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Einführung
Der Begriff "Babyboomer-Generation"
oder einfach nur "Babyboomer" bzw. "Baby-Boomer" steht für einen Wandel in der
Generationendebatte seit
Anfang des Jahrtausends, denn sein herausragendes Merkmal
ist der demografische Aspekt seiner Kohortenstärke. Wissenschaftlich betrachtet sind
die Babyboomer daher keine Generation, sondern eine Kohorte. In diesem
Sinne wird der Begriff z.B. in der Rentendebatte und der Debatte um den
demografischen Wandel auch verwendet. Im Gegensatz dazu stehen
jene Autoren wie z.B. Martin RUPPS, die die Babyboomer zur
Generation stilisieren, in dem sie die Kohortenstärke als
prägende Kernerfahrung des "Immer zu viel Seins" hervorheben.
In der Öffentlichkeit führt
diese Vermengung der Bedeutungsaspekte zu Unklarheiten und
Missverständnissen. Gerade in der Debatte um den demografischen
Wandel wäre Klarheit hinsichtlich der Abgrenzung des Begriffs "Babyboomer"
vonnöten, weil ansonsten der Begriff zu einer Leerformel oder
noch schlimmer zu einem ideologischen Kampfbegriff gerät, der
mit der Realität nur noch wenig zu tun hat. Dass diese Gefahr
real ist, zeigt bereits der Bestseller
Das Methusalem-Komplott von Frank SCHIRRMACHER, der eine
globale Babyboomer-Generation konstruiert. Dies führt dazu, dass
die länderspezifischen Unterschiede bei der Geburtenentwicklung
negiert werden und ein globales Katastrophenszenario als
Horrorvision am Horizont erscheint.
In dieser Bibliografie sollen
deshalb die Begriffsverwendungen der Texte in der öffentlichen
Debatte auf ihre Stichhaltigkeit in Sachen demografischer
Entwicklung überprüft werden und auf Schwächen der Argumentation
hingewiesen werden. Außerdem soll sichtbar gemacht werden, in
welchen Kontexten der Begriff überhaupt Anwendung findet.
Bislang dominieren die pessimistischen Sichtweisen. Dies
gilt insbesondere für den Renteneintritt der Babyboomer - wer
immer das sein mag und wann immer das geschehen soll. Denn wer
die geburtenstarken und wer die geburtenschwachen Jahrgänge
jeweils sind, das ist keineswegs allein ein objektives Fakt,
sondern auch eine Konstruktionsleistung der öffentlichen
Debatten.
Die
Abgrenzungen der Babyboomer-Generation in der öffentliche
Debatte
Autor
|
Textstellen |
Babyboomer-Jahrgänge |
TEITELBAUM, Michael J. & Jay
M. WINTER |
"In
roughly the year 2010, the baby boom generation will
reach retirement age. Of course, in those countries that
had boomlets, the problem will not take on a sudden or
acute form. But given the fact that economic growth in
Europe is, to an extend, a function of levels of
American demand, we all must take account of the fact
that the United States is one of the countries in which
the full social, economic, and political consequences of
the baby boom will emerge when the birth cohorts of 1947
- 1965 retire."
(The Fear of Population
Decline 1985, 153) |
1947 - 1965
(USA) |
TICHY, Roland |
Die
Babyboomer werden nicht definiert, aber aus dem Text
geht implizit hervor, dass dies die westdeutschen
Jahrgänge 1961 - 1967 sind ("mehr
als 1 Million Geburten")
(Ausländer rein 1993, S.127) |
1961
- 1967
(Westdeutschland) |
RUST, Holger |
"Gemeint waren
zunächst die 70 Millionen Amerikaner, die zwischen 1946
und 1965 geboren wurden."
(Trendforschung 1996, S.142)
|
1946 - 1965
(USA) |
Australian
Bureau of Statistics |
"From 1946 to 1965 (inclusive)
there were 4.2 million births in Australia. This 20 year
period is generally referred to as the »Baby Boom«.
While other periods are occasionally quoted when
referring to the post-World War II baby boom, the ABS
endorses 1946 to 1965 as the definitive Baby Boomer
birth years. This definition reflects the views of
leading demographers, based on those years having a
total fertility rate at, or above, 3.0. Since 1966, the
total fertility rate has gradually declined."
(Pressemitteilung
Baby Boomers and the 2001 Census v. 24.04.2003) |
1946 - 1965
(Australien) |
SCHACHT, Martin |
Das
Buch
Die ewige Zielgruppe
aus dem Jahr 2004 wird zwar im Klappentext
mit den Babyboomern als geburtenstärkste Jahrgänge der
30- bis 49-Jährigen beworben. Die Argumentation des
Autors ist jedoch nicht überzeugend, sondern weist sogar
falsche Zuordnungen der Altersgruppen auf. So werden
z.B. die 30 - bis 40Jährigen (1965 - 1974) als
Kerngruppe der Babyboomer beschrieben. |
1955
- 1974 |
SCHIRRMACHER,
Frank |
Die
Babyboomer, die zwischen 1950 und 1964 geborenen
Generationen, werden spätestens in dem Moment, in dem
sie in Rente gehen, die ganze westliche Welt in einen
Ausnahmezustand versetzen"
(Das
Methusalem-Komplott 2004, S.18) |
1950
- 1964 |
KOHLBACHER, Florian |
Die
japanische Baby–Boom-Generation umfasst nach der engen
Definition, die Personen, die zwischen 1947 und 1949
geboren wurden. (...).
Die Gesamtzahl der Baby Boomer von 6,8 Millionen — nach
der weiten Definition die noch die Jahrgänge 1950 und
1951 einschließt sogar 10 Millionen — macht zwar nur
circa 5,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, dafür aber
knapp 10 Prozent der Erwerbsbevölkerung aus"
(Arbeitskräftemangel
und Wissensverlust? Juli 2006, S.8) |
1947
- 1949/1951
(Japan) |
RUPPS, Martin |
"Der
Begriff Babyboomer, so der gute Mann, stammt aus den USA
und bezeichnet die Jahrgänge, die zwischen 1943 und 1960
geboren sind. Recht hat er. Aber wir leben in
Deutschland, nicht in den USA. Und ich grenze die
deutschen Babyboomer auf die Jahre 1959 bis 1964 ein,
weil diese Jahrgänge mehr verbindet als das
Babyboomer-Sein. Es handelt sich um eine Generation mit
gemeinsamer Geschichte und - noch wichtiger einem
gemeinsamen Erleben von Kindheit und Erwachsenwerden."
(Wir
Babyboomer 2008, S.8) |
1959
- 1964 |
MENNING, Sonja & Elke
HOFFMANN |
"Die
Spezifik der Babyboomer liegt in ihrer absoluten
Kohortenstärke. Daher werden für diesen Report
diejenigen Geburtsjahrgänge als Babyboomer definiert,
die die höchsten absoluten Geburtenzahlen aufweisen. Für
Deutschland sind das zehn Jahrgänge, deren
Geburtskohorte größer war als 1,2 Mio. Lebendgeborene -
die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1968"
(Die
Babyboomer - ein demografisches Porträt, 2009, S.10) |
1959
- 1968 |
MOTEL-KLINGEBIEL,
Andreas/WURM, Susanne/TESCH-RÖMER, Clemens |
"Die zwischen der Mitte
der 1950er und der ersten Hälfte der 1960er Jahre
geborene Babyboomer-Generation sind besonders
geburtenstarke Jahrgänge, denen sehr viel schwächer
besetzte Geburtskohorten folgen"
(Wandel
von Lebensqualität und Ungleichheit in der zweiten
Lebenshälfte 2010, S.29) |
1955
- 1965 |
Die Welt |
"Der Begriff
Babyboomer wird für Menschen verwendet, die zu den
Zeiten steigender Geburtenraten nach dem Zweiten
Weltkrieg (dem Babyboom) in Staaten geboren wurden, die
vom Krieg betroffen waren. Die Gesamtheit dieser
Menschen wird von Soziologen als Boomgeneration
bezeichnet (...).
Statistiker bezeichnen in Deutschland erst die im
Zeitraum von 1955 bis 1965 Geborenen als geburtenstarke
Jahrgänge"
(Die
Welt vom 21.02.2011) |
1955
- 1965 |
RIEDMÜLLER, Barbara &
Ulrike SCHMALRECK |
Empirische
Untersuchung
Die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren
Lebensalter. Wandel und rentenpolitische Implikation
zu den weiblichen Babyboomer-Jahrgängen 1962 - 1966 |
1962 - 1966 |
Statistics
Netherlands |
"Some 2.4 million
babies were born in the Netherlands in the period
1946–1955. These are the babies we define as the
belonging to the post-war baby boom."
(Babyboomers
in the Netherlands, April 2012) |
1946 - 1955
(Niederlande) |
Statistisches Bundesamt |
"1964 erreichte der
sogenannte Babyboom seinen Höhepunkt: Knapp 1,4
Millionen Kinder kamen in diesem Jahr auf die Welt, am
häufigsten hießen sie Sabine und Thomas. Auch die Jahre
vor und nach 1964 waren äußerst kinderreich: Zwischen
1954 und 1969 lag die Zahl der Neugeborenen stets über
1,1 Millionen"
(Statistisches
Bundesamt 28.04.2014) |
1954
- 1969 |
BYLOW, Christina & Kristina VAILLANT |
"Der
Begriff Babyboomer stammt aus den USA, beschreibt dort
aber eine Generation, die deutlich älter ist als das
deutsche Pendant. Die geburtenstarken Jahrgänge werden
für den deutschsprachigen Raum je nach Quelle zwischen
1955 und 1965 verortet, dann wieder reichen sie von 1958
bis 1968." (S.22)
"Es sind Frauen der geburtenstarken Jahrgänge, auf die
Welt gekommen in den Jahren zwischen 1958 und 1968".
(Die
verratene Generation 2014, S.559) |
1958
- 1968 |
BECKER, Bernhard von |
Bernhard von BECKER widerspricht sich bei seiner
Abgrenzung der Babyboomer in seinem Buch Babyboomer
aus dem Jahr 2014. Mehr
hier |
1960/61 - 1964/65 |
SCHOLZ, Christian |
"Babyboomer
(geboren von 1950-1964)"
(Generation
Z 2014, S.16) |
1950
- 1964 |
VAILLANT, Kristina |
Wenn
die knapp sieben Millionen Frauen der geburtenstarken
Jahrgänge 1958 bis 1968 in den nächsten zehn bis zwanzig
Jahren in Rente gehen, könnte eine Lawine weiblicher
Altersarmut auf uns zurollen.
(...). Mit anderen Worten: Millionen Frauen der
Babyboomer-Generation, gut ausgebildet und überwiegend
berufstätig, werden mit ihren niedrigen Renten womöglich
auf Grundsicherung angewiesen sein: eine
Fürsorge-Leistung des Sozialstaats, die eigentlich für
den Notfall vorgesehen ist.
(Die verratenen Mütter 2016, S.26) |
1958
- 1968 |
GRÜNENFELDER, Peter & Daniel MÜLLER-JENTSCH |
"Gemäss
gängiger Definitionen zählen zu den Babyboomern die
Geburtsjahrgänge 1945 (Ende des Zweiten Weltkriegs) bis
1964 (als der Höchststand der Geburten erreicht wurde
und der Pillenknick einsetzte).
Eine sinnvollere (wenn auch unübliche) Abgrenzung der
Babyboomergeneration wären die zehn geburtenstarken
Jahrgänge vor und nach dem Pillenknick (1961–1971)."
(Bye-bye,
Babyboomers! 2017, S.4) |
1945
- 1964
1961 - 1971
(Schweiz) |
Die
Entwicklung der zusammengefassten Geburtenziffer von 1950 - 1975
in BRD und DDR
Tabelle:
Zusammengefasste Geburtenziffer
(TFR) in der BRD und der DDR 1950 - 1975 |
Jahr |
Früheres
Bundesgebiet |
Neue
Länder |
1950 |
2 100 |
k.A. |
1951 |
2 068 |
k.A. |
1952 |
2 079 |
2 399 |
1953 |
2 054 |
2 370 |
1954 |
2 102 |
2 350 |
1955 |
2 108 |
2 347 |
1956 |
2 204 |
2 262 |
1957 |
2 301 |
2 208 |
1958 |
2 290 |
2 205 |
1959 |
2 368 |
2 347 |
1960 |
2 366 |
2 328 |
1961 |
2 457 |
2 397 |
1962 |
2 441 |
2 415 |
1963 |
2 518 |
2 470 |
1964 |
2 543 |
2 508 |
1965 |
2 508 |
2 483 |
1966 |
2 535 |
2 424 |
1967 |
2 490 |
2 338 |
1968 |
2 382 |
2 297 |
1969 |
2 214 |
2 236 |
1970 |
2 016 |
2 193 |
1971 |
1 921 |
2 131 |
1972 |
1 713 |
1 786 |
1973 |
1 544 |
1 577 |
1974 |
1 513 |
1 540 |
1975 |
1 451 |
1 542 |
|
Quelle:
Statistisches Bundesamt Bevölkerung und
Erwerbstätigkeit. Zusammenfassende Übersichten
Eheschließungen, Geborene und Gestorbene
1946 - 2015
(Stand: 17.10.2016) |
Die
Entwicklung der Lebendgeborenen von 1946 - 1975
in BRD und DDR: Die Kohortenstärke als Abgrenzungskriterium für
Babyboomer-Generationen
Erläuterungen:
Nimmt man die Kohortenstärke eines Jahrgangs als
Abgrenzungskriterium für die Babyboomer, dann lassen sich für
Deutschland (West) und (Ost) folgende Babyboomer-Generationen
konstruieren:
Jahrgang 1947 - 1971:
Babyboomer-Generation mit jeweils über 1 Million Geburten
Jahrgang 1954 - 1969:
Babyboomer-Generation mit jeweils über 1,1 Millionen Geburten
- Hätte der Jahrgang 1953
lediglich 5.000 Geburten mehr umfasst, dann würde man die
Jahrgänge 1949 - 1969
zur Babyboomer-Generation zählen müssen. Das
Statistische Bundesamt (28.04.2014) nimmt es jedoch ganz
genau und fordert, dass kein einziger Jahrgang der Kohorte
weniger als 1,1 Millionen Geburten haben darf.
Jahrgang 1959 - 1968:
Babyboomer-Generation mit jeweils über 1,2 Millionen Geburten
- Beispielhaft für diese
Abgrenzung ist die
Definition von Sonja MENNING & Elke HOFFMANN vom Deutschen
Zentrum für Altersfragen.
Jahrgang 1961 - 1966:
Babyboomer-Generation mit jeweils über 1,3 Millionen Geburten
Betrachtet man nur die
Bundesrepublik, dann würde die Babyboomer-Generation die
Jahrgänge 1961 - 1967
umfassen,
wenn das Abgrenzungskriterium jeweils über eine Million Geburten
wäre. In diesem Sinne benutzt Roland TICHY den Begriff im Buch
Ausländer rein! aus dem Jahr
1993.
Alternativ wäre auch
eine Abgrenzung entsprechend eines Prozentanteils der maximalen
Geburten möglich. Eine solche Vorgehensweise würde z.B. einen
internationalen Vergleich erleichtern. Doch solche Überlegungen
finden sich in der gesichteten Literatur nicht, was daran liegen
mag, dass die Beschäftigung mit dem Babyboom wesentlich weniger
Aufmerksamkeit erregte als der Geburtenrückgang.
Tabelle:
Lebendgeborene in der BRD und der DDR
1946 - 1975 |
Jahr |
Deutschland |
Früheres
Bundesgebiet |
Neue
Länder |
1946 |
921.677 |
732.998 |
188.679 |
1947 |
1.028.696 |
781.421 |
247.275 |
1948 |
1.049.385 |
806.074 |
243.311 |
1949 |
1.106.825 |
832.803 |
274.022 |
1950 |
1.116.701 |
812.835 |
303.866 |
1951 |
1.106.380 |
795.608 |
310.772. |
1952 |
1.105.084 |
799.080 |
306.004 |
1953 |
1.095.029 |
796.096 |
298.933 |
1954 |
1.109.743 |
816.028 |
293.715 |
1955 |
1.113.408 |
820.128 |
293.280 |
1956 |
1.137.169 |
855.887 |
281.282 |
1957 |
1.165.555 |
892.228 |
273.327 |
1958 |
1.175.870 |
904.465 |
271.405 |
1959 |
1.243..922 |
951.942 |
291.980 |
1960 |
1.261.614 |
968.629 |
292.985 |
1961 |
1.313.505 |
1.012.687 |
300.818 |
1962 |
1.316.534 |
1.018.552 |
297.982 |
1963 |
1.355.595 |
1.054.123 |
301.472 |
1964 |
1.357.304 |
1.065.437 |
291.867 |
1965 |
1.325.386 |
1.044.328 |
281.058 |
1966 |
1.318.303 |
1.050.345 |
267.958 |
1967 |
1.272.276 |
1.019.459 |
252.817 |
1968 |
1.214.968 |
969.825 |
245.143 |
1969 |
1.142.366 |
903.456 |
238.910 |
1970 |
1.047.737 |
810.808 |
236.929 |
1971 |
1.013.396 |
778.526 |
234.870 |
1972 |
901.657 |
701.214 |
200.443 |
1973 |
815.969 |
635.633 |
180.336 |
1974 |
805.500 |
626.373 |
179.127 |
1975 |
782.310 |
600.512 |
181.798 |
|
Quelle:
Statistisches Bundesamt Bevölkerung und
Erwerbstätigkeit. Zusammenfassende Übersichten
Eheschließungen, Geborene und Gestorbene
1946 - 2015
(Stand: 17.10.2016) |
Rangliste der Industrieländer mit einem
Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg
(Maßstab: Höchste zusammengefasste Geburtenziffer)
Tabelle:
Die Industrieländer mit einem Babyboom nach dem Zweiten
Weltkrieg |
Land |
Höchste
zusammengefasste Geburtenziffer (Jahr) |
TEITELBAUM & WINTER (1985) |
WOLF u.a. (2014) |
Angaben gemäß
der Statistikbehörden |
Japan |
4,52 (1947) |
k. A. |
4,54 (1947) |
Neuseeland |
4,18 (1961) |
4,31 (1961) |
|
Niederlande |
3,96 (1946) |
3,97 (1946) |
3,97 (1946) |
Kanada |
3,94 (1959) |
3,94 (1959) |
|
USA |
3,77 (1957) |
3,71 (1957) |
|
Polen |
3,75* (1951) |
k. A. |
|
Jugoslawien |
3,74* (1950) |
k. A. |
|
Rumänien |
3,66* (1967) |
k. A. |
|
Australien |
3,54 (1961) |
3,55 (1961) |
|
Finnland |
3,47 (1947/1948) |
3,46 (1948) |
|
Tschechoslowakei |
3,21 (1946) |
k. A. |
|
Schottland |
3,09 (1947)
3,07 (1964) |
k. A. |
|
Bulgarien |
3,06 (1946) |
3,29 (1946) |
|
Dänemark |
3,01 (1946) |
3,02 (1946) |
|
Frankreich |
3,01 (1947) |
3,02 (1947) |
|
Ungarn |
2,97 (1954) |
2,97 (1954) |
|
Italien |
2,92 (1946) |
3,01 (1946) |
|
England/Wales |
2,88 (1964)
2,70 (1947) |
2,93 (1964) |
2,93 (1964) |
Sowjetunion |
2,84* (1957) |
k. A. |
|
Österreich |
2,84* (1962) |
2,82 (1963) |
|
Norwegen |
2,76 (1946) |
2,98 (1964) |
|
Belgien |
2,71 (1964) |
2,71 (1964) |
|
Schweiz |
2,69 (1963) |
2,68 (1964) |
2,68 (1964) |
Schweden |
2,60 (1945) |
2,57 (1946) |
|
BRD |
2,55 (1964) |
2,53 (1964) |
2,54 (1964) |
DDR |
2,51 (1964) |
2,51 (1964) |
|
Anm.: * Unvollständige Zeitreihen |
Ausgewählte Länder mit Babyboom:
Geburtenstärkste und geburtenschwächste Jahrgänge
Tabelle:
Die Industrieländer mit einem Babyboom nach dem Zweiten
Weltkrieg |
Land |
Geburtenstärkster
Jahrgang
(Jahr: Lebendgeburten) |
Erster
geburtenschwächster Jahrgang
(Jahr: Lebendgeburten) |
Weitere
geburtenschwächste Jahrgänge
(Jahr: Lebendgeburten) |
Japan |
1948: 2.702.000 |
1966: 1.461.000 |
2014: 1.003.539 |
Deutschland |
1964: 1.357.304 |
1975: 782.310 |
2011: 662.685 |
Niederlande |
1946: 284.000 |
1983: 170.246 |
2015: 170.510 |
Schweiz |
1964: 112.890 |
1978: 71.375 |
2003: 71.848 |
|
|
Kommentierte Bibliografie (Teil 1: 1985 -
2002)
1985
KORTE, Hermann (1985): Bevölkerungsstruktur
und -entwicklung. In: Wolfgang Benz (Hrsg.) Die
Bundesrepublik Deutschland. Geschichte in drei Bänden, Band 2:
Gesellschaft, Fischer Verlag, S.13-34
Der Soziologe Hermann KORTE
widmet dem Babyboom der Jahre 1962 bis 1968 ein ganzes Kapitel.
Er bezeichnet ihn als "untypische Zwischenphase", wobei der
Babyboom nur als Spitze einer Entwicklung betrachtet wird, die
sich seit Mitte der 1950er Jahre gezeigt hat:
"Der Anstieg der Zahl der
Lebendgeborenen, der schon Mitte der 50er Jahre beginnt, setzt
sich in diesen Jahren deutlich fort. Da die Zahl der Gestorbenen
sich nicht so stark erhöht, nimmt der Geburtenüberschuß
erheblich zu und damit auch die Gesamtbevölkerung. Allein
aufgrund des Geburtenüberschusses steigt die Bevölkerungszahl um
2,5 Millionen.
Allerdings währt diese Geburten-Hochkonjunktur nur wenige Jahre:
Ab 1965 sind die Zahlen rückläufig und 1966 ist mit einer
Geburtenziffer von 16,1 der Wert von 1956 wieder erreicht.
Danach, ab 1969 sinkt dann die Geburtenziffer rapide ab und
erreicht weder in Deutschland noch sonstwo, heutzutage oder in
der Vergangenheit registrierte Tiefstwerte." (1985, S.19)
Die Gründe des Babybooms
sieht KORTE nicht in erster Linie in einem Anstieg der
Fruchtbarkeit jüngerer Frauenjahrgänge, sondern in zeitlich
befristeten Ursachen:
"Ein Grund war z.B., daß
viele Eheschließungen, die in der Nachkriegszeit verschoben
worden waren, jetzt nachgeholt wurden. Gleichzeitig sank das
durchschnittliche Heiratsalter, wodurch viele Kinder geboren
wurden, die bei unverändertem Heiratsalter später geboren worden
wären. Außerdem nahm die Zahl der Heiratsschließenden und damit
ein bis drei Jahre später die Zahl der Geburten zu, da nun die
geburtenstarken Jahrgänge der Jahre 1934-1942 ins heiratsfähige
Alter kamen. Schließlich muß noch bedacht werden, daß unter den
Flüchtlingen aus der DDR die jüngeren Jahrgänge überwogen,
wodurch die Zahl der Heiratsfähigen ebenfalls zunahm.
Diese Gründe hatten nur eine zeitlich befristete Wirkung, z.T.
traten ab 1969 rückläufige gegensätzliche Entwicklungen ein. Die
Zahl der Eheschließungen nahm stark ab, denn es folgten die
geburtenschwächeren Jahrgänge der Kriegs- und Nachkriegszeit,
der Zustrom aus der DDR war unterbrochen und das
durchschnittliche Heiratsalter veränderte sich kaum noch."
(1985, S.20)
Während in vielen
Abhandlungen zum Babyboom nur die zusammengefasste
Geburtenziffern oder gar nur die rohen Geburtenziffern
betrachtet werden, sind zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von
Geburtenanstiegen eher die endgültige Kinderzahl von
Frauenjahrgängen (CFT) und die Entwicklung von Veränderungen
beim Erstgebäralter wichtig.
TEITELBAUM,
Michael J. & Jay M. WINTER (1985):The Fear of Population Decline,
Academic Press
Im Kapitel 4 befasst sich das
Buch mit dem Baby Boom nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei die
Unterschiede des Phänomens im Vordergrund stehen:
"The four countries that
experienced the most substantial and longest-lasting boom were
all English-speaking former dependencies of Great Britain: the
United States, Canada, Australia and New Zealand (...).
The countries of Western Europe, as well as some in Eastern
Europe, also registered a postwar increase in fertility. However,
in contrast to the sustained booms of the above four countries,
most of these could be fairly described as »boomlets,« that ist,
rising trends in both the late 1940s and later in the 1950s,
deriving partly from realization of deferred births and a surge
in marriage, but which never reached the levels of true baby
boom countries."
(1985, S.68)
In Osteuropa und Japan sehen
TEITELBAUM & WINTER unterschiedliche Entwicklungen, wobei sich
die Länder danach unterscheiden, ob die Geburtenraten vorher
hoch oder niedrig waren. Zu ersteren gehören Japan, Polen und
die Sowjetunion.
Aus dieser Sicht stellt sich
die Frage, warum ausgerechnet in jenen europäischen Ländern, in
denen es im Grunde gar keinen richtigen Babyboom gab, die
Babyboomer-Kohorten derart in den Mittelpunkt der Debatte um den
demografischen Wandel gerückt wurden. Zum
50.
Jahrestag des geburtenstärksten Jahrgangs im Jahr 2014
erschienen zahlreiche Artikel und Bücher, in denen der Babyboom
als außergewöhnliches Phänomen beschrieben wurde. Vor dem
Hintergrund des Geburtenrückgangs erscheinen selbst minimale
Geburtenanstiege als großartige Leistung. Internationale
Vergleiche wie jene von TEITELBAUM & WINTER könnten vor solchen
verzerrten Sichtweisen schützen. Wobei sich jedoch die Frage
stellt, inwiefern die Sichtweise von TEITELBAUM & WINTER
gerechtfertigt ist. Diese Frage hängt immer auch von den
Auswirkungen und den jeweiligen Bezugspunkten ab. Ob
demografische Prozesse ein Fluch oder ein Segen sind, das stellt
sich oftmals je nach Betrachtungszeitpunkt ganz anders dar.
Im Anhang des Buchs werden
die zusammengefassten Geburtenziffern für die betrachteten 26
Länder aufgelistet.
1993
TICHY,
Roland (1993): Ausländer rein! Deutsche und Ausländer -
verschiedene Herkunft, gemeinsame Zukunft, München: Pieper
Verlag
Ab Seite 127
widmet sich Roland TICHY der Frage, ob die Deutschen
aussterben und kommt damit auf die Babyboomer-Generation zu
sprechen:
"In nur zehn Jahren
zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre sank die Zahl
der jährlichen Geburten in Deutschland von 1 Million auf
derzeit rund 600.000. Weil die Zahl der Todesfälle mit rund
700.000 pro Jahr weitgehend konstant ist, ergibt sich ein etwa
gleichbleibendes Geburtendefizit von 100.000 - die deutsche
Bevölkerung schrumpft. Diese Entwicklung wird sich noch
beschleunigen; denn jetzt ist es ja die zahlstarke Generation
der Babyboomer die Kinder bekommt. In wenigen Jahren aber,
wenn sich diese Generation in der Alterspyramide nach oben
geschoben hat, kommt es zu einem von den Bevölkerungsforschern
so genannten
»Echoeffekt« - die zahlenmäßig kleinere jetzige
Lehrlingsgeneration wird noch weniger als 600.000 Kinder
bekommen - und so weiter und so fort: Das Geburtendefizit wird
sich folglich immer weiter vergrößern. (...). Der Echoeffekt
führt (...) dazu, daß, sobald die geburtenschwachen Jahrgänge
ins Heiratsalter einrücken, sich der Bevölkerungsrückgang
quasi von selber trägt - immer weniger Mütter gebären immer
weniger zukünftige Mütter. (...).
Zum Echoeffekt kommt die Tatsache, daß immer weniger Kinder
gewünscht werden. Je nach Lebensumständen werden Geburten
vorgezogen oder auf später verschoben, und daher schwankt die
Zahl der Geburten pro Jahr relativ stark. Doch auf den
gesamten Lebenslauf der Familien bezogen, werden von
Elterngeneration zu Elterngeneration weniger Kinder geboren"
(1993, S.127f.),
erklärt uns Roland TICHY
die unausweichliche "Bevölkerungs-Implosion", die uns
angeblich bevorsteht. TICHY nennt hier lediglich Zahlen für
Westdeutschland, obwohl er von Deutschland spricht. Von den
Bevölkerungsszenarien sieht TICHY die Schlimmsten als die
Wahrscheinlichsten an Dabei greift er auf völlig
überholte Bevölkerungsvorausberechnungen vor der Zeit der
Wiedervereinigung zurück.
Für TICHY
herrscht bereits Mitte der 1990er Jahren ein demografisch
bedingter Lehrlingsmangel, der sich zum Fachkräftemangel in Deutschland
ausweitet, weil die Babyboomer
den geburtenschwachen Jahrgängen weichen.
Die Babyboomer werden als
die geburtenstarken Jahrgänge definiert. Sie werden jedoch
nicht explizit abgegrenzt, sondern es wird suggeriert, dass
seit Mitte der 1970er Jahre lediglich noch rund zwei Drittel
(600.000 statt 1 Million Geburten) geboren werden und dass ein
weiterer Absturz droht. Nimmt man seine implizite Abgrenzung,
d.h. die Babyboomer sind jene westdeutschen Jahrgänge, die
mehr als 1 Million Geburten umfassten, dann sind dies die
Jahrgänge 1961 - 1967.
Ab Mitte der 1970er sollen
in Westdeutschland durchschnittlich nur noch 600.000 Kinder
geboren worden sein. Zwischen 1975 und 1993 wurden in
Westdeutschland 12,090 Millionen Kinder geboren. Das waren
durchschnittlich 636.314 Kinder pro Jahr. In den Jahren 1994
bis 2015 wurden 13,221 Millionen Kinder in Westdeutschland
geboren. Das waren durchschnittlich 600.957 Kinder pro Jahr
wobei ab 2001 die Kinder von Westberlin fehlen. Von einem
Absturz der Kinderzahlen ist derzeit nichts zu spüren, sondern
im Gegenteil steigen sowohl die Kinderzahlen als auch die
Geburtenrate. Der Echoeffekt und die Kinderwünsche, die in
eine Abwärtsspirale führen sollten, haben sich nicht
bewahrheitet. Im Gegenteil!
Wegen den Babyboomern
müssten gemäß TICHY die Beitragssätze in der gesetzlichen
Rentenversicherung von "derzeit rund 18 auf 36 %" steigen
(vgl. S.131).
1994
WÜLLENWEBER, Walter (1994): Wir Fernsehkinder. Eine
Generation ohne Programm, Berlin: Rowohlt Verlag
Walter WÜLLENWEBER wird auf
dem Buchumschlags als "einer der
1.018.552 Westdeutschen des
Jahrgangs 1962 vorgestellt. Der Begriff "Babyboomer" findet sich
in dem Buch nicht, aber es wird bereits die Erfahrung der
geburtenstarken Jahrgänge beschrieben:
"Für die Generation vor
uns hatte es stets ausgereicht, das Abitur zu bestehen, und
schon wurde für sie ein Platz in den besseren Kreisen
reserviert. Das Hochschulexamen war dann gleichbedeutend mit
einer Beförderung ins obere Drittel der Gesellschaft. (...).
Bei uns war alles anders: Es gab einfach zu viele von uns, mehr
als jemals vorher oder nachher. (...).
Am ersten Schultag im Gymnasium kam der Herr Direktor (...)
persönlich in unsere Klasse. (...) Er erzählte von den vielen,
die seine Schule hatte abweisen müssen und die nun schutzlos dem
staatlichen System der Ausbildung ausgeliefert seien. Zum
erstenmal hörte ich die Worte »geburtenstarker Jahrgang«, »Numerus
clausus«, »Lehrstellenmangel«, »Akademikerschwemme«. Ich wusste
nicht, was das alles zu bedeuten hatte (...). Soviel jedoch
verstand ich: Wer sich auf dieser Schule nicht fügte und
unangenehm auffiel, der war in Gefahr. (...).
Um das Unheil abzuwenden, beschloß ich, wonach eine ganze
Generation in den folgenden Jahrzehnten ihr Leben ausrichtete:
nur nicht aufzufallen. (...).
Die Erfahrung der Masse, das Gefühl, daß es immer zu viele von
uns gab, dass hatte sich mir indes schon im Kindergarten ins
Bewußtsein eingeprägt. (...).
Die furchtbare Fruchtbarkeit unserer Erzeuger hatte die
Kindergartenplaner offenbar kalt erwischt, genauso wie die
Schulplaner, die Uniplaner, die Wohnungsplaner. Alles war knapp,
unser ganzes Leben lang." (1994, S.S.29ff.)
WÜLLENWEBER spricht zwar vom
Jahrgang 1962, aber der steht für die geburtenstärksten
Jahrgänge mit über 1 Million Kindern in Westdeutschland.
1996
RUST,
Holger (1996): Trendforschung. Das Geschäft mit der Zukunft,
Reinbek: Rowohlt
Holger RUST befasst sich
mit dem Zusammenhang des Begriffs
"Yuppie" und den Babyboomern,
die er als Rohstoff für den Boom der Konsumindustrie betrachtet:
"Die Formierung eines neuen
Selbstbewusstseins gelang deshalb so gut, weil es eine
demographische Massenbasis gab, aus der sich große Gruppen
rekrutieren ließen, die als Marktsegmente interessant wurden,
selbst wenn sie prozentual geringer waren, als es schien.
Gemeint waren zunächst die 70 Millionen Amerikaner, die zwischen
1946 und 1965 geboren wurden. (...). Mit kurzen
Zeitverschiebungen zeigten sich ähnliche Tendenzen in Europa.
Der amerikanische Babyboom, aus dem sich später die
weltweit prägenden Tendenzen entwickelten, setzte ein, als die
GIs 1945 glorreich aus dem heiligen Krieg (...) in Europa
zurückkehrten (...).
Das Idyll hielt sich bis zur Mitte der sechziger Jahre. (...).
Der Babyboom verebbte rasch, das heißt, die Geburtenrate
sank; die ersten Boomer wurden Twens." (1998, S.142ff.),
beschreibt RUST die
Formierung der Babyboomer, die als Erwachsene die Konsumwelt
revolutionierten und in der Erfindung des Yuppies gipfelte. Im
Laufe des Lebens wurden aus den Yuppies dann Double Income, no
kids (DINKS), Double income, one kid (DIKS) und dann Grown up
mature people (GRUMPS), um nur einige der Marketing- bzw.
Lifestyle-Etikettierungen zu nennen.
Was in den Nuller Jahren in
Deutschland die Prenzlauer Berg-Eltern waren, das beschreibt
RUST bereits Mitte der 1990er Jahre am Beispiel der USA.
GERKEN,
Gerd & Michael-A. KONITZER (1996): Trends 2015. Ideen,
Fakten, Perspektiven, München: Deutscher Taschenbuch Verlag
Gerd GERKEN, Jahrgang 1943, und Michael-A. KONITZER,
Jahrgang 1953, beschreiben die Kategorisierung von Generationen
aus dem Geiste der US-amerikanischen Statistik:
"Die Kategorisierung in
Generationen mit für diese typischen Eigenschaften ist
eigentlich eine Erfindung amerikanischer
Bevölkerungsstatistiker. Sie registrierten bei der Beobachtung
der Geburtenziffern in den USA etwa alle neunzehn Jahre markante
Veränderungen. Soziologen ordneten dann den solcherart zeitlich
umgrenzten Generationen bestimmte Merkmale, Charakteristika und
Namen zu.
So nannte man die Nachkriegsgeneration Baby Boomer - in
den Jahren nach 1945 boomten die Geburtenraten, bis die
Anti-Baby-Pille dem ein Ende setzte. Der folgenden Generation
gab man in den USA zunächst den Namen Baby Buster, weil
sie den Babyboom gebrochen hatten (engl. to bust = zerbrechen,
aufbrechen, brechen). Doch das Label »Baby Buster« setzte sich
nicht recht durch. (...).
Doch dann definierte Douglas Coupland den zur Zeit gültigen
Begriff mit dem Titel seines Kultromans:
Generation X.
Seitdem heißt die Generation der Elf- bis Dreißigjährigen »Generation
X« oder kurz »GenX«. (...).
Die Baby Boomer zu beschreiben fällt nicht schwer. Sie sind
heute zwischen 30 und 48 Jahre alt und bilden die Nachkriegs-
und Aufbaugeneration - die Generation also, »die es einmal
besser haben sollte«. (...). Das Ökologie- und
Initiativzeitalter der siebziger sowie das
Yuppie-Zeitalter der
achtziger Jahre waren typische Baby-Boomer-Phänomene" (1996,
S.47f.)
GERKEN & KONITZER stellen
hier einen Zusammenhang zwischen Baby Boomern und Baby Bustern
her, d.h. dass der Babyboom durch den Geburtenrückgang beendet
wurde, dient hier zur Abgrenzung zweier Generationen.
Der
Begriff "Baby Buster" ist heutzutage kaum noch in Gebrauch. Das
Handelsblatt nutzte den Begriff 2009 für den Online-Artikel
Baby-Boomer gegen Baby-Buster? von Frank SPECHT. Im Buch
Das Wissen
der 35-Jährigen von Volker MARQUART, Jahrgang 1968 wird
der Begriff "Baby-Buster" im Glossar folgendermaßen erklärt:
"Jünger als 35 Jahre. Vom
englischen Wort für »eingehen« abgeleiteter Begriff für die
Nachfolger der Baby Boomer. Meint die Jahrgänge nach 1968, in
denen wegen der Pille wieder weniger Babys zur Welt kamen. Nicht
zu verwechseln mit dem individualpsychologischen »Baby Basta«,
der Entscheidung gegen weitere Kinder." (2003, S.36)
Die
Philip BUMP von der Washington Post spricht in dem
Online-Artikel Your
generational identity is a lie aus dem Jahr 2015 von
Baby Bustern im Sinne von GERKEN & KONITZER:
"The unofficial government
arbiter of what is and isn't a generation is the Census Bureau.
Its catalog of aggregated data on the lives of Americans
recognizes only one official generation: The Baby Boomers.
Howard Hogan, the bureau's chief demographer, explained why in
an e-mail to the Post. »The Baby Boom is distinguished by a
dramatic increase in birth rates following World War II and
comprises one of the largest generations in U.S. history,« Hogan
wrote. »Unlike the baby boom generation, the birth years and
characteristics for other generations are not as distinguishable
and there are varying definitions used by the public.« So the
Census Bureau will put together numbers for Boomers, because
that's a real, demographic generation. It doesn't release
numbers on »Millennials« because you made that term up. A quick
survey of news reports on the different generations over time
shows how generational indicators rise and fall. (...). You
think you're in Gen X, but 30 years ago, you'd have thought you
were a Baby Buster."
2001
TICHY, Andrea & Roland TICHY (2001): Die Pyramide steht Kopf.
Die Wirtschaft in der Altersfalle und wie sie ihr entkommt,
München: Piper Verlag
Das Buch wird zwar mit den
Babyboomern beworben, aber auch hier warten die Autoren
lediglich mit den üblichen Klischees auf, und schwadronieren von
"Spaßgeneration" und "Zeitalter eines goldenen Hedonismus". Das
liegt daran, dass damals das Thema der Kinderlosigkeit die
Debatte dominierte. Nichts davon hat sich jedoch bewahrheitet.
Stattdessen führte die Fixierung der Debatte auf die
Kinderlosigkeit zu den Kollateralschäden, die erst ab den Jahren
nach 2020 richtig sichtbar sein werden.
GUILLEBAUD, Jean-Claude (2001): Die Tyrannei der Lust,
Sammlung Luchterhand
Das bereits 1998 in
Frankreich erschienene Buch von Jean-Claude GUILLEBAUD,
Jahrgang 1944,
befasst sich zwar mit der Sexualmoral, dies aber insbesondere
vor dem Hintergrund von Babyboom und Geburtenrückgang. Die
Jahre 1942 - 1943 werden als eine unerwartete Wende
beschrieben:
"Erstaunlicherweise
ereignete sich mitten im Krieg (...) eine neuerliche
Kehrtwende in der französischen Demographie. Anstellen des
langsamen Rückgangs (...) wurde nun ein spektakulärer Anstieg
der Geburten verzeichnet. Die Tendenz begann 1942 und
intensivierte sich während der zwei Jahre nach der Befreiung
so jäh und so umfangreich, daß das Phänomen nach einer
speziellen Bezeichnung verlangte: Man nannte es Babyboom.
Diese demographische Kehrtwende entschied für die nächsten
Jahrzehnte über das Schicksal der französischen Gesellschaft.
Ihre Konsequenzen sind noch heute zu spüren."
(2001, S.324)
Der Begriff Babyboom ist
eine Erfindung der Zeit des Geburtenrückgangs. Nur in der
verklärenden Rückschau auf der Hintergrundfolie
"Geburtenrückgang", macht der Begriff "Babyboom" erst Sinn.
Ein anderes Kapitel trägt die Überschrift Der grosse Bruch
von 1965 und beschreibt den Geburtenrückgang ab Mitte der
1960er Jahre als Phänomen der westlichen Welt:
"Auf
einmal verkehrten sich sämtliche demographischen Parameter
gleichzeitig in ihr Gegenteil - man erlebte einen starken
Rückgang der Geburtenzahlen und der Eheschließungen, die
Frauen blieben länger unverheiratet, die Zahl der Scheidungen
stieg sprunghaft an, während die Zahl der Kinder pro Familie
abnahm, und so weiter. Binnen weniger Jahre hatte die
Nettofortpflanzungsrate einen Tiefpunkt erreicht; 1975 sank
sie unter das Niveau, das langfristig für eine gleichbleibende
Bevölkerungsdichte erforderlich ist.
Sämtliche Länder des Westens waren von dem Phänomen betroffen
und erstaunlicherweise alle zur selben Zeit. »1964«, schreibt
Evelyne Sullerot »ereignet sich ein verblüffender Bruch: zum
ersten Mal seit zwanzig Jahren stürzt die Geburtenrate rasant
in die Tiefe, und zwar in ein und demselben Jahr in Belgien,
der BRD, in Dänemark, Spanien, Frankreich, Griechenland,
Großbritannien, Italien, den Niederlanden, in Portugal,
Schweden und in der Schweiz [...] Während der folgenden drei
Jahre, von 1964 bis 1967, verlieren Frankreich, England und
Deutschland 1,3 Geburten pro 1000 Einwohner, die Niederlande
und Italien 1,8 und in Belgien sind es 2.«"
(2001, S.329)
Der Begriff
"Nettofortpflanzungsrate" ist kein gebräuchlicher Begriff,
sondern in der Literatur wird dafür der Begriff "Nettoreproduktionsziffer
bzw. -rate" benutzt. Eine Ziffer von 1 heißt, dass die
Elterngeneration ersetzt wird. Ziffern unter 1 beschreiben
Geburtenraten, bei der die Elterngeneration nur teilweise
ersetzt wird. Bei der Geburtenrate wird auf die
rohen
Geburtenziffern und nicht auf die
zusammengefassten Geburtenziffern zurückgegriffen.
GUILLEBAUD zitiert hier
Zahlen aus dem Buch
Quels pères? Quels fils? der Soziologin Evelyn
SULLEROT, Jahrgang 1924, aus dem Jahr 1992.
Für den französischen Bevölkerungswissenschaftler Alain
MONNIER war das Babyboom-Phänomen nicht in der ganzen
westlichen Welt verbreitet. Zudem gibt es
gravierende Unterschiede beim Phänomen in den einzelnen
Ländern hinsichtlich Dauer und Verlauf des
Geburtenanstiegs.
FRICKE, Thomas (2001):
Aktienkultur vor der Baby-Pause.
War der Börsenboom nur ein
Ausreißer in Zeiten geburtenstarker Jahrgänge? Ein Verdacht, der
sich aufdrängt,
in:
Financial
Times Deutschland v. 02.03.
Während man in Deutschland
den Ruin des Sozialstaats mit dem Geburtenrückgang
zusammenbringt, hat man nun in den USA den Ruin der
Aktienkultur als Folge des Geburtenrückgangs entdeckt. Bislang
waren meist die Baby-Boomer (US-amerikanisches Synonym für die
68er) die Bösewichte, das scheint sich langsam zu
ändern.
MENAND, Louis (2001): The
seventies show.
What did the decade mean?
in: The New
Yorker v. 28.05.
Louis MENAND argumentiert
mit Francis FUKUYAMAs
The Great Disruption von 1999 und Paul BERMANs A
Tale of Two Utopias gegen Bruce J. SCHULMAN und David FRUM.
Letztere wollen den Generationen (Generation
X usw.), die nach den 68ern
("Baby Boomer") kamen und in den 1970ern ihre Prägung erhalten
haben, eine Stimme geben. Auf Deutschland bezogen geht es also
um die
Generation Golf oder die
78er:
"Seventies people think
that changes in style and taste are where meaning is really
lodged. They are the last people in America to believe that
keeping up with popular culture is an intellectual duty."
Der 70er Jahre (Irr-)glaube besteht für
MENAND darin, dass persönliche Lieblingssongs als Schlüssel
zur nationalen Psyche angesehen werden. Oder allgemeiner: der
(BoBo-
oder Feministischen) Konsumkultur wird eine Prägekraft
zugeschrieben, die sie gar nicht besitzt. MENAND
kritisiert den kompensatorischen Charakter der gegenwärtigen
Konsumkultur:
"Does the fact that we now
have a choice among thirteen kinds of designer coffee mean
that there is more real choice in American life, or less? Do
people spend three dollars for a cup of coffee because they
feel they can afford anything they want, or because they
feel they can't, and overpaying for coffee helps them
compensate for the fact?"
MERX, Stefan & Christian
PIETSCHNER (2001): Was jetzt zählt.
Werte. Terror, Kriegsangst,
Börsensturz, Konjunkturkrise - in einem Jahr hat sich das Blatt
gewendet. In der hedonistischen Generation hat Besinnung den
Spaß verdrängt: Was ist noch wichtig? Sechs Menschen sprechen
über ihre ganz persönlichen Werte,
in: Bizz
Nr.11, November
Das Wirtschaftsmagazin Bizz,
dessen Hauptzielgruppe die
Generation Golf ist, hat Max
imitiert und das Themenspektrum um gesellschaftliche Themen
erweitert.
Wie bereits in der
Max-Titelgeschichte In Zeiten des Terrors - WIR (04.10.2001)
wird auch in Bizz ein Wechsel von der Ich- zur
Wir-Gesellschaft verkündet. Dahinter steckt jedoch nicht
primär der Terroranschlag und das
Ende der Spaßgesellschaft, sondern
eine schlichte
demografische Tatsache: die
Generation Golf tritt massenhaft in die Lebensphase "junge
Familie" ein ("Generation
Kombi").
Es ist nicht das erste Mal, dass der
Lebensphasenwechsel einer Generation zum Gesellschaftswandel
hochstilisiert wurde. Bereits vor 6 Jahren hat der Soziologe
Holger RUST in seinem Buch
Trendforschung den Werdegang
der amerikanischen Baby-Boomer und deren mediale Inszenierung
vom Yuppietum bis zur Familiengründung beschrieben.
In Deutschland ging es Anfang der 1990er
Jahre dagegen um die so genannten 78er (Reinhard
MOHR). Damals wurden ebenfalls
Schwangere massenmedial inszeniert.
Jetzt ist die Generation Golf dran...
2002
BROST, Marc (2002): Konjunktur
ohne Kinder.
Wie die Babyboomer für
Wachstum sorgen,
in: Die ZEIT
Nr.12 v. 14.03.
"Sie sind jung? Sind verheiratet und
haben keine Kinder? Schämen Sie sich!
Längst ist es zum Schimpfwort geworden, ein Dink zu sein:
double income, no kids,"
so beginnt Marc BROST seine Verteidigung
der Marketingzielgruppe "DINK".
Die Volkswirte der
Investmentbank UBS Warburg haben dieses Phantom der
Sozialpolitiker angeblich studiert. Der Autor liefert jedoch
keinerlei demografische Daten, sondern schließt aus der
zahlenmäßigen Stärke der 30- 49jährigen, dass sich in dieser
Gruppe besonders viele DINKS tummeln müssen. Falls dies
zuträfe, dann ergäbe sich folgender positive Effekt:
"Viele Dinks bedeuten
(...) hohe Produktivität und hohe Wachstumsraten, sagen die
Investmentbanker. Und weil die Rente unweigerlich näher
rückt und weil die Dinks das wissen, sparen sie
verhältnismäßig viel - und hohe Sparquoten drücken die
Inflation."
Die DINKs sind jedoch ein
Phantom, das sich einerseits aus der Differenz zwischen
Haushaltsstatistik und Verheiratetenziffern und andererseits
aus der Ausblendung der Lebenslaufperspektive ergibt. Per
Haushaltsstatistik werden Eltern in Kinderlose umdefiniert,
d.h. die älteren DINKs sind mehrheitlich Doppelverdiener,
deren Kinder nicht mehr in der elterlichen Wohnung leben. Bei
den jüngeren DINKs handelt es sich dagegen mehrheitlich um
Paare vor der Familiengründung.
Lebenslang Kinderlose sind - entgegen dem Gerede der
Sozialstaatsgegner - weiterhin eine Minderheit,
die garantiert keinen Wachstumsschub auslösen wird.
LIEBS, Holger (2002): Soft
sells.
Weniger Muskeln, mehr Haare:
Die Werbung hat ein neues Männerbild entdeckt – es ist auch ein
altes,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 10.08.
"Härte und Männlichkeit
waren bei den Slackern nicht gefragt, Schmerz und
abgerissene Melancholie traten an ihre Stelle. Diese
nihilistischen Babyboomer waren passiv und kraftlos, weil
sie keinen Anschluss an die New Economy, ja nicht einmal an
die digitalen
Nerd-Gewinnspiralen
hatten. Beck sang 'I’m a loser', die Dream Warriors legten
nach mit 'I got a hole in my soul about 10 feet wide. What’s
the year? It’s the 90s. Life’s a bitch', und diesen
Untergangs-Lifestyle schrieb niemand besser auf als
Douglas Coupland im Roman
Generation X, der auch den Begriff
des 'mentalen Ground Zero' geprägt hat.
Und
nun kehrt all das also wieder, in einer verfrühten
Retro-Laune",
fragt sich empört Holger
LIEBS nach einem Blick in aktuelle Mode- und
Männerzeitschriften.
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