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Ein Dschungelführer durch die Haushaltsstatistik

 
       
   

Mikrozensus

 
       
   

Analysen eines jährlich wiederkehrenden Rituals

 
       
     
       
   
     
 

Die Politik der Haushaltsstatistik

Es ist ein alljährliches Ritual geworden. Die Haushaltsstatistik ist das ideale Instrument, um Politik im Sinne "Familien versus Singles" zu betreiben.
     
Solange das Statistische Bundesamt nicht die Haushaltsstrukturstatistik mit der Bevölkerungsstruktur verknüpfen muss, d.h. sagen muss, dass in den 13,7 Millionen Single-Haushalten NUR 13,7 Millionen Menschen und damit ca. 69 Millionen Menschen NICHT in Single-Haushalten leben, wird ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Lebensverhältnisse in Deutschland vorgetäuscht. Denn ca.


85 % der Bevölkerung lebt NICHT in Single-Haushalten!


Wenn man dann noch weiss, dass sich das Statistische Bundesamt nur für WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFTEN interessiert und nicht für LEBENSVERHÄLTNISSE, dann ergibt sich eine weitere Verzerrrung.
      Die Haushaltsstatistik überschätzt das Alleinwohnen, weil das ALLEINWOHNEN GAR NICHT ERFASST WIRD, SONDERN NUR DAS ALLEINWIRTSCHAFTEN. In den Single-Haushalten wohnen viele Paare, die nur nicht angegeben haben, dass sie zusammenwirtschaften. Diese Paare WOHNEN nur zusammen! Für die Art des Zusammenwohnens interessiert sich die Haushaltsstatistik überhaupt nicht. Das ist Privatsache, d.h. eine WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT muss gar keine PARTNERSCHAFT sein. Es gibt keine mir bekannte repräsentative empirische Untersuchung, in der weniger Paare gezählt werden als vom Statistischen Bundesamt.
      Die Kategorie "Nichteheliche Lebensgemeinschaft" sollte besser "Wirtschaftsgemeinschaft von Mann und Frau" heissen, denn genau das wird erfasst und nichts anderes.
     
Die ASOZIALITÄT ist die Konsequenz der ökonomistischen Perspektive. Beziehungen werden nur in ihrer ökonomischen Funktion erfasst. Aber selbst diese Betrachtungsweise ist unvollständig. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass ökonomische Austauschprozesse nur innerhalb des Haushalts und nicht zwischen Haushalten stattfindet.
     
Dies ist aber genau jene Sichtweise, die auch in der Single-Debatte vorherrscht. Die Familie ist ein gesellschaftlicher Leistungsträger und Singles werden deshalb auch nur als Leistungsträger erfasst. Angesichts der Tatsache, dass ca.


85 % der Bevölkerung nicht in Single-Haushalten leben,


ist die Aufmerksamkeit verständlich.

Singles sind EXOTEN!

Sie sind so selten, dass man in den Medien nur etwas über sie liest, wenn mal wieder ein Sündenbock gesucht wird. Man muss deshalb die Haushaltsstatistik sozusagen als LUPE verwenden, um die Singles überhaupt sichtbar machen zu können. Man würde sie sonst glatt übersehen.

Wer Alleinwirtschaften mit Alleinwohnen, Partnerlosigkeit oder Kinderlosigkeit gleichsetzt, der muss logischerweise ein falsches Bild unserer Gesellschaft im Kopf haben. Jede dieser Dimensionen kann unabhängig voneinander auftreten, aber es existieren auch die vielfältigsten Kombinationen.

Das Statistische Bundesamt ist nicht am Puls der Zeit, sondern lichtjahreweit davon entfernt!

Die Kritik am Single-Begriff des Statistischen Bundesamtes basiert auf der Magisterarbeit: "Das Single-Dasein. Leistungen und Grenzen von Begriffstraditionen und Typologien"

 
     
 
       
   

Der Mikrozensus im WWW

 
       
   

Pressekonferenz "Leben und Arbeiten in Deutschland - Mikrozensus 2001" am 03.05.

STATISTISCHES BUNDESAMT (2002): 17 % der Menschen in Deutschland leben allein,
in: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt v. 03.05.
Die Pressekonferenz in den Medien:

EUBEL, Cordula (2002): Viele leben wild, die meisten trauen sich.
Mit Kindern ist im Westen die Ehe nach wie vor die häufigste Lebensgemeinschaft - im Osten heiraten immer weniger,
in: Tagesspiegel v. 03.05.

BUL (2002): Ehe wie ehedem.
Mikrozensus zu Familie und Kindern,
in: Tagesspiegel v. 03.05.

KIRCH, Raimund (2002): Dinner for one.
Werden wir zu einer Gesellschaft von "Ichlingen"?,
in: Nürnberger Zeitung v. 04.05.

WELT (2002): In Deutschland leben 13,5 Millionen Singles.
Statistisches Bundesamt untersucht mit dem Mikrozensus 2001 wieder die Lebens- und Familiensituationen der Mitbürger,
in: Welt v. 04.05.

 
       
   

Die Pressekonferenz zum "Mikrozensus 2000" am 19.04.2001 in den Medien

AFP/DPA (2001): Zahl der Single-Haushalte erreicht neue Rekordmarke.
Bundesamt legt "Minivolkszählung" vor: Trend zum Alleinwohnen ungebrochen / Immer mehr Paare verzichten auf Kinder,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.04.

ZIMMERMANN, Felix (2001): Mikrozensus 2000 des Statistischen Bundesamtes.
Männer beherrschen die Chefetagen. Nur ein Drittel der Spitzenjobs besetzen Frauen/Fast jedes zweite Ehepaar kinderlos,
in: Süddeutsche Zeitung v. 19.04.

AFP (2001): Zahl der Einpersonenhaushalte erreicht neue Rekordmarke.
Mit 13,7 Millionen der häufigste Haushaltstyp - Mikrozensus 2000: Trend zur Individualisierung ungebrochen,
in: Kieler Nachrichten v. 20.04.

BERNARDING, Bernard (2001): Immer mehr Deutsche leben alleine.
Der Mikrozensus 2000 belegt Trend zum Single-Dasein und zur Kleinfamilie - Doch die Ehe bleibt stabil,
in: Pirmasenser Zeitung v. 20.04.

BERNARDING, Bernard (2001): Steter Trend zum Single-Dasein.
Doch die traditionelle Ehe bleibt in Deutschland recht stabil - Der Mikrozensus 2000,
in: Saarbrücker Zeitung v. 20.04.

WIDMANN, Arno (2001): Eine Gesellschaft von Singles,
in: Berliner Zeitung v. 20.04.

 
       
   

Der Mikrozensus 2001 im WWW

 
       
   

Die Pressekonferenz am 03.05.2002 "Leben und Arbeiten in Deutschland - Mikrozensus 2001"

STATISTISCHES BUNDESAMT (2002): 17 % der Menschen in Deutschland leben allein,
in: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt v. 03.05.

Die Pressekonferenz in den Medien:

EUBEL, Cordula (2002): Viele leben wild, die meisten trauen sich.
Mit Kindern ist im Westen die Ehe nach wie vor die häufigste Lebensgemeinschaft - im Osten heiraten immer weniger,
in: Tagesspiegel v. 03.05.

BUL (2002): Ehe wie ehedem.
Mikrozensus zu Familie und Kindern,
in: Tagesspiegel v. 03.05.

KIRCH, Raimund (2002): Dinner for one.
Werden wir zu einer Gesellschaft von "Ichlingen"?,
in: Nürnberger Zeitung v. 04.05.

WELT (2002): In Deutschland leben 13,5 Millionen Singles.
Statistisches Bundesamt untersucht mit dem Mikrozensus 2001 wieder die Lebens- und Familiensituationen der Mitbürger,
in: Welt v. 04.05.

 
       
   

Der Mikrozensus in den Medien

 
       
   

Die Verwechslung von Wohn- und Haushaltsform

SCHOLZ, Ernst-G. (2001): Kinderlose Gesellschaft,
in:
Hamburger Abendblatt v. 25.04.

"Statistik, das sind nun mal in erster Linie Zahlen und Prozente. Logisch und kalt. Seele und Bedeutung bekommen sie erst, wenn man sie auf die Menschen bezieht, die hinter den Ziffern stehen. Dann werden sie lebendig und können eine Dramatik entwickeln, die man ohne die Zahlen so nie gesehen hätte. Wie bei der Aussage, dass in vier von fünf Hamburger Haushalten keine Kinder mehr großgezogen werden (...) Man muss sich das mal vorstellen: Ein Hochhaus und dann die Balkone abgezählt. Eins, zwei, drei, vier, Kinder, eins, zwei, drei, vier, Kinder. Nur in jeder fünften Wohnung lebt mindestens ein Kind. Kinderlose sind die Mehrheit."

SCHOLZ möchte die Menschen hinter den Zahlen sichtbar machen. Er begeht dabei jedoch einen typischen Denkfehler. Wenn in vier von fünf Haushalten keine Kinder mehr groß gezogen werden, dann heißt das eben nicht, dass nur in jeder fünften Wohnung ein Kind lebt. Zwischen Allein- bzw. Zusammenwirtschaften und Allein- bzw. Zusammenwohnen besteht eine Differenz, die sofort deutlich wird, wenn man weiß, dass es in Hamburg zwar 916.300 Haushalte gibt, aber nur 852.900 Wohnungen. Es besteht also eine Differenz von ca. 60.000. Diese 60.000 Haushalte werden nicht etwa von Obdachlosen geführt, wie das nach der Rechnung von SCHOLZ sein müsste, sondern eine Wohnung kann mehrere Haushalte umfassen. Da das Statistische Landesamt weder Wohngemeinschaften noch Partnerschaften mit getrennter Haushaltsführung  erfasst, sondern nur Wirtschaftsgemeinschaften, ergeben sich in der Realität andere Verhältnisse: So wohnt eine Alleinerziehende mit einem Kind (Zwei-Personen-Haushalt) mit ihrem neuen Partner (Einpersonenhaushalt) in einer Wohnung zusammen. Daneben wohnt ein Partnerloser (Einpersonenhaushalt). Sein Nachbar ist ein Alleinwirtschaftender, dessen Partnerin eine Wohnung in einem anderen Stadtteil hat, die sie erst aufgeben möchte, wenn sie sicher ist, dass die Partnerschaft auch die erste Krise übersteht. Nebenan wohnt ein alleinwirtschaftender Zahlvater, der seine beiden Söhne nur nach einer ausgeklügelten Besuchsregelung sieht oder wenn die Mutter mal kurzfristig einen Babysitter benötigt. Ganz unten wohnt eine alleinwirtschaftende Trümmerfrau, deren überlebenden Kinder (die Hälfte hat entweder die Kindheit oder den Krieg nicht überlebt) wegen besserer Berufschancen nach Süddeutschland gezogen sind, aber sie wollte ihren Bekanntenkreis nicht aufgeben und blieb lieber im Norden. Die nackten statistischen Zahlen oder der polarisierende Blick von SCHOLZ vereinfachen lieber, denn um der Familienpolitik willen darf Realität nicht vorkommen.

 
       
   

Wie Journalisten dafür sorgen, dass die Deutschen aussterben

INGA (2001): Neue Statistik: Die meisten Singles wohnen in St. Georg.
Statistisches Landesamt stellt aktuelle Zahlen vor
in: Welt v. 21.08.

"Die meisten Hamburger Singles wohnen in St. Georg: Zwei von drei Bewohner dieses Stadtteils leben allein (67,8%)",

ist der erste Satz und er zeigt, dass INGA besser über andere Themen schreiben sollte. Von einer überregionalen Tageszeitung sollte man erwarten können, dass die Journalisten wissen, was sie schreiben. INGA begeht einen klassischen Fehler und setzt Bewohner mit Haushalten gleich. Es ist zwar wahrscheinlich richtig, dass es in St. Georg 67,8 % Einpersonenhaushalte gibt, aber dass deshalb zwei von drei Bewohnern allein lebt ist voll daneben! Leider stellt das Statistische Landesamt in Hamburg keine stadtteilspezifische Haushaltshaltsdaten ins Internet, aber die Broschüre Statistik.Magazin.Hamburg Nr.6 vom 17.04.2001 Mikrozensus. Leben und Arbeiten in Hamburg ist als PDF-Datei abrufbar. In dem Magazin erfährt man, dass 25 % der Hamburger in den ca. 48 % Einpersonenhaushalten leben. In St. Georg wohnen also maximal 34 % allein. Das wären Ein von drei Bewohnern. In diesem Fall dürfte es nur Ein- und Zweipersonenhaushalte in St. Georg geben, was wenig wahrscheinlich ist, d.h. der Anteil der Alleinlebenden liegt wohl irgendwo um die 30 %.

Die sozialpolitische Debatte macht zwar solche Horrorzahlen - wie sie von INGA präsentiert werden - plausibel. Gerade deshalb wäre es wichtig, dem entgegen zu wirken. Journalisten sollten lieber die absoluten Haushaltszahlen angeben oder noch besser: die Statistiker auffordern den Bewohneranteil zu nennen. Dadurch würde dem Leser so manches Missverständnis erspart bleiben. Dies wäre den Alleinlebenden gegenüber wesentlich fairer.
Hohe Prozentzahlen mögen ja langweilige Statistiken ein wenig aufpeppen, aber sie schüren die Vorurteile und das ist singlefeindliche Berichterstattung!

KREBS, Andrea (2001): Familie ist da, wo Kinder leben.
Ein erster Bericht. Zukunftswerkstätten sollen bis zum Sommer Antworten finden
in: Neue Ruhr Zeitung v. 20.11.

Andrea KREBS berichtet über die Vorstellung des ersten kommunalen Familienbericht von Düsseldorf. Um dem Bericht Nachdruck zu verleihen zitiert sie den Sozialdezernenten Göbel, "dass Düsseldorf die Hauptstadt der Alleinerziehenden und Singles ist". Danach liefert sie statistische Daten, die das belegen sollen:

"Von den 480 001 Frauen und Männern über 18 Jahren sind 227 626 Singles. Mit 47,9 Prozent besteht fast die Hälfte aller Haushalte aus einer Person, im Bundesdurchschnitt sind das nur 35,7 Prozent."

Ein Vergleich mit den Daten des Statistischen Amtes
ergibt folgendes: Am 31.12.1999 lebten 480.001 über 18Jährige in Düsseldorf. Davon führten 147.023 einen Einpersonenhaushalt und werden deshalb als "Singles" bezeichnet.
Dies sind zwar 47,9 Prozent der Haushalte, aber nur knapp über 30 Prozent "Singles".

KREBS nennt eine um 80.000 erhöhte Zahl (ca. 17 %). Würde man die Zahlen ernst nehmen, dann würde Düsseldort statt der 570.000 nur 396.000 Einwohner haben. Desweiteren wird nicht nach dem Alter der "Singles" unterschieden. Eine alleinwohnende Witwe wird genauso dazu gezählt wie ein Student in einer Wohngemeinschaft. Aus der Altersstruktur von Düsseldorf ergibt sich, dass die größte Zahl von "Singles" alleinwohnende Witwen sein dürften.

Außerdem sollte sich eine Stadt wie Düsseldorf mit anderen Großstädten messen und nicht mit einem Bundesdurchschnitt ihre angebliche Ausnahmesituation hervorheben. Städte zeichnen sich generell durch eine andere Bevölkerungsstruktur als Umlandgemeinden oder ländliche Gegenden aus.

ZIPS, Martin (2002): Roland - allein zuhaus.
In Bayerns Großstädten lebt jeder Zweite allein. Besuch bei einem von zwei Millionen Singles - wie ein 40-Jähriger das Leben in der Einsamkeit meistert,
in: Süddeutsche Zeitung v. 09.02.

Es ist eine Schande, dass in einer überregionalen Zeitung immer noch Falschmeldungen über die Anzahl der Singles zu lesen sind.
Es kann gar keine Rede davon sein, dass in Bayerns Großstädten jeder Zweite allein lebt. Der Autor verwechselt die Haushalts- und Personenebene.

ZIPS hätte besser bei seinem Kollegen von der Regionalzeitung Main Echo (10.12.2002) abgeschrieben, denn dort steht zu lesen, dass

"in den bayerischen Städten mit mindestens 100 000 Einwohnern über 26 Prozent der Menschen alleine (lebten). Fast jeder zweite Haushalt (49 Prozent) bestand dort aus nur einer Person."

Auch wenn man bei der SZ gerne die Familien als aussterbende Minderheit darstellt, so sollte man nicht versuchen die Anzahl der Singles künstlich zu dramatisieren, denn dies ist singlefeindliche Medienberichterstattung.

"Nur wenige Singles sind unter 30".

Dies ist so richtig wie falsch! Die größte Gruppe sind die älteren Witwen. Aber auch junge Singles unter 30 sind in Bayern mit 18 Prozent eine bedeutende Gruppe. Die Alleinlebenden jedoch, die im Brennpunkt der Medien stehen, sind die 25-45 Jährigen. Nur ist das nicht die Mehrheit, wie es ZIPS nahelegt, sondern eine Minderheit. Nur in einem Punkt liegt ZIPS richtig: Männer dominieren in dieser Gruppe auch wenn die weiblichen Yuppies gerne in den Vordergrund gerückt werden. Das Fallbeispiel eines geschiedenen Alleinlebenden, der Unterhalt zahlen muss liegt näher an der Wirklichkeit des typischen männlichen Singles im mittleren Lebensalter als die üblichen Lifestyle-Yuppie-Geschichten.
Der Soziologe Jörg ECKHARDT nennt diese Gruppe die "gebrauchten Junggesellen".

DIERING, Frank (2002): Keine Lust mehr auf Kinder.
Neue Statistik: Jede fünfte Familie lebt von Sozialhilfe - Berlin entwickelt sich zur Hauptstadt der Singles,
in: Berliner Morgenpost 16.07.

"Fast jeder zweite Berliner lebt in einem Single-Haushalt", behauptet DIERING. Wäre diese Meldung richtig, dann hätte Berlin nur 1,8 Millionen Einwohner und keine 3,3 Millionen! Dies mag zwar jene bestätigen, die das Aussterben der Deutschen befürchten, aber der Realität entspricht es nicht.
Nur 26,8 % der Berliner leben in einem Einpersonenhaushalt, obwohl der Anteil der Einpersonenhaushalte in Berlin 49 % beträgt.

Das Statistische Landesamt Berlin meldet deshalb auch fast korrekt: "Die Hälfte aller Berliner Haushalte sind Singles" (Pressemeldung vom 03.07.2002).

Interessant ist auch die Tatsache, dass die Männer im Alter von 25-50 Jahren dominieren. Dies steht im krassen Gegensatz zur Tatsache, dass die kinderlose Karrierefrau die Single-Debatte beherrscht. Mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen wohnen im mittleren Lebensalter alleine. In das Bild von DIERING passt ein solcher Sachverhalt jedoch nicht.

 
       
   

"Singles" als Bewohner von Einpersonenhaushalten

WIDMANN, Arno (2001): Eine Gesellschaft von Singles,
in: Berliner Zeitung v.20.04.

Leserbrief von single-dasein.de an die Berliner Zeitung (21.04.2001):

"Die Einpersonenwirtschaft ist heute der häufigste Haushaltstyp in der Bundesrepublik. Man wird - das macht diese Entwicklung deutlich - die Familie nicht wieder zum zentralen Ort, zum Kern der Gesellschaft machen können"

schreibt Arno Widmann. Das hört sich auf den ersten Blick beängstigend an. Aber wenn in Deutschland über 82 Millionen Menschen leben und nur 13,7 Millionen in Single-Haushalten, dann heisst dies, dass ca. 85 % der Bevölkerung NICHT in Single-Haushalten lebt. Wenn es weiter heisst:

"In Westdeutschland nahm die Zahl der Single-Haushalte bei den 25- bis 40-Jährigen seit 1961 um mehr als das Fünffache zu."

Auch dies hört sich nur auf den ersten Blick dramatisch an. Das Statistische Bundesamt spricht von den 25-45Jährigen und diese Personengruppe macht nicht einmal 7 % der Bevölkerung aus. Die Ledigen in Single-Haushalten (ca. 3 % der Bevölkerung) sind vor allem Studenten und Auszubildende oder Berufseinsteiger. Die Verbesserung der Wohnverhältnisse hat den Effekt, dass sie nicht mehr in Anstaltshaushalten (Wohnheimen) untergebracht sind, sondern in Appartments. Über solche Verschiebungen wird leider nichts ausgesagt. Menschen in Einpersonenhaushalten sind also vor allem jene, die auch früher keine Familie gegründet haben. Im mittleren Lebensalter handelt es sich vor allem um geschiedene Männer (meist Zahlväter). Die Zahl der über 75Jährigen ist seit 1961 um mehr als das Vierfache gestiegen. Dies verdeutlicht, dass die erhöhte Lebenserwartung und nicht die niedrige Geburtenzahl (die Zahl der Lebendgeboren ist 1978 in den alten Bundesländern sogar um über 100.000 niedriger gewesen als 20 Jahre später) das eigentliche Problem ist. Wer die Schuld für die demografische Entwicklung bei den jungen Singles sucht, der hat sich offensichtlich im Dschungel der Haushaltsstatistik verirrt.

Eine detaillierte Erläuterung der Kritik:

In der gegenwärtigen Kontroverse "Familien versus Singles" wird der Single-Begriff meist als Synonym für Haushalte ohne Kinder verwendet, z.B. in der Titelgeschichte des Spiegels Zurück zur Familie.

WIDMANN weicht jedoch davon ab, wenn er von Single-Haushalten spricht. Diese sind nur eine kleine Untergruppe der Haushalte ohne Kinder. Die gutverdienenden Haushalte ohne Kinder sind in erster Linie unter den Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder zu suchen.

Indem WIDMANN die 25-45jährigen und deren enormen Zuwachs in den Mittelpunkt stellt, möchte er anscheinend den Eindruck erwecken, dass es vor allem die Yuppies sind, die sich hinter dieser Gruppe verbergen. Eine Fehleinschätzung, die er mit vielen seiner Kollegen teilt. Die Yuppies, die sich unter den Einpersonenhaushalten befinden, sind vor allem ein Kategorienproblem des Statistischen Bundesamt. Nicht das Zusammenwohnen von Mann und Frau, sondern nur das Zusammenwirtschaften bildet für das Statistische Bundesamt die Grundlage zur Einordnung in einen Mehrpersonenhaushalt.

Die Zahl der Single-Haushalte ist gerade im "Familienlebens-Alter" besonders niedrig. Es überwiegen jüngere und ältere "Singles". Dies deutet bereits darauf hin, dass das lebenslange Alleinwirtschaften die Ausnahme von der Regel ist.

In dem Bericht des Statistischen Bundesamtes fehlen ausgerecht jene Zahlen, die besonders aussagekräftig wären. Es gibt nur eine Tabelle mit der Altersstruktur der Einpersonenhaushalte. Notwendig wäre jedoch eine Tabelle aus der sowohl das Lebensalter als auch der Familienstand hervorgeht. Stattdessen wird auf die Zunahme im Vergleich zu früheren Mikrozensusuntersuchungen ausgewichen. Daraus lässt sich schließen, dass es nur eine getrennte Tabelle von Alter und Familienstand gibt. Letztere fehlt im Bericht. Man wird auf das Erscheinen der Fachserie warten müssen, um Genaueres darüber zu erfahren.

Die Nichterwähnung der erstaunlichen Zunahme der über 75jährigen lässt dagegen darauf schließen, dass die Aufmerksamkeit auf das Thema "Kinderlosigkeit" und nicht auf das Thema "höhere Lebenserwartung" gelenkt werden soll. Dies passt wiederum zur gegenwärtigen Debatte über das angebliche "Aussterben der Deutschen".

 
       
   

Der Mikrozensus in der Kritik

 
       
   

HEIDENREICH, Hans-Joachim & Manuela NÖTHEN (2002): Der Wandel der Lebensformen im Spiegel des Mikrozensus,
in:
Wirtschaft und Statistik Heft 1, S.26-38

Die Autoren stellen die Defizite des Mikrozensus bei der Erfassung von Paaren und Familien in den Mittelpunkt und formulieren Anforderungen für eine Reform des Mikrozenus. Die Soziologen Hans BERTRAM und Norbert F. SCHNEIDER haben mit empirischen Untersuchungen die Unzulänglichkeiten des Haushaltskonzeptes bewiesen.

Die vorgeschlagenen Reformen von HEIDENREICH & NÖTHEN bleiben weit hinter dem zurück, was aus Sicht der Soziologie bezüglich der Erfassung von Lebensformen wünschenswert wäre. Das größte Manko, die "haushaltsbegrenzte Betrachtung", wird auch nach einer Reform des Mikrozensus weiter bestehen bleiben.

 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 21. April 2001
Update: 23. Januar 2017