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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Die Entwicklung der Geburtenzahlen in Deutschland

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Geburtenentwicklung (Teil 4)

 
       
     
       
   
     
 

Vorbemerkung

Die mediale Berichterstattung zur Geburtenentwicklung richtet sich nicht nach der Faktenlage, sondern nach politischen Interessen. Um diese deutlich zu machen werden in dieser Bibliografie ab heute (02.07.2012) nach und nach ausgewählte Medienberichte und Literatur zum Thema chronologisch dokumentiert. Die Kommentare entsprechen jeweils dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, falls nichts anderes vermerkt ist.

Kommentierte Bibliografie (Teil 4: 2006 - 2007)

2006

DESTATIS (2006): Erneuter Bevölkerungsrückgang für 2005 erwartet,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 20.01.

"Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist die Einwohnerzahl Deutschlands 2005 leicht zurückgegangen. Ende 2005 dürften noch etwa 82,45 Millionen Personen in Deutschland gelebt haben, Ende 2004 waren es 82,50 Millionen gewesen.
Für das Jahr 2005 ist mit circa 820 000 bis 830 000 Sterbefällen und damit nur einer geringen Veränderung gegenüber 2004 (818 000) zu rechnen. Dagegen dürfte die Zahl der Lebendgeborenen, die 2004 rund 706 000 betragen hatte, deutlich auf etwa 680 000 bis 690 000 zurückgegangen sein. Damit sind 2005 voraussichtlich etwa 140 000 mehr Menschen gestorben als Kinder zur Welt kamen. 2004 hatte dieses Geburtendefizit 113 000 Personen betragen.
Der Wanderungsüberschuss gegenüber dem Ausland dürfte 2005 bei etwa 90 000 bis 100 000 Personen gelegen haben. 2004 waren 83 000 mehr Personen aus dem Ausland nach Deutschland zugezogen als von hier weggezogen. Damit wird 2005 wie bereits 2004 das Geburtendefizit nicht durch den Wanderungsüberschuss ausgeglichen werden können", wird gemeldet.

Das Statistische Bundesamt schätzt also für das Jahr 2005 die Zahl der Lebendgeborenen auf 680.000 bis 690.000. Diese Zahl liegt damit um 15.000 bis 25.000 Kinder unter dem Jahr 2004.

Nach einer Analyse der Bevölkerungsentwicklung im Jahr 2004 von Bettina SOMMER u.a. in der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik vom Dezember 2005 hatte die Geburtenrate 2004 den höchsten Stand seit 2001 erreicht. Die Kommentatoren führen die geschätzten niedrigen Geburtenzahlen für das Jahr 2005 deshalb auf die nachwachsenden, geburtenschwachen Jahrgänge zurück.

Eine andere Erklärung wäre jedoch, dass die Single-Lüge, die unsägliche bevölkerungspolitische Debatte und das damit verbundene kinderlosenfeindliche Klima, sowie die Debatte um das Elterngeld im Bundestagswahlkampf, einen verstärkten Aufschub von Geburten nahe gelegt hat.

Warum sollte man ausgerechnet jetzt Kinder kriegen, wenn man erst 2007 mit einem finanziellen Geldsegen rechnen kann? Der Streit um die Frage, welche Eltern überhaupt in den Genuss familienpolitischer Förderungen kommen sollen, ist kontraproduktiv, denn der Streit zeigt, es sind nicht wirklich alle Kinder gleichermaßen erwünscht...

Da es sich jedoch um eine Schätzung handelt, sind die Zahlen mit Vorsicht genießen. Alle Erklärungen sind deshalb letztlich hochgradig spekulativ.

In der FAZ ("Drei sind besser als zwei", 21.01.2006) will - ausgerechnet jetzt - Heinrich WEFING einen Trend zur Großfamilie entdeckt haben.

KAMANN, Matthias (2006): Die Kinder kommen nicht,
in: Welt v. 21.01.

"Die Frauen der geburtenstarken Jahrgänge verlassen das gebärfähige Alter, immer weniger wachsen nach. Es ist zu spät. Deutschland schrumpft weiter. Insofern können wir uns die ohnehin mißratene Familienpolitik auch schenken. Vielmehr gilt es, die Alterssicherungssysteme dem Bevölkerungsrückgang anzupassen", meint Matthias KAMANN.

TKALEC, Maritta (2006): Deutschland hat eine Stadt verloren.
Die Geburtenzahl sinkt 2005 auf ein Rekordtief,
in: Berliner Zeitung v. 21.01.

"Das neue Minus von etwa 20 000 Kindern entspricht der Einwohnerschaft von Speyer und Rothenburg ob der Tauber zusammengenommen. Da die Geburtenrate pro Frau etwa gleich bleibt, ist davon auszugehen, dass sich in den sinkenden Babyzahlen schon der Mangel an potenziellen Müttern ausdrückt, die vor 20 oder 30 Jahren nicht geboren wurden", spekuliert Maritta TKALEC.

MÜLLER, Uwe & Joachim PETER (2006): Wenn das Volk schrumpft.
Der demographische Niedergang Deutschlands bremst das künftige Wirtschaftswachstum. Die Politik kann ihn nicht aufhalten,
in: Welt v. 14.03.

Die Welt nutzt die Gesellschaft des SCHIRRMACHER-Spektakels, um eine Prognose des Geburtenrückgangs für das Jahr 2005 zu lancieren, die sich bereits am 20. Januar andeutete. Nur ob es sich dabei um einen Rückgang der Geburtenrate handelt wie das Frank SCHIRRMACHER in seinem Buch Minimum behauptet, das belegen die Daten noch nicht.

MÜLLER, Uwe & Joachim PETER (2006): "Das ist dramatisch".
Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, über Kinder und Konjunktur,
in: Welt v. 14.03.

ADAM, Konrad (2006): Drei Wege aus der Kinderlosigkeit,
in: Welt v. 14.03.

RÜHLE, Alex (2006): Abwärts.
"Wir müssen die ökonomischen Vorteile der Kinderlosigkeit abbauen": Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann über den deutschen Bevölkerungsschwund,
in: Süddeutsche Zeitung v. 16.03.

Franz-Xaver KAUFMANN hat mit seinem neuen Werk Schrumpfende Gesellschaften den Weg seriöser Wissenschaftlichkeit verlassen und stattdessen eine nationalkonservative Kampfschrift verfasst. Im Gespräch mit Alex RÜHLE hält sich KAUFMANN jedoch - anders als in seinem Buch - weitgehend bedeckt:

"SZ: Die zentrale sozialpolitische Aufgabe des kommenden Jahrzehnts liegt für Sie darin, dass die Kinderlosen, also diejenigen, die »nicht in das Humankapital der nachwachsenden Generation investieren, in äquivalenter Weise zur kollektiven Zukunftsvorsorge beitragen müssen, nämlich durch zusätzlichen Konsumverzicht und die Bildung von Ersparnissen«. Wie stellen Sie sich das denn in einer Demokratie vor?
          
Kaufmann: Ich gestehe zu, dass die Forderung nach einem Altersvorsorgezwang für Personen, die - manchmal aus für sie tragischen Gründen - keine Elternverantwortung übernehmen, noch als politisch unkorrekt gilt. Es ist aber praktisch unmöglich, Familien ausreichend zu fördern, ohne die ökonomischen Vorteile der Kinderlosigkeit abzubauen.
          
Diese Einsicht wird sich durchsetzen. Was die Politik daraus macht, ist schwer zu sagen."

Was KAUFMANN jedoch vorzuwerfen ist: Er sagt BEWUSST nicht, was er unter Kinderlosigkeit versteht. In den Sozialwissenschaften wird der Anteil der dauerhaft Kinderlosen auf ca. 20 % geschätzt. Der Anteil der statistischen Kinderlosigkeit, also das was in der Öffentlichkeit kursiert, beläuft sich dagegen auf 30 - 40 % (weil auch Noch-Kinderlose und Eltern mit Kindern außer Haus mitgezählt werden). Außerdem besagt die Statistik, dass dauerhafte Kinderlosigkeit eher mit niedrigen Einkommen einher geht. Nimmt man KAUFMANN ernst, dann bedeutet eine Bestrafung der Kinderlosen, dass der Anteil dauerhafter Kinderlosigkeit zunehmen wird, weil sich immer weniger überhaupt Kinder leisten können. Dies ist auch der Tenor der Elterngelddebatte: Geburtenförderung sollen in erster Linie die Erfolgreichen erhalten und nicht diejenigen, die sich Kinder wünschen.

DESTATIS (2006): Geburtenentwicklung in Deutschland im langfristigen Vergleich,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 17.03.

"Die Kinderzahl je Frau hat sich im Durchschnitt in Deutschland in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, fiel die Geburtenziffer 2004 mit 1,36 etwas höher als in den drei vorangegangenen Jahren aus (2001: 1,35; 2002 und 2003 jeweils 1,34). Eine höhere durchschnittliche Kinderzahl hatte es seit der Wiedervereinigung nur in den Jahren 1997 (1,37) und 2000 (1,38) gegeben, 1990 waren es 1,45 gewesen. Damit wird das zum Ersatz der Elterngeneration notwendige Niveau von etwa 2,1 Kindern je Frau deutlich unterschritten. Eine durchschnittliche Kinderzahl von mindestens 2,0 je Frau hatte es sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands zuletzt Anfang der 1970er Jahre gegeben. 2005 wurden nach einer Schätzung, die monatliche Veränderungen berücksichtigt, etwa 680 000 bis 690 000 Kinder lebend geboren. Die Ergebnisse für das Jahr 2005 werden Mitte 2006 vorliegen. Die zusammengefasste Geburtenziffer dürfte 2005 zwischen 1,33 und 1,36 gelegen haben. Innerhalb Deutschlands gab es eine sehr unterschiedliche Entwicklung: In den neuen Ländern und Berlin-Ost sind nach der Wiedervereinigung die Geburten geradezu eingebrochen bis zu einem Tief der zusammengefassten Geburtenziffern von 0,77 Kindern je Frau in den Jahren 1993 und 1994. Seitdem hat dort die durchschnittliche Kinderzahl wieder bis 2004 auf 1,31 (ohne Berlin-Ost) zugenommen. Demgegenüber veränderte sich die zusammengefasste Geburtenziffer in Westdeutschland in den letzten Jahrzehnten nicht derart gravierend. Im früheren Bundesgebiet wurden 2004 durchschnittlich 1,37 Kinder je Frau geboren (ohne Berlin-West), ähnlich viele wie in den Vorjahren. In dieser Größenordnung liegt die zusammengefasste Geburtenziffer im Westen Deutschlands seit 1975. In diesem Zeitraum waren die höchsten Werte 1975, 1976 und 1990 mit jeweils 1,45 sowie 1980, 1981 und 1997 mit 1,44 erreicht worden. Die niedrigste zusammengefasste Geburtenziffer hatte es im früheren Bundesgebiet 1985 mit 1,28 gegeben. Eine niedrigere zusammengefasste Geburtenziffer als Deutschland weisen innerhalb der EU zur Zeit unter anderem Tschechien und Polen mit 1,23 sowie Griechenland mit 1,29 auf (Angaben von Eurostat für 2004)", meldet das Statistische Bundesamt.

DPA (2006): Geburten erreichen Rekordtief.
Negativtrend seit 1972 hält an. Migration wird immer wichtiger,
in: Frankfurter Rundschau v. 28.04.

Anlässlich des Erscheinens von SCHIRRMACHERs Buch Minimum kam die Welt auf die glorreiche Idee, man könne doch mal wieder ein Geburtenrekordtief verkünden. 676.000 Geburten kündigten uns MÜLLER & PETER für 2005 an. Jetzt kommt die Frankfurter Rundschau und bringt - wie von single-generation.de erwartet - rechtzeitig zur Debatte um das Elterngeld eine Dpa-Meldung in Umlauf, in der uns jetzt nicht mehr als 690.000 Geburten versprochen werden. Das sind immerhin bis zu 14.000 Geburten mehr als am 14. März. Nur wird verschwiegen, dass diese Prognose des Statistischen Bundesamtes bereits am 20. Januar 2006 publiziert wurde. Man holt also alte Meldungen aus der Mottenkiste heraus, um sie uns als aktuelle Sensation zu verkaufen. Wie lange lassen wir uns solche Praktiken eigentlich noch bieten?

SEIBT, Gustav (2006): Deutschland.
SZ-Feuilletonthema Zu viele Menschen, zu wenige oder die falschen: Die Welt im demographischen Umbruch: Dreißig Jahre nach zwölf,
in: Süddeutsche Zeitung v. 04.05.

Gustav SEIBT versucht sich als SCHIRRMACHER-Imitator. Er schreckt dabei auch vor Halbwahrheiten nicht zurück. Angeblich bezog sich bisher die demographische Panik stets auf die Überbevölkerung.

Vielleicht sollte SEIBT beim Historischen Demographen Josef EHMER nachschlagen. Dort gibt es eigens ein Kapitel über die Paradigmen der Bevölkerungspolitik, die zwischen "Überbevölkerungsangst" und "Entvölkerungsangst" schwankte. Es ist sicher auch kein Zufall, dass Herwig BIRGs Buch Die ausgefallene Generation bereits in Wilhelm HARTNACKEs Buch Die Ungeborenen (1936) seinen Vorläufer hatte.

SCHWENTKER, Björn (2006): Aussterben abgesagt.
Deutschland hat die Demografie entdeckt – und mit ihr die demografische Katastrophe. Viele Forscher sehen gar keinen Grund zur Aufregung,
in: Die ZEIT v. 08.06.

In dem Buch Die Single-Lüge erfahren Sie, warum dieser Artikel nicht bereits vor einem Jahr in der ZEIT erschienen ist, obwohl sich am wissenschaftlichen Erkenntnisstand in der Zwischenzeit nichts geändert hat.

SCHWENTKER, Björn (2006): Pokerspiele an der Wiege.
Akademikerinnen sind im Gebärstreik? Nein. Die Statistik ist fehlerhaft. Und der Bundesrat verhindert exakte Erhebungen. Teil zwei unserer Demografie-Reihe,
in: Die ZEIT Nr.25 v. 14.06.

Punkt für Punkt bestätigt Björn SCHWENTKER im 2. Teil der Serie Deutschland ohne Kinder? die Kritik von single-dasein.de und single-generation.de an der Demografiedebatte. [ mehr ]

DESTATIS (2006): Bevölkerung im Jahr 2005 leicht gesunken,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 19.07.

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte heute zwar die vorläufigen Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung, aber nicht die Anzahl der Geburten im Jahr 2005. Eine durchaus merkwürdige Praxis, aber single-generation.de wollte es genauer wissen. Die Geburtenzahlen sind nämlich bereits veröffentlicht. Sie befinden sich jedoch versteckt auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes in einer Exceltabelle mit der Bezeichnung Natürliche Bevölkerungsentwicklung ab 1946 bis 2005.

Nach den vorläufigen Ergebnissen wurden 685.784 Geburten im Jahr 2005 registriert. Möglicherweise erinnert sich noch jemand an das Spektakel mit dem im März dieses Jahres das Pamphlet "Minimum" von Frank SCHIRRMACHER auf den Buchmarkt geworfen wurde. Die Welt präsentierte extra zu diesem Zweck die angeblich neuesten Geburtenzahlen:

"Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes kamen 2005 nur rund 676 000 Kinder auf die Welt. Gegenüber dem Vorjahr, als es noch knapp 706 000 Geburten waren, würde das ein Minus von über vier Prozent bedeuten - es wäre der gewaltigste Einbruch der letzten 15 Jahre",

verkündigten Uwe MÜLLER & Joachim PETER am 14. März und auch die so genannte Qualitätspresse druckte die Meldung ohne jegliche Überprüfung nach, weil sie so schön zum Buch passte. Die jetzigen ca. 686.000 Babys liegen also wesentlich höher. Dies dürfte einer Geburtenrate entsprechen, die bei ca. 1,34 liegt, wenn man der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 17.03.2006 glauben darf.

Damit wäre die Geburtenrate - trotz der unsäglichen Debatte um das Elterngeld, die eher zu Geburtenaufschüben geführt haben dürfte - höher als in den Jahren 1991 - 1996. Sie würde auf dem Niveau der Jahre 2002/2003 liegen. Die Geburtenentwicklung ist also keineswegs so dramatisch wie das noch im Frühjahr dieses Jahres in den deutschen Medien dargestellt wurde.

Das Buch Die Single-Lüge klärt darüber auf, warum Politik, Wissenschaft und Medien keinerlei Interesse an einer fairen Berichterstattung über die Geburtenentwicklung haben und warum das kontraproduktiv ist.

PETER, Joachim (2006): Geburtenrate.
Bevölkerungsrückgang in neuen Ländern hält an. Sinkende Einwohnerzahlen zum Teil auch im West,
in: Welt v. 20.07.

Joachim PETER, der im März mit der Veröffentlichung von falschen Geburtenzahlen Frank SCHIRRMACHER unterstützte, reiht zwar viele Zahlen aneinander, aber die Geburtenzahlen finden sich bei ihm nicht.
Er müsste sich dann ja fragen lassen, warum er noch vor 4 Monaten einen dramatischen Rückgang der Geburtenrate beschwor, der offensichtlich ausgeblieben ist. Stattdessen will er eine Schneise durchs Land erkennen. Was wäre aber passiert, wenn es keinen Geburtenrückgang gegeben hätte? Diese Frage wird wohlweislich nicht gestellt.

RÖNICKE, Katrin (2006): Zuwanderung lässt Südwesten wachsen.
Als einziges Bundesland verbucht Baden-Württemberg mehr Geburten als Sterbefälle. Die meisten der kleinen Badener und Schwäbinnen werden von Migranten in die Welt gesetzt. Insgesamt geht die Bevölkerung der Bundesrepublik weiter zurück,
in: TAZ v. 20.07.

DESTATIS (2006): 2005 - Weniger Eheschließungen und Geburten, mehr Sterbefälle,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 15.08.

"Im Jahr 2005 wurden 686 000 lebendgeborene Kinder registriert, 20 000 oder 2,8% weniger als 2004. Die Zahl der Geburten geht seit 1991, mit Ausnahme der Jahre 1996 und 1997, zurück. 2004 war dieser Rückgang mit 1 000 Geburten weniger als 2003 allerdings sehr moderat ausgefallen", meldet das Statistische Bundesamt in Wiesbaden.

2. Akt der singlefeindlichen Veröffentlichungspraxis des Statistischen Bundesamtes: Bereits am 19. Juli wurden die Bevölkerungszahlen veröffentlicht - ohne jedoch die Geburtenzahlen zu nennen. Nun werden die Geburtenzahlen veröffentlicht, ohne jedoch die Geburtenrate zu nennen. "Es werden immer weniger Kinder geboren" lauten deshalb die gängigen Meldungen. Die absoluten Geburtenzahlen sagen jedoch wenig aus. Entscheidender ist die Frage, ob die Geburtenrate rückläufig ist. Dies ist offenbar nicht der Fall, wie single-generation.de bereits bei der letzten Veröffentlichung angemerkt hat.

Das amtliche Endergebnis liegt um genau 11 Geburten höher als jene Zahlen, die bei single-generation.de bereits im Juli zu lesen waren.

Rechtzeitig zum Erscheinen des Buches Minimum von Frank SCHIRRMACHER und des Buches Die demographische Lage der Nation präsentierte die Welt eine Geburtenzahl, die Deutschland am Rande des Abgrundes sah. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Geburtenzahlen schließen nicht aus, dass sich dahinter ein Babyboom in bestimmten Altersgruppen verbirgt. 

MOHR, Mirjam (2006): Die Mär von den aussterbenden Deutschen.
Die Demografie liefert scheinbar immer neue Hiobsbotschaften: Die Geburtenrate sinkt, die Gesellschaft vergreist, die Deutschen sterben aus. Doch Experten warnen vor übereilten Schlüssen: Oft werde mit gewagten Interpretationen lückenhafter Daten Panikmache betrieben,
in: Spiegel Online v. 23.08.

Bereits Mitte Juli und vor einer Woche war exklusiv auf single-generation.de zu lesen, was nun auch spiegel online verbreitet:

"Unbestritten ist, dass Deutschland eine niedrige Geburtenrate hat. Doch bei der Berichterstattung werden unterschiedliche Begriffe vermischt: 2004 etwa erreichte die absolute Geburtenzahl mit 705.622 Neugeborenen den niedrigsten Stand seit Kriegsende. Daraus wurde später die Aussage, dass die zusammengefasste Geburtenziffer - die durchschnittliche Zahl an Kindern, die eine Frau in ihrem Leben bekommt - so niedrig sei wie noch nie seit 1945. Das aber ist falsch: 2004 bekam eine deutsche Frau im Schnitt 1,36 Kinder. Während beinahe der gesamten 90er Jahre war der Wert niedriger, etwa 1994 mit 1,24, oder bestenfalls genauso hoch. Und auch 1985 lag die Kennziffer im damaligen Bundesgebiet nur bei 1,28.
          
 (...).
Weiter geht es mit der Verwechslung der
zusammengefassten und der rohen Geburtenziffer: Die rohe Geburtenziffer gibt die Zahl der Geburten je 1000 Einwohner an. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hatte im März mit der Mitteilung Entsetzen ausgelöst, Deutschland liege in dieser Hinsicht seit mehr als 30 Jahren auf dem letzten Platz weltweit. In der Berichterstattung wurde dies mit der zusammengefassten Geburtenziffer verwechselt, bei der aber laut Eurostat 2003 und 2004 allein zehn EU-Länder hinter Deutschland lagen.
"

Während hier jedoch nur die Daten von 2004 betrachtet werden, hat single-generation.de bereits die Berichterstattung über die Geborenenzahlen von 2005 genauer analysiert.

Im Buch Die Single-Lüge wird die Debatte um den demografischen Wandel ausführlich dargestellt und die Mechanismen und Interessen an der demografischen Demagogie aufgezeigt. Während die Soziologen erst auf ihrem Kongress im Herbst die Natur der Gesellschaft zum Thema machen und nach und nach die ersten Bücher zur Debatte erscheinen werden, ist das Buch Die Single-Lüge das erste Buch, das die bevölkerungspolitische Debatte kritisch beleuchtet.

NEWSWEEK-Titelgeschichte: Whatever Happend to Having Kids?
Why More & More Couples Are Going Childless. Plus: Beating the Biological Clock

THEIL, Stefan (2006): Beyond Babies.
Even in once conservative societies, more and more couples are choosing not to have kids. That means good things for restaurants and real estate. But a backlash has already begun,
in: Newsweek v. 04.09

2007

DESTATIS (2007): 2006 - Bevölkerungsrückgang hält an,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 05.01.

"Es wird mit etwa 670 000 bis 680 000 Lebendgeburten (...) gerechnet. 2005 waren 686 000 Kinder lebend zur Welt gekommen",

meldet das Statistische Bundesamt zur Geburtenentwicklung. Zur Bevölkerungsentwicklung heißt es:

"Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes ist die Einwohnerzahl Deutschlands 2006 erneut gesunken. Ende 2006 dürfte sie bei etwa 82,31 Millionen Menschen gelegen haben. Ein Jahr zuvor lebten 82,44 Millionen Menschen in Deutschland."

VOLMER, Hubertus (2007): "Wie bei den Autobahnen".
Gespräch mit dem familienpolitischen Sprecher der Unionsfraktion Johannes Singhammer,
in: n-tv v. 05.01.

Die Passauer Neue Presse hat Johannes SINGHAMMER als Verfechter einer Rente nach Kinderzahl ins Gespräch gebracht. SINGHAMER dementiert dies:

"Sie werden mit der Forderung nach höheren Rentenbeiträgen für Kinderlose zitiert. Ist es nicht ungerecht, Paare ohne Kinder zu bestrafen?
Diese Forderung haben wir nirgends erhoben, auch in unseren internen Überlegungen nicht. Wenn ich den entscheidenden Satz aus unserem Strategiepapier mal vorlesen darf: Uns geht es darum, "den Beitrag von Kindern für den Generationenvertrag künftig anders und besser zu bewerten". Es geht um eine Besserstellung der Familien, die Kinder erziehen - nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen.
Woher soll das Geld für diese Besserstellung kommen?
Diese Frage wird natürlich immer wieder gestellt. Ich darf daran erinnern, dass alle öffentlichen Haushalte durch den Geburtenrückgang entlastet werden. 1990 hatten wir in Deutschland noch mehr als 900.000 Geburten. Im vergangenen Jahr waren es nur noch rund 670.000
",

behauptet SINGHAMMER. Das Statistische Bundesamt schätzt die Zahl der Lebendgeborenen für das Jahr 2006 auf 670 - 680 Tausend. SINGHAMMER nennt dagegen nur die Untergrenze.
Die Zahlen bedeuten zwar einen Rückgang der Geborenen gegenüber 2005. Angesichts des rapiden Rückgangs der potenziellen Mütter zwischen 1968 und 1973 darf die geschätzte Geborenenzahl jedoch nicht vorschnell als Sinken der Geburtenrate gedeutet werden. Vielmehr könnte sich dahinter sogar ein Anstieg der Geburtenrate verbergen.
Die Medienberichterstattung des letzten Jahres sollte als Warnung dienen. Die Medien könnten in Verruf geraten, wenn sich dies nun erneut wiederholt.

SPERBER, Kathrin (2007): Rosige Aussichten,
in: Frankfurter Rundschau v. 06.01.

"Hurra, Deutschland schrumpft!" schreibt SPERBER angesichts der neuen Bevölkerungszahlen:

"Endlich weniger Kinder. Das ist doch ein feiner Gedanke. Wir können das vorhandene Geld in deren gute Bildung und in richtig schöne Kindergärten mit genügend Pädagogen stecken. Was übrig bleibt, investieren wir in Alten-Residenzen, die ihren Namen auch verdienen".

MÜLLER, Uwe & Joachim PETER (2007): Geburtenboom: Frankreich zieht an Deutschland vorbei,
in: Welt v. 19.02.

Die dubiosen Welt-Journalisten MÜLLER & PETER behaupten weiterhin, dass letztes Jahr in Deutschland nur 675.000 Kinder geboren wurden, obwohl bereits seit August letzten Jahres bekannt ist, dass in Deutschland ca. 685.800 Kinder geboren wurden. Die Nachrichtenagentur AFP verbreitet diese falschen Zahlen weiter, die man sogar im Online-Angebot der angeblichen Qualitätszeitung Süddeutsche Zeitung lesen muss. Die Journalisten wärmen noch einmal das längst bekannte und umstrittene Szenario ("Mit dem Volk schrumpft der Wohlstand") des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) auf, um einen Geburtenwettlauf mit Frankreich zu rechtfertigen.

Der Artikel Die Franzosen kommen von PETER & MÜLLER ist mit einem Vergleich der rohen Geburtenziffern der beiden Länder von 1820 bis 2005 geziert. Dieses Maß - das von den Dramatisierern des Geburtenrückgangs gerne verwendet wird - ist jedoch für Ländervergleiche bezüglich der Geburtenentwicklung vollkommen ungeeignet.

Hinzu kommt, dass das Bild dadurch verfälscht wird, dass zwischen 1945 und 1989 nur die westdeutschen Werte dargestellt sind, während ab den 1990ern die gesamtdeutschen Werte aufgelistet werden. Gerade die Aussagen über die Geburtenentwicklung in Ostdeutschland sind jedoch mit größter Vorsicht zu genießen, wie ein aktueller Bericht zur Lage der Kinderlosigkeit in Deutschland und Europa zeigt.

PÖTZSCH, Olga (2007): Neue Datenquelle zu Geburten und Kinderlosigkeit,
in:
Wirtschaft und Statistik, Heft 3, März, S.260-263

Kommentar vom 17. Oktober 2007: Im April 2001 sprach das Bundesverfassungsgericht sein umstrittenes Pflegeurteil, das dazu führte, dass Kinderlose einen höheren Beitrag als Eltern zahlen müssen. Auf single-dasein.de und single-generation.de wurde seitdem kritisiert, dass die Datenlage zur Geburtenentwicklung nicht ausreichend sei. Dies war der Öffentlichkeit lange nicht bekannt. Hier wurde von Anfang an behauptet, dass die Zahl der lebenslang Kinderlosen geringer sei, als es die Zahlen des Mikrozensus zur Kinderlosigkeit ausweisen. Im Buch Die Single-Lüge wurde diese Kritik pointiert zusammengefasst.

Es ging hier deshalb darum diesen Missstand anzuprangern und mehr Transparenz zu fordern. Für viele war diese Website eine Provokation, weil es um ein hoch emotionalisiertes Thema ging. Einflussreichen Meinungsführern wurden ihre Verzerrungen vorgehalten und immer wieder die Schwachpunkte ihrer Argumentation hervorgehoben.
Dass diese grundsätzliche Kritik berechtigt war, zeigt die Tatsache, dass im Jahr 2006 erstmals eine Erhebung Geburten in Deutschland durchgeführt wurde. Im Heft 3 der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik stellt Olga PÖTZSCH diese neue Datenquelle vor. Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen noch in diesem Jahr vorgestellt werden. Es hat also 6 Jahre gedauert, bis das nachgeholt wurde, was eigentlich bereits Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hätte sein müssen.

Damit ist nun erstmals eine sachlichere Diskussion möglich. Die Umdefinition von Eltern in Kinderlose, die bislang die gängige Praxis in der Debatte um die Kinderlosigkeit war, ist dann nicht mehr so einfach möglich wie bisher. Außerdem wird erstmals nicht mehr nur die Geburtenfolge innerhalb von Ehen erfasst, sondern alle Geburten einer Frau. Diese Frage entscheidet darüber, inwieweit die Polarisierungsthese tatsächlich ihre Berechtigung hat. Welche Bedeutung diese Polarisierung besitzt, ist dann wiederum eine andere Frage.
Außerdem lässt sich dann u. a. auch feststellen, welchen Anteil die allein lebende Karrierefrau an den Kinderlosen tatsächlich hat. Hier werden die Ergebnisse ausführlich analysiert werden. Als Konsequenz davon wird diese Website andere Schwerpunkte setzen.

In der Rezension des Buches Ein Leben ohne Kinder, das bislang den besten Überblick zur Problematik gibt, wird bereits deutlich gemacht, wohin der Weg führen wird.

TUTT, Cordula (2007): Das große Schrumpfen, Berlin Verlag

Cordula TUTT suggeriert einen stetig zunehmenden Abwärtssog. Entgegen ihrer Behauptung, dass die Prognostiker ihre früheren Voraussagen immer wieder nach unten korrigiert haben, streuen die Prognosen innerhalb eines Schwankungskorridors. Dies liegt daran, dass es auch in der Vergangenheit keine lineare Entwicklung gab, sondern Wellenbewegungen mit Ausschlägen nach oben und unten.

"In den nächsten 50 Jahren wird die Bevölkerung in Deutschlands jährlich um knapp 200.000 Menschen schrumpfen, wenn man den Vorhersagen glaubt. Zunächst geschieht das langsamer, dann schneller. (...). Folgt man den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dann leben zur Mitte des Jahrhunderts nur noch 69 bis 74 Millionen Menschen in Deutschland statt der heute rund 82 Millionen Einwohner. Die amtlichen Prognostiker haben ihre früheren Voraussagen immer wieder nach unten korrigiert, manche internationalen Berechnung gehen von noch weniger Menschen im Land aus." (2007, S.17)

Vier Jahre nach Erscheinen des Buches - wächst Deutschland wieder - und straft das Bild von kontinuierlichen Abwärtssog Lügen.

Beliebt ist auch das Bild, dass der Westen der ostdeutschen Schrumpfungsavantgarde folgen wird:

"Gleichsam als Zukunftslabor für ganz Deutschland vollziehen die meisten Gegenden im Osten der Republik bereits einen Wandel zum Weniger. Was dort auf Jahre hin Alltag bleiben wird, zeigt nur, was anderswo noch bevorsteht. (...). Sachsen-Anhalts Bevölkerung schrumpfte in den 15 Jahren seit 1990 von 2,9 auf rund 2,4 Millionen Menschen. Es gehen vor allem die Jungen und Mobilen - »selektive Abwanderung« heißt dieser schmerzhafte Verlust in der Sprache der Experten. Bis 2020 sollen in diesem Bundesland nur noch zwei Millionen Bewohner übrig sein." (2007, S.23)

CORNELIUS, Ivar (2007): Wie viele Kinder haben Familien? Möglichkeiten und Grenzen der statistischen Erfassung, in: Eva Barlösius & Daniela Schiek (Hg.) Demographisierung des Gesellschaftlichen. Analysen und Debatten zur demographischen Zukunft Deutschlands, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften

Ivar CORNELIUS sieht - im Gegensatz zum Mainstream - nicht die Kinderlosigkeit, sondern den Rückgang der kinderreichen Familien als Hauptproblem des Geburtenrückgangs. Am Beispiel Baden-Württemberg rechnet er vor:

"Aus pragmatischen Gründen wird bislang oft (...) der Altersbereich von 40 bis unter 45 Jahren für Durchschnittsbetrachtungen angesetzt. Dabei ergibt sich für die Kinderzahlverteilung der Frauen in Baden-Württemberg folgendes Bild (...): Heute sind etwa 23 Prozent der 40- bis unter 45-jährigen Frauen kinderlos geblieben, weitere 22 Prozent haben ein Kind. Den relativ größten Anteil bilden mit rund 39 Prozent die Frauen, die im Laufe ihres Lebens zwei Kinder geboren haben. Etwa jede sechste Frau im Alter von 40 bis unter 45 Jahren hat zeitlebens drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht. Anfang der 1970er Jahre lag der Anteil kinderreicher Frauen mit 31 Prozent nahezu doppelt so hoch wie heute. Demgegenüber hat sich die Kinderlosigkeit in den vergangenen rund drei Jahrzehnten nicht so drastisch erhöht.  und darüber hinaus hat dieser Survey, verglichen mit anderen, eine außerordentlich breite Altersspanne von unter 20 bis über 50 Jahren."
(2007, S.80)

MARX, Iris (2007): Städte registrieren Baby-Boom.
Nach einer Umfrage der Welt ist die Geburtenzahl 2007 um bis zu 21 Prozent angestiegen - Erfolg des Elterngeldes?
in: Welt v. 18.05.

Im Frühjahr 2006 schrieben zwei Welt-Autoren die Geburtenrate in den Keller, nun will Iris MARX einen Babyboom in den Städten - und damit gar in ganz Deutschland - entdeckt haben:

"Die Werte markieren einen Wendepunkt. Seit den 70er Jahren ist die Geburtenzahl in Deutschland nicht mehr angestiegen".

Wie üblich stimmt nichts davon! Die Geburtenzahlen schwanken seit den 70er Jahren in Deutschland und haben seitdem bereits mehrere Minimums und Maximums erreicht. Ein Anstieg der Geburtenzahlen ist bereits seit fast 5 Jahren in verschiedenen westdeutschen Großstädten zu verzeichnen. Die Prenzlauer Berg-Eltern in Berlin erregen z.B. seit 2003 immer mal wieder Aufsehen. Der Anstieg der Geburten in Großstädten ist also keineswegs ein Effekt des gerade beschlossenen Elterngeldes. Für die geburtenstarken Jahrgänge der Generation Golf (1965 - 1970) kommt das Elterngeld mehr oder weniger zu spät. Vielmehr dürfte die unsägliche familienpolitische Debatte in den letzten Jahren zu vermehrten Geburtenaufschüben dieser geburtenstarken Jahrgänge geführt haben. Der "Baby-Boom" der Spätgebärenden wäre sonst noch stärker ausgefallen.

Wenn nun Geburten endlich nachgeholt werden, dann wäre das deshalb nicht als Erfolg, sondern allenfalls als Misserfolg der deutschen Familienpolitik zu werten. Erreicht werden können nämlich hauptsächlich nur noch die geburtenschwachen Jahrgänge der 1970er Jahre.
Späte Mütter sind unter den Vierzigjährigen bisher eher selten. Nur bei
Frauen mit Hochschulabschluss kommt es noch etwas häufiger zu Erstgeburten, wie die Debatte um das Ausmaß der Kinderlosigkeit in Deutschland gezeigt hat.

Als Experten werden der Ifo-Mitarbeiter Martin WERDING befragt, der als Verfechter einer Rente nach Kinderzahl bekannt ist, und Jan HOEM, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, der aus dem Anstieg der Geburtenzahlen noch nicht auf die Wirksamkeit des Elterngelds schließen möchte.

DESTATIS (2007): 2006 - Geburten, Sterbefälle und auch Bevölkerung gingen zurück,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 05.06.

Bereits im Januar hatte das Statistische Bundesamt die Geburtenzahlen auf 670 - 680 Tausend geschätzt. Nun wird die Zahl konkretisiert:

"Im Jahr 2006 wurden 673.000 lebend geborene Kinder registriert, 13.000 oder 1,9% weniger als 2005. Die Zahl der Geburten geht seit 1991, mit Ausnahme der Jahre 1996 und 1997, zurück."

Ein Rückgang der GeburtenZahlen muss keinen Rückgang der GeburtenRate bedeuten.

KONIETZKA, Dirk & Michaela KREYENFELD (2007): Mehr Kinder pro Frau in Ost- als in Westdeutschland.
Warum die Diskussion zum Zusammenhang von Kinderkrippen und Geburtenrate verkürzt ist,
in: demografische Forschung aus erster Hand Nr.2, Juli

Bereits im Jahr 2004 haben Michaela KREYENFELD und Dirk KONIETZKA nachgewiesen, dass die von den Bevölkerungswissenschaftlern erfasste Geburtenrate (TFR) aufgrund des steigenden Erstgebäralters das erreichte Geburtenniveau in Deutschland nur verzerrt wiedergibt.

Der aktuelle Aufsatz schreibt nun die Geburtenrate nicht nur für die Kohorten 1964, 1968 und 1972 fort, sondern vergleicht die west- und ostdeutschen Kohorten 1965 - 1974.

Für die 39jährigen Frauen des Geburtsjahrgangs 1965 ergibt sich in Westdeutschland eine Geburtenrate von 1,47, in Ostdeutschland sogar 1,58. Beide Zahlen liegen über der Geburtenrate (TFR), die in den letzten Jahren um 1,3  schwankte. Das Geburtenniveau des Frauenjahrgangs 1965 könnte sogar noch eine Geburtenrate von 1,6 erreichen, weil die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die KONIETZKA & KREYENFELD verwendet haben, ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet sind.

Im Jahr 2015 - und damit 8 Jahre später - vermeldete das Statistische Bundesamt die endgültige Kinderzahl für den Frauenjahrgang 1965. Er erreichte 1,55 Kinder pro Frau (West: 1,52; Ost: 1,6). Dies bedeutet, dass die westdeutschen Frauen im Alter von über 40 Jahren noch mehr Kinder bekamen als die ostdeutschen Frauen. 

Bereits im Jahr 2003 hat single-generation.de die Frauen der Generation Golf gegen Susanne GASCHKE ("Die Emanzipationsfalle") verteidigt und darauf hingewiesen, dass die Fruchtbarkeitsdifferenzen zwischen den 68ern und Nach-68ern geringer ausfallen werden, wie das damals üblicherweise in den Medien dargestellt wurde. Die Zahlen von KONITZKA & KREYENFELD zeigen, dass die damaligen Vorwürfe berechtigt waren.

Im Buch "Die Single-Lüge" wird ausführlich darauf eingegangen, warum die traditionelle Bevölkerungswissenschaft nicht in der Lage ist, das Geburtenverhalten der Nach-68er angemessen einzuschätzen.

SCHWENTKER, Björn (2007): Ende einer Diskriminierung.
Der Streit um die wahre Zahl kinderloser Akademikerinnen steht vor dem Aus - denn endlich soll sie korrekt erhoben werden: Der Bundestag hat am Donnerstag zwei Statistikgesetze geändert. Das könnte sogar die Bevölkerungsprognosen ändern,
in:
ZEIT Online v. 06.07.

"Ohne Debatte winkte der Bundestag die seit Jahren geforderten Änderungen am Donnerstag einfach so durch, mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP. Was war passiert?
             Ausgelöst hat das kollektive Umdenken die 29-jährige CDU-Abgeordnete Krista Köhler. In kurzer Zeit überzeugte sie zuerst dem Innenausschuss der CDU-Fraktion, in dem sie als Fachpolitikerin für Statistik und Demografie arbeitet. In Maik Reichel, dem 35-jährigen Kollegen im SPD-Innenausschuss fand sie einen begeisterten Mitstreiter, der seine eigenen Parteikollegen bearbeitete. Und schon war der Gesetzesinitiative der jungen CDU-Frau der Weg geebnet: Im Fragebogen des Mikrozensus steht ab Januar 2008 die Frage nach den eigenen Kindern, und die Standesämter zählen alle Neugeborenen gleichermaßen, ob ehelich oder nicht-ehelich
",

berichtet Björn SCHWENTKER über ein Thema, an dem die ZEIT bis vor kurzem keinerlei Interesse zeigte, weil die ZEIT-Redakteurin Susanne GASCHKE eine der Hauptakteurinnen in der öffentlichen Debatte um die hohe Kinderlosigkeit der Akademikerinnen war.

DESTATIS (2007): 1. Quartal 2007: Geburten nehmen nur geringfügig zu,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 20.07.

"Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, hat sich nach vorläufigen Ergebnissen die Zahl der lebend geborenen Kinder im ersten Quartal 2007 mit 149.300 Kindern gegenüber dem Vorjahresquartal 2006 (148.700) nur geringfügig erhöht (+ 0,4%). Dabei standen 76.700 Geburten von Jungen 72.600 Geburten von Mädchen gegenüber", heißt es in der Pressemeldung.

SIEMS, Dorothea (2007): Deutsche bekommen wieder mehr Kinder.
Erhoffter Babyboom fällt trotz Elterngeld aber nur bescheiden aus - Deutlicher Jungenüberschuss,
in: Welt v. 21.07.

Das Statistische Bundesamt meldete am 20. Juli, dass die Geburtenzahlen im 1. Quartal 2007 nur geringfügig zum Vorjahresquartal 2006 gestiegen sind. Es reagierte mit dieser Pressemeldung auf Medienberichte über einen angeblichen Baby-Boom, den insbesondere eine Reporterin der Welt aufgrund einer nicht-repräsentativen Umfrage im Mai in die Welt gesetzt hatte.

Seit dem Erscheinen des Buches Minimum von Frank SCHIRRMACHER im März letzten Jahres hat die Hysterie eine neue Stufe erreicht. Während damals Welt-Journalisten die Geburtenzahlen in den Keller schrieben, wird nun das Gegenteil gemacht. Es werden jetzt Trendwenden verkündet, die genauso abwegig sind wie die bisherige Debatte ums Aussterben der Deutschen.

"Seit 1987 waren hier zu Lande Jahr für Jahr weniger Kinder geboren worden",

schreibt Dorothea SIEMS in der Welt. Es handelt sich hier wohl um einen Druckfehler, denn erst seit 1997 wurden hierzulande Jahr für Jahr weniger Kinder geboren. Seit 9 Jahren durfte deshalb Jahr für Jahr geschrieben werden, dass es sich dabei um "den niedrigsten Wert seit dem 2. Weltkrieg" handelte. Dies galt aber bereits seit 1972 für alle westdeutschen Geburtenrückgänge. Von 1966 bis 1975 sank in Westdeutschland die Geburtenzahl von 1,05 Millionen auf 0,6 Millionen, also um ca. 43 %. Dagegen fiel die Geburtenzahl von 1997 bis 2007 nur von 812 Tausend auf 673 Tausend, also um ca. 18 %. Der Geburtenrückgang seit 1997 war im historischen Rückblick also alles andere als besorgniserregend. Ganz davon abgesehen, ist die absolute Geburtenzahl für sich genommen kein geeigneter Indikator, um Trendwenden auszurufen.

1996 gab es den letzten "Geburtenaufschwung". Dessen Nachhaltigkeit war jedoch bescheiden und mündete in einen lang anhaltenden Rückgang der Geborenenzahlen. Lisa NIENHAUS meint in der FAS nun sogar, dass die Last von den als kinderfeindlich beschimpften Akademikerinnen abfallen könne:

"600 Kinder mehr in drei Monaten sind hoffentlich 600 zukünftige Steuerzahler mehr, 600 Kranken- und Rentenversicherungseinzahler mehr, vielleicht auch 600 baldige Facharbeiter mehr, die für Wachstum sorgen. Da schlägt das Herz des Deutschen höher, der sich längst - aufgeklärt durch alle Medien - in der demographischen Katastrophe und dem Kampf der Generationen wähnte",

rechnet uns NIENHAUS vor. Tatsächlich hing das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte in Deutschland in erster Linie nicht von der Entwicklung der Geburtenzahlen ab, sondern von der Zu- und Abwanderung. Dass die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von der Wirtschaftslage und Migrationsprozessen bestimmt wird, das bleibt bei der hysterischen Debatte um den Geburtenrückgang ausgeblendet.
In dem aufschlussreichen Buch Ein ewigwährender Untergang zeigt der Historiker Thomas ETZEMÜLLER im Vergleich der bevölkerungspolitischen Debatten in Deutschland und Schweden auf, dass ein Perspektivenwechsel in der deutschen Debatte Not tut.
Während in Deutschland bisher Nationalkonservative um Herwig BIRG mit ihrem ausländerfeindlichen Bevölkerungskonzept die Debatte prägten, gelang in Schweden u. a. aufgrund eines anderen Bevölkerungsbegriffs, der Ausländer integrierte statt sie auszugrenzen, eine positivere Bewertung der Bevölkerungsbilanz. Schweden gilt hierzulande aufgrund seiner höheren Geburtenrate als eines der familienpolitischen Vorbilder. Tatsächlich ist die demografische Entwicklung in Schweden ähnlich verlaufen wie in Deutschland. Es gab auch dort Höhen und Tiefen der Geburtenentwicklung. Die Gemeinsamkeiten blieben jedoch meist verborgen, u. a. weil die Bevölkerungsstatistik der beiden Länder auf anderen Prinzipien beruht.

Während für Schweden exakte Zahlen für die Geburtenentwicklung vorliegen, sind hierzulande nur Schätzungen möglich. Das deutsche Datendesaster aufgrund der normativen Statistik mit ihrer Ehezentrierung verhinderte bislang, dass die Kinderzahlen richtig erfasst werden konnten. Solange es aber keine einheitlichen Maßstäbe und Meßmethoden im internationalen Vergleich gibt, ist die Bevölkerungsdebatte hochgradig ideologisch.

Im Buch Die Single-Lüge wird aufgezeigt, wie Nationalkonservative dazu beigetragen haben, dass internationale Vergleiche in die Irre führen.
Diejenigen, die jedoch behaupten, dass zur Zeit ein Baby-Boom ausgeschlossen sei, liegen ebenfalls falsch. Tatsächlich könnte die Trendwende längst da sein. Dazu bedürfte es jedoch Daten, die der Öffentlichkeit bislang nicht vorliegen. In diesem Sinne ist auch die Veröffentlichungspraxis des Statistischen Bundesamtes zu kritisieren.

SIEMS, Dorothea (2007): Kein Wunder,
in: Welt v. 21.07.

NIENHAUS, Lisa (2007): Woher kommen die Babys?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.07.

SCHWÄGERL, Christian (2007): Wunschwirklichkeit,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.07.

Angesichts des geringen Anstiegs der Geborenenzahlen im 1. Quartal 2007 lästert Christian SCHWÄGERL, der bereits im Jahr 2005 gegen den angeblichen Baby-Boom im Szeneviertel Prenzlauer Berg in Berlin polemisierte ("Kein Wunder", 27.04.2005):

"Dicke Bäuche überall. Am Frühstückscafé in Schöneberg gehen während eines einzigen Espresso drei Schwangere vorbei. In Mitte sind Babys in großer Zahl unter eleganten Businessklamotten versteckt. Den Schlachtensee umrunden die Kleinen in pränatalen Fitnessgruppen. Runde Frauen, wohin man auf Berliner Straßen und Wegen blickt - ist etwa der ersehnte Babyboom da? Seit zehn Jahren geht die Zahl der Geburten in Deutschland kontinuierlich zurück, seit fünfunddreißig Jahren schon gibt es mehr Tote als Neugeborene.
(...).
Im ersten Quartal 2007 sind mehr Kinder zur Welt gekommen als im Vorjahresquartal, die Bundesfamilienministerin begrüßt die Entwicklung freudig erregt. Die Sofortreaktion aus dem von-der-Leyenschen Pressestab zeigt aber nur, wie groß die Verzweiflung ist. Denn die neuen Zahlen können den optischen Babyboom auf den Straßen Berlins nicht bestätigen".

SCHWÄGERL hat Recht und Unrecht zugleich. Die gerade veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes müssen keine Trendwende im Geburtenverhalten bedeuten. Andererseits bedeutet dies aber nicht, dass diese Trendwende nicht bereits erfolgt ist. Auch der Baby-Boom der 1960er wurde nicht vorhergesagt, sondern ein Baby-Boom kann immer erst im Nachhinein festgestellt werden. Solange keine exakten Zahlen zu altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern der gebärfähigen Frauenjahrgänge für einen längeren Zeitraum vorliegen, sind Trendaussagen fragwürdig.

Erschwerend kommt in Deutschland hinzu, dass in Deutschland die Geburtenentwicklung nur unzureichend erhoben wird. Ein aktueller Aufsatz von Dirk KONIETZKA & Michaela KREYENFELD deutet darauf hin, dass - wie bereits seit langem auf single-generation.de zu lesen ist - die von Bevölkerungswissenschaftlern ermittelte Geburtenrate die tatsächliche Geburtenentwicklung unterschätzt. Die Frage ist also eher, warum kann es sich das Statistische Bundesamt immer noch erlauben, unsichere Zahlen zu veröffentlichen?

Erst am 5. Juli wurde das Mikrozensus-Gesetz geändert. Damit kann nun ab 2008 die Kinderzahl pro Frau und nicht mehr nur die Kinderzahl pro Frau innerhalb einer bestehenden Ehe erfasst werden. Wo aber bleiben die Zahlen, die inzwischen mit der Erhebung Frauenbefragung zur Geburtenentwicklung in Deutschland vom Statistischen Bundesamtes erhoben wurden, und die weiteren Aufschluss über die Kinderzahl der Frauen in Deutschland geben könnte?

MUSALL, Bettina (2007): Ein Haus voller Kinder.
Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft, aber mittendrin leben Millionen Menschen in Großfamilien. Manche sind weder besonders reich, noch gehören sie zur Unterschicht. Sie sind Normalverdiener und haben einfach gern Nachwuchs,
in: Spiegel Special Nr.4

Typischer Artikel, der deutlich macht, wie der deutsche Bevölkerungsdiskurs vor allem durch seine Schaubilder die Leser unterschwellig auf die aktive Bevölkerungspolitik einschwört.

Zwei Schaubilder suggerieren, dass erstens in Deutschland 51,3 % nur ein Kind haben. Kinder sind auch noch schichtspezifisch verteilt, denn Akademikerinnen bekommen zu 52 % keine Kinder, während Hauptschülerinnen nur zu 27 % kinderlos bleiben. Wie das möglich ist?

MÖNCH, Regina (2007): Kinderlos? Nein, falsch gezählt,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 09.08.

Regina MÖNCH berichtet über einen Tatbestand, der seit dem Jahr 2000 immer wieder auf single-dasein.de und single-generation.de kritisiert wurde: die Umdefinition von Eltern in Kinderlose durch die amtliche Statistik, die nun durch ein neues Mikrozensusgesetz Vergangenheit sein soll:

"Alle vier Jahre dürfen nun Frauen im Alter von fünfzehn bis zu fünfundsiebzig Jahren nach der tatsächlichen Zahl ihrer Kinder und den Jahren, in denen diese geboren wurden, befragt werden. Der Mikrozensus, wichtige Datenbasis für die Wissenschaft, wird nun nicht mehr nur die im Haushalt lebenden Kinder erfassen. Das klingt banal, kommt aber einem Paradigmenwechsel gleich.
            
Es galt als unschicklich, ja unzumutbar, eine Frau nach der tatsächlichen Zahl der von ihr geborenen Kinder zu fragen. Verstehe das, wer will. Und so dürfen nun auch Frauen, deren Kinder früh ausgezogen sind, Mütter bleiben, statt wie bisher die Zahl der Kinderlosen zu erhöhen. Und es werden nicht mehr nur Frauen, die jünger als 39 Jahre sind, nach Kinderglück und Familiengröße befragt. Wer sein erstes Kind später bekam, bekanntlich gerade Akademikerinnen, wurde bisher ignoriert."

Die Politik soll Schuld daran sein, aber tatsächlich hatten auch die Medien keinerlei Interesse an der Publikmachung des Datendesasters. Allen voran das SCHIRRMACHER- Feuilleton, das dem nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG eine seriöse Plattform für seine alarmistischen Botschaften bot. BIRG gehört zu jenen, die keinerlei Zweifel an der Richtigkeit ihrer Zahlen ließen. Single-generation.de hat das Buch Ein Leben ohne Kinder, herausgegeben von Dirk KONITZKA & Michaela KREYENFELD, das von MÖNCH als Pionierwerk auf dem Gebiet der Bevölkerungsstatistik gepriesen wird, bereits im letzten Monat vorgestellt. In diesem Rezensionsessay wird die ganze Spannbreite der Schätzungen zum Ausmaß der Kinderlosigkeit in Deutschland vorgestellt. Herwig BIRGs Zahlen liegen mit einem Drittel lebenslang Kinderloser am oberen Ende der Schätzwerte. Dies wäre nicht schlimm, aber BIRGs Schätzungen folgte auch das Bundesverfassungsgericht im April 2001 bei seinem Pflegeurteil.

"Dass die Reform die falsche Zahl von mehr als vierzig Prozent kinderlosen Akademikerinnen, die sich dem Familienleben verweigern sollen, aus den Archiven und dem Internet tilgt, darf allerdings nur gehofft werden",

meint MÖNCH. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, soll heißen: die vierzig Prozent kinderlose Akademikerinnen haben mit der Verabschiedung des Elterngeldes ihren Zweck sowieso erfüllt. Es wird sicherlich nicht die letzte Falschmeldung gewesen sein, denn die demografische Debatte wird weitergehen - vermutlich wird sogar noch mit wesentlich härteren Bandagen gekämpft werden.

Das aktuelle Heft Spiegel Special zum Thema Sehnsucht nach Familie zeigt z.B. wie mit Statistik gelogen wird. 40 % kinderlose Akademikerinnen? Nein! 52 % behauptet ein Schaubild auf Seite 27. Es fehlt jegliche Erklärung dazu, dass es sich hier um Haushaltszahlen handelt, mit denen die lebenslange Kinderlosigkeit überschätzt wird.

Im Buch Die Single-Lüge, das vor über einem Jahr erschien, wird aufgezeigt, wie der Öffentlichkeit jahrelang Fakten vorenthalten wurden. Das Thema des Monats September wird sich mit dem Buch Ein ewigwährender Untergang von Thomas ETZMÜLLER befassen, denn es ist keineswegs so, dass die gegenwärtige Debatte um den Geburtenrückgang einmalig ist. Sie hat ETZEMÜLLER zufolge vielmehr eine 300jährige Geschichte.

Eine weitere Rezension wird sich dem empfehlenswerten Buch Grenzen der Bevölkerungspolitik, herausgegeben von Diana AUTH & Barbara HOLLAND-CUNZ widmen. In dem Buch werden die Diskurse und Strategien der Bevölkerungspolitik aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt. Im Mittelpunkt steht der Alarmismus der öffentlichen Debatte und der Aktionismus der Politik in Sachen demografischer Wandel. Selten wurde die Bevölkerungspolitik derart kenntnisreich dargestellt.

DESTATIS (2007): 2006: Durchschnittlich 1,33 Kinder je Frau geboren,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 10.09.

"In Deutschland kamen im Jahr 2006 rund 672 700 Kinder zur Welt, das waren etwa 13 100 weniger als 2005. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ging gleichzeitig die durchschnittliche Kinderzahl je Frau leicht von 1,34 auf 1,33 zurück", heißt es in der Meldung.

Bereits im Juni hatte das Statistische Bundesamt die Geborenenzahlen veröffentlicht. Nun wird die Geburtenrate nachgeliefert.

Angesichts des medial aufgeheizten Hoffens auf ein Geburtenwunder erscheinen die aktuellen Zahlen enttäuschend. Da jedoch das Elterngeld erst ab 1. Januar 2007 eingeführt wurde, darf der leichte Rückgang der Geburtenrate in Westdeutschland nicht verwundern.

Um Aussagen über Trendwenden machen zu können, reicht das Wissen über die Geburtenrate, das nun vom Statistischen Bundesamt veröffentlich wurde, bei weitem nicht aus. Den Spekulationen der Medien ist damit Tür und Tor geöffnet. Warum veröffentlicht das Statistische Bundesamt nicht die Trends der altersspezifischen Geburtenraten der letzten Jahre?

Das Buch Grenzen der Bevölkerungspolitik zeigt auf, warum die gegenwärtige bevölkerungsbewusste Familienpolitik nicht in der Lage ist, wirklich Abhilfe zu schaffen. Viele Maßnahmen gehen nämlich an der Wirklichkeit derjenigen vorbei, die zu mehr Geburten ermuntert werden sollen.

KITTLAUS, Bernd (2007): Neue Datenquelle zu Geburten und Kinderlosigkeit
in: single-generation.de v. 18.10.

Im April 2001 sprach das Bundesverfassungsgericht sein umstrittenes Pflegeurteil, das dazu führte, dass Kinderlose einen höheren Beitrag als Eltern zahlen müssen.

Auf single-dasein.de und single-generation.de wurde seitdem kritisiert, dass die Datenlage zur Geburtenentwicklung nicht ausreichend sei. Dies war der Öffentlichkeit lange nicht bekannt. Hier wurde von Anfang an behauptet, dass die Zahl der lebenslang Kinderlosen geringer sei, als es die Zahlen des Mikrozensus zur Kinderlosigkeit ausweisen. Im Buch Die Single-Lüge wurde diese Kritik pointiert zusammengefasst.

Es ging hier deshalb darum diesen Mißstand anzuprangern und mehr Transparenz zu fordern. Für viele war diese Website eine Provokation, weil es um ein hoch emotionalisiertes Thema ging. Einflussreichen Meinungsführern wurden ihre Verzerrungen vorgehalten und immer wieder die Schwachpunkte ihrer Argumentation hervorgehoben.

Dass diese grundsätzliche Kritik berechtigt war, zeigt die Tatsache, dass im Jahr 2006 erstmals eine Erhebung Geburten in Deutschland durchgeführt wurde. Im Heft 3 der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik stellt Olga PLÖTZSCH diese neue Datenquelle vor.

Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen noch in diesem Jahr vorgestellt werden. Es hat also 6 Jahre gedauert, bis das nachgeholt wurde, was eigentlich bereits Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hätte sein müssen.

Damit ist nun erstmals eine sachlichere Diskussion möglich. Die Umdefinition von Eltern in Kinderlose, die bislang die gängige Praxis in der Debatte um die Kinderlosigkeit war, ist dann nicht mehr so einfach möglich wie bisher. Außerdem wird erstmals nicht mehr nur die Geburtenfolge innerhalb von Ehen erfasst, sondern alle Geburten einer Frauen. Diese Frage entscheidet darüber, inwieweit die Polarisierungsthese tatsächlich ihre Berechtigung hat. Welche Bedeutung diese Polarisierung besitzt, ist dann wiederum eine andere Frage.

Außerdem lässt sich dann u.a. auch feststellen, welchen Anteil die allein lebende Karrierefrau an den Kinderlosen tatsächlich hat. Hier werden die Ergebnisse ausführlich analysiert werden. Als Konsequenz davon wird diese Website andere Schwerpunkte setzen.

In der Rezension des Buches Ein Leben ohne Kinder, das bislang den besten Überblick zur Problematik gibt, wird bereits deutlich gemacht, wohin der Weg führen wird.        

DESTATIS (2007): 1. Halbjahr 2007. Geburten gingen leicht zurück,
in: Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes v. 13.11.

Das Statistische Bundesamt hat dieses Jahr bereits zum zweiten Mal die Zahl der Geburten veröffentlicht.

Bundesweit sind die GeburtenZAHLEN erneut gesunken, in Großstädten wie Berlin oder München dagegen erneut gestiegen. Ein WM-Baby-Wunder ist ausgeblieben. Das Elterngeld ist auf erfolgreiche AkademikerInnen (Family-Gentrifier) zugeschnitten. Diese haben zwar in den letzten 30 Jahren zugenommen. Gesamtgesellschaftlich ist ihr Anteil aber nicht so groß, dass dadurch die Geburtenzahlen entscheidend zunehmen werden. Ohne den zügigen Ausbau einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung ist ein nachhaltiger Geburtenanstieg nicht zu erwarten. Die Bücher Ein Leben ohne Kinder und Grenzen der Bevölkerungspolitik zeigen, dass es damit noch lange nicht getan ist.

Wie der Rückgang der Geburten zu bewerten ist, wissen wir erst, wenn das Statistische Bundesamt die GeburtenRATE veröffentlicht. Diese könnte aufgrund des Rückgangs potentieller Mütter gestiegen sein.

Die Frage, die sich nun stellt: Wie lange werden Nationalkonservative und ihre Sympathisanten still halten, bevor die Debatte um die Bekämpfung einer Kultur der Kinderlosigkeit richtig beginnt? Die Debatte um eine Rente nach Kinderzahl ist nicht vom Tisch, wie ein Interview mit Gunter STEINMANN in Telepolis zeigt.

Es darf davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse der Erhebung Geburten in Deutschland, deren Veröffentlichung für diesen Herbst geplant ist, entscheidenden Einfluss auf diese Debatte haben wird.

BERTH, Felix (2007): Baby-Boom in München.
Im ersten Halbjahr 2007 steigt die Zahl der Geburten in der Landeshauptstadt deutlich an - das Elterngeld hat einen Anteil daran,
in: sueddeutsche.de v. 13.11.

JAP (2007): Leyen-Papas kümmern sich 60 Tage um Kinder.
Zwar beantragen zehn Prozent der Väter Elterngeld. Aber sie wickeln in der Regel nur 2 Monate, Mütter dagegen 12,
in: TAZ v. 14.11.

KAPPUS, Monika (2007): Entspannung im Kreißsaal,
in: Frankfurter Rundschau v. 14.11.

LEHMING, Malte (2007): Käufliche Liebe.
Deutschland, deine Kinder: Auch das Elterngeld stimuliert nicht die Gebärfreude. Für viele ist das "Kinderkriegen" noch zu teuer,
in: Tagesspiegel v. 14.11.

SIEMS, Dorothea (2007): Immer mehr Väter am Wickeltisch.
Die Zahl der Männer, die sich eine Erziehungspause gönnen, steigt: Jede zehnte Person, die Elterngeld beantragt, ist ein Mann. Vor allem in Berlin und Bayern nutzen Väter die zwei bezahlten Partnermonate. Doch der erhoffte Babyboom bleibt weiter aus,
in: Welt v. 14.11

DESTATIS (2007): Vorabauswertung zeigt leichte Zunahme der Geburten,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 11.12.

"Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, kann nach vorläufigen Ergebnissen mit einem Anstieg der Zahl der lebend geborenen Kinder in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 um etwa 1% gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gerechnet werden. Die endgültigen Veränderungsraten können von dem hier genannten Wert noch abweichen. In den letzten Jahren waren die Geburtenzahlen in Deutschland zurückgegangen. 2006 wurden etwa 673 000 Kinder lebend geboren, gut 123 000 weniger als noch 1996. Einen Anstieg der Geburtenzahlen hatte es in Deutschland zuletzt 1990, 1996 und 1997 gegeben", heißt es in der Pressemeldung.

DESTATIS (2007): Frauen werden heute im Durchschnitt mit 26 Jahren Mutter,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 18.12.

Die ersten Ergebnisse der Erhebung Geburten und Kinderlosigkeit in Deutschland vom Herbst 2006 deuten bereits darauf hin, dass die Nationalkonservativen um Herwig BIRG den Anteil der lebenslang Kinderlosen in der jüngeren Generation weit überschätzt haben. Für Westdeutschland liegen die Werte der Nationalkonservativen um mindestens 20 %, wenn nicht gar um 25 % zu hoch. Für Deutschland liegen die Fehlschätzungen sogar noch höher.

Das nachfolgende Schaubild wurde der Broschüre Geburten in Deutschland (DESTATIS 12/2007,Seite 29) entnommen. Es sind nur die relevanten Altersgruppen dargestellt. Die schwarzen Punkte zeigen die Schätzwerte der Nationalkonservativen an.

In der Rezension des Buches Ein Leben ohne Kinder ist die Kontroverse um die Schätzung der Kinderlosenanteile ausführlich dargestellt worden. Dort werden auch die Zahlenwerte und die Quellen angegeben.

Im Buch Die Single-Lüge wird detailliert aufgezeigt, weshalb die Nationalkonservativen bislang ihr Deutungsmuster der Geburtenkrise ungehindert durchsetzen konnten. Gravierende Mängel der amtlichen Statistik, die auf single-dasein.de und single-generation.de bereits seit der Jahrtausendwende angeprangert wurden, haben dazu geführt, dass die Anteile der Kinderlosen zu hoch angesetzt wurden. Dass dies erst 6 Jahre nach dem Pflegefehlurteil des Bundesverfassungsgerichts sichtbar wird, ist auch auf den Spätstart der wissenschaftlichen Erforschung zur Kinderlosigkeit zurückzuführen, die überhaupt erst einsetzte, als sich in der Öffentlichkeit Protest regte. Das ganze Ausmaß der Fehleinschätzungen wird jedoch erst in den nächsten Jahren deutlich werden. Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die Kritik, die auf single-dasein.de und single-generation.de seit Jahren geübt wurde, berechtigt war. Im Buch Die Single-Lüge lässt sich diese Debatte ausführlich nachlesen.

SCHMITT, Cosima (2007): Auch Akademikerinnen kriegen Kinder.
Das Statistische Bundesamt räumt mit einem Mythos auf: Uniabsolventinnen sind nicht so oft kinderlos, wie häufig behauptet,
in: TAZ v. 19.12.

SIEMS, Dorothea (2007): Der Anteil kinderloser Frauen steigt dramatisch.
Vor allem westdeutsche Akademikerinnen verzichten auf Nachwuchs. Das ist ein Ergebnis einer Sonderuntersuchung des Statistischen Bundesamtes. Bundesweit gilt, dass gut ausgebildete Frauen selten eine große Familie haben. Festgestellt wurde außerdem ein Trend zur späteren Mutterschaft,
in: Welt v. 19.12.

MÖNCH, Regina (2007): Wer verlangt Perfektion?
Kinder gehören zum Leben: Akademikerinnen im Osten,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.12.

Nur in der Print-FAZ ist zu lesen, dass die Kinderlosigkeit in Deutschland bislang - vor allem von den Nationalkonservativen um Herwig BIRG und Franz-Xaver KAUFMANN - extrem überschätzt wurde. Ein Tatbestand, auf den auf dieser Website bereits seit dem Jahr 2001 immer wieder hingewiesen wurde, der jedoch von fast allen JournalistInnen ignoriert wurde. Die für die Medien sensationellen Befunde wurden von der Print-Presse bislang mehr oder weniger ignoriert. Schließlich verstoßen sie gegen die politisch korrekte Weltsicht, die sich eine Kultur der Kinderlosigkeit zurechtgebastelt hat, anstatt die Empirie voranzutreiben. MÖNCH meint dazu:

"Es blieb recht still, als das Statistische Bundesamt kurz vor den Feiertagen bekanntgab, nur noch jede fünfte Frau mit höherer Bildung sei in Deutschland kinderlos. Ein Durchschnittswert zudem, denn im Osten der Republik waren und bleiben es gerade mal acht Prozent! Damit ist bewiesen, dass das Phänomen Kinderlosigkeit bisher überschätzt wurde. Es ist nicht lange her, da sprach man noch von über vierzig Prozent kinderlosen Akademikerinnen im Durchschnitt (...).
            Die in Verruf geratenen gebildeten Frauen hätten eine deutlichere Rehabilitierung verdient als die mageren Tickermeldungen zum jüngsten Befund".

 
     
 
       
     
       
   

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Update: 20. Januar 2019