Metall-Konzept auf 25 Milliarden Euro jährlich. Allein elf Milliarden entfallen dabei auf den Vorschlag, die Zahl der notwendigen Beitragsjahre für die Standardrente von 45 auf 43 Jahre zu reduzieren.

Peter THELEN präsentiert uns dagegen eine andere Rechnung:

"In Euro und Cent würde die jährliche Zusatzbelastung bis 2030 auf 36 Milliarden ansteigen."

Karl DOEMENS kommt auf die höchsten Kosten:

"Die Kosten dürften nach Expertenschätzungen zwischen 35 und 40 Milliarden Euro liegen."

Wie kommt er auf diesen Betrag?

"50,5 Prozent (...). Das wären 6,5 Prozentpunkte mehr als in der Kalkulation der Bundesregierung. Nach einer Faustformel kostet jeder Prozentpunkt beim Niveau etwa 6 Milliarden Euro",

erzählt uns DOEMENS. Die anderen Zeitungen halten sich nicht mit solchen Zahlen auf, sondern stellen den Finanzierungsmix in den Mittelpunkt.

Neben einer Erhöhung des Beitragssatzes auf höchstens 25 Prozent bis 2030, einen höheren Bundeszuschuss und den Aufbau einer Demografiereserve (ÖCHSNER spricht hier von "Finanzreserve"), geht es um den Ausbau zur Erwerbstätigenversicherung. Während ÖCHSNER dies nur am Rande erwähnt, differenzieren hier FRESE und DOEMENS, da die Einbeziehung von Beamten nur langfristig möglich sei. Taz und Neues Deutschland heben besonders die Soloselbständigen und Parlamentarier/Politiker hervor.

Als Kritiker der Pläne nennt ÖCHSNER einzig den BDA. 

FRESE, Alfons (2016): IG Metall will die Rente retten.
Zukunftskonzept sieht höheres Rentenniveau vor, aber auch höhere Beiträge und mehr Beitragszahler,
in:
Tagesspiegel v. 21.07.

BEUCKER, Pascal (2016): IG Metall will Rentenniveau nicht weiter absinken lassen.
Rente: Gewerkschaft warnt vor Altersarmut und legt ein eigenes Konzept zur Alterssicherung vor,
in:
TAZ v. 21.07.

DOEMENS, Karl (2016): IG Metall fordert höhere Renten.
Die Altersbezüge sollen möglichst bald wieder ungebremst wie die Löhne steigen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 21.07.

DOEMENS, Karl (2016): Wahlkampf mit der Rente.
Kommentar,
in:
Frankfurter Rundschau v. 21.07.

"Nun kann es keinen Zweifel mehr geben: Den Bundesbürgern steht im nächsten Jahr ein Rentenwahlkampf bevor",

plustert sich Karl DOEMENS angesichts des IG Metall-Diskussionspapiers auf. Peter THELEN sieht im Handelsblatt dagegen nur einen heißen Debattensommer auf uns zukommen.

Besonders dramatisiert wird die von der IG Metall maximal vorgesehene Erhöhung des Beitragssatzes auf 25 Prozent. DOEMENS spricht von "um gut sechs Punkte auf 25 Prozent hochschießen", was bereits eine Verzerrung darstellt, denn 2030 würde der Beitragssatz auch so auf 22 Prozent ansteigen, d.h. es gibt lediglich ein Unterschied von 4 Prozent und das über eine sehr lange Zeitdauer. Von "Hochschießen" kann also gar keine Rede sein.

"Spätestens beim nächsten Konjunktureinbruch müsste die Regierung die Notbremse ziehen - so wie Anfang des Jahrtausends",

will uns DOEMENS Angst machen. Damals gab es jedoch nicht nur einen Konjunktureinbruch, sondern eine hohe, langandauernde Massenarbeitslosigkeit und politisch zu verantwortende Sparziele zu Lasten der Rentenversicherung, was DOEMENS verschweigt.

THELEN, Peter (2016): Mehr Rente für alle.
Rentenreform: Mit einem Paukenschlag startet die IG Metall die Rentendebatte. Sie fordert die Rückabwicklung der Riester-Reformen,
in:
Handelsblatt v. 21.07.

Peter THELEN erwähnt neben der BDA-Kritik auch die Kritik des Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführers Oliver ZANDER und eine Studie der Uni Bochum, die Einwände gegen den Ausbau zur Erwerbstätigenversicherung hätte, deren Überlegungen jedoch unverständlich bleiben. Dazu heißt es:

"Eine Erwerbstätigenversicherung sei (...) nicht demografiefest. Dagegen spricht eine Studie der Universität Bochum. Danach könnte durch eine Rentenversicherungspflicht für alle Erwerbstätigen der Rentenbeitrag bis 2060 auch bei einem auf über 52 Prozent erhöhten Rentenniveau um über zwei Prozentpunkte gesenkt werden."

Berechnungen bis 2060 sind nichts anderes als Kaffeesatzleserei!

Weiterhin werden Peter WEIß (CDU) und Martin ROSEMANN (SPD) erwähnt sowie das Konzept, das Andrea NAHLES im Herbst vorstellen will und den Schwerpunkt auf die betriebliche Altersversorgung legt.

THELEN sieht die IG Metall durch ihre Basis unter Druck:

"In internen Debatten hatten IG Metall-Funktionäre eine Erhöhung auf bis zu 69 Prozent beim Rentenniveau gefordert."

Angesichts solcher Forderungen erscheint das vorgelegte Rentenkonzept sehr moderat.

KROHN, Philipp (2016): Deutsche trauen der Politik ein stabiles Rentenniveau nicht zu.
Umfrage: 62 Prozent zweifeln an Umsetzungschance,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.08.

"Wie aus einer repräsentativen Befragung des Finanzvertriebs MLP unter 1.683 Deutschen hervorgeht, glauben 62 Prozent, die Politik könne nichts dagegen tun, dass das Rentenniveau sinke. Zweifelt also ein Mehrheit der Deutschen daran, dass eine Stabilisierung realistisch ist, halten es sogar fast genauso viel nicht einmal für wünschenswert",

interpretiert Philipp KROHN eine YouGov-Umfrage im Auftrag des Finanzdienstleisters MLP. Dabei wurden die Fragen schon so gestellt, dass sie den Interessen der Verfechter einer kapitalgedeckten Altersvorsorge nicht zuwiderlaufen können. Die angebliche Mehrheit, die eine Stabilisierung nicht für wünschenswert hält, bezieht sich auf die Antwortmöglichkeiten: Höherer Beitragssatz als 18,7 %, länger arbeiten als 67 Jahre oder Stärkung der betrieblichen Altersversorgung. Alternativen dazu wie z.B. Erhöhung der Steuerfinanzierung, Ausweitung des Beitragszahlerkreises usw. wurden gar nicht erst als Antwortmöglichkeiten vorgegeben.

Die Antworten müssen auch als Reaktion auf die Rentendebatte der letzten Monate gesehen werden, in der vor allem die Befürworter einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zu Wort kommen konnten, wie diese Website deutlich zeigt.

Die Umfrage ist zudem eine Online-Umfrage, d.h. Menschen mit Online-Zugang sind dadurch überrepräsentiert, während gerade von Altersarmut betroffene Menschen kaum die Möglichkeit zu einer Teilnahme hatten.

Fazit: Die Frage danach, ob eine Stabilisierung des Rentenniveaus wünschenswert sei, wurde nicht erfragt, sondern ist zum einen durch die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und zum anderen durch die Durchführung der Umfrage als Online-Befragung zweifach verzerrt. Sie spiegelt aber auch die Meinungshoheit der Finanzdienstleistungsbranche und der Arbeitgeber in der Rentendebatte wieder.  

REHAGE, Ruben & Cornelia SCHMERGAL (2016): Das 600-Milliarden-Ding.
Rente: Neue Berechnungen enthüllen die wahren Kosten der Reformvorschläge von Horst Seehofer, Sigmar Gabriel & Co. Wer das Rentenniveau stabilisieren will, muss die junge Generation stark belasten - und richtet dabei nur sehr wenig gegen Altersarmut aus,
in:
Spiegel Nr32 v. 06.08.

REHAGE & SCHMERGAL sehen ihre Leser als staunende Kinder oder zahlenehrfürchtige Erwachsene, die sich schnell durch die Präsentation von Milliarden-Beträgen einschüchtern lassen. Sie stellen deshalb einen "Rentenfachmann" der neoliberalen Prognos AG in den Mittelpunkt. Nicht dessen treffsichere Prognosen werden uns als Ausweis von Befähigung präsentiert, was wohl auch kaum möglich wäre, sondern die reine Koinzidenz von Prognos-Prognosen und großen Reformvorhaben, was uns nötigen soll zu glauben, dass hier alternativlose Sachzwänge vorhanden gewesen wären.

Während es dabei um die Herstellung von Generationengerechtigkeit gegangen sei, gehe es dagegen nun um Wohltaten für Senioren. Damit ist die Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente gemeint. Damit ist aber implizit auch klar: Der Begriff "Generationengerechtigkeit" steht bei Autoren gar nicht für Gerechtigkeit zwischen unterschiedlichen Kohortenjahrgängen, sondern nur für "jeweils Junge" im Sinne von Beitragszahlern im Vergleich zu den "jeweils Alten" im Sinne von Transferempfängern. Generationengerechtigkeit wird damit zur Altersgruppengerechtigkeit umdefiniert. Diese implizite Umdefinition soll verschleiern, dass eine Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente auch nachfolgenden Generationen zu Gute käme statt nur den jetzigen Rentnern, die davon sogar weniger profitieren würden, denn derzeit ist ja das Rentenniveau noch relativ hoch. Vor allem aber geht es nicht um die Arbeitnehmer, denn Beitragssatzstabilität ist vor allem den Arbeitgebern wichtig, denn steigende Beiträge gefährden angeblich den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber erst einmal zurück zu den Zahlen, die uns die Prognos AG liefert:

"Würde man das Rentenniveau tatsächlich auf dem heutigen Niveau einfrieren, könnte das die Steuer- und Beitragszahler bis zum Jahr 2040 die unglaubliche Summe von insgesamt fast 600 Milliarden Euro kosten.
Gut 460 Milliarden Euro hätten die Beitragszahler zu tragen, weitere über 130 Milliarden Euro kämen auf die Steuerzahler durch einen höheren Bundeszuschuss und mehr Ausgaben für Kindererziehungszeiten zu."

Was heißt hier "unglaubliche Summe"? 600 Milliarden Euro sollen Ehrfurcht einflößen, denn kaum jemand wird je in seinem Leben so viel verdienen. In Anbetracht von rund 80 Millionen Menschen und über einen Zeitraum von 25 Jahren betrachtet, schrumpft die unglaubliche Summe schnell auf ein kleines Sümmchen zusammen. Pro Bundesbürger machen die 600 Milliarden Euro (bei konstanter Bevölkerungszahl) je Monat lediglich 25 Euro aus. Um sie richtig einordnen zu können, wäre ein Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dessen Entwicklung bis 2040 notwendig - dies aber wird uns vorenthalten. Ohne relevanten Vergleichsmaßstab sind aber die uns präsentierten Zahlen lediglich Demagogie.

Bereits Mitte Mai hat die neoliberale INSM die Kosten von Stabilisierungsmaßnahmen immerhin bis zum Jahr 2029 berechnen lassen. Eine Auflistung der Kostendifferenz findet sich hier. Eine weitere Fortschreibung bis 2040 wie sie die Prognos AG vornimmt, gerät - je länger der Zeitraum - immer mehr zur Kaffeesatzleserei.

Über den Nutzen schweigen die Autoren, außer dass sie ihren impliziten Maßstab nennen: Die gesetzliche Rente soll in Zukunft nur noch für die Armutsfürsorge aufkommen - also ein Grundsicherungsniveau leisten, denn darauf läuft es hinaus, wenn Lebensstandardsicherung kein Ziel mehr ist. Dieses Ziel wird dann konsequenterweise den "linken" Gewerkschaften und ihrem Dachverband vorgeworfen. Dazu wird IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen-Urban zitiert.

Auch hinsichtlich der Entwicklung des Altenquotienten, der uns im Schaubild "Lastenwechsel" grafisch vor Augen geführt wird, handelt es sich um Demagogie. Es fehlen Angaben zum Jahr der Prognose und zur Variante der Vorausberechnung - stattdessen wird als Quelle lediglich das Statistische Bundesamt angegeben. Als Ausgangspunkt wird das Jahr 2010 mit einem Altenquotienten von 34 bezogen auf die 20- 64-Jährigen genannt. Im Jahr 2040 soll er auf 58 gestiegen sein.

Die aktuelle 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes beginnt mit dem Basisjahr 2013 und einem Altenquotienten von 34,2. Das Statistische Bundesamt hat mehrere Varianten berechnet. Lediglich die Variante 1 (vgl. DESTATIS 2015, S.7) mit schwächerer Zuwanderung (Wanderungssaldo 100.000 Menschen) weist für 2040 einen Altenquotienten von 57,6 aus - und entspricht damit dem Spiegel-Szenario. Warum aber nimmt der Spiegel nicht die Variante mit Wanderungssaldo 200.000, die doch unter den gegenwärtigen Zuwanderungsbedingungen wahrscheinlicher ist? Und warum wird die Altersgrenze bei 65 und nicht bei 67 gesetzt, obwohl die Rente mit 67 derzeit Gesetz ist? Man will offenbar die Rentensituation der Zukunft schlechtreden. Statt eines Altenquotient von 58 ergäbe sich selbst bei geringer Zuwanderung ein Altenquotient von nur 51 (vgl. DESTATIS 2015, S.7). Bei 200.000 Menschen pro Jahr läge der Altenquotient sogar nur bei 49 (vgl. DESTATIS 2015, S.36) Bei allen diesen Varianten wurde jedoch von einer Geburtenrate von 1,4 Kinder pro Frau ausgegangen, die jedoch bereits im Jahr 2014 bei 1,47 lag und 2015 weiter gestiegen sein dürfte, d.h. 2040 wird es mehr Berufsanfänger geben als in der Bevölkerungsvorausberechnung angenommen.

Noch unübersichtlich wird es, wenn uns die Prognos-Zahlen präsentiert werden. Auf welchen Vorausberechnungen basieren diese? Nirgendwo findet sich ein Hinweis darauf. Die Autoren tun so, als ob diese Zahlen aktuell berechnet worden wären. Dagegen weist eine Grafik das Jahr 2014 als Jahr aus, auf denen die genannten Zahlen basieren oder veröffentlicht wurden. Warum werden wir in dieser Hinsicht angelogen? Angesichts der Spannbreite der Altenquotienten, die unterschiedliche Varianten der Vorausberechnung zulassen und der Tatsache, dass der Spiegel auf Demagogie setzt, muss auch hier mit Annahmen gerechnet werden, die die Kosten hochtreiben sollen, um die Stabilisierung des Rentenniveaus zu diffamieren. Warum sonst sollte uns der Spiegel nachvollziehbare Fakten vorenthalten wollen? Seriöse Berechterstattung sieht anders aus.

Die Daten des Spiegel zu Rentenniveau (41,7 %) und Beitragssatz (23,7 %) im Jahr 2040 nach der derzeitigen Gesetzeslage entsprechen  haargenau dem Status Quo-Szenario, das von Prognos im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft berechnet wurde, das am 13. Juni dieses Jahres vorgestellt wurde. Dieses Szenario basiert wiederum auf der Variante 2, also einem Wanderungssaldo von 200.000. Warum also werden uns vom Spiegel Daten präsentiert, die sich aus ganz unterschiedlichen Annahmen zur Bevölkerungsvorausberechnung ergeben ohne diese Differenz zu erwähnen?

Als Durchschnittsverdiener mit Angst vor Altersarmut wird uns ein 45-Jähriger Single folgendermaßen vorgestellt:

"Biermanns Einkommen ist typisch für die Deutschen. Brutto verdient er mit vielen Überstunden und Nachtzuschlägen knapp 2.400 Euro im Monat, netto bleiben davon etwa 1.600 Euro. Das ist ziemlich genau die Summe, die Statistiker heute als Medianeinkommen eines Singles nennen: Würde man alle Einwohner bitten, sich nach der Höhe ihres Einkommens in einer Linie aufzureihen, stünde Biermann genau in der Mitte",

verdummen uns REHAGE & SCHMERGAL. Beim Medianeinkommen fallen im Gegensatz zum Durchschnittseinkommen die Superreichen in Deutschland nicht ins Gewicht, weshalb es niedriger ist. Was aber soll bitte der Blödsinn vom "Medianeinkommen eines Singles". Dem Wortsinn entsprechend, müsste es eigentlich die Einkommensverteilung innerhalb der Single-Bevölkerung meinen, dann macht jedoch der Bezug auf alle Einwohner keinen Sinn. Die Autoren wollen uns offenbar suggerieren, dass das Einkommen dieses Singles typisch für die deutsche Mittelschicht sei. Aber leben wir in einer Single-Gesellschaft wie das hier unterstellt wird? Und warum dann ein Single? Weil dessen Abgabenlast am höchsten ist im Vergleich zu Verheirateten?

Die Autoren suggerieren weiter, dass dem Mediandeutschen 2038 ein Einkommen "nur knapp über der Grundsicherung" drohe. Was der WDR kann, dass kann der Spiegel offenbar genauso gut.

Die Agendareform wird uns von den Autoren in einer verfälschten Fassung präsentiert:

"Nicht mehr die Renten für die Älteren sollen seither stabil bleiben, sondern die Beiträge der Jungen."

Ersetzt man die Jungen durch die Arbeitgeber, dann ist das richtig. Niemals ging es Rot-Grün um die Probleme der Jungen, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im neoliberalen Standortwettbewerb. Die Beiträge der Jungen zu ihrer Alterssicherung wurden stattdessen abgekoppelt sowohl von der Rentenversicherung als auch von der Arbeitgeberbeitragsatzentwicklung. Dies war Sinn und Zweck der Riester-Rente für die schließlich allein die Arbeitnehmer zusätzliche Beiträge errichten müssen.

Andrea NAHLES wird von den Spiegel-Autoren zur Anwältin der Neoliberalen stilisiert, die sich heroisch gegen die Verfechter einer Stabilisierung des Rentenniveaus stemmt:

"Nahles arbeitet nun an einem eigenen Konzept (...). Dabei geht es vor allem darum, die Betriebsrente auch für kleinere Einkommen zugänglich zu machen, Minirenten aufzustocken und jene Selbständigen besser abzusichern, die als Clickworker oder Kurierfahrer nur ein bescheidenes Einkommen haben. Von Eingriffen in das allgemeine Sicherungsniveau wollen ihre Experten bislang die Finger lassen."

Mit "Minirenten aufstocken" ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte "solidarische Lebensleistungsrente" gemeint, die merkwürdigerweise von den Autoren nicht kritisiert wird.

In diesem Zusammenhang rechnen uns die Autoren nochmals die Kosten einer Stabilisierung des Rentenniveaus folgendermaßen vor:

"Wer heute 40 Jahre alt ist und 3.000 Euro brutto im Monat verdient, müsste - gerechnet in Preisen von 2015 - bis 2040 insgesamt 9.090 Euro mehr an Arbeitnehmerbeiträgen in die Rentenkasse einzahlen als nach geltender Rechtslage. Wer mit 6.000 Euro das Doppelte verdient, zahlt 18.180 Euro mehr. Wer allerdings mit 9.000 Euro zu den sehr gut Verdienenden im Lande zählt, wird lediglich im selben Umfang belastet. Dafür sorgt die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze, mit der die Abgabenlast der Bessergestellten gedeckelt wird."

Die hohe Zahl von 9.090 Euro soll abschreckend wirken. Rechnet man sie auf einen monatlichen Beitrag um, dann sind das gerade einmal 30 Euro. Demgegenüber steht jedoch eine höhere Rente, deren Höhe uns vorenthalten wird (Das Rentenkonzept der IG Metall könnte hier weiterhelfen). Denn erst der Vergleich zum Nutzen, also der daraus sich ergebenden Rentenerhöhung wäre aussagekräftig.

Außerdem zeigt die Berechnung ein anderes Problem, das die Autoren einfach ignorieren. Man könnte ja die Beitragsbemessungsgrenze entfallen lassen und stattdessen die Rentenhöhe für Spitzenverdiener deckeln. Damit würde einerseits die Einnahmesituation der gesetzlichen Rente verbessert und andererseits die Ausgaben gedämpft. Dies wird z.B. in der Schweiz so gehandhabt und auch in Deutschland gibt es Vorschläge in diese Richtung.

Stattdessen kommen uns die Autoren mit Axel BÖRSCH-SUPAN, dem es um die Schwächung der gesetzlichen Rente geht. Uns wird dann der angeblich typische deutsche Facharbeiter vorgestellt:

"Thöne war 17 Jahre alt, als er seine Ausbildung zum Mess- und Regelmechaniker bei der Bayer AG begann, er bildete sich zum Techniker weiter und arbeitet heute als freigestellter Betriebsrat bei der Bayer-Tochter Currenta, die den Chemiepark Uerdingen betreibt. (...).
Er (...) erhält einen Tariflohn von 5.500 Euro brutto monatlich. Der Branchentarifvertrag gesteht allen Beschäftigten der Chemieindustrie eine Betriebsrente zu - und dazu kommt irgendwann auch das Geld aus der Pensionskasse, die die Bayer-Mitarbeiter fast zärtlich »Penka« nennen. Die Gewerkschaften haben lang dafür gestritten.
Wenn Thöne seine Zukunft überschlägt, dann kann er als Rentner mit einem Bruttoeinko9mmen von 4.000 Euro rechnen - trotz aller Reformen."

Thöne wird uns als Beispiel für jenes Klientel beschrieben, für das die abschlagfreie Rente ab 63 im Jahr 2014 geschaffen wurde. Im krassen Gegensatz dazu werden uns dann die wirklich Bedürftigen beschrieben: jene die mit einer Erwerbsminderungsrente und zusätzlicher Grundsicherung zurecht kommen müssen:

"Das größte aller Altersrisiken tragen nicht (...) die normalen Ruheständler, sondern jene Menschen, die eine Krankheit aus dem Berufsleben gedrängt hat - die knapp 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentner. Fast 15 Prozent von ihnen sind darauf angewiesen, ihre karge Überweisung aus der Rentenkasse mit Stütze vom Amt aufzustocken. Zum Vergleich: bei den normalen Altersrentnern sind es nur 3 Prozent",

erzählen uns die Autoren. Bei diesem Vergleich werden sozusagen Äpfel mit Birnen verglichen. Denn die 15 Prozent beziehen sich auf die Gruppe der Erwerbsminderungsrentner, während sich die 3 Prozent auf die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren beziehen - obwohl von diesen nicht alle Rentner sind und diejenigen, die hinzuverdienen müssen, weil ihr Geld sonst nicht ausreicht - ebenfalls ausgeblendet werden.

In diesem Zusammenhang wird uns erneut ein "Singlerentner" präsentiert, einem ungelernten Bauhelfer, natürlich aus "Pirmasens, der Stadt mit der niedrigsten Lebenserwartung Deutschlands". Damit wird erneut auf das Rentenpaket des Jahres 2014 abgezielt:

"Die höheren Mütterrenten flossen an Zahnarztwitwen genau wie an reifere Damen in der Grundsicherung. Mit einem Unterschied: Die Sozialhilfeempfängerinnen hatten meistens nichts davon. Sie mussten den Zuschlag mit der Stütze vom Amt verrechnen.
Die abschlagsfreie Rente mit 63 wiederum half vor allem solide abgesicherten Industriearbeitern, nicht aber Hilfskräften."

Die Absicht solcher gezielt ausgesuchten Beispiel ist klar: Arbeitnehmer sollen mittels Neidkampagne gegeneinander ausgespielt werden, um davon abzulenken, dass beides notwendig ist: Verbesserungen bei armutsbedrohten Bevölkerungsgruppen und ein ausreichender Lebensstandard für alle. Die Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente ist notwendig, weil die kapitalgedeckte Altersvorsorge ihre vollmundigen Versprechen vom Anfang des Jahrtausends nicht halten kann. Stattdessen werden uns Placebo-Pillen verabreicht:

"Wenn man bei der Bildung ansetzt, dem Rentenalter oder den Chancen von Frauen, ließe sich das Sicherungsniveau stabilisieren, ganz ohne Verteilungskämpfe zwischen den Generationen."

Dieses Mantra wird uns seit der Jahrtausendwende ständig verkündet. Warum also ist das immer noch notwendig? Offenbar, weil mehr Bildung kein Allheilmittel ist, wenn entsprechende Arbeitsplätze fehlen. Und auch die Erhöhung der Müttererwerbsarbeit gerät ins Stocken. Auch die gerne propagierte Erhöhung des Renteneintrittsalter ist lediglich eine Rentenkürzung, wenn die notwendig zu schaffenden Arbeitsplätze fehlen oder die Menschen arbeitsunfähig sind.

Richtig ist, was Gert G. WAGNER sagt, dass es keinen gesellschaftlichen Konsens über die mögliche Beitragsbelastung und das anzustrebende Sicherungsniveau gibt. Durch die Demografisierung gesellschaftlicher Probleme wurde eine solche Debatte verhindert und stattdessen durch als alternativlos dargestellte Sachzwänge ersetzt. Diese Ära scheint langsam vorbei zu Ende zu gehen.

ROHRBECK, Felix (2016): Kämpft für diese Rentenformel.
Denn sie schützt uns Jüngere vor den Forderungen älterer Politiker auf Wählerfang,
in:
Die ZEIT Nr. 34 v. 11.08.

Felix ROHRBECK hat den Spiegel gelesen und haut nun in die gleiche Kerbe. Die Rentenformel wird uns mit ihren drei Komponenten Lohnkomponente, Riester-Faktor und Nachhaltigkeitsfaktor als Gleichung präsentiert: "Verwirrt? Macht nichts. Es reicht zu verstehen, warum diese Formel wichtig ist" steht unter dieser Gleichung, weshalb auch nicht die Funktionstüchtigkeit belegt wird, sondern lediglich Begründungen und Wirkungen als Ersatz.

"Der Nachhaltigkeitsfaktor hat bewirkt, dass das Renteniveau von 52,6 Prozent in 2005 auf 47,9 Prozent des Durchschnittsgehalts gesunken ist. Und es wird weiter sinken, auf voraussichtlich 44 Prozent in 2030. Das ist keine überraschende Entwicklung, sondern war vorhersehbar und politisch genau so gewollt",

erzählt uns ROHRBECK. Dass dies vorhersehbar war, genau das bestreitet jedoch jener Ökonom, dem die Erfindung dieser Formel zugeschrieben wird: Axel BÖRSCH-SUPAN:

"Bei den Rentenreformen der Jahre 2001 bis 2007 sind wir nicht von einer höheren Einwanderung ausgegangen. Als wir an unserem Institut den Nachhaltigkeitsfaktor für die Rentenberechnung entwickelt haben, dachten wir: Er wird das Rentenniveau ganz allmählich senken, in Abhängigkeit von der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung. Passiert ist das Gegenteil. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Erwerbstätigen stark gestiegen, nicht zuletzt durch die starke Einwanderung. Auch deshalb erhöhen sich die Renten in diesem Jahr um fünf Prozent",

hat BÖRSCH-SUPAN in einem Interview mit Ralph BOLLMANN (FAS 24.01.2016) erklärt. ROHRBECK erklärt uns dagegen, dass die Rentenerhöhung Ausdruck der gestiegenen Durchschnittsgehälter seien - und nicht etwa auch Konsequenz der Fehleinschätzung der Bevölkerungsentwicklung.

Die Funktionsunfähigkeit der Rentenformel zeigte sich bereits vor einem Jahrzehnt, weshalb die Rentenformel, die uns die ZEIT präsentiert, in ihrer Reinform gar nicht mehr angewandt wird. Im Jahr 2008 wurde der erst im Jahr 2005 in Kraft gesetzte Nachhaltigkeitsfaktor durch die Rentengarantie bei drohenden Rentenkürzungen außer Kraft gesetzt und der seit 2002 in Kraft getretene Riester-Faktor wurde modifiziert. Der Satz von ROHRBECK:

"Eine schlichte Formel kann (...) Eskalationen verhindern, weil ihr Automatismus gegen populistische Forderungen immunisiert."

Ist nichts als Augenwischerei. Mangelnde Funktionsfähigkeit ist das Hauptproblem der Rentenformel, weshalb sie von diversen anderen Mechanismen flankiert werden muss. Von Automatismus kann also  keinerlei Rede sein.

ROHRBECK will wie der Spiegel die staatliche Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Bekämpfung der Alterarmut reduzieren. Alles was über diese unmittelbare Bekämpfung der Altersarmut hinausgeht, wird von ihm als "gut situierten Rentnern einen zusätzlichen Urlaub" ermöglichen, diffamiert, während die Jungen dafür ausgebeutet werden müssen. Wie im Spiegel wird die angebliche Generationengerechtigkeit auf eine Neiddebatte und Altersgruppengerechtigkeit reduziert (siehe dort).

ROHRBECK treibt das Ausspielen der Arbeitnehmer gegeneinander jedoch noch weiter: junge Beamte sollen genauso wie junge Selbständige ("ganz ohne Vorsorge in Saus und Braus leben" und dann die Grundsicherung abzocken) in die gesetzliche Rentenversicherung eingegliedert werden. ROHRBECK zeigt damit nur, dass ihm "Generationengerechtigkeit" egal ist - Hauptsache die Interessen der Unternehmens- und der Finanzdienstleisterlobbyisten bleiben gewahrt.

Die ZEIT erwähnt ausdrücklich, dass der Autor 35 Jahre jung ist - man könnte ihn ja sonst mit älteren Beamten wie Roman HERZOG oder Bernd RAFFELHÜSCHEN verwechseln.

NEUES DEUTSCHLAND-Serie: Reicht die Rente? (Teil 3)

BUNZENTHAL, Roland (2016): Was soll es kosten, wer soll es bezahlen?
Die Vorstellungen der Parteien zur Rente gehen weit auseinander - ein kurzer Überblick vor dem Wahlkampf,
in:
Neues Deutschland v. 16.08.

Der Überblick ist nicht nur kurz, sondern sehr selektiv. Solidarrente, Garantierente, Mindestrente und Lebensleistungsrente werden uns als Modelle verkauft, die eine Grundsicherung ohne Zwänge gewährt. Die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus wird von Seiten der SPD als zu teuer dargestellt. Es "fehlten der Rentenkasse 2029 rund 18 Milliarden Euro". Die Linkspartei wird dagegen mit Forderungen zu einem Rentenniveau von 53 Prozent und einer damit verbundenen Beitragssteigerung "bis auf 28 Prozent" vorgestellt. Die Erhöhung des Bundeszuschusses wird von Roland BUNZENTHAL nicht als Alternative gesehen, sondern lediglich die Ausweitung des Beitragszahlerkreises zu einer Erwerbstätigenversicherung. Der Union wird lediglich Wolfgang SCHÄUBLEs Forderung nach einer Kopplung des Renteneintrittsalters an die durchschnittliche Lebenserwartung und SEEHOFERs im April gemachter Vorstoß zur Stabilisierung des Rentenniveaus zugeschrieben.

"Insgesamt vier Interessengruppen ringen um die Reform der Altersversorgung: Rentner, Versicherte, Arbeitgeber und Steuerzahler."

Dies lässt wesentliche Akteure wie die Gewerkschaften und die Finanzdienstleister außen vor. Es wird aber verständlich, wenn es dann heißt:

"Jede der vier Gruppen hat einen Brückenkopf im Parlament. LINKE und Wohlfahrtsverbände machen sich für Rentner der unteren Einkommensklasse stark. Die SPD versucht, das Gleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Rentnern zu wahren. Die Union bringt zusätzlich ein höheres Renteneintrittsalter ins Spiel. Das heißt: Die künftigen Ruheständler sollen ihr Scherflein für die Null-Schulden-Haushaltspolitik der Union beitragen."

Die Gewerkschaften werden uns vor diesem Hintergrund mit ihrer geplanten Rentenkampagne als eine Art außerparlamentarischer Opposition beschrieben. Dabei sind sie bei den geplanten Verbesserungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge ein wichtiger Akteur mit eigenen Machtinteressen.

PICHLER, Roland (2016): "Flüchtlingskrise ist schlecht gemanagt".
Interview: Rainer Dulger, Präsident von Gesamtmetall, warnt die Regierung in der Zuwanderungsfrage vor einem Schwarzen-Peter-Spiel,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 29.08.

Rainer DULGER sieht in den Rentnern nur einen Kostenfaktor, der reduziert werden muss.

"Zurzeit liegt das Rentenniveau bei 47,5 Prozent. Wenn man dieses Niveau konstant halten wollte, würde das bis 2030 nochmals rund 30 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Das ist nicht zu bezahlen",

lügt uns DULGER an. Das Institut der Wirtschaft hat im Mai die Kosten einer solchen Stabilisierung berechnet. Danach belaufen sich die Kosten für die gesamten nächsten 9 Jahre auf Mehrkosten einer einzigen Milliarde. Erst ab 2023 würde die Belastung von 8 Milliarden Euro im Jahr 2024 bis auf 28 Milliarden Euro im Jahr 2029 steigen - vorausgesetzt die Bevölkerungsentwicklung hält sich an die pessimistischen Annahmen des Statistischen Bundesamtes und die Wirtschaftsentwicklung an die pessimistischen Annahmen des arbeitgebernahen IW. Die Kosten könnten deshalb auch geringer ausfallen.

DGB (2016): DGB startet Rentenkampagne.
Kurswechsel: Die gesetzliche Rente stärken! Unter diesem Motto starten die DGB-Gewerkschaften ihre Rentenkampagne mit Blick auf die Bundestagswahl 2017,
in:
Pressemitteilung Deutscher Gewerkschaftsbund v. 06.09.

NEUES DEUTSCHLAND-Titelgeschichte: Perspektive Altersarmut.
Der DGB will die gesetzliche Rente mit einer Kampagne sicher machen 

POELCHAU, Simon (2016): Nach 40 Jahren nur 820 Euro.
Gewerkschaftsbund will Rentenniveau stabilisieren,
in:
Neues Deutschland v. 07.09.

Simon POELCHAU berichtet zum Start der DGB-Rentenkampagne Kurswechsel: Die gesetzliche Rente stärken! durch Rainer HOFFMANN.

"Eine Köchin (...), die (2030) (...) nach 40 Arbeitsjahren mit 2.250 Euro Monatslohn in Rente gehen würde, hätte nach Angaben des DGB nur noch eine Rente von 820 Euro",

erklärt uns POELCHAU. Die üblichen Rechnungen gehen von 45 Beitragsjahren aus. Die Bundesbank rechnete in ihrem umstrittenen Monatsbericht August ("Zur längerfristigen Entwicklung der Alterssicherung") sogar mit 47 Beitragsjahren, um das zukünftige Niveau der gesetzlichen Rente schön zu reden. Martin W. BIRKWALD von der Linkspartei wird dahingehend zitiert, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge gescheitert sei - also auch die von der Gewerkschaft favorisierte betriebliche Altersvorsorge.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): CDU will Rentenniveau nach 2030 stabil halten.
Bundesfachausschuss der Partei legt Marschroute fest,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.09.

Dietrich CREUTZBURG zitiert aus dem unveröffentlichten Beschlusspapier Generationengerechtigkeit stärken, Vertrauen sichern des Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales der CDU. Die Aussagen sind mehr als vage und begnügen sich mit Absichtserklärungen. So soll es eine Untergrenze für das Niveau der gesetzlichen Rente über 2030 hinaus geben - Stillschweigen jedoch zur Höhe. Außerdem wird die im Koalitionspapier festgelegte Lebensleistungsrente genannt. Viel Wind um nichts! 

SIEMS, Dorothea  (2016): Falsches Spiel mit der Angst vor Altersarmut.
Mit ihrer Rentenkampagne wollen die Gewerkschaften Politiker zur Kurskorrektur zwingen. Doch Modellrechnungen hantieren mit zweifelhaften Annahmen und lassen Parameter außer acht,
in:
Welt v. 15.09.

Dorothea SIEMS präsentiert uns die folgende Modellrechnung, die angeblich in der DGB-Broschüre Kurswechsel zu finden sei:

"Eine Köchin mit 2250 Euro Monatslohn wird 2030 nach 40 Arbeitsjahren 820 Euro Rente bekommen. Würde die Köchin heute nach 40 Beitragsjahren in Rente gehen, wären es immer noch 890 Euro."

In der Broschüre heißt es dagegen:

"Eine Köchin mit 1.943 Euro Monatslohn bekäme, wenn sie 2030 nach 40 Arbeitsjahren in Rente ginge, nur noch 630 Euro Rente. Heute wären es noch 700 Euro und vor den Rentenreformen, also im Jahr 2000, noch 770 Euro gewesen.
Wer aus den geburtenstarken Jahrgängen kommt, also vor 1970 geboren ist, und 2030 in Rente geht, könnte – wie die Köchin im Beispiel – mit einem Rentenniveau von 43 Prozent dastehen, wenn es bei den heutigen Weichenstellungen bleibt. Wäre die Köchin in den 40 Jahren für vier Jahre arbeitslos gewesen und hätte acht Jahre lang nur halbtags gearbeitet, wären heute rund 690 Euro Rente das Ergebnis – ginge sie 2030 in Rente, sogar nur noch 620 Euro." (2016, S.9)

SIEMS lässt also vom Finanzmathematiker Werner SIEPE, der schon in der Wirtschaftswoche eine andere Gewerkschaftsaussage widerlegen durfte, eine Aussage dementieren, die sich in der Broschüre gar nicht findet. Die Frage stellt sich also, wo sich die Aussage, die auch in anderen Zeitungen verbreitet wurde, tatsächlich findet. Auf der Website zur DGB-Rentenkampagne heißt es: 

"Dass das Rentenniveau sinkt, war also eine bewusste politische Entscheidung. Bis heute ist das Rentenniveau um etwa zehn Prozent gesunken. Nach Berechnungen der Bundesregierung wird es bis 2030 um weitere acht Prozent fallen – und wenn sich nichts ändert, wird sich der Sinkflug auch nach 2030 weiter fortsetzen. Vor den Rentenreformen lag das Rentenniveau im Jahr 2000 bei ungefähr 53 Prozent, heute noch bei 47,7 Prozent, im Jahr 2030 wohl nur noch bei 44 Prozent.
Das hat erhebliche Folgen für die gesetzliche Rente: Eine Köchin mit 2.250 Euro Monatslohn wird 2030 nach 40 Arbeitsjahren 820 Euro Rente bekommen. Würde die Köchin heute nach 40 Beitragsjahren in Rente gehen, wären es immer noch 890 Euro. Vor den Rentenreformen wären es noch 980 Euro gewesen. Für immer mehr Menschen ist Altersarmut so vorprogrammiert."
(http://rente-muss-reichen.de/der-sinkflug-war-eine-bewusste-entscheidung-der-politik/)

Das Beispiel will also darauf hinweisen, dass die Absenkung des Rentenniveaus Auswirkungen auf die gesetzliche Rente hat. SIEPE reißt das Beispiel jedoch aus seinem Kontext, wodurch es verfälscht wird. Das obige DGB-Beispiel sagt folgendes aus:

Beispiel Monatslohn Renteneintritt Rentenniveau Monatsrente
Köchin 1 2.250 2000 53 % 980
Köchin 2 2.250 2015 47,7 % 890
Köchin 3 2.250 2030 44 % 820

SIEPE behauptet nun gemäß SIEMS, dass Köchin 2 nicht nur 890 € Monatsrente bekäme, sondern 922 €. Das lässt sich uns nicht nachvollziehen, weil uns die Berechnungsgrundlagen dazu fehlen.

Selbst wenn die Werte von SIEPE richtig wären, wird die Argumentation dann falsch, wenn unterstellt werde, dass Köchin 2 identisch mit Köchin 3 sei, denn nur dann würde die Behauptung greifen, dass die Rentengarantie von 2009 eine Kürzung verhindern würde. Das behauptet der DGB aber gar nicht, sondern es geht um zwei unterschiedliche Köchinnen mit unterschiedlichem Geburtsjahr. Es ist dann höchstens kritisierbar, dass der Monatslohn in den nächsten Jahren bis 2030 voraussichtlich steigen wird, dann müssten aber eventuelle Kaufkraftverluste ebenfalls berücksichtigt werden.

Fazit: Die Kritik von SIEPE, zumindest in der Weise wie sie uns von SIEMS präsentiert wird, führt uns in die Irre, weil sie die Auswirkungen einer Senkung des Niveaus der gesetzlichen Rentenversicherung negiert und die Argumentation des DGB verfälscht, indem so getan wird, als ob wir es nicht mit 3 verschiedenen Köchinnen unterschiedlicher Geburtsjahrgänge zu tun hätten, sondern lediglich mit einer Köchin, deren Rente angeblich gekürzt wird, was natürlich purer Nonsens ist. SIEMS will damit das Problem drohender Altersarmut für künftige Rentner verharmlosen. Wenn also jemand ein falsches Spiel mit der Altersarmut treibt, dann SIEMS!

Am Schluss geht SIEMS noch auf das CDU-Papier Generationengerechtigkeit stärken - Vertrauen sichern ein:

"Die im Gesetz festgeschriebene Untergrenze von 43 Prozent gelte bisher nur bis 2030 und sollte deshalb verlängert werden."

Während uns SIEMS eine Fortschreibung der heutigen Untergrenze über 2030 hinaus suggeriert, lässt die Formulierung von Dietrich CREUTZBURG in der FAZ dagegen offen, wo die Untergrenze festgelegt werden soll. Diese Offenheit entspricht auch der Formulierung im Beschluss, wo es heißt:

"Die Zusicherung der Mindest-Rentenniveauhöhe endet aber nach geltender Rechtslage im Jahr 2030 (§ 154 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), lange bevor die heute 30-Jährigen das Renteneintrittsalter erreichen. Die Zusicherung eines Mindestrentenniveaus muss daher über 2030 hinaus verlängert werden." (2016, S.3)

SIEMS verfälscht also die "Zusicherung eines Mindestrentenniveaus" zum Mindestrentenniveau von 43 Prozent. Seriöser Journalismus sieht anders aus!

ÖCHSNER, Thomas (2016): Nahles will die Talfahrt stoppen.
Ministerin fordert "Haltelinie" für weiter sinkendes Rentenniveau,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 21.09.

Thomas ÖCHSNER berichtet über die gestrige Rententagung der DGB, wo Andrea NAHLES die Stabilisierung des Rentenniveaus für die Zeit nach 2030 versprochen hat.

"Dass sich die große Koalition in dieser Legislaturperiode noch auf Korrekturen beim Rentenniveau einigt, ist aber unwahrscheinlich. Dies gilt eher als Aufgabe für die nächste Bundesregierung",

meint ÖCHSNER, der uns den katholischen Familienfundamentalisten Karl SCHIWERLING mit seiner Vorstellung einer Untergrenze von 45 Prozent nennt.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Nahles plant neue Haltelinie für das Rentenniveau.
Die Gewerkschaften trommeln für einen Kurswechsel in der Alterssicherung. Nun fahren sie erste Erfolge ein: Renten sollen bald stärker steigen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.09.

HANDELSBLATT-Serie: Zukunft der Rente (Teil 1)

THELEN, Peter (2016): Rentenpolitik am Scheideweg.
Die Gewerkschaften drängen mit Macht auf ein höheres Rentenniveau. Sie reagieren damit auf ein Versagen der Politik. Doch fordern sie die richtige Medizin?
in:
Handelsblatt v. 22.09.

Die SZ hat ihre 26teilige Rentenserie kürzlich beendet, nun beginnt das Handelsblatt seine Serie. Anlass war die Rententagung des DGB, auf der Andrea NAHLES das Einziehen einer Haltelinie beim Niveau der gesetzlichen Rente gefordert hat. Damit hat sie für das Handelsblatt die No-go-Area betreten. Das Handelsblatt will nun mit ihrer Serie NAHLES wieder auf den richtigen Weg bringen. In seinem Leidartikel gibt Peter THELEN die Leitlinie des Handelsblatts und der Rentenserie vor:

"Der beste Ausgleich für ein sinkendes Rentenniveau (...) wäre eine bessere betriebliche Altersversorgung. Alle anderen Vorhaben sollte Nahles zu den Akten legen. Warum, das versucht das Handelsblatt in den kommenden Wochen in einer Reihe von Beiträgen zu beleuchten."

Den Vorschlag für ein Mindestrentenniveau, den THELEN macht, muss man als zynisch einordnen:

"Noch hat sich Nahles (...) nicht festgelegt, wo sie ihre Haltelinie ziehen will. Sie wäre gut beraten, das in der Nähe der Prozentzahl zu tun, bei der das Niveau bis 2060 nach Schätzungen ohnehin landen dürfte: etwa 40 Prozent."

Der Bericht über die Rententagung des DGB bringt nichts Neues. Uns wird der Ökonom Winfried SCHMÄHL, den Gerhard SCHRÖDER aus dem Weg räumte, um 2001 die Riester-Rentenreform durchpeitschen zu können, als Kritiker der kapitalgedeckten Altersvorsorge präsentiert:

"Er teilte den damals verbreiteten Glauben nicht, dass am Kapitalmarkt höhere Renditen zu erzielen wären als in einem Umlagesystem. Nach fünf Jahren Niedrigzinsen sieht es so aus, als sei diese Skepsis berechtigt gewesen",

erklärt uns THELEN, nur um uns dann mit Franz RULAND einen Verteidiger der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu präsentieren:

"In der Theorie hätte jeder Arbeitnehmer, wenn alle geriestert hätten und jeder eingezahlte Euro die 2001 angenommenen vier Prozent Rendite gebracht hätte, heute sogar ein etwas höheres Versorgungsniveau als vor der Riesterreform. Das rechnete Franz Ruland, ehemaliger Chef des Verbands Deutscher Rentenversicherer und einer der Nachfolger Schmähls an der Spitze des Sozialbeirats, am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in München vor."

Theorie ist das nicht nur - wie THELEN suggeriert - weil nicht alle geriestert haben, sondern vor allem weil die vier Prozent Rendite ein Märchen waren, das bald nach in Kraft treten der Riesterreform wie eine Seifenblase platzte.

Wie andere Mainstreamzeitungen auch, kritisiert THELEN die Köchin-Modellrechnung des DGB, jedoch ohne deren Quelle zu nennen. Im Gegensatz zu unseriösen Darstellungen, kritisiert THELEN nur, dass eventuell mögliche Rentenerhöhungen beim DGB unberücksichtigt bleiben. Dafür könnte man THELEN für die perverse Wortschöpfung "Nettorentenniveau vor Steuern" kritisieren, denn dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass von "Nettorentenniveau" im Grunde keine Rede sein kann, denn je nach Geburtsjahrgang muss diese angebliche Nettorente bis zu 100 Prozent versteuert werden, weshalb die von den DGB-Kritikern genannten Zahlen nicht weniger unrealistisch sind als die DGB-Zahlen.

"Bleibe es beim geltenden Recht werde das Rentenniveau bis 2060 gegenüber heute um weitere sechs Prozentpunkte auf 42 bis 41 Prozent sinken",

zitiert THELEN den Kritiker RULAND. Die Wirtschaftswoche erklärte uns dagegen unlängst, dass das Rentenniveau bis 2045 unter 40 Prozent sinken könnte (vgl. TUTT & CASPAR 16.09.2016). Die Deutsche Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht August folgende Rechnung aufgemacht:

"In den Simulationen sinkt dabei das GRV-Versorgungsniveau bis zum Jahr 2060 auf etwa 40½ %, sofern – wie im Rentenversicherungsbericht – die Beitrags- und Ansparphase auf 45 Jahre begrenzt bleibt. Bei einer Verlängerung auf 47 Jahre parallel zu der beschlossenen Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters liegt das GRV-Niveau ab Erreichen der letzten Anhebungsstufe um etwa 2 Prozentpunkte höher und damit bei gut 42% im Jahr 2060." (2016, S.74)

Die Kritik von RULAND an Lebensleistungsrente, Ostrentenangleichung (Vorhaben gemäß Koalitionsvertrag), Mütterrente (CSU-Forderung) und Stabilisierung des Rentenniveaus als Bundestagswahlkampfthema stimmt mit der Handelsblatt-Linie überein.

THELEN, Peter (2016): Die Gretchenfrage bei der Rente.
Leidartikel zur HB-Serie Zukunft der Rente (1): Genug der Wahlgeschenke in der Rentenpolitik!
in:
Handelsblatt v. 22.09.

Nach Lesart der Generationenkrieger ist die Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Rente Ausdruck einer Gerontokratie bzw. Rentnerdemokratie. Peter THELEN erklärt uns dagegen, dass vor allem die junge Generation ein Interesse an der Stabilisierung hat:

"Denn diese trifft die bisherige Rechtslage weit heftiger als die heutigen Rentner (...). Denn erst ab 2021 (...) wächst demografiebedingt die Zahl der Rentner an. Die Folge wird eine Beschleunigung des Rückgangs des Rentenniveaus sein."

Meist wird der jungen Generation nur die halbe Wahrheit präsentiert und den Jungen lediglich ein Interesse an einem stabilen Beitragssatz unterstellt. Durch die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung wird der Beitragssatz jedoch stabilisiert, selbst wenn er moderat steigt. Das Rentenniveau wird dadurch jedoch stärker als in den Schönfärbereien der Befürworter einer kapitalgedeckten Altersvorsorge abgesenkt.

MEYER, Jörg (2016): Dem Empörungsgestus entgegentreten.
Ver.di-Chef Frank Bsirske über die AfD, die DGB-Rentenkampagne und den SPD-Beschluss zu CETA,
in:
Neues Deutschland v. 26.09.

Frank BSIRSKE berichtet, dass es im DGB bis Januar eine Einigung über das anzustrebende Rentenniveau geben soll. Dabei wird es auch um die Höhe des Beitragssatzes gehen.

"Wenn wir heute schon ein Rentenniveau von 43 Prozent hätten, müsste jemand, der 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes erhält, das wären rund 2.400 Euro brutto, rund 40 Jahre lang arbeiten, um eine Rente auf Grundsicherungsniveau zu erreichen",

erklärt uns der Ver.di-Chef, der insbesondere Teilzeitbeschäftigte, Minijobber, Menschen im Niedriglohnsektor und westdeutsche Frauen, die durchschnittlich nur auf 30 Beitragsjahre kommen, als Problemgruppen ansieht.

"Die Bundesagentur für Arbeit muss wieder für Langzeitarbeitslose Beiträge an die Rentenversicherung zahlen",

fordert der Gewerkschafter, der die Riester-Rente als gescheitert betrachtet.

BÖRSCH-SUPAN, Axel/BUCHER-KOENEN, Tabea/RAUSCH, Johannes (2016): Szenarien für eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung,
in:
ifo Schnelldienst Nr.18 v. 29.09.

Abdruck des gleichnamigen MEA-Diskussionspapier vom 19. August 2016. BÖRSCH-SUPAN/BUCHER-KOENEN/RAUSCH verfolgen mit dem Artikel drei Ziele:
1) Eine Vorausschätzung der Entwicklung bis 2060
2) Auswirkungen einer Stabilisierung des Rentenniveaus bei 45, 46 und 50 Prozent aufzeigen
3) Plädoyer für eine kostensenkende Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung und eine Neudefinition der Standardrente (mehr hier)

ÖCHSNER, Thomas (2016): Dramatische Prognose für die Rente.
Nach 2030 wird das Rentenniveau deutlich sinken - von heute 48 Prozent des Durchschnittslohns auf knapp 42 im Jahr 2045,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.09.

Dramatische Prognose? Die Wirtschaftswoche behauptete bereits Mitte September, dass nach der Prognose des Bundesarbeitsministeriums mit einem Sinken des Rentenniveaus bis 2045 unter 40 Prozent zu rechnen sei. Nun sind es "nur" 41,6 Prozent. Schon damals wurde auf dieser Website auf Prognosen der Prognos AG und der Bundesbank hingewiesen, die dieses Jahr in Umlauf gebracht wurden und eine ähnliche Entwicklung wie jetzt das Bundesarbeitsministerium aufzeigten.ÖCHSNER geht es um ein Mindestrentenniveau, das möglichst niedrig angesiedelt ist:

"In der Koalition ist eine Grenze von 45 Prozent im Gespräch",

behauptet er, nur weil sein Lieblingspolitiker, der katholische Familienfundamentalist Karl SCHIEWERLING (CDU) diese Position vertritt. Andere sind da jedoch noch unverschämter. Daneben werden uns die Positionen von BDA und VdK genannt.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Beitrag zur Rentenversicherung droht kräftig zu steigen.
Regierungsprognose bis 2045. Rentenniveau sinkt. Beitragssatz überschreitet 23 Prozent,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.09.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Rentenfachleute fordern Obergrenze für Beitragssatz.
Die Aussicht auf Beiträge von 25 Prozent löst Widerstand aus und den Ruf nach einer "Haltelinie" nicht nur für das Rentenniveau,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.09.

DOEMENS, Karl (2016): Renten im freien Fall.
Sozialministerium legt Prognose zur langfristigen Entwicklung vor,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.09.

SIEMS, Dorothea (2016): Nahles sitzt in der Rentenfalle.
Nach 2030 sinkt das Sicherungsniveau deutlich. Doch jede Verbesserung ist enorm teuer und treibt die Beiträge in die Höhe,
in:
Welt v. 29.09.

Dorothea SIEMS geht es zum einen darum die Altersarmut zu verharmlosen und zum anderen den Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge zu rechtfertigen. Die Stabilisierung des Rentenniveaus lehnt sie dagegen ab. Dazu hat sich SIEMS bei der Deutschen Rentenversicherung mit Zahlenmaterial bedient, jedoch wird verschwiegen, wie viel Steuern von der "Standardrente netto vor Steuern" (welch ein bürokratisches Wortungetüm!) zu zahlen ist, denn jeder kommende Geburtsjahrgang unterliegt einer höheren Besteuerung der Renten - bis die 100-Prozent-Marke erreicht wird. Dies geschieht gerade dann, wenn das Rentenniveau dem Tiefstpunkt entgegenstrebt.

THELEN, Peter (2016): Es geht steil bergab.
Rentenniveau,
in:
Handelsblatt v. 29.09.

Peter THELEN befasst sich nur in einer Kurzmeldung mit den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums. Wichtig ist ihm nur, dass die Prognose nur bei einer langfristigen Zuwanderung von 200.000 Menschen pro Jahr zum richtigen Ergebnis kommt. THELEN zitiert Markus KURTH von den Grünen, der eine Stabilisierung für finanzierbar hält, wenn die Mütterrente durch Steuern finanziert würde und Selbständige in die Rentenversicherung miteinbezogen würden.

SOZIALE SICHERHEIT-Titelthema: Kurswechsel in der Rentenpolitik.
Was sich ändern muss

NAKIELSKI, Hans (2016): DGB-Gewerkschaften starten Rentenkampagne.
Kurswechsel in der Rentenpolitik gefordert,
in:
Soziale Sicherheit, Heft 9

Hans NAKIELSKI erklärt uns die Differenzen zwischen den dominierenden DGB-Einzelgewerkschaften:

"Die IG Metall hatte jüngst in ihrem Rentenkonzept gefordert, dass das Rentenniveau schrittweise auf mehr als 50 % angehoben werden müsse. Auch ver.di strebt eine deutliche Anhebung des Niveaus an. Demgegenüber setzt die IG Bergbau, Chemie und Energie vor allem auf Verbesserungen bei den Betriebsrenten."

Um Spielraum für eine Erhöhung des Rentenniveaus zu erhalten, macht der DGB folgende Vorschläge:

"Würden jetzt die verschicherungsfremden Leistungen - wie z.B. die Mütter-Renten - voll aus Steuermitteln bezahlt und der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) früher als sowieso notwendig »maßvoll« angehoben und so eine Demografiereserve aufgebaut, wäre das Rentenniveau bis in die 2030er Jahre stabil, ohne den Beitrag bis dahin über 22 % steigen zu lassen."

SCHÄFER, Ingo (2016): Die Rente muss auch morgen reichen!.
Zur Entwicklung der Löhne, Renten und des Rentenniveaus,
in:
Soziale Sicherheit, Heft 9

Ingo SCHÄFER erklärt uns mit welchen Maßnahmen seit 1997 das Rentenniveau gesenkt wurde. Dazu gehört nicht nur die Änderung der Rentenformel, sondern auch andere Leistungskürzungen, die zur Verringerung von Renten unterhalb der Standardrente führten:

"Altersrenten, die auf mindestens 35 Versicherungsjahren beruhen, sind deutlich hinter dem verfügbaren Durchschnittsentgelt zurückgeblieben. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei den Erwerbsminderungsrenten (EM-Renten) für Männer."
(2016, S.347)

Von einer Politik der Beitragssatzstabilisierung kann nicht gesprochen werden, sondern der Beitragssatz wurde sogar stark gesenkt:

"Als Folge dieser massiven Leistungskürzungen, einer aktuell guten wirtschaftlichen Entwicklung sowie einer relativ günstigen demografischen Situation ist von 2005 bis 2016 der Beitragssatz um rund 4 % gesunken (seit 1999 sogar um 8 %). Und dies obwohl die Zahl der Rentner/innen in diesem Zeitraum um rund eine Million gestiegen ist."
(2016, S.347)

Hinzu kommt noch die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung, die zu einer weiteren Beitragssatzentlastung führt:

"Dies entspricht effektiv einer Beitragssatzentlastung bei Durchschnittseinkommen von heute 2 und künftig etwa 3 Prozentpunkten."

SCHÄFER weist darauf hin, dass dies passierte, obwohl der Rentenversicherung seit 2010 über 30 Mrd. Euro an Mitteln entzogen und damit den Beitragszahlern aufgebürdet wurden:

"durch Kürzung der Bundeszuschüsse, Streichung von Rentenversicherungsbeiträgen für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder die Nichterstattung von versicherungsfremden Leistungen, z.B. bei der Mütterrente seit Juli 2014"
(2016, S.347)

Diese politischen Maßnahmen führten dazu, dass die Durchschnittsrenten innerhalb von 10 Jahren um über 10 Prozent hinter den Löhnen zurückblieben.

Im nächsten Schritt erläutert uns SCHÄFER warum die private Altersvorsorge diese Rentenlücke nicht schließen kann und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssten, um das Rentenniveau zu stabilisieren. Mit Hinweis auf die Berechnungen des letzten Alterssicherungsberichts 2012, erklärt uns SCHÄFER, dass eine Debatte, die sich allein auf den Beitragssatz der gesetzlichen Rente fokussiert, der Belastung der Arbeitnehmer nicht gerecht wird:

"Soll (...) im Drei-Säulen-Modell ein Leistungsniveau bei Rentenzugang wie vor den Reformen erreicht werden, ist nach Angaben der Bundesregierung im Jahr 2015 ein Gesamtbeitrag von 24,1 % (18,7 GRV, 4 % Riester und 1,4 % zusätzliche »Privat-Rente« nötig. Bis 2030 wird der Gesamtbeitragssatz im Drei-Säulen-Modell nach Annahmen der Bundesregierung auf rund 29 % (21,9 % GRV, 4 % Riester, 3,2 % zusätzliche  »Privat-Rente«) steigen müssen, wenn das Gesamtversorgungsniveau gegenüber der Zeit vor den (Riester-)Reformen nicht sinken soll. Davon müssten dann die Arbeitnehmer 18 % alleine zahlen - ohne Arbeitgeberbeteiligung."
(2016, S.349)

Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass die private Altersvorsorge keine zusätzliche Absicherung bei Erwerbsminderung oder für die Hinterbliebenen beinhaltet. Von daher wäre eine Erhöhung des Beitragsatzes bei der gesetzlichen Rente effektiver als die Profite der Finanzdienstleistungsbranche zu subventionieren.

SCHÄFER fordert, dass ein Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge nicht zu Lasten der Sozialversicherungen gehen darf, was bislang nicht der Fall ist.

NAKIELSKI, Hans (2016): "Gerade die 20- bis 40-Jährigen profitieren von unseren Vorschlägen.
Acht Fragen an Annelie Buntenbach zur DGB-Rentenkampagne,
in:
Soziale Sicherheit, Heft 9

"Ein Koch mit 40 Beitragsjahren bekommt heute eine Rente von 755 Euro. Läge das Rentenniveau heute schon bei nur 43 Prozent, wären es 677 Euro",

variiert Annelie BUNTENBACH das Köchinnen-Beispiel der DGB-Broschüre als Antwort auf eine Kritik der BDA. Eine Tabelle zeigt uns folgenden Anstieg der Bezieher von Grundsicherung im Alter:

Tabelle: Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung 2003 - 2015 (jeweils am 31.12.)
Jahr Grundsicherung
im Alter
Grundsicherung bei
Erwerbsminderung
Zusammen
2003 257.743 181.097 438.831
2004 293.137 232.897 526.034
2005 342.855 287.440 630.295
2006 370.543 311.448 681.991
2007 392.368 340.234 732.602
2008 409.958 357.724 767.682
2009 399.837 364.027 763.864
2010 412.081 384.565 796.646
2011 436.210 407.820 844.030
2012 464.066 435.780 899.846
2013 497.433 464.754 962.187
2014 512.198 490.349 1.002.547
2015 536.121 501.887 1.038.008
Quelle: Soziale Sicherheit 2016, Heft 9, S.351

Experten behaupten, dass wir derzeit in einem "demografischen Zwischenhoch" leben. Dann dürften eigentlich die Zahlen nicht steigen, wenn dem so wäre.

Die wirtschaftsnahen Lobbyisten betonen, dass der Beitragsatz steigen muss, wenn das Rentenniveau stabilisiert wird. BUNTENBACH zeigt, dass deren Rechnungen die jetzigen Lasten der Arbeitnehmer verharmlosen:

"Wenn alle nicht beitragsgedeckten und versicherungsfremden Leistungen voll aus Steuermitteln erstattet würden, wären die Beitragszahler von den ihnen aufgebürdeten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben entlastet. Und, was gerne vergessen wird: Wer riestert, zahlt ja schon heute vier Prozent mehr Beitrag als sein Arbeitgeber - praktisch also nicht nur 18,7 Prozent, sondern 22,7 Prozent. In 2030 also nicht 22, sondern 26 Prozent."

KÖHLER-RAMA, Tim (2016): Merkel und die Rente.
Kommentar: Der Rentenpolitik der Regierung Merkel seit 2005 fehlt die Programmatik,
in:
Zeitschrift für Sozialreform, Heft 3, S.341-350

Tim KÖHLER-RAMA kritisiert, dass die Untergrenze des Rentenniveaus weder geeignet sei den Lebensstandard zu sichern, noch die Armutsvermeidung. Letzteres folgt aus der Tatsache, dass der Standardrentner nicht repräsentativ sei. Deutschland sei im OECD-Vergleich zu wenig armutsfest:

"Geringverdienende haben in praktisch allen Ländern deutlich höhere Ersatzraten, d.h. bei der Rentenberechnung werden niedrige Einkommen höher gewichtet. Dies lässt sich nicht nur sozialpolitisch gut mit der durchschnittlich kürzeren Lebenserwartung und damit kürzerer Rentenbezugszeit von Geringverdienern begründen, sondern dient vor allem dem Ziel der Armutsvermeidung."

KÖHLER-RAMA meint, dass dieses Manko durch das Festhalten am des Versicherungsprinzips begründet ist. Tatsächlich wird gerne mit dem Argument der versicherungsfremden Leistungen argumentiert. Wenn jedoch solche Fürsorgeelemente, die sowieso schon im gesetzlichen Rentensystem vorhanden sind, steuerfinanziert werden, dann kann es dagegen auch keine Einwände geben. Dies wird jedoch leider nicht so gehandhabt.

INSM (2016): Vierköpfige Familie müsste fast 1.000 Euro mehr zahlen.
Studie zum Rentenniveau,
in:
Pressemitteilung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft v. 05.10.

Pressemitteilung der neoliberalen Lobbyorganisation INSM, in der die Studie Wie beeinflusst ein höheres Rentenniveau das Nettoeinkommen der Beitragszahler? der neoliberalen Lobbyorganisation IW Köln lanciert wird. Jochen PIMPERTZ & Martin BEZNOSKA haben eine "empirisch fundierte Modellrechnung" vorgelegt, die nur 14 Seiten umfasst, obwohl es sich dabei um ein sehr komplexes Problem handelt. Das liegt u.a. daran, dass keine neuen Zahlen verwendet werden, sondern auf veraltete Zahlen des Rentenversicherungsberichts 2015 und bekannte Berechnungen von PIMPERTZ zurückgegriffen wird:   

"Das Status-quo-Szenario geht analog zum Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung von einem Absinken des Sicherungsniveaus vor Steuern von 47,5 Prozent im Jahr 2015 bis auf 44,6 Prozent im Jahr 2029 aus, bei mittlerer Beschäftigungs- und Lohnentwicklung klettert der Beitragssatz gleichzeitig bis auf 21,5 Prozent. Dem werden die Szenarien mit einem künftig konstanten Sicherungsniveau vor Steuern von 47,5 Prozent respektive von einem höheren Rentenniveau von 50 Prozent gegenüber gestellt (Pimpertz, 2016, 14)."(S.4)

Eine Kritik der unlauteren Berechnungen findet sich hier.

SCHWENN, Kerstin (2016): Nahles gegen stark steigende Rentenbeiträge.
Die Arbeitsministerin will bald erklären, welches Rentenniveau sie langfristig für angebracht hält. Ökonomen haben berechnet, dass schon ein konstantes Niveau zu starken Belastungen führt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.10.

Kerstin SCHWENN macht sich zum Sprachrohr des INSM-Auftragskurzgutachtens Wie beeinflusst ein höheres Rentenniveau das Nettoeinkommen der Beitragszahler?

"So verringerte sich das Nettoeinkommen eines Alleinstehenden ohne Kinder im Jahr 2030 um 277 Euro im Jahr, wenn das Rentenniveau bei 47,5 Prozent und der Beitragssatz bei 23,5 Prozent lägen. Eine vierköpfige Familie mit zwei Durchschnittsverdienern hätte sogar 560 Euro weniger im Jahr über",

erklärt uns Kerstin SCHWENN die Berechnungen von Jochen PIMPERTZ & Martin BEZNOWSKI im Auftrag der neoliberalen Lobbyorganisation INSM.

Man kann dieses Beispiel auf eine Ebene mit dem in den Medien falsch dargestellten Köchinnen-Beispiel des DGB und den umstrittenen WDR-Berechnungen stellen, die insbesondere von der FAZ/FAS mit Vehemenz kritisiert wurden. Auch hier wird mit Statistik gelogen bzw. eine Darstellung gewählt, die bewusst verzerrt ist.

SCHWENNs Behauptung, dass es sich um eine Belastung im Jahr 2030 handelt, ist irreführend, denn die Autoren schreiben in ihrem Lesebeispiel, das analog auf das Beispiel mit 2 Kindern angewandt werden kann:

"Würden die getroffenen Annahmen zur Beitragssatzentwicklung bereits heute gelten, bedeutet das für einen Paar-Haushalt ohne Kinder mit zwei sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigen bei einem für diese Haushaltskonstellation durchschnittlichen Einkommen" (2016, S.13)

Wir haben es also mit einer Form von Berechnung zu tun, die derjenigen des WDR im April entspricht, die einen Sturmlauf der Arbeitgeberlobby ausgelöst hat. Dass nun IW Köln-Ökonomen uns praktisch eine Kopie der WDR-Berechnungen - nur unter entgegen gesetzten Vorzeichen vorsetzen, kann man eigentlich nur mit dreist bezeichnen. Man darf also gespannt sein, ob diese Berechnungen gleichfalls eine solch immense Medienaufmerksamkeit erhalten wie die WDR-Berechnungen im April diesen Jahres. 

Das arithmetische Mittel der Studie ist nicht etwa repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland - noch nicht einmal für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, sondern berechnet sich aus einer "Auswahl von Haushaltskonstellationen", die nicht begründet wird und bei der auch nicht klar wird, inwiefern diese Auswahl repräsentativ ist für die Bevölkerung in Deutschland, die 2030 Renten erhalten wird.

"Neben dem arithmetischen Mittel für das sozialversicherungspflichtige Bruttoeinkommen und das Markteinkommen werden auch die entsprechenden Mittelwerte für die Haushalte der unteren Hälfte der Verteilung respektive der oberen Hälfte der Verteilung berechnet, um eine Spannbreite von möglichen Einkommenseffekten darstellen zu können",

wird uns erklärt. Weder die Annahmen zur unteren noch zur oberen Hälfte werden begründet, sondern einfach nach Kriterien festgesetzt, die nicht nachvollzogen werden können.

SCHWENN greift zwei Beispielrechnungen aus 12 IW-Fallbeispielen heraus: Der kinderlose Alleinstehende betrifft ca. 5,1 Millionen erwachsene Personen in Deutschland. Das Doppelverdiener-Paar betrifft nur ca. 1,1 Millionen erwachsene Personen. SCHWENN greift insgesamt ca. 6,2 Millionen Betroffene von 19,2 Millionen erwachsenen Betroffenen heraus, für die das IW Köln uns überhaupt Beispielrechnungen vorlegt. Davon sind lediglich ca. 16,2 Millionen Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

In Deutschland gibt es heutzutage ca. 30 Millionen sozialversicherpflichtige Beschäftigte, d.h. die Berechnungen des IW decken lediglich ca. 50 % dieser Personen ab. Das Beispiel des kinderlosen Singles betrifft ca. 17 %. Das Doppelverdiener-Paar noch nicht einmal 4 %.

Das jährliche Bruttoeinkommen der ca. 17 Prozent kinderlosen Alleinstehender besitzt eine Spannbreite von 20.866 Euro bis 54.182 Euro. Das Beispiel von SCHWENN mit 277 Euro Belastung bezieht sich auf das Durchschnittseinkommen von 38.193 Euro. Die Stabilisierung des Rentenniveaus kostet diesen Single also 0,7 Prozent seines Jahresbruttoeinkommens. Dafür erhöht sich jedoch die Standardrente um 6 Prozent, von dem dieser Single ebenfalls profitieren würde. Dieser Nutzen wird von den Autoren jedoch nicht berechnet, weshalb hier von einseitiger Betrachtungsweise gesprochen werden muss. Analog könnte man dies auch für alle weiteren Beispiele durchrechnen.

Fazit: SCHWENN stellt uns die Berechnungen erstens falsch dar und zweitens bleibt die Nutzenseite der Rentensteigerung unberücksichtigt. Die Berechnungen selber sind nicht seriös, weil sie weder repräsentativ sind, noch nachvollziehbar, weil die Annahmen, die diesen Berechnungen zugrunde gelegt werden, nicht offen gelegt werden. Wir haben es hier also mit Propaganda einer Lobbyorganisation zu tun. Dass die FAZ diese Berechnungen unkritisch veröffentlicht, spricht nicht für die Qualität dieser Zeitung!

EUBEL, Cordula (2016): Was bleibt.
Arbeitsministerin Andreas Nahles will bald ein Konzept für eine Rentenreform vorstellen. Doch über viele Punkte wird noch gestritten,
in:
Tagesspiegel v. 06.10.

Cordula EUBEL erzählt uns Bullshit über die Rentenpolitik von Andrea NAHLES:

"Nach Seehofer und Gabriel fordert nun auch Sozialministerin Nahles, die bereits geltenden Zielwerte bis 2030 zu überdenken und beim Rentenniveau eine »Haltelinie« einzuführen."

Davon kann keine Rede sein. Lediglich das Rentenniveau nach 2030 bis 2045 steht bezüglich einer Untergrenze derzeit zur Debatte. Nur Gewerkschaften, Linke und Sozialverbände wollen das Niveau bereits vor 2030 stabilisieren.

Das Sozialministerium hat letzte Woche auch keine Berechnungen, die über das Jahr 2030 hinausgehen, veröffentlicht, sondern verweigert uns beharrlich Einblick in die Berechnungen, aus denen nur Medien zitieren, sodass ein Nachvollzug nicht möglich ist.

Fazit: Keine Neuigkeiten bei EUBEL über die Rentendebatte, dafür aber Stimmungsmache gegen eine Stärkung der gesetzlichen Rente vor der Tagung des Koalitionsausschusses.

ARI (2016): Eine Anzahlung.
Kommentar: Rentenniveau,
in:
Tagesspiegel v. 06.10.

Der Kommentar sieht in Österreich hinsichtlich des Rentenniveaus ein Vorbild.

"In dem Nachbarland zahlen auch Selbständige in die Rentenversicherung, und außerdem wird die Beamtenversorgung an die gesetzliche Rente angepasst",

wird uns erzählt. Warum aber wird die Beamtenversorgung an die Rentenversicherung angepasst? Angeblich ist diese doch besser. Wenn dem so wäre, dann müsste umgekehrt das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung der Beamtenversorgung angepasst werden. Da ist also etwas oberfaul!

STEFFEN, Johannes (2016): Fürsorgebedarf und Rentenniveau.
Akzeptanz der Pflichtversicherung steht auf dem Spiel,
in:
sozialpolitik-portal v. 07.10.

Johannes STEFFEN widerlegt die Sicht von Franz RULAND, wonach sich der Abstand von Rente und Grundsicherung vergrößert:

"Während der durchschnittliche Bruttobedarf älterer Bezieherinnen und Bezieher von Fürsorgeleistungen – nach Bundessozialhilfegesetz, Grundsicherungsgesetz beziehungsweise Kapitel 4 SGB XII – im Zeitraum von 2000 bis 2016 um 45 Prozent gestiegen ist, legte der Zahlbetrag des aktuellen Rentenwerts um lediglich 16,3 Prozent zu. Der Abstand zwischen Fürsorge und Netto-Standardrente (Rente aus 45 Entgeltpunkten nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) verringerte sich von monatlich 474 Euro auf 391 Euro; lag der Ermittlung der Altersrente im Schnitt der 45 Beitragsjahre nur ein Verdienst von 75 Prozent des Durchschnittsentgelts zugrunde, so sank die Differenz von 216 Euro auf gerade noch 92 Euro. Der Abstand der Rente zur Grundsicherung wird nicht größer, er schrumpft – und das in einem bedenklichen Ausmaß und Tempo. Auch in Zukunft wird diese Entwicklung voraussichtlich anhalten"

BEZNOSKA, Martin & Tobias HENTZE (2016): Die Wirkung des demografischen Wandels auf die Steuereinnahmen in Deutschland.
Infolge der hohen Nettozuwanderung wachsen derzeit die Bevölkerung und damit auch die Anzahl der Erwerbsfähigen in Deutschland. Bereits in wenigen Jahren wird sich die demografische Entwicklung jedoch umkehren,
in:
IW-Trends v. 11.10.

HANDELSBLATT-Serie: Zukunft der Rente (Teil 4)

THELEN, Peter (2016): Die Zeit zurückdrehen.
Die Gewerkschaften wünschen sich die "gute alte Rentenversicherung" zurück,
in:
Handelsblatt v. 13.10.

Peter THELEN passt die ganze Richtung der DGB-Gewerkschaften nicht. Er nennt uns zwar die Finanzierungsvorstellungen für die Stabilisierung des Rentenniveaus, aber nur um sie mit einem Halbsatz vom Tisch zu wischen. Statt einer begründeten Argumentation werden uns von Medien in Umlauf gebrachte Zahlen als "erste amtliche Prognose" verkauft. Wo sind also diese Zahlen? Bislang werden sie uns vorenthalten, sind also nicht überprüfbar.

THELEN spricht von "unlauteren Modellrechnungen" des DGB. Leider ist er auf einem Auge blind, denn die Gegenseite ist genauso unlauter: nämlich bei den Auswirkungen einer Stabilisierung auf die Nettoeinkommen. Diese werden uns von THELEN unkritisch als Grafik präsentiert. Sollten wir nicht kapiert haben, was unser Reaktion darauf zu sein hat, sagt uns das  THELEN noch explizit: Die Zahlen sollen erschrecken - also Stimmungsmache statt Argumentation! Denn nicht nur die Gewerkschaften fordern eine Stabilisierung, sondern auch Christian BÄUMLER ("Chef der CDU-Sozialausschüsse").

Während Kerstin SCHWENN am 6. Oktober in der FAZ noch überzeugt, war, dass es in dieser Legislaturperiode keine Festlegung mehr auf eine Untergrenze beim Rentenniveau geben wird, verkündet uns THELEN nun anderes:

"Nahles weiß, dass sie mit ihren Zahlen der Kampagne hilft. Es kümmert sie wenig. Denn die SPD-Politikerin ist längst entschlossen, wenn eben möglich noch in dieser Legislaturperiode eine neue Haltelinie beim Rentenniveau ins Gesetz zu schreiben. Sie soll an die Stelle der 43 Prozent treten, unter die das Niveau nach geltendem Recht bis 2030 nicht fallen darf. Je mehr bei der Rente jetzt schon geregelt werden kann, um so weniger wird übrigbleiben für einen schmutzigen Rentenwahlkampf 2017, ist ihre Devise."  

SIEMS, Dorothea (2016): Steuerzahler können die Rente nicht retten.
Alternde Gesellschaft führt ab 2025 zu einem Einbruch der Einnahmen. Gleichzeitig steigt der Bundeszuschuss,
in:
Welt v. 13.10.

Dorothea SIEMS posaunt die PR der Unternehmenslobby IW Köln hinaus, die die Haushaltsfinanzen in der Broschüre Die Wirkung des demografischen Wandels auf die Steuereinnahmen in Deutschland schlecht redet, um Forderungen nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus abzuwehren. Unter welchen Vorrausetzungen der angebliche "Steuereinbruch" eintritt, das verschweigt uns das Sprachrohr SIEMS.

HANDELSBLATT-Serie: Zukunft der Rente (Teil 5)

THELEN, Peter (2016): Länger leben und arbeiten.
Diese Gleichung geht vor allem für Geringverdiener nicht auf,
in:
Handelsblatt v. 21.10.

Gemäß THELEN ginge eine Politik der Lebensarbeitszeitverlängerung zulasten der Geringverdiener, die auch durch die Senkung des Rentenniveaus schon stärker belastet wird. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus kommt für THELEN jedoch nicht infrage.

DETTMER, Markus/GODECK, Daniel/SAUGA, Michael/SCHMERGAL, Cornelia (2016): Teure Aussichten.
Soziales: Kanzlerin Merkel hat die Rente zur Chefsache erklärt. Um sich bei älteren Wählern beliebt zu machen, plant die Koalition ein großes Rentenpaket. Es könnte Milliarden kosten - und den Alterskassen neue Probleme schaffen,
in:
Spiegel Nr.43 v. 22.10.

Im Gegensatz zu Kerstin SCHWENN in der FAZ vom 06. Oktober erklärt uns der Spiegel, dass eine  neue Untergrenze beim Rentenniveau doch noch geplant ist. Damit lenken DETTMER u.a. elegant davon ab, dass die Gewerkschaften, denen MERKEL angeblich entgegen kommt, eine Stabilisierung bereits vor 2030 fordern und nicht erst nach 2030:

"Denkbar wäre, die Untergrenze von 43 Prozent über das Jahr 2030 fortzuschreiben. Schon das würde Geld kosten. Doch die Milliardenbeträge und Beitragssteigerungen wären überschaubar im Vergleich zu den Forderungen, die bereits auf dem Tisch liegen",

machen uns die Autoren eine kosmetische Operation am Rentenniveau schmackhaft. Beim Mindestniveau ringen Neoliberale um den niedrigsten, kostengünstigsten Wert: Bislang liegt dieser bei 40 Prozent. Bietet jemand noch weniger?

Die Frage lautet nicht unbedingt, wie hoch dieses Mindestniveau angesetzt werden muss, um einen Rentenwahlkampf zu verhindern, sondern auf welchen anderen Feldern kann den Gewerkschaften eine Kompensation angeboten werden. Hier steht ganz oben der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge auf der Liste der kostengünstigsten Variante, mit der die Gewerkschaften durch Machtausbau geködert werden können.

RÜRUP, Bert (2016): Falsches Spiel mit dem Rentenniveau.
Leidartikel: Der gegenwärtige Streit über die Rentenpolitik ist bizarr,
in:
Handelsblatt v. 24.10.

Bizarr ist vor allem eines: Bert RÜRUP widerlegt Argumente zum Rentenniveau, die uns untergeschoben werden. Angeblich sind wir dumm und wissen nicht, was das Rentenniveau ist. Wir hängen Irrlehren nach. Statt uns Zitate von Diskutanten zu liefern, die nachprüfbar sind, wird ein Popanz aufgebaut, um neoliberales Gedankengut in Umlauf zu bringen.

"Nun wird bald ein neuer, etwa 30 Jahre anhaltender massiver Alterungsschub Deutschland erfassen",

lügt uns RÜRUP an. Das glauben nicht einmal Neoliberale. Axel BÖRSCH-SUPAN geht dagegen davon aus, dass der "Alterungsschub", der erst im nächsten Jahrzehnt einsetzt, bereits 2045 endet. Ob dieser jedoch so "massiv" ist, hängt von Unsicherheitsfaktoren der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung ab. Die wahre Intention solcher Beschwörungen liegt woanders:

"Wer statt 45 Jahren nur 25 Jahre Beiträge zahlt, der bekommt eben wenig Rente (...). Wer diesen Personen innerhalb des Rentenversicherungssystems helfen will, muss das Äquivalenzprinzip infrage stellten."

RÜRUP spielt hier zwei Prinzipien der Rentenversicherung gegeneinander aus: zum einen das Versicherungsprinzip und zum anderen das Fürsorgeprinzip. Diese beiden Prinzipien sind aber schon immer Teil des Rentensystems gewesen und führte nicht zur Delegitimierung, denn solange Fürsorgeelemente steuerfinanziert werden, gibt es keine Probleme. Das gleiche gilt für versicherungsfremde Leistungen, die seit der Wiedervereinigung den Beitragszahlern statt den Steuerzahlern aufgebürdet wurden.

"Je steiler die These, desto schauriger ließe und lässt sich der unmittelbar bevorstehende Untergang Deutschlands an die Wand malen. Genau diese Zuspitzung war aber letztlich die Stimmung, in der die »Agenda 2010« gedeihen konnte" (2013, 16),

verkündet uns RÜRUP und sein Co-Autor in dem Buch Fette Jahre. Neoliberale schrecken also nicht davor zurück uns Lügen aufzutischen, nur um erwünschte Reformen durchzupeitschen. RÜRUP gehört zu jenen, die für die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung und die Kollateralschäden der kapitalgedeckten Altersvorsorge mitverantwortlich sind. Sie würden uns deren Erfolg noch verkünden, wenn dieses System des Finanzkapitalismus bereits in Trümmern läge.

LAMBECK, Fabian (2016): Drei Säulen stützen die Rente nicht.
Volkssolidarität fordert Neuorientierung und präsentiert eigene Vorschläge zu verlässlicher Alterssicherung,
in:
Neues Deutschland v. 24.10.

Die rentenpolitischen Leitlinien der Volkssolidarität sehen kurzfristig eine Stabilisierung des Rentenniveaus und mittelfristig eine Anhebung auf 53 Prozent vor. Die gesetzliche Rentenversicherung soll wieder eine lebenstandardsichernde Funktion erhalten.

EUBEL, Cordula & Rainer WORATSCHKA (2016): SPD will schnelle Einigung bei der Rente.
Union sieht dagegen keine Notwendigkeit. Bundesregierung warnt vor wachsender Altersarmut,
in:
Tagesspiegel v. 27.10.

Dass der SPD-Politiker Thomas OPPERMANN vom rechten Seeheimer Kreis gegen einen Rentenwahlkampf ist, ist keine Neuigkeit. Der CDA-Vorsitzende Karl-Josef LAUMANN sieht dagegen keinen Bedarf an einer schnellen Festlegung eines neuen Mindestrentenniveaus.

BUNTENBACH, Annelie (2016): Weniger als eine Kinokarte.
Gastwirtschaft: Was die Stabilisierung kosten würde,
in:
Frankfurter Rundschau v. 28.10.

"Und im Jahr 2025 würde es einen Durchschnittsverdiener gerade mal 7,29 Euro im Monat kosten, wenn wir das Rentenniveau stabilisieren. Das ist weniger als eine Kinokarte", erklärt uns Annelie BUNTENBACH.

EUBEL, Cordula & Stephan HASELBERGER (2016): "SPD und Union müssen handeln".
Der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering wünscht sich eine Rentenreform vor der Wahl - und warnt vor Angstmacherei,
in:
Tagesspiegel v. 28.10.

Franz MÜNTEFERING lässt sich erst im dritten Anlauf überhaupt auf eine Frage zum richtigen Mindestrentenniveau ein und das auch nur widerwillig:

"Die Haltelinie sollte auf keinen Fall unter 43 Prozent liegen."

HAERDER, Max & Christian RAMTHUN (2016): Was für ein Niveau.
Rentenpolitik: Die große Koalition ringt um gleich mehrere Reformprojekte. Deren hervorstechende Merkmale: teuer und meist auch überflüssig,
in:
Wirtschaftswoche Nr.45 v. 28.10.

Neoliberale Mainstreamjournalisten haben sich inzwischen hinsichtlich des Rentenniveaus auf ein Mantra geeinigt:

"Dass diese Kennziffer in den kommenden Jahren nach unten drehen wird, bedeutet nur, dass die Renten in Zukunft weniger stark steigen werden als die Löhne - steigen werden sie aber trotzdem."

Dies ist nichts als eine Verharmlosung drohender Altersarmut, denn die Kluft zwischen Löhnen und Renten wird bereits seit Anfang des Jahrtausends immer größer. Dieses neoliberale Mantra soll dies nur verschleiern. Ganz gravierend ist die Lage für Niedrigverdiener, denn für sie bedeutet das Absenken des Rentenniveaus, dass immer mehr auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sein werden.

HAERDER & RAMTHUN präsentieren uns zudem noch veraltete Daten des Rentenversicherungsberichts 2015, der mit einer zu optimistischen Rendite der privaten Altersvorsorge gerechnet hat. Der noch unveröffentlichte Alterssicherungsbericht 2016 geht dagegen von einer geringeren Rendite aus, was den Autoren offensichtlich nicht zu ihrer Argumentation gepasst hat, denn sonst hätten sie sich auf die neuen Zahlen gestützt.

Zum Stand der Rentenpolitik haben uns HAERDER & RAMTHUN nichts Neues zu berichten. Kennzeichnend für die Einseitigkeit der Berichterstattung ist, dass zur Stabilisierung des Rentenniveaus lediglich der Unternehmenslobbyist Michael FUCHS (CDU) zitiert wird.

MEYER, Jörg (2016): Die Rente wird Wahlkampfthema.
Linke-Sozialpolitiker Matthias W. Birkwald über notwendige Reformen, die Zukunft der Riester-Verträge und betriebliche Vorsorge,
in:
Neues Deutschland v. 29.10.

Matthias W. BIRKWALD von der Linkspartei setzt sich für eine Rente nach Mindestentgeltpunkten und eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent ein. Er rechnet uns vor, dass der Nutzen einer höheren Rente die Kosten der Anhebung übersteigt:

"Das würde durchschnittlich verdienende Beschäftigte mit 3.022 Euro brutto 33 Euro mehr im Monat kosten. Die Zahlung von vier Prozent vom Brutto in einen Riester-Vertrag könnte dann wegfallen - durchschnittlich 108 Euro plus steuerliche Zulagen. Macht unterm Strich 75 Euro mehr im Monat. Auf der anderen Seite kämen 130 Euro mehr Rente im Monat für diejenigen raus, die 45 Jahre zum Durchschnittsverdienst gearbeitet haben."

Die betriebliche Altersvorsorge kritisiert BIRKWALD, weil die Entgeltumwandlung der gesetzlichen Rente schadet. Solange dies nicht behoben wird, ist die betriebliche Altersvorsorge nicht akzeptabel. 

THELEN, Peter (2016): Rentenniveau.
Nahles' neue Haltelinie,
in:
Handelsblatt v. 31.10.

Während von Peter THELEN bei den vom Handelsblatt bevorzugten Reformen die Kosten kleingerechnet werden, geht er beim Rentenniveau in die Vollen. Dabei schreckt er auch nicht vor Lügen zurück:

"Seit 2000 ist das Niveau der gesetzlichen Rente netto vor Steuern von über 50 auf aktuell knapp unter 48 Prozent (...) gesunken. (...) Sozialverbände und Gewerkschaften halten das für nicht akzeptabel. Sie wünschen sich die alten 50 Prozent zurück."

Im Jahr 2000 lag das Rentenniveau bei 52,9 Prozent und nicht nur bei über 50 Prozent wie THELEN suggeriert. Die 50 Prozent wurden erst 2011 erreicht. Auf 53 Prozent anheben will die Linkspartei und der ostdeutsche Sozialverband Volkssolidarität das Rentenniveau - Positionen, die THELEN nicht erwähnt, um die DGB-Forderung höher erscheinen zu lassen als sie tatsächlich ist. Zu den Kosten greift THELEN auf eine Berechnung der Unternehmenslobbyisten vom IW Köln zurück, wobei nur die Zahlen für das Jahr 2030 genannt werden, weil diese am höchsten sind.

SPECHT, Frank (2016): Doppelte Haltelinie.
Leidartikel: Warnung der Politik in der Rentendebatte,
in:
Handelsblatt v. 02.11.

Als Sprachrohr der Unternehmenslobby wendet sich Frank SPECHT gegen jegliche Form eines Mindestrentenniveaus. Dazu nennt SPECHT Kosten, die nur auf den ersten Blick abschreckend wirken, nämlich dann, wenn man die Argumentation nicht auseinandernimmt:

"Allein das Rentenniveau auf dem heutigen Stand von knapp 48 Prozent einzufrieren würde die Rentenkasse bis 2029 insgesamt mehr als 100 Milliarden kosten."

Die Kosten verteilen sich jedoch auf 15 Jahre, weshalb sie sich lediglich auf 7 Milliarden pro Jahr belaufen würden - also kaum mehr als die von der CSU geforderte Mütterrente, die jedoch nur einem kleinen Teil der Rentner zugute kommen würde. Während die Mütterrente sofort hohe Kosten verursachen würde, würde eine Stabilisierung auf dem heutigen Niveau bis 2025 so gut wie keine Kosten verursachen. Wie die Situation in 10 Jahren aussieht, ist wieder eine ganz andere Sache, denn alle Berechnungen zur weiteren Bevölkerungsentwicklung basieren auf zu pessimistischen Annahmen.

Ganz vernachlässigt wird durch die Fixierung auf die Kostenseite, der Nutzen einer Stabilisierung des Rentenniveaus.

SPECHT behauptet nun, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus dazu führen könnte, dass die Pläne zur Stärkung der Kapitaldeckung in der Schublade verschwinden könnten. Dies ist Unsinn, da die Verhandlungen zum Betriebsrentenstärkungsgesetz so gut wie abgeschlossen sind wie der heutige Bericht der SZ zeigt. Vielmehr will SPECHT verhindern, dass die Unternehmenslobby zu viel Zugeständnisse bei ihren Lieblingsprojekten machen muss.

BOLLMANN, Ralph (2016): 10 Renten-Mythen.
Immer mehr Alte, immer weniger Junge, und die Renten sinken unaufhaltsam: Vor dem Wahlkampf malen die Parteien die Katastrophe an die Wand. Dabei sieht die Wahrheit anders aus,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 06.11.

Ralph BOLLMANN hat die Greatest Hits der neoliberalen Interpretationen zur Alterssicherung zusammengetragen. Die Aufmachung erinnert weniger an eine seriöse Zeitung als an ein großes Boulevardblatt.

Als erster Mythos soll der Satz "Die Renten sinken weiter" entlarvt werden. Niemand hat jedoch behauptet, dass die Rentenhöhe bei den Bestandsrentnern sinkt, wie Neoliberale suggerieren wollen. Sie lenken mit dieser Falschdarstellung davon ab, dass die Rentenhöhe im Vergleich zu den Löhnen für Neurentner zukünftig sinkt, was etwas ganz anderes ist. 

GROTH, Julia (2016): Klassiker mit Tücken.
Anlagekonzepte: Aktien-ETFs sind die Favoriten unter den Indexfonds. Ganz so einfach, wie die Anbieter gerne sagen, sind sie allerdings nicht,
in:
Handelsblatt v. 08.11.

Bei Fonds befehden sich die Anbieter von "aktiv" gemanagten und passiven Fonds. Ein beliebter Köder, um unsere Gier zu entfachen, ist der Blick zurück auf einen Aktienindex, und sich eine Zeitspanne herauszugreifen, die mächtig Eindruck macht:

"Beim Blick auf den Verlauf des deutschen Aktienindex Dax 30 in den vergangenen zehn Jahren wird klar: (...). Insgesamt stieg das deutsche Aktienmarktbarometer in diesem Zeitraum um 66,6 Prozent."

Das sind 6,6 Prozent pro Jahr und dabei sind die Kosten noch nicht einmal enthalten. In anderen Artikeln werden uns heutzutage sogar noch 7 oder 8 Prozent Rendite versprochen. Skepsis ist vor allem dann geboten, wenn weder das Einstiegsdatum, noch das Ausstiegsdatum genannt wird, denn dann könnte man nachprüfen, ob das nicht gerade ein Tiefststand war, den in der Praxis selten jemand erwischt. Aber es ist typisch für solchen Finanzmarktjournalismus, der nicht auf Aufklärung, sondern auf Verführung setzt. Welches Bild haben Journalisten von ihren Lesern, die mit solchen Mitteln arbeiten?

"Markt schlägt Manager. Das stimmt allerdings nicht immer wie Zahlen der Fondsratingagentur Morningstar zeigen",

ist eine der Floskeln, die hier Julia GROTH anwendet, mit denen uns aktiv gemanagte Fonds, an denen die Anbieter bekanntlich mehr verdienen, schmackhaft gemacht werden.

DOEMENS, Karl (2016): Überraschende Zahlen zum Rentenniveau.
Wert dürfte 2016 auf 48 Prozent steigen und sich dann weiter erhöhen. Erst von 2021 an ist mit einem Rückgang zu rechnen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 09.11.

Karl DOEMENS, neoliberaler Einpeitscher der FR, verspricht uns vollmundig angeblich überraschene Zahlen:

"Berechnungen für den neuen Rentenversicherungsbericht, die Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag wenige Stunden vor einem Koalitionsgipfel zur Alterssicherung öffentlich machte. (...)(Danach) dürfte das Rentenniveau in diesem Jahr von 47,5 auf 48 Prozent steigen. Bis 2020 dürfte der Wert nach Informationen der Frankfurter Rundschau weiter leicht steigen. Erst ab 2021 geht er dann zurück."

Bereits der Rentenversicherungsbericht 2015 sah einen Anstieg des Rentenniveaus für 2016 und 2017 vor (vgl. 2015, S.40). Bis 2030 soll das Rentenniveau gemäß DOEMENS auf 44,5 Prozent zurückgehen. Im gerade veröffentlichten Alterssicherungsbericht 2016 heißt es stattdessen noch:

"Entwicklung des Sicherungsniveaus vor Steuern (...), welches (...) nach den Berechnungen des Rentenversicherungsberichts 2016 bis zum Jahr 2030 auf 44,3 Prozent zurück geht."

Da fragt man sich also höchstens, inwiefern beim Rentenversicherungsbericht noch in letzter Sekunde Korrekturen vorgenommen wurden, um die Situation noch stärker schönzufärben. Man braucht offenbar dringend positive Meldungen, um die drohende Altersarmut verharmlosen zu können.

DOEMENS will uns zudem mit einem Langfristvergleich verdummen. Er nimmt sich jenen Rentenversicherungsbericht heraus, der ihm argumentativ zu seiner neoliberalen Argumentation passt. Ehrlicher wäre es jedoch, wenn sowohl die positiven als auch die negativen Abweichungen bei den Prognosen genannt würden. Es zeigt sich nämlich, dass die Trefferquote nicht einmal über einen Zeitraum von 5 Jahren besonders hoch ist, was daran liegt, dass eine Vielzahl von Faktoren die Rentenentwicklung bestimmen. Bereits ein Vergleich der tatsächlichen mit der prognostizierten Beitragssatzentwicklung, die ja oberste Priorität bei der Rentenpolitik hat, zeigt Abweichungen in beide Richtungen.

Ziel von DOEMENS' Argumentation ist es, die Debatte um eine Stabilisierung des Rentenniveaus als überflüssig, zumindest aber als nicht so dringend hinzustellen. Diese Taktik steht im Einklang mit dem sich abzeichnenden Scheiterns des Koalitionsgipfels in Sachen Rentenreformen.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Das Rentenniveau steigt an.
Standardrente erreicht 48 Prozent des Durchschnittslohns,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 09.11.

Im Gegensatz zu Karl DOEMENS merkt Dietrich CREUTZBURG wenigstens an, dass bereits der Rentenversicherungsbericht 2015 einen Anstieg prognostiziert hat.

"Erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts werden die sogenannten Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel für einen langsamen Rückgang sorgen",

erklärt uns CREUTZBURG, während DOEMENS das Rentenniveau bereits 2021 im Sinkflug sieht.

BEEGER, Britta & Dietrich CREUTZBURG (2016): Selbständige sollen mehr fürs Alter vorsorgen.
500.000 Unternehmer sind nicht genügend abgesichert,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.11.

BEEGER & CREUTZBURG zitieren Prognosen des "amtlichen Schätzerkreises", verschweigen uns jedoch, dass diese dem Vortrag Das Rentenniveau – Bedeutung und Relevanz für das System der gesetzlichen Rentenversicherung von Alexander GUNKEL, dem Arbeitgebervertreter bei der Deutschen Rentenversicherung, entnommen sind, den dieser auf einem Presseseminar hielt. Darin heißt es:

"Nach den jüngsten Berechnungen des gemeinsamen Schätzerkreises von Deutscher Rentenversicherung Bund und Bundessozialministerium wird sich bei unveränderter Rechtslage das Netto-Rentenniveau vor Steuern von derzeit 48,0 Prozent auf 41,7 Prozent im Jahr 2045 reduzieren. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung würde nach dieser Rechnung auf 23,6 Prozent steigen.
Eine Stabilisierung des Netto-Rentenniveaus vor Steuern auf dem Niveau von 48,0 Prozent hätte – unter sonst gleichen Annahmen – eine Erhöhung des Beitragssatzes bis auf 26,9 Prozent im Jahr 2045 zur Folge."

Weil also GUNKEL lediglich eine Einfrierung auf dem jetzigen Niveau nennt, erklären uns BEEGER & CREUTZBURG dies zum Ziel der Gewerkschaften. Tatsächlich soll das Rentenniveau weiter angehoben und nicht nur eingefroren werden.

RAMTHUN, Christian & Max HAERDER (2016): Zwei Prozent mehr Rente.
Der Aufschlag soll im nächsten Jahr weitaus geringer ausfallen als zuvor,
in: Wirtschaftswoche Nr.47
v. 11.11.

Die Wirtschaftswoche, die eifrig am Feindbild Andrea NAHLES gearbeitet hat und schon die Prognosen zur Entwicklung des Rentenniveaus bei unter 40 Prozent wähnte, rudert nun kräftig zurück und verkündet uns die frohe neoliberale Botschaft:

"Den deutschen Rentnern insgesamt droht keinesfalls eine massenhafte Verarmung."

Die Stärkung der Kapitaldeckung wird in Stellung gebracht gegen eine Stabilisierung des Rentenniveaus. Angeblich sei das billiger - ganz sicher kommt es jedoch den Profitinteressen der Finanzdienstleister entgegen.

CREUTZBURG, Dietrich (2016): Rente macht unsicher.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.11.

Dietrich CREUTZBURG knöpft sich das einhellige Feindbild unserer neoliberalen Mainstreamjournalisten vor: das Rentenniveau. Er hält die Debatte anlässlich der Prognosen eigentlich für überflüssig, aber der Ruf der Alterssicherung sei beschädigt. Was wohl heißen soll, dass die Eigendynamik der Debatte nicht mehr zu stoppen sei.

GEYER, Johannes & Peter HAAN (2016): Länger arbeiten.
Forum: Das kann nur mit einem wirksamem Schutz vor Altersarmut funktionieren
in:
Süddeutsche Zeitung v. 14.11.

Wie bei der FAS wird auch von GEYER & HAAN verschwiegen, dass eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung nur in Verbindung mit einer Neudefinition der Standardrente (Anpassung der Beitragsjahre an die Regelaltersgrenze) das Rentenniveau auf niedrigem Niveau (43 Prozent) "stabilisieren" würde.

STEFFEN, Johannes (2016): Das »dynamisierte« Sicherungsniveau.
Kommt Schummelsoftware jetzt auch bei der Rente zum Einsatz?
in:
sozialpolitik-portal.de v. 15.11.

IWD (2016): Rente realistisch gerechnet.
Rentenniveau: Ein Jahr vor der Bundestagswahl scheint klar, dass die Rente wohl das alles beherrschende Wahlkampfthema sein wird. Deshalb wird die Bundesregierung nicht müde, den Bundesbürgern zu vermitteln, dass das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinkt. Aller Voraussicht nach wird das tatsächlich nicht geschehen - erst recht wenn man berücksichtigt, dass die Menschen künftig länger arbeiten,
in: iwd Nr.34
v. 17.11.

Was bislang nur von Neoliberalen gefordert wird, aber in amtlichen Rentenversicherungsberichten noch nicht umgesetzt wurde, nämlich die Definition des Eckrentners gemäß der Verschiebung des Renteneintrittsalters, das hat das Lobbyinstitut der Arbeitgeber nun zur Grundlage von Berechnungen des Rentenniveaus gemacht. Eine solche Neudefinition wäre identisch mit einer Rentenkürzung, was uns der Beitrag aber verschweigt. Hier geht es erst einmal nur darum, Akzeptanz für die Neudefinition zu schaffen, indem die Vorteile aufgezeigt werden, nämlich ein höheres Rentenniveau ohne dass dazu Beitragserhöhungen notwendig wären. Die Folgen einer Neudefinition für die Rentenformel bleiben außen vor, denn wenn das Durchschnittseinkommen erst mit 47 statt mit 45 Versicherungsjahren erreicht wird, bedeutet dies ein niedrigeres Rentenniveau nach nur 45 Jahren.

So suggeriert eine Tabelle, dass wird 2029 nach 45 Jahren 1.824 Euro zu erwarten hätten. Dies entspräche nach 47 Jahren einer Rente von 1.905 Jahren. Das IW Köln legt also nahe, dass wir durch eine zwei Jahre längere Arbeitszeit eine um monatlich 81 Euro höhere Rente erhalten würden.

Dies stimmt jedoch nur, wenn die Rentenformel nicht angepasst wird. Dies ist aber das Ziel. In diesem Fall würden wir dann die 1.824 Euro nicht bereits nach 45, sondern erst nach 47 Jahren erreichen. Die 81 Euro, die den Arbeitnehmern vorenthalten werden, könnten die Arbeitgeber als Gewinn für sich buchen. Dies ist keineswegs abwegig, denn der Ökonom Axel BÖRSCH-SUPAN hat mit Mitarbeitern schon im August solche Berechnungen mit einer Änderung der Rentenformel im Zusammenhang einer Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung angestellt (mehr auch hier). Ein Eingriff in die Rentenformel ist für Neoliberale kein Tabu, wenn es denn weitere Kosten spart.

IWD (2016): Eines ist sicher: steigende Beiträge.
Rente: Aufgrund des demografischen Wandels müssen die Beitragszahler in Zukunft selbst dann höhere Lasten schultern, wenn das Rentenniveau sinkt. Ein konstantes oder gar höheres Rentenniveau würde den Beitragszahlern zusätzliche Kosten aufbürden,
in: iwd Nr.34
v. 17.11.

Auch diese Berechnung des IW Köln spiegeln nur die Interessen der Arbeitgeber und der Spitzenverdiener, aber nicht jene der Schlechterverdiener wider, weil er das Kosten-Nutzenverhältnis verschleiert. Zum einen werden die Eurobeträge pro Jahr statt pro Monat angegeben. Zudem wird so getan, als ob mit dem heutigen Einkommen, das gleich bleibt, ein immer höherer Betrag gezahlt werden, weil das Einkommen nicht wie im vorigen Beitrag bis 2029 hochgerechnet wurde. Dadurch erscheinen die Kosten untragbar, obwohl dies nicht der Fall ist. Solche Darstellungstricks hat der Statistikprofessor Gerd BOSBACH mit einem Ko-Autor in dem Buch Lügen mit Zahlen aufgelistet. 

ÖCHSNER, Thomas (2016): 47 statt 45.
Wie viele Jahre arbeitet ein Durchschnittsmensch bis zur Rente?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.11.

RETZLOFF, Arne (2016): Ein Stück vom Kuchen.
Das Lügenspiel der Ergo-Versicherungsgruppe - eine Innenansicht,
in:
Neues Deutschland v. 18.11.

Uns wird erzählt, dass das Rentenniveau in Zukunft bei 40 Prozent liegen wird - und das nutzt in erster Linie den Profitinteressen von Versicherungen und Banken, die bekanntlich über zu geringe Profite jammern.

PETER, Tobias (2016): Die SPD-Kraftbrühe für 2017.
Ein gewichtiges Impulspapier soll Grundlage des nächsten Wahlprogramms werden,
in: Frankfurter
Rundschau v. 23.11.

Punkt 1.5 Alterssicherung (S.15f.) des Positionspapiers Fortschritt und Gerechtigkeit - Chancen für alle der SPD-Programmkommission, der von Tobias PETER unerwähnt bleibt, gibt einen Einblick in das Schwafelpapier, das zur Rente nichts Konkretes zu bieten hat:

"Die gesetzliche Rentenversicherung steht gegenwärtig gut da. Die Reformen der vergangenen Jahre wirken, die Erwerbsbeteiligung ist so hoch wie nie zuvor, auch gestützt durch eine gute Konjunktur. Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt bis 2020 stabil. Gleichzeitig steigen die Renten, auch dank des Mindestlohns, spürbar. 2016 gab es die größten Rentenerhöhungen seit 23 Jahren. Auf längere Sicht steht die Alterssicherung in Deutschland vor großen Herausforderungen: Das Rentenniveau muss stabilisiert werden. Wir wollen, dass die Menschen auch nach dem Jahr 2020 in die gesetzliche Rentenversicherung vertrauen können. Dafür muss gelten: Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, verdient eine angemessene Rente, ohne auf eine Grundsicherung angewiesen zu sein. Arbeitsleistung muss sich in der Rente widerspiegeln! Unterschiedliche  Erwerbsphasen und Erwerbsformen müssen anerkannt und abgesichert werden. Und wir müssen die Rente bei Erwerbsminderung stärken. Die Übergänge von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand müssen an die Lebenswirklichkeit angepasst werden. Veränderte Erwerbsverläufe verlangen mehr flexible, individuelle Übergänge. Viele Menschen leben und arbeiten in der heutigen Zeit vielfältiger und selbstbestimmter. Dies bringt mehr Risiken für die soziale Absicherung mit sich. Das Rentensystem muss dies berücksichtigen, damit Menschen auch im Alter ihren Lebensstandard sichern können und vor Armut geschützt sind. Deshalb muss jede Erwerbstätigkeit auch zu einer Absicherung für das Alter beitragen. Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen wir auch die weiteren Säulen der  Alterssicherung stärken. Bei Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen sowie in nicht tarifgebundenen Unternehmen gibt es Lücken bei der betrieblichen  Altersvorsorge. Diese wollen wir schließen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Einkommen soll es einfacher werden, betrieblich für das Alter vorzusorgen. Die SPD hält es für erforderlich, die steuerlich geförderte private Altersvorsorge neu zu ordnen."

Nach diesem Papier könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Betriebsrentenstärkungsgesetz für diese Legislaturperiode auf Eis gelegt wurde. Oder hat der Programmkommission keiner mitgeteilt wie es derzeit in unserer Welt aussieht? Auf Seite 68 findet sich unter Punkt 7 Zeit für eine gerechte Rente und soziale Sicherheit im Alter folgendes:

"Die gesetzliche Rentenversicherung steht gegenwärtig gut da. Darauf können wir aufbauen. Wir wollen das Rentenniveau stabilisieren und die Rente zukunftsfest machen. Wir wollen die Erwerbsminderungsrentner besser stellen. Und eine Mindestrente einführen für Menschen, die über vier Jahrzehnte lang Vollzeit gearbeitet haben. Bisher nicht versicherte Erwerbstätige wie Solo-Selbstständige wollen wir besser absichern."

Wenn das Wahlprogramm der SPD ein Kondensat dieses Geschwafels sein soll, was bitte bleibt dann noch zum Thema Alterssicherung übrig? Ein Mitglied der Programmposition ist Thomas OPPERMANN und der ist bekanntlich gegen die Rente als Wahlkampfthema!

taz-Schwerpunkt: Renten - Sozialministerin Andrea Nahles will noch im November ein neues Konzept erstellen. Wichtigste Vorgabe: Viel kosten darf es nicht

DRIBBUSCH, Barbara (2016): Basteln an den Renten der Zukunft.
Vorschläge: Von einem Konzept in der Rentenpolitik ist die Große Koalition nach wie vor weit entfernt,
in:
TAZ v. 24.11.

Barbara DRIBBUSCH stellt uns die Kritik an einer Besserstellung von Geringverdienern im Rentensystem vor. In dieser Hinsicht trifft sich DRIBBUSCH mit dem Welt-Journalisten Thomas VIZTHUM:

"solche Aufstockung könnte neue gefühlte Ungerechtigkeiten produzieren, etwa wenn TeilzeitarbeiterInnen mit der Aufstockung das gleiche Altersgeld bekämen wie Vollzeitarbeiterinnen. Auch Ehefrauen, die wenig gearbeitet haben, könnten von der Ergänzung profitieren, selbst wenn das Paareinkommen im Alter hoch ist",

erklärt uns DRIBBUSCH. VITZHUM bringt für das Beispiel Ehefrau die Zahnarztgattin, die in der Praxis des Ehemanns aushilft, wobei man sich hier fragen muss, wie viel Promille dies in Deutschland betrifft. 2015 gab es gerade einmal 39.980 männliche Zahnärzte. Wie viele davon mit einer Zahnarzthelferin auch noch verheiratet sind, das ist unbekannt. Jedenfalls dürfte der Anteil von Spitzenverdienern, die eine Geringverdienerin geheiratet haben, äußerst gering sein - aber Neid interessiert sich bekanntlich nicht für Statistiken.

Die Entwicklung des Rentenniveaus und des Beitragssatzes nach 2030 ist für DRIBBUSCH die wichtigste Gerechtigkeitsfrage, die jedoch einer Rentenkommission übertragen werden soll.

BMAS (2016): Gesamtkonzept zur Alterssicherung.
Bundesministerin Andrea Nahles hat heute ihr Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorgestellt,
in:
Pressemitteilung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales v. 25.11.

Zum Konzept der doppelten Haltelinie wird im Gesamtkonzept zur Alterssicherung folgendes ausgeführt:

"In Orientierung an den Anfang der 2000er Jahre gefundenen Kompromiss, in Anbetracht der sehr guten Lage am Arbeitsmarkt, einem ausgeglichenen Bundeshaushalt und einem robusten Wirtschaftswachstum sowie unter Berücksichtigung der Maßnahmen zur Steigerung der Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge erscheint das Festhalten an einem Niveau in Höhe von 46 % als untere Haltelinie konsensfähig. Damit wird an dem schon heute gesetzlich formulierten Ziel, dieses Niveau auch über das Jahr 2020 hinaus anzustreben, langfristig festgehalten.
Im Vergleich zu einem Niveau nach geltendem Recht von 44,5 % im Jahr 2030 und von 41,7 % im Jahr 2045 würde diese Niveauanhebung die monatliche Bruttostandardrente im Jahr 2030 um 46 Euro und im Jahr 2045 um 141 Euro (jeweils in heutigen Werten) erhöhen.
Es muss eine doppelte Haltelinie gelten. Für den Beitragssatz wird an der Obergrenze von 22 % bis zum Jahr 2030 festgehalten und eine Haltelinie von 25 % bis zum Jahr 2045 empfohlen.
Um die Haltelinien realisieren zu können, muss die Beteiligung des Bundes - gekoppelt an die besonderen demografischen Herausforderungen - höher ausfallen. Hierfür sollte ein Demografiezuschuss des Bundes eingeführt werden, der in Relation zu den Rentenausgaben bestimmt wird. Unter Berücksichtigung der Maßnahmen des Konzepts beträgt der Demografiezuschuss ab dem Jahr 2030 1,5 % und ab dem Jahr 2040 2,5 % der Rentenausgaben. In heutigen Werten entspricht dies 4,2 Mrd. Euro im Jahr 2030 und 7,8 Mrd. Euro im Jahr 2045."
(2016, S.29)

Bei den Kostenannahmen geht die Modellrechnung von folgenden Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung aus:

"Die Modellannahmen zur Bevölkerungsentwicklung orientieren sich an der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (Variante 2). Da diese auf dem Stand 31. Dezember 2013 beruht und inzwischen überholt ist, wird die Berechnung auf dem zuletzt veröffentlichten Bevölkerungsstand (31. Dezember 2015) aufgesetzt sowie die verfügbaren tatsächlichen Wanderungssalden, Sterbezahlen und Geburtenziffern der letzten Jahre berücksichtigt. Die mittlere fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Frauen wird bis zum Jahr 2045 auf 87,2 Jahre ansteigen. Bei Männern wird ein Anstieg auf 82,8 Jahre erwartet. Die Wanderungssalden berücksichtigen die zuletzt hohe Zuwanderung, langfristig wird von einer jährlichen Nettozuwanderung von 200.000 Personen ausgegangen. Entsprechend den Annahmen der amtlichen Vorausberechnung wird bei der Fertilität eine zusammengefasste Geburtenziffer von 1,4 Kindern pro Frau im gebärfähigen Alter unterstellt."

Die Geburtenziffer beträgt heute bereits 1,5 Kinder pro Frau, weshalb die Annahmen zur Zahl der Erwerbsfähigen zum Ende des Zeitraums unterschätzt wird. Auch bei der Lebenserwartung sind Zweifel angebracht, weil bereits heute das Renteneintrittsalter bei 67 und nicht bei 65 Jahren liegt. Ganz ungewiss sind dagegen die Wanderungssalden und ihre Bedeutung für den Arbeitsmarkt. 

STEFFEN, Tilman (2016): "Dieses Rentenkonzept ist ein großer Stimmenkauf".
Interview: Durch Steuergeld will Arbeitsministerin Nahles das Rentenniveau hoch, die Beiträge niedrig halten. Das geht zulasten der Jungen, kritisiert der Ökonom Marcel Fratzscher,
in:
ZEIT Online v. 25.11.

DRIBBUSCH, Barbara (2016): Ein Soli für die Rente.
Alter: Der "Rentengipfel" bringt nicht viel, aber Arbeitsministerin Nahles (SPD) hat einen Plan,
in:
TAZ v. 26.11.

Barbara DRIBBUSCH betont, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent eine Botschaft an die

"heute jungen Beitragszahler (war), die um ihr Ruhegeld in einigen Jahrzehnten bangen".

Diese seien durch Forschungsinstitute aufgeschreckt worden, die eine sich immer weiter öffnende "Schere zwischen Beiträgen und zu erwartendem Rentenniveau bis in 30 Jahren".

BEEGER, Britta (2016): Munition für den Rentenwahlkampf.
Sinnvoll oder Harakiri? Union und SPD haben sich geeinigt, die Osten-Reten anzugleichen und Erwerbsgeminderte besserzustellen. Doch Streitthemen bleiben,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 26.11.

Britta BEEGER stellt das Gesamtkonzept zur Alterssicherung von Andrea NAHLES vor und merkt an, wo es im Koalitionsausschuss keine Einigung gab. Das geht nicht ganz objektiv, sondern ist interessengeleitet, besonders bei dem FAZ-Hassthema Rentenniveau, während das Konzept von NAHLES Haltelinien bei 46 % (Rentenniveau) und 25 Prozent (Beitragssatz) vorsieht, wird bei BEEGER daraus:

"Das Ziel sei ein Wert von 48 Prozent und ein Beitragssatz von maximal 24 Prozent."

Das aber ist unverbindliche Schönwetterabsichtserklärung.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Wer soll das bezahlen?
Kommentar,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 26.11.

Kritik hagelt es für eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent:

"Man kann darüber reden, die gesetzliche Haltelinie von mindestens 43 Prozent des Durchschnittslohns über 2030 hinaus zu stabilisieren. Die 46 Prozent, die Nahles anpeilt, werden jedoch viel zu teuer."

SIEMS, Dorothea (2016): Nahles opfert mit ihrer Reform die Jungen.
Mit ihrem lang angekündigten Gesamtkonzept zur Alterssicherung eröffnet die Ministerin den Renten-Wahlkampf. Ökonomen sind entsetzt,
in: Welt
v. 26.11.

Der CDU-Abgeordnete Peter WEIß wird uns als "Vorsitzende(r) der Arbeitnehmergruppe der Union" verkauft. Der katholische Kirchenfunktionär wird als Kritiker von NAHLES' Haltelinie vereinnahmt. Der äußerte sich in der heutigen Ausgabe der Badischen Zeitung folgendermaßen:

"BZ: (...). Ministerin Nahles wollte eine Haltelinie beim Rentenniveau, worauf sich der Gipfel nicht einigte. Weiß: Ich werfe da die Flinte nicht ins Korn. Aktuell und in den nächsten Jahren haben wir beim Niveau überhaupt kein Problem. Dank der guten Konjunktur und der guten Lage am Arbeitsmarkt sinkt das Niveau nicht, es steigt eher. Richtig ist aber auch, dass junge Leute, die heute ins Berufsleben starten, wissen wollen, wie es nach 2030 um das Niveau steht. Diese Information ist für sie fraglos wichtig, um überhaupt abschätzen zu können, was jemand zusätzlich an privater oder betrieblicher Vorsorge für später machen muss. Wir sollten die Niveaufrage in aller Ruhe besprechen und eine Kommission beauftragen, bis, sagen wir, 2018 oder 2019 die Lage gründlich zu analysieren und konkrete Vorschläge zu machen."

WALKER, Bernhard (2016): CDU-Sozialexperte Peter Weiß über die Ergebnisse des schwarz-roten Rentengipfel.
BZ-Interview,
in: Badische Zeitung
v. 26.11.

DECKER, Markus (2016): "Es ist nicht in Ordnung, dass es bis 2025 dauert".
Der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin Hoff (Linke), kritisiert die rentenpolitischen Beschlüsse der großen Koalition,
in: Frankfurter
Rundschau v. 26.11.

Benjamin HOFF von der Linkspartei ist eine Mindestrente von 1.050 Euro wichtiger als die Stabilisierung des Rentenniveaus.

BEEGER, Britta (2016): Seehofer kritisiert Rentenpläne.
Beitragserhöhung wäre "Gift für den Arbeitsmarkt",
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 28.11.

Horst SEEHOFER und Sigmar GABRIEL haben viel gemeinsam: Wenn es um Sozialpolitik geht, dann sind 180-Grad-Kehrtwenden kein Problem:

"Seehofers Kritik erstaunt, weil er selbst im Frühjahr die Debatte um ein höheres Rentenniveau erst angestoßen hatte."

Das ist ein Vorgeschmack auf den kommenden Rentenwahlkampf. Die Wahlprogramme werden das Papier nicht wert sein, auf dem sie geschrieben sind.

BEEGER will uns weismachen, dass die Gewerkschaften sich widersprechen würden, obwohl sie Annelie BUNTENBACH nur die kurzfristige Stabilisierung des Rentenniveaus zuschreibt, während sie Reiner HOFFMANN die langfristige Rentenniveausteigerung andichtet. In Wirklichkeit betonen beide also nur unterschiedliche Phasen der geplanten Rentenniveauentwicklung.

THELEN, Peter (2016): Nahles' neue Balance.
Kommentar zum Generationenvertrag: Das Rentenkonzept der Arbeitsministerin geht nicht einseitig zulasten der Jungen,
in:
Handelsblatt v. 28.11.

Peter THELEN verteidigt die von Andrea NAHLES vorgeschlagene Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent, denn es gehe darum eine Legitimationskrise abzuwenden:

"Genau das will Nahles mit ihrem maßvollen Konzept (...). Den Jungen verspricht sie damit für ihre steigenden Beiträge mehr Gegenleistung. Sie justiert also den Generationenvertrag zugunsten der aktiven Generation neu. Auch deshalb ist unverständlich, dass die Union dabei nicht mitmachen will. Sie riskiert damit einen Rentenwahlkampf."

Nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern lediglich aus Wahlkampfgründen plädiert nun THELEN für ein Rentenniveau bei 46 Prozent. Noch Mitte September sollte NAHLES das Rentenniveau bei 40 Prozent stabilisieren:

"Noch hat sich Nahles (...) nicht festgelegt, wo sie ihre Haltelinie ziehen will. Sie wäre gut beraten, das in der Nähe der Prozentzahl zu tun, bei der das Niveau bis 2060 nach Schätzungen ohnehin landen dürfte: etwa 40 Prozent.".

Fazit: Wer innerhalb von nur zwei Monaten solche Kehrtwendungen vollzieht, den kann man nicht mehr ernst nehmen.

EUBEL, Cordula & Stephan HASELBERGER (2016): "Digitale Revolution kommt schneller, als vielen klar ist".
Ministerin Nahles über neue Herausforderungen in der Arbeitswelt und ihr Rentenkonzept,
in:
Tagesspiegel v. 28.11.

Andrea NAHLES propagiert das "persönliche Erwerbstätigenkonto". Auf die Frage, ob die Fortschreibung der Untergrenze des Rentenniveaus von 43 Prozent über 2030 hinaus, nicht genügen würde, antwortet sie:

"Als die Absenkung des Rentenniveaus beschlossen wurde, ging man davon aus, dass alle auch privat vorsorgen werden. Das ist nicht der Fall. Wir müssen deshalb die gesetzliche Rente als zentrale Säule der Altersversorgung stabilisieren."

SOMMERFELDT, Nando & Holger ZSCHÄPITZ (2016): 71 lautet die Lösung.
Eine Analyse offenbart: Das Rentensystem kann nur funktionieren, wenn die Deutschen deutlich später in den Ruhestand gehen,
in: Welt
v. 29.11.

SOMMERFELDT & ZSCHÄPITZ hofieren heute den neoliberalen Ökonom Lars FELD mit einer angeblichen Schockprognose. Dass diese "Schockprognose" Ende Mai auch von SOMMERFELDT & ZSCHÄPITZ verbreitet wurde, verschweigen sie uns lieber. Die Autorin dieser angeblichen Schockprognose unter der Fragestellung Wie lange arbeiten für ein stabiles Rentenniveau?, Susanne KOCHSKÄMPER, hat auf nur 3 Seiten ihre "Berechnungen" hingerotzt, die auf der Annahme beruhen, dass eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand, ein Renteneintrittsalter ab 2041 von 73 Jahren voraussetze. Berechnungen hat KOCHSKÄMPER aber gar nicht angestellt, sondern es handelt sich lediglich um ein "Gedankenexperiment", das zur "Kurzstudie" aufgeblasen wurde. Je mehr Schock, desto mehr Medien stürzen sich auf solche scheinwissenschaftlichen Texte. Dann spielt offenbar keine Rolle mehr, wie realistisch das ist.     

Auffällig ist nur eines: Solche Schockprognosen werden uns immer nur dann präsentiert, wenn es um die Stabilisierung des Rentenniveaus geht. Das ist auch hier der Fall:

"Feld hat in seiner Studie auch durchgerechnet, welche fiskalischen Folgen es hätte, sollte sich Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles mit ihrer Idee durchsetzen, das Rentenniveau bei 46 Prozent stabil zu halten. In diesem Fall würde der Beitragssatz auf weit über 25 Prozent steigen. Der Bundeszuschuss, der heute noch bei rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegt, würde dann gen fünf Prozent streben",

zitieren die Autoren. Was aber heißt "weit über 25 Prozent" - offenbar nicht weit genug, denn sonst hätten sie uns ja die Prozentzahl bestimmt genannt, oder? Das käme dann NAHLES' Gesamtkonzept wohl sehr nahe. Wo also ist das Problem?

BMAS (2016): Rentenversicherungs- und Alterssicherungsbericht 2016.
Arbeiten 4.0: Arbeitsministerin Andrea Nahles will, dass die Tarifparteien die Digitalisierung gestalten,
in:
Pressemitteilung Bundesministerium für Arbeit und Soziales v. 30.11.

SOZIALBEIRAT (2016): Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2016 und zum Alterssicherungsbericht 2016,
in: sozialbeirat.de v. 30.11.

LEITLOFF, Julian (2016): Immer auf uns Junge.
Gastkommentar,
in:
Welt v. 01.12.

Julian LEITLOFF, Mitbegründer der Initiative Unsere Zeit,  kritisiert die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent als "Stabilisierung auf einem historisch niedrigen Niveau"

Die Generation Y, als deren Fürsprecher sich LEITLOFF versteht, wird zur "Generation Krise" stilisiert. Die Website der Initiative vertritt den Wunschtraum unserer kreativen Klasse: das bedingungslose Grundeinkommen.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Zehn Wahrheiten über die Rente.
Wie lange müssen die Deutschen künftig arbeiten? Reicht die Alterssicherung? Ist alles gar nicht so dramatisch, sagen die einen. Die Rente wird ein großes Problem, sagen die anderen. Die wichtigsten Fakten und Folgen,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 03.12.

Thomas ÖCHSNER behauptet dreist, dass eine Kopplung des Renteneintrittsalters ein Garant dafür sei, dass ein Rentenniveau von 46 Prozent nicht unterschritten werden. Unter Punkt 9 heißt : Die Deutschen müssen länger arbeiten. Dazu werden uns neue Märchen aufgetischt:

"Das Rentenniveau würde nicht unter 42 Prozent sinken. So könnte man - ohne zusätzliche Steuermilliarden - das Rentenniveau auf 46 Prozent halten."

Die einzige aktuelle Berechnung zu einer Kopplung stammt von Axel BÖRSCH-SUPAN u.a. Nur bei einem sehr optimistischen und voraussetzungsreichen Szenario, würde das Rentenniveau nicht unter 42 Prozent sinken. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dazu eine permanente Neudefinition des Standardrentners vonnöten ist. Dies ist gleichbedeutend mit einer impliziten Rentenkürzung, denn bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren, müssten auch 47 statt 45 Beitragsjahre erreicht werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich würde damit noch größer werden. Dies wird uns von ÖCHSNER wohlweislich verschwiegen.

DAS PARLAMENT-Themenausgabe: Rentenpolitik im Visier.
Streit um Niveau der Altersversorgung

HEINE, Claudia (2016): Rauf statt runter.
Rente: Fraktionen streiten über das Für und Wider eines stabilisierten Niveaus der Alterssicherung,
in:
Das Parlament Nr.49-50 v. 05.12.

Claudia HEINE berichtet über einen Antrag der Linkspartei zur Rentenreform:

"Die Linke (legte) vergangene Woche einen Antrag (18/10471) vor, über den der Bundestag in der vergangenen Woche erstmals beraten hat. Darin fordert die Fraktion, das Rentenniveau der gesetzlichen Rente auf 53 Prozent anzuheben, die Deckelung des Beitragssatzes aufzuheben und die Dämpfungsfaktoren (Riester-Faktor und Nachhaltigkeitsfaktor) in der Rentenanpassungsformel zu streichen. Allerdings besteht auch bei diesem Antrag wenig Aussicht auf Erfolg, denn einen fast gleichlautenden, aber älteren Linken-Antrag (18/6878) fand sowohl bei Union und SPD, als auch bei Bündnis 90/Die Grünen keine Sympathien und wurde im Anschluss an die Debatte mit deren Stimmen abgelehnt."

Zum Betriebsrentenstärkungsgesetz wird uns die schönfärberische Position des CDU-Bundstagsabgeordneten Peter WEIß präsentiert:

"Die Zurückhaltung der Union in Sachen Rentenniveau machte Peter Weiß wieder wett, indem er »eine echte Revolution des deutschen Sozialrechts« ankündigte. Gemeint ist damit die Reform des Betriebsrentengesetzes. Rund 57 Prozent der Arbeitnehmer haben eine betriebliche Altersvorsorge - und dies vor allem in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst. Noch im Dezember will sich das Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf befassen, um den Kreis der Versicherten zu erweitern. Demnach ist geplant, Betriebsrentenansprüche von mindestens 100 bis maximal 200 Euro nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter anzurechnen. Außerdem soll es für Geringverdiener eine jährliche Förderung dieser Zusatzversorgung in Höhe von 480 Euro geben. »Das ist ein starkes Zeichen an die Arbeitnehmer. Wer wenig verdient, der bekommt von uns eine zusätzliche Hilfe«, betonte Weiß."

Man kann es auch anders sehen: Geringverdiener werden auf die Kapitalmärkte verwiesen, um die Profite der Finanzdienstleister zu stärken. Außerdem findet aufgrund der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter und durch die geringere Lebenserwartung von Geringverdienern eine Umverteilung von unten nach oben statt. 

HEINE, Claudia (2016): "Das ist keine Lösung".
Matthias W. Birkwald: Die Rentenpläne der Koalition schützen nicht vor Armut, kritisiert der Rentenexperte der Linken,
in:
Das Parlament Nr.49-50 v. 05.12.

Erst bei einem Rentenniveau von 53 Prozent ist für Martin W. BIRKWALD die Rente lebensstandarderhaltend. Dann könnte die Riester-Rente entfallen und die Beiträge wären für Arbeitnehmer sogar geringer. Lediglich die Arbeitgeber hätten dadurch geringere Profite zu erwarten.

KRUMP, Hans (2016): Der Wirtschaftswissenschaftler: Kai Whittaker.
Parlamentarisches Profil: "Bei den Rentenbeschlüssen profitieren auch Jüngere, etwa bei den Betriebsrenten",
in:
Das Parlament Nr.49-50 v. 05.12.

Der CDU-Haushaltspolitiker Kai WHITTAKER, Jahrgang 1985,  ist gegen ein Mindestrentenniveau von 46 Prozent, weil das angeblich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährde.

STURM, Daniel Friedrich (2016): SPD-Linke will Rentenniveau von 50 Prozent.
"Die Riester-Rente ist gescheitert",
in:
Welt v. 05.12.

Daniel Friedrich STURM hat Vorstellungen von Leni BREYMAIER "badenwürttembergische SPD-Vorsitzende"), Johanna UEKERMANN ("Juso-Chefin") und Matthias MIERSCH (Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion) zum Rentenniveau gesammelt.

DRIBBUSCH, Barbara (2016): Gärtnern statt Wellnesshotel.
Rentenreform: Für die Alterssicherung brauchen wir eine gerechte Umverteilung von reichen zu armen Senioren, nicht von Jung zu Alt,
in: TAZ
v. 06.12.

Barbara DRIBBUSCH erzählt uns Blödsinn über die gesetzliche Rente:

"Das Problem der gesetzlichen Rente bleibt das demografische Ungleichgewicht. Wenn es künftig weniger Jüngere und mehr Ältere gibt, dann kann die Alterssicherung nicht mehr so stark wie bisher auf einem Umlageverfahren zwischen Generationen beruhen."

Das Umlageverfahren ist keine Umverteilung zwischen Generationen, sondern zwischen Altersgruppen, genauso wie die Kapitaldeckung. Immer muss die mittlere Altersgruppe der Erwerbstätigen die Noch-Nicht-Erwerbstätigen und die Nicht-Mehr-Erwerbstätigen mitversorgen. Entscheidend ist also nicht die Zunahme der Älteren, sondern das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Kindern und Alten. Dieses ist jedoch viel günstiger als noch zu Zeiten als viele Kinder geboren wurden, von denen zudem viele starben bevor sie überhaupt gearbeitet haben.

Das Konstrukt Generationenvertrag ist eine Erfindung derjenigen, die sich aus der sozialen Verantwortung schleichen wollen. Es hat viel mit Moralismus und wenig mit den gesellschaftlichen Funktionsprinzipien zu tun. Außerdem wird uns eine bürgerliche Mittelschichtidylle als Vorbild präsentiert:

"Die zu Unrecht verachtete Rentnerkultur früherer Jahrzehnte mit Gärtnern, Stricken, Singen, Wandern und dem bezahlbaren Vereinsleben bedeutete wenig Konsum, aber keine soziale Ausgrenzung."

Leider berichtet DRIBBUSCH nicht darüber wann diese Kultur existiert hat und für wie viele Menschen dies der Alltag war. Es ist wohl vor allem eines: Wunschbild derjenigen, die in ihrer Mittelschichtblase leben.

Realistischer dagegen ist das Szenario ganz am Ende des Artikels: die zunehmende Kluft zwischen Armen und Reichen im Alter, die unsere Klassengesellschaft seit Anfang des Jahrtausends kräftig angestoßen hat.

"Jeder um die 60 Jahre kann das heute schon im Bekanntenkreis erleben - die Kluft zwischen den künftigen EmpfängerInnen von Minirenten oder Grundsicherung und den Vermögenden, den Erben, die im eigenen Häuschen wohnen",

meint DRIBBUSCH in ihrer einfältigen Mittelschichtexistenz. Weder die Oberschicht, noch die Unterschicht hat solche "Bekanntenkreise", sondern dort verkehrt man unter Seinesgleichen. Es  sind vor allem die Akademikerinnen, die in einer Vielzahl von Berufen des öffentlichen Dienstes bzw. Sozialstaats mit dieser Kluft konfrontiert sind.

DRIBBUSCH plädiert für mehr Steuerfinanzierung, deren Quellen nicht die Einkommenssteuer, sondern die Vermögens- und Erbschaftssteuer sein sollten.    

HOCK, Martin (2016): Nur die Aktie kann die Rente retten.
Deutsches Aktieninstitut fordert Stärkung der Riester-Rente,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 07.12.

BOSBACH, Gerd & Hans-Jürgen KORFF (2016): Neue Zahlen: Gesetzliche Renten seit 2000 dramatisch gesunken – Es ist Zeit zu handeln, Frau Nahles!
in: nachdenkseiten.de v. 08.12.

HOFFMANN, Reiner (2016): 50 Prozent Rentenniveau als Ziel.
Standpunkt,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 13.12.

Reiner HOFFMANN begrüßt das Gesamtkonzept von Andrea NAHLES als richtungweisend, jedoch gehen die DGB-Forderungen darüber hinaus:

"Wir wollen das Rentenniveau auf dem heutigen Stand von 48 Prozent stabilisieren. (..). Noch tiefer, gar auf unter 46 Prozent darf das Rentenniveau nicht sinken. (...) Wir müssen zum Konsens zurückkehren, dass nach jahrzehntelanger Beitragszahlung eine Rente stehen muss, die vor sozialem Abstieg schützt. Deshalb kann ein Rentenniveau von 48 Prozent auch nicht das letzte Wort sein, es muss in einem weiteren Schritt auf etwa 50 Prozent erhöht werden",

erklärt uns HOFFMANN, der damit die gesetzliche Rente nicht mehr als "lebensstandardsichernd", sondern nur noch als Absicherung gegen sozialen Abstieg definiert. Neben der gesetzlichen Rente soll die Betriebsrente erforderlich sein:

"Auf dieser Basis ließe sich eine verlässliche, zukunftsfähige Rentenpolitik gestalten, inklusive einer guten, breit aufgestellten und vom Arbeitgeber mitfinanzierten betrieblichen Altersversorgung. Auch daran arbeiten die Gewerkschaften. (...). (A)ls Gegenleistung gäbe es für die Älteren eine Rente, die den Lebensstandard sichert, und auf den Jüngeren würde weniger Druck lasten, die Rentenlücke privat auffüllen zu müssen."

Die Gewerkschaften sehen die Lebensstandardsicherung lediglich noch für die jetzige Rentengeneration gesichert, die Jungen dagegen werden auch von den Gewerkschaften auf die Kapitaldeckung verwiesen. Eine paritätische Finanzierung und ein höherer Steuerbeitrag sind für HOFFMANN dafür unabdingbar.

Ganz zum Schluss erst wird von HOFFMANN darauf hingewiesen, dass ein höheres Rentenniveau kein Allheilmittel ist, sondern ein starker Solidarausgleich notwendig ist. Die Prioritäten liegen also eindeutig auf dem Äquivalenzprinzip, was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass der Beitrag für die FAZ verfasst wurde.

WAGENKNECHT, Sahra (2016): Rettet die Rente!
Gastwirtschaft: Ihr Sinkflug ist nicht alternativlos,
in: Frankfurter
Rundschau v. 15.12.

Sahra WAGENKNECHT kritisiert den neoliberalen Armutsbegriff, der sich am Bezug der Grundsicherung im Alter festmacht:

"Aber kann man aus der Inanspruchnahme der Grundsicherung so einfach auf die Bedürftigkeit schließen? Weiß man, wie viele arme Ältere den Gang zum Sozialamt scheuen, weil sie zu stolz oder einfach zu gebrechlich sind? Ist man mit einem monatlichen Einkommen von 780 Euro nicht mehr arm, weil man ab Einkünften von 775 Euro keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter mehr hat?
Nach der gängigen EU-Definition liegt die Armutsschwelle bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens, das waren 2015 rund 1033 Euro monatlich. Die so definierte Armutsquote ist für Rentner und Pensionäre seit der Jahrtausendwende von 10,7 auf 15,9 Prozent gestiegen und nähert sich der Armutsquote für Kinder (19,7 Prozent im Jahr 2015) immer stärker an."

Für WAGENKNECHT ist das Alterssicherungssystem in Österreich vorbildlich. Für Deutschland schlägt sie folgende Maßnahmen zur Rettung der gesetzlichen Rente vor:

"Indem man den Niedriglohnsektor austrocknet, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anhebt, den Arbeitgebern höhere Beiträge abverlangt und auch Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rente einbezieht."

 
     
 
       
   

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Update: 13. Februar 2019