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Kommentierte Bibliografie (Teil 4:
2014)
2014
PRASCHL, Peter
(2014): Happy Birthday, Babyboomer!
Der stärkste Jahrgang der
deutschen Nachkriegsgeschichte wird fünfzig. Doch was haben die
Kinder des Jahres 1964 geschafft, außer viele zu sein?
Glückwunsch an eine unauffällige Generation,
in:
Welt am Sonntag v.
05.01.
FRANKFURTER ALLGEMEINE
SONNTAGSZEITUNG-Wirtschaft
Special:
Jahrgang 1964.
1,36
Millionen Babys wurden 1964 in Deutschland geboren, - so viele wie
in keinem anderen Jahr. Es sind Kinder des Wirtschaftswunders.
Dann kamen der Pillenknick und die Wirtschaftskrise. Und die Lust
auf Kinder war dahin |
KLOEPFER,
Inge (2014): Ich bin ein echter Babyboomer.
Nie wurden in Deutschland
mehr Kinder geboren als 1964. FAS-Autorin Inge Kloepfer ist eine
davon. Sie erzählt vom Leben als Kind des Wirtschaftswunders,
als Studentin einer Massenuniversität und als Mutter mit
Karrierewunsch. Und warum früher ständig Willy Brandt im
Fernsehen kam,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 05.01.
"In sechs
aufeinanderfolgenden Jahren 1961 bis 1966 wurden jährlich
jeweils mehr als 1,3 Millionen Menschen geboren",
erzählt uns Inge KLOEPFER,
die damals in Essen zur Schule ging, d. h.
in der BRD (so hießen die alten Bundesländer damals noch) und
da kamen gerade mal 1 Million und nicht 1,3 Millionen Kinder
zur Welt. Oder lebte KLOEPFER damals in einem
Paralleluniversum, in dem es keine DDR und keinen Mauerbau
gab? Außer bei den Geburtenzahlen, bei denen die DDR
eingemeindet wird, kommt diese ansonsten fast nicht vor.
Wenn man schon seine
persönliche Geschichte erzählt, dann sollte man keine
gesamtdeutsche Statistik präsentieren und damit
Lebensverhältnisse vortäuschen, die es in Wirklichkeit nie
gab. Es wäre also ehrlicher gewesen eine ost- und eine
westdeutsche Geschichte des Jahrgangs 1964 zu erzählen.
PETERSDORFF, Winand von (2014): "Bei Mädchen ist eh wurscht,
was sie machen".
Regisseurin Caroline Link,
geboren 1964, über eine sorglose Kindheit und den langen Weg zu
"Jenseits der Stille",
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 05.01.
NIENHAUS, Lisa (2014): Wenn die Babyboomer in Rente gehen.
Der Jahrgang 1964 geht 2031
in Rente. Dann müssen wenige Junge auf einmal sehr viele Alte
durchbringen. Schaffen die das? Oder droht Verarmung? Ein
Ausflug in die Zukunft,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 05.01.
Lisa NIENHAUS versucht es
nicht - wie früher üblich - mit der Holzhammer-Methode à la
SCHIRRMACHER & Co, sondern auf die subtile Art. Sie fängt mit
den beiden Demografie-Thrillern des ZDF Aufstand der Alten
und Aufstand der Jungen an, nur um dann klarzustellen:
"Der Durchschnittsrentner
kann sich in diesem Fall im Jahr 2031 acht Prozent weniger
Konsumgüter leisten, als wenn die Alterspyramide so bliebe
wie derzeit (...). Da es den Durchschnittsdeutschen aber
nicht gibt, wird es Gewinner und Verlierer geben."
Und man könnte hinzufügen:
Die FAS-Leser werden eher nicht zu den Verlierern
gehören.
Aber man wäre nicht im
Wirtschaftsteil der FAS, wenn nicht die üblichen
Verdächtigen (Experten) zu Wort kommen würden, d.h. Axel
BÖRSCH-SUPAN (der von der FAZ gerne als
RÜRUP-Nachfolger gesehen worden wäre) und James VAUPEL, der
nur mit durchschnittlichen Lebenserwartungen rechnet (gut für
Besserverdienende, schlecht für Geringverdiener). Ihre
Botschaft: Nur mit weiteren Rentenreformen können die FAS-lesenden
Babyboomer ihre Renten steigern.
STUTTGARTER ZEITUNG-Wochenendthema:
Kinder, Kinder!
Nie war die Geburtenquote so hoch wie 1964. Für die Nachgeborenen
ein Glück - und eine Hypothek |
SCHIERMEYER, Matthias (2014):
Wir Babyboomer.
Demografie: In keinem Jahr sind in
Deutschland so viele Kinder auf die Welt gekommen wie 1964.
Heute, fünfzig Jahre später, stützen sie - am Höhepunkt ihrer
Arbeitskraft angelangt - mit anderen geburtenstarken Jahrgängen
die Gesellschaft. Für die Nachgeborenen nicht unbedingt Grund
zum Feiern,
in: Stuttgarter Zeitung v. 01.02.
BILLIG, Susanne & Petra GEIST (2014): Jahrgang 1964.
Die Babyboomer und die demografische
Forschung,
in: DeutschlandRadio v. 20.02.
Der Artikel überlässt die
Definition des Begriffs "Babyboomer" weitgehend dem Leser.
Lediglich der Geburtsjahrgang 1964 wird explizit den Babyboomern
zugeordnet. Daneben gibt es eher vage Abgrenzungen:
"Die Bevölkerungsstruktur hat
sich verändert. Heute gibt es unten den dünnen Fuß der
nachwachsenden Generation, in der Mitte den breiten Bauch der
Babyboomer im besten Alter und oben sieht es auch schon ziemlich
breit aus, denn die Lebenserwartung ist in den letzten 100
Jahren um über 30 Jahre gestiegen",
heißt es einmal. Vage bleibt
auch ein anderer Aspekt:
"Ende der 1970er-Jahre begann
für einen Teil der Babyboomer ein brüchiger und unsteter
Berufsweg mit geringfügiger Beschäftigung, schlecht bezahlten
Tätigkeiten, Niedriglohn und Leiharbeit. Wer zu wenig verdient
und Zeiten der Arbeitslosigkeit erlebt, kann nur wenig
Rentenansprüche erwerben. Das ist der Grund, warum sich die
Schere zwischen Arm und Reich für die Babyboomer im Alter weit
öffnen wird."
Ganz absurd wird es, wenn
Armin NASSEHI zitiert wird und die Babyboomer mit dem Jahr 1964
gleichgesetzt werden und dieser eine Geburtsjahrgang zur
Generation stilisiert wird. Die einzig konkrete Stelle des
unsäglichen Beitrags bezieht sich auf das Buch Wir Babyboomer
von Bernhard von BECKER. Dort heißt es:
"Nie allein sein, in Massen
auftreten - das ist die Grunderfahrung der Kinder aus den
geburtenstarken Jahrgängen von Mitte der 1950er- bis Mitte der
1960er-Jahre."
Damit wären die Babyboomer
auf die Geburtsjahrgänge 1955 bis 1965 eingegrenzt, was wiederum
mit demografischer Forschung überhaupt nichts zu tun hat, denn
es handelt sich lediglich um ein simples Generationenporträt.
ZEIT-Thema: In der Mitte
des Lebens |
LAU, Jörg (2014): Im Kuschelland.
Wir waren viele. Vielleicht gerade
deshalb fühlten wir 64er uns in der alten Bundesrepublik so
geborgen,
in: Die ZEIT Nr.10 v. 27.02.
In der Wohlfühl-ZEIT
erzählt uns Jörg LAU, Jahrgang 1964, von seiner Kuschelzeit in
seiner konservativen Kleinbürgerfamilie und tischt uns Mythen
über den Babyboom auf:
"Dass die Deutschen
damals so viele Kinder zeugten, war ein Akt des trotzigen
Weitermachens. Wir sind die Kinder jener Davongekommenen,
die im Wirtschaftswunder die Erinnerung an Bomben,
Massenmord und Vertreibung hinter sich lassen wollten."
Und natürlich darf da der
Generationenkonflikt
nicht fehlen:
"So viele wie uns
brauchte niemand. Ich habe darauf mit Trotz reagiert, wie
die meisten anderen aus meinem Jahrgang: (...) Aber
irgendwie haben wir es fast alle zu etwas gebracht. Nicht
zuletzt, um es den 68ern zu zeigen, die - selbst gerade
frisch verbeamtet - uns nun als lästige »Akademikerschwemme«
abqualifizierten, die ihre schöne linke Uni-Welt
überflutete.
(...).
Dabei sind die 64er eigentlich gar keine richtige
Generation, sondern nur ein besonders dicker, fetter
Jahrgang. Doch, eine Gemeinsamkeit gibt es: Wir sind
pragmatischer und hedonistischer als die
Vorgänger-Generationen - und politischer als unsere
Nachfolger aus der
»Generation Golf«.
Am Schluss folgt das
Geständnis:
"Nein, ich habe kein
Heimweh nach der verlorenen Welt meiner Jugend (...). Wohl
aber nach der rätselhaften Zuversicht, die in den siebziger
Jahren wider alle Vernunft und Wahrscheinlichkeit wie
Goldstaub über unserem Leben lag - und die der Grund dafür
ist, dass wir so viele sind."
Dagegen wissen wir: Die
Zuversicht war Mitte der 1970er Jahre zu Ende und der
Geburtenrückgang hatte bereits Mitte der 1960er Jahre
eingesetzt. Tatsächlich hatte der Babyboom nichts mit der
beschriebenen Zuversicht zu tun, sondern mit Spätgebärenden,
die die Geburten, die der Krieg verhindert hatte, nachholten
und Müttern, die in der Nazi-Zeit sozialisiert wurden.
BYLOW, Christina & Kristina VAILLANT (2014): Die verratene
Generation. Was wir den Frauen in der Lebensmitte zumuten,
München: Pattloch Verlag
"Der Begriff Babyboomer
stammt aus den USA, beschreibt dort aber eine Generation, die
deutlich älter ist als das deutsche Pendant. Die geburtenstarken
Jahrgänge werden für den deutschsprachigen Raum je nach Quelle
zwischen 1955 und 1965 verortet, dann wieder reichen sie von
1958 bis 1968. (...).
Eines ist unumstritten: Am Ende der sechziger Jahre schlug die
Wirkung der zu Beginn des Jahrzehnts auch in Deutschland
allmählich eingeführten hormonellen Verhütungspille für Frauen
voll durch. Danach fiel die Geburtenrate stark ab. Im Jahr 1964
hatte sie ihren historischen Höhepunkt erreicht: Über 1,51
Millionen Geburten im Jahr. Im Jahr 2011 sackte Deutschland mit
663.500 Neugeborenen auf den historischen Tiefstand seit
Gründung der Bundesrepublik" (2014, S.22),
erzählen uns Christina BYLOW,
Jahrgang 1962, und Kristina VAILLANT, Jahrgang 1964, über die
Babyboomer und den Babyboom, wobei weder die Zahlen für 1964
(1,357 Millionen), noch für 2011 (662.685) stimmen. Ihre eigene
Abgrenzung der Babyboomer liefern sie erst auf Seite 59 nach:
"Es
sind Frauen der geburtenstarken Jahrgänge, auf die Welt gekommen
in den Jahren zwischen 1958 und 1968 (...).
Über sechseinhalb Millionen Frauen sind heute zwischen 45 und 55
Jahre alt."
Während das Buch erst 2014
erschienen ist, stammt das Vorwort dagegen aus dem Jahr 2013.
Darauf beziehen sich die Altersangaben: 45 Jahre (1968) - 55
Jahre (1958) im Jahr 2013. Ihre Zahlen zum Umfang dieser
Jahrgänge haben sie stattdessen dem Statistischen Jahrbuch 2011
entnommen.
Dies wird im Nachfolgebuch korrigiert. Eine Kritik der
Darstellung der Babyboomer-Frauen findet sich bei den
Anmerkungen zum Nachfolgebuch.
LORENZ, Robert & Franz WALTER (2014)(Hrsg.): 1964 - das Jahr,
mit dem »68« begann. Studien des Göttinger Instituts für
Demokratieforschung zur Geschichte politischer und
gesellschaftlicher Kontroversen, Transcript Verlag
Das Buch beschreibt den
Zeitgeist des Jahres 1964 und kommt ganz ohne Babyboom und
Babyboomer aus.
BECKER, Bernhard von (2014): Babyboomer. Die Generation der
Vielen, Suhrkamp Verlag
"Von den Menschen, die heute
in Deutschland leben, ist etwa jeder vierte ein Babyboomer. Wir
sind die zahlenstärskte Generation, die das Land seit dem
Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat und nach aller Voraussicht
je hervorbringen wird. Im Spitzenjahrgang 1964 wurden die Ost-
und Westdeutschland zusammen etwa doppelt so viele Menschen
geboren wie im bisherigen Niedrigstjahrgang 2009 - 1.357.304, um
genau zu sein. Sollten die Babyboomer in den Jahren 2025 bis
2030 geschlossen in Rente gehen, würden die
Sozialversicherungssysteme vor eine historische Belastung
gestellt" (2014, S.13),
charakterisiert Bernhard von
BECKER, Jahrgang 1963, seine Generation, die er folgendermaßen
abgrenzt:
"Wenn hier von »Boomern« die
Rede ist, so ist die Speerspitze der Babyboomer gemeint, geboren
auf dem Höhepunkt des sogenannten Babybooms. Das waren die Jahre
zwischen 1960 und 1965". (2014, S.16)
Davon grenzt BECKER den
Begriff "Babyboom" folgendermaßen ab:
"Als Babyboom bezeichnet man
Phasen geburtenstarker Jahrgänge. In den USA begann eine solche
bereits direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, in Deutschland begann
sie ab Mitte der Fünfzigerjahre und endete um die Mitte der
Sechziger.
Gemäß BECKER dauerte der
Babyboom also von 1955 bis 1964, während er nur die Jahrgänge
1961 bis 1964 den Babyboomern zurechnet. Die Generation Golf
wird als
"die auf die Babyboomer
folgenden Jahrgänge 1965 bis 1975" (2014, S.22)
definiert. An anderer Stelle
wiederum heißt es:
"Wie erwähnt, wollen wir uns
hier auf die Babyboomer-Kernjahrgänge 1960 bis 1965
beschränken." (2014, S.25)
Das aber wiederum würde eine
Überschneidung mit dem Generation Golf-Jahrgang 1965 ergeben,
die vorher gerade geleugnet wurde.
Fazit: BECKER widerspricht
sich bei seiner Abgrenzung selber. Er nennt keinerlei
Zahlenangaben als Abgrenzungskriterium, sondern benutzt vage
Mengenbegriffe wie "geburtenstark". Seine Abgrenzung stellt
keinen Kohortenbegriff dar, sondern einen Generationenbegriff,
der in der Auseinandersetzung mit der Mentalität der 68er und
der Generation Golf begründet ist.
SCHASCHEK, Sarah (2014): Die Babyboomerinnen in der Falle.
Geld: Ein neues Sachbuch
zeigt nun, wie ungerecht das deutsche Steuer- und Rentensystem
Frauen behandelt,
in:
Freitag Nr.11 v.
13.03.
Sarah SCHASCHEK bespricht
das Buch Die verratene Generation
von Christina Bylow & Kristina VEILLANT. Die beiden Frauen
sind den
Individualisierungsverheißungen von
Ulrich BECK und seinen Adepten
aufgesessen und fühlen sich nun betrogen. Ihre Verblendung
durch den schönen Schein rechnen sie sich jedoch nicht selber
an, sondern sind
neidisch auf kinderlose, ledige Frauen, die sie als Gewinner
der Sozialstaatsreformen sehen.
Jetzt befürchten die
Autorinnen eine hohe Zahl von armen Babyboomerinnen im Alter.
Aber wo waren die Autorinnen eigentlich, als die Rentenformel
geändert und die Riester-Rente durchgesetzt wurde? Wo waren
die Autorinnen als
Susanne GASCHKE die Besitzstände derjenigen demografisch
begründete, denen sie sowieso nicht zu nehmen waren? Aber
die
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme eingeübt wurde?
Wo waren die Autorinnen als es gegen die Demografisierung
sozialer Probleme hätte gehen müssen?
Zwei Jahrzehnte zu spät ist
der Katzenjammer bei der Generation Laminat nun groß,
denn alle Entwicklungen haben sich schon in den 1990er Jahren
abgezeichnet.
Aber damals war der Individualisierungsglaube gerade hip.
Jetzt beklagen die Autorinnen die Liaison des Feminismus mit
dem Neoliberalismus und bejammern die
identitätspolitischen Folgen.
Die Autorinnen träumen von
staatlich bezuschusster Teilzeitarbeit, währenddessen
Deutschland Vorreiter bei der rigiden Ausdehnung der
Lebensarbeitszeit ist. Die Ökonomisierung des Alters steht auf
der politischen Agenda und die Babyboomerinnen sind als
Speerspitze dieser Entwicklung mittendrin...
Während die Autorinnen sich
noch an ihrem Individualisierungsglauben abarbeiten, setzt die
Politik längst durch die Demografisierung gesellschaftlicher
Probleme Fakten. Aufwachen sieht anders aus!
TORP, Cornelius (2014): Rentenpolitik aus dem vorigen
Jahrhundert.
Die Pläne der großen Koalition sind ein Relikt der
alten Bundesrepublik. Der Sozialstaat kompensiert
Ungerechtigkeiten, die er selbst geschaffen hat,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 23.03.
"Sie privilegiert die Babyboomer der Jahrgänge 1951 bis 1963 auf Kosten der
nächsten Generation ohne ersichtlichen Grund",
urteilt TORP über die Rente
mit 63. Diese Einschätzung scheint jedoch überzogen,
angesichts der Tatsache, dass die Rente mit 63 eher zur
Spaltung innerhalb der "Babyboomer" beiträgt.
SCHWAIGER,
Manfred (2014): Replik eines Babyboomers.
Warum die Generation Y unrealistische Erwartungen an
die Arbeitswelt hat und dabei unser aller Wohlstand aufs Spiel
setzt,
in: Die ZEIT
Nr.14
v. 27.03.
KALS, Ursula (2014): Der große Wurf.
Die 1964 Geborenen werden
dieses Jahr 50. Es ist der Babyboomer-Jahrgang,
"Karnickeljahrgang" sagen manche abschätzig. Andere singen
Loblieder auf die tüchtigen Vertreter in der Arbeitswelt. Aber
was bitte ist an ihnen so besonders?,
in: faz.net
v. 05.04.
Ursula KALS nimmt die
Frauenzeitschriften zum Vorbild, indem sie die FAZ erst
mal davon abgrenzt, um dann das Besondere des
"Karnickeljahrgangs" hervorzuheben:
"Unbeachtet statt
überbehütet, lässt sich manches entspannter angehen. Das
sollten sich nicht nur Helikopter-Eltern klarmachen.
Abgesehen davon: Karnickel sind sympathische Tiere."
RHEINISCHE POST-Thema:
Die Babyboomer werden 50.
1964 - Deutschlands stärkster Jahrgang |
KESSLER, Martin (2014): Die Macht der Babyboomer.
Die wichtigsten Posten in
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur halten die 50- bis
65-Jährigen. In dieser Altersgruppe verbinden sich offenbar
Dynamik und Erfahrung am besten. Die Generation 1964 ist dort
angekommen,
in:
Rheinische Post v. 05.04.
In diesem Jahr feiern die
Medien reihum den Jahrgang 1964. Dieses Wochenende ist die
Rheinische Post an der Reihe. Martin KESSLER,
Martin BEWERUNGE,
Wolfram GOERTZ,
Lothar SCHRÖDER und der Politikwissenschaftler
Ulrich von ALEMANN liefern die Mosaiksteinchen zum Porträt
des prototypischen Babyboomer-Jahrgang, der vor allem durch
Unscheinbarkeit hervorsticht, weswegen sich die Porträts auch
alle mehr oder weniger ähneln.
PIELEN, Birgit
(2014): Aufgepasst: Hier kommen die Babyboomer!
Schon im Kinderwagen war es
eng: Wer zwischen 1964 und 1965 geboren wurde, der lernte
schnell, Platz zu machen für die kleinen Geschwister. Die
geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, rückten
früh zusammen. Das war die Normalität - und sollte es bleiben:
in der Schulklasse, im Hörsaal, auf dem Arbeitsmarkt und
irgendwann in der Rente. Doch was macht diese Generation aus,
außer dass es sehr viele sind? Nach welchen Prinzipien gestalten
die heute (fast) 50-Jährigen ihr Leben?
in:
Rhein-Zeitung v. 12.04.
PIELEN, Birgit
(2014): Historiker Paul Nolte: Legt euch doch lieber fest!
Paul Nolte, Jahrgang 1963,
ist Historiker und Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der
Freien Universität Berlin. Mit den Babyboomern hat er sich in
seinem Buch "Generation Reform" befasst. Er appelliert: "Legt
euch doch lieber fest! Dann führt ihr ein Leben, das freier
gestaltbar ist als ein Leben in Unsicherheit",
in:
Rhein-Zeitung v. 12.04.
DESTATIS (2014): Babyboomer:
Deutschlands geburtenstärkster Jahrgang wird 50.
Im Fokus-Serie: Babyboomer,
in: destatis.de
v. 28.04.
"1964 erreichte der
sogenannte Babyboom seinen Höhepunkt: Knapp 1,4 Millionen Kinder
kamen in diesem Jahr auf die Welt, am häufigsten hießen sie
Sabine und Thomas. Auch die Jahre vor und nach 1964 waren
äußerst kinderreich: Zwischen 1954 und 1969 lag die Zahl der
Neugeborenen stets über 1,1 Millionen",
erklärt uns das Statistische
Bundesamt, wobei der Begriff "Babyboomer" nicht explizit
definiert wird, sondern mit "äußerst kinderreich" auf die Jahre
1954 bis 1969 eingegrenzt wird. Das Abgrenzungskriterium der
Babyboomer wäre damit eine Geburtenzahl von STETS 1,1 Millionen
pro Geburtsjahrgang. Hätte der Geburtsjahrgang 1953 nicht 1,095
Millionen, sondern rund 5.000 Geburten mehr umfasst, dann
müssten auch die Geburtsjahrgänge 1949 bis 1953 dazu gezählt
werden. Bei einer solch geringfügigen Unterschreitung des
Abgrenzungskriteriums darf man getrost fragen, ob das nicht
allzu kleinlich ist.
Die Serie dreht sich jedoch vor allem um den Geburtsjahrgang
1964, als ob der das Maß der Dinge sei. Auch der Begriff
"Babyboom" wird nicht definiert. Das Statistische Bundesamt
trägt also nicht unbedingt zur Erhellung der Begrifflichkeiten
bei.
COLBY, Sandra L. & Jennifer M. ORTMAN (2014): The Baby Boom
Cohort in the United States: 2012 to 2060. Population
Estimates and Projections, United States Census Bureau, Mai
"The term »baby boomer«
refers to individuals born in the United States between mid-1946
and mid-1964 (Hogan, Perez, and Bell, 2008). Distinctions
between the baby boom cohort and birth cohorts from preceding
and subsequent years become apparent when fertility measures are
framed within a historical context. The baby boom in the United
States was marked by a substantial rise in birth rates
post-World War II. Two features of the baby boom differentiate
this increase from those previously experienced: the size of the
birth cohort and the length of time for which these higher
levels of fertility were sustained" (2014, S.2),
charakterisieren COLBY &
ORTMAN die Babyboomer der Jahrgänge Mitte 1946 bis Mitte 1964.
Kohortenstärke und Dauer des Babybooms ergeben sich dabei im
Gegensatz zu den vorherigen und nachfolgenden Geburtskohorten.
Zum Verlauf heißt es:
"The National Center for
Health Statistics (NCHS) recorded 2.9 million births in 1945,
which increased by almost 20 percent to 3.4 million births in
1946 (NCHS 2005). Births continued to increase through the rest
of the 1940s and into the 1950s, reaching a peak of 4.3 million
in 1957. By 1965, the baby boom had ended, and births fell below
the 4 million mark—a level not exceeded again until 1989, when
baby boomers were having children of their own. In the 35 years
prior to the baby boom, the number of annual births had crossed
the 3 million mark twice, in 1921 and 1943. Since the baby boom,
annual birth cohorts have consistently remained above 3 million."
(2014, S.2)
Für die Konstruktion der
Babyboomer in den USA lässt sich feststellen, dass die
Kohortenstärke nur ein Definitionselement ist. Während die
Kohortenstärke gegenüber den Vorgängerkohorten stark zugenommen
hat, gilt das für die Abnahme bei den Nachfolgerkohorten nicht
im gleichen Maße.
FREITAG-Wochenthema:
Die Angepassten.
Sie sind sehr viele und denken nur an Wohlstand. Die Babyboomer
werden fünfzig |
RUPPS, Martin (2014): Generation Wohlstand.
Deutschland: Sie sind im Kern
unpolitisch, vor allem auf ihre Sicherheit bedacht - und das
stärkste Gefühl, zu dem sie fähig sind, ist Selbstmitleid. Zum
50. Geburtstag der Babyboomer,
in:
Freitag Nr.19 v.
08.05.
"Im
Jahr 1959 nahm der Boom (...) richtig Fahrt auf, um
schließlich im Jahr 1965 einzuknicken (...). So hohe
Geburtenzahlen wie in den Jahren der Babyboomer wurden
seither nie mehr erreicht",
erzählt uns Martin RUPPS,
der zwei Bücher über die Babyboomer verfasst hat, definiert
als die Jahrgänge 1959 - 1964. Wenn RUPPS die Zahl 1,357 Mill.
Geburten für den Jahrgang 1964 nennt, dann zählt er Ost- und
Westdeutschland zusammen, obwohl damals noch DDR und BRD
existierten. Dann stimmt aber auch nicht die Behauptung, dass
es später nie mehr so viele Geburten gab. Der Jahrgang 1959
zählte 1,243 Mill. Geburten also weniger als der Jahrgang 1967
mit 1,274 Mill. Geburten.
Bereits der Jahrgang 1950
zählte mit 1,1 Mill. Geburten mehr als jeder Geburtsjahrgang
seit 1970.
RUPPS kann sich also nicht
entscheiden ob es um geburtenstarke Jahrgänge, also
Babyboomer, oder um eine Mentalitätsgeschichte à la
Generation Golf geht.
"Die Eltern der
Babyboomer waren die von der Journalistin Sabine Bode in
ihrem Buch beschriebenen Nachkriegskinder, die in das
Feuer zerbombter Städte und die Todesangst im
Luftschutzbunker hineingeboren wurden",
erzählt uns RUPPS. Das Buch
Nachkriegskinder von Sabine BODE hat jedoch die 1950er
Jahrgänge zum Gegenstand. D.h. 5jährige und jüngere hätten
damals Kinder bekommen. Betrachtet man den Jahrgang 1959 dann
wären BODEs Nachkriegskinder mit RUPPS' Babyboomer sogar
identisch.
Man sieht daran schon, dass
sich RUPPS; Jahrgang 1964 (während seine Mutter Jahrgang 1939
war), in seinem eigenen Generationenkosmos verheddert. Der
Babyboom hatte seine Ursache jedoch im Zusammentreffen des
Nachholens von Geburten durch späte Mütter und der Geburten
junger und jüngerer Mütter. Die Eltern der Babyboomer waren
eher identisch mit Sabine BODEs Kriegskinder bzw. der
Flakhelfer-Generation, der 45-Generation oder
der 68er-Generation.
Bei der
Mentalitätsgeschichte unterscheidet dann RUPPS zwischen DDR
und BRD. Zu ersterer schreibt er:
"Der Wohnungsbau
florierte - 1974 erreichte der Absatz von Tapeten mit
durchschnittlich 2,4 Rollen je Bundesbürger seinen
absoluten, nie mehr erreichten Höhepunkt."
Der Wohnungsbau mag
floriert haben, aber damals waren die Stichworte:
Jugendarbeitslosigkeit und Wohnungsnot. Aber wer eine
"Generation Wohlstand" konstruiert, der muss sich die
Realitäten entsprechend zurecht biegen.
Martin RUPPS sieht seine
Babyboom-Generation durch die Augen der
68er-Protestgeneration. Ihm fehlt eine eigene
Generationserfahrung, weswegen er vor allem Angelesenes
wiedergibt. Hatte RUPPS 2008 noch beklagt, dass nur ein
Babyboomer Sigmar Gabriel (Jahrgang 1959) im Kabinett sitzt,
gemeindet er nun noch Ursula von der LEYEN (Jahrgang 1958) ein
- schließlich ist er ein Pragmatiker, genauso flexibel wie
jene Generation, die er konstruiert.
"Mit der Reform der
Pflegeversicherung und der Rente mit 63 erlebt der
Sozialstaat der siebziger Jahre, in dem die Babyboomer groß
wurden, eine Renaissance - auf Kosten der folgenden
Generationen",
erzählt uns RUPPS Märchen
aus tausendundeiner Nacht.
Bereits in den 1970er Jahren endete der Ausbau des
Rentensystems und begann jener Umbau, der Wenige privilegiert
und Viele in die Altersarmut entlassen wird. Und nichts
hatte dieser damalige Umbau mit der angeblichen Vergreisung zu
tun, die seit den 1970er Jahren für diesen Umbau herhalten
musste. In den 1990er Jahren zahlten die Babyboomer als
Beitragszahler ins Rentensystem sogar hauptsächlich die Kosten
der deutschen Einheit.
Nur wer wie RUPPS den
Jahrgang 1964 zum typischen Babyboomer-Jahrgang stilisiert,
muss sich derart rigide gegen die Nachfolger, die
Generation Golf (Jahrgang 1965) abgrenzen, dass es schon
wieder absurd wird:
"Jede Generation sieht
sich als die letzte vor dem allgemeinen Niedergang von Sitte
und Moral - wir auch. Auf uns Babyboomer folgte die
Generation Golf, die erste Generation der Kinder mit eigenem
Zimmer, mit Playmobil und einem VW Golf. Die Babyboomer
finden, die Golfer sind die erste unpolitische, verwöhnte,
behütete Generation der Bundesrepublik. Mit den Generationen
danach kam es noch schlimmer. In Wahrheit aber begann es mit
uns."
Wie gesagt: der Jahrgang
1965 zählte 1,325 Millionen Geburten, also mehr als die
Jahrgänge 1959 bis 1962, die RUPPS zu den Babyboomern zählt.
Und weil RUPPS keine eigene Weltsicht hat, sondern die Sicht
der 68er-Generation wiederkäut, stilisiert er die
Babyboomer zu einer unpolitischen Generation. Wenn man aber
die Babyboomer als die Jahrgänge 1950 - 1971, also diejenigen
Jahrgänge, die jeweils über eine Million Geburten umfassen,
definiert, dann wird die Absurdität dieser Konstruktion
besonders deutlich. Wer wie RUPPS die Masse zum Kern einer
Generation macht, der sollte sich nicht wundern, wenn sein
Konstrukt wie ein Kartenhaus zusammenfällt, wenn man es
entkernt.
Gerade
ist das Buch Babyboomer von
Bernhard von BECKER erschienen, das ebenfalls über die
Generation der Vielen handelt. Auch BECKER verheddert sich im
Spagat zwischen geburtenstarken Jahrgängen und
Mentalitätsgeschichte einer Generation:
"Von den Menschen, die
heute in Deutschland leben, ist etwa jeder vierte ein
Babyboomer. Wir sind die zahlstärkste Generation, die das
Land seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat und nach
aller Voraussicht je hervorbringen wird." (2014, S.13)
"Wenn hier von »Boomern«
die Rede ist, so ist die Speerspitze der Babyboomer gemeint,
geboren auf dem Höhepunkt des so genannten Babybooms. Das
waren die Jahre zwischen 1960 und 1965" (2014, S.16)
"»Generation Golf« (nach
einem Buch von Florian Illies), womit die auf die Babyboomer
folgenden Jahrgänge 1965 bis 1975 gemeint sind." (2014,S.22)
BECKER gemeindet also - im
Gegensatz zu RUPPS - den Jahrgang 1965 demografisch mit ein,
um ihn in Abgrenzung zur Generation Golf wieder
auszuklammern. Das führt zur weiteren Absurdität, dass der
Jahrgang 1966 (1,318 Millionen Geburten) nicht zum Höhepunkt
des Babybooms gezählt wird, während der Jahrgang 1960 mit nur
1,261 Geburten dazu gezählt wird.
Mit nicht einmal 8
Millionen Menschen sind diese Babyboomer weniger als 10 % der
Bevölkerung und nicht 25 Prozent, wie BECKER uns 3 Seiten
zuvor erzählt hat. Warum aber sollten gerade diese nicht
einmal 50 % der Babyboomer die Generation repräsentieren?
"Wie erwähnt, wollen wir
uns hier auf die Babyboomer-Kernjahrgänge 1960 bis 1965
beschränken. Damit bleiben ausgeblendet (wir bitten um
Nachsicht) die späten Fünfzigerjahrgänge. Zwar können wie
allen Anspruch auf Teilhabe am Wirtschaftswunder und am
Babyboom erheben, aber sie sind eben doch angegraut vom Muff
einer angestrengten phantasielosen Restaurationszeit. Denn
es ist ja so - machen wir uns nichts vor: Die Fünfziger sind
und bleiben, jedenfalls in Deutschland, hausbacken,
verklemmt und dröge." (2014, S.25)
Aha! Weil z.B. ein 1959
Geborener höchstens Peter Kraus in seiner Wiege hörte und
Horst Buchholz in der Klotze sah, soll er vom Mief der
Fünfzigerjahre angegraut sein. Geht's noch absurder? Was
würden z.B. Thomas MEINECKE, Jahrgang 1955, oder Diedrich
DIEDERICHSEN, Jahrgang 1957, zu solch einer Abgrenzung sagen?
MOLLNITZ, Martin (2014): Der stärkste deutsche Jahrgang wird
fünfzig.
Baby-Boomer Ost: Der Jahrgang
1964 ist im Westen wie Osten Deutschlands der stärkste.
Quantitativ, versteht sich. 1.357.304 Lebendgeborene. 2002 waren
es nur halb soviel!
in:
Freitag Online v.
27.05.
CORNELIUS, Ivar (2014): Kinderzahlen in Baden-Württemberg im
Generationenvergleich,
in:
Statistisches Monatsheft
Baden-Württemberg, Heft 5, S.16-22
Angeblich hat die
Generation Golf (1967 - 1973 Geborene) wesentlich weniger
Kinder bekommen als ihre Vorgängergeneration. Susanne GASCHKE
begründete damit die Rentenkürzungen für ihre Generation im
Vergleich zu den 68ern (1940-1946 Geborene).
Single-dasein.de und single-generation.de hatten
das bereits im Jahr 2003 kritisiert. Nun zeigen die
Ergebnisse von Ivar CORNELIUS zumindest für Baden-Württemberg,
dass nicht einmal die Kluft zwischen der Kriegsgeneration
(1930-1935 Geborenen) und der Babyboomer-Generation (1959-1967
Geborenen ) an den Mythos heranreicht, dass jede Generation um
ein Drittel kleiner sei als ihre Vorgängergeneration.
Müttergeneration |
Töchtergeneration |
Generationenersatz |
1930 |
1959 |
77 % |
1935 |
1963 |
70 % |
1940 |
1967 |
|
1946 |
1973 |
86-88 % |
1953 |
1980 |
|
Quelle: Ivar
Cornelius 2014, S.17-18 |
Die Tabelle zeigt, dass der
Frauenjahrgang 1963 den Wendepunkt beim Generationenersatz
darstellt. Seitdem führt der Geburtenaufschub immer mehr dazu,
dass Geburten später nachgeholt werden. Seit dem
Frauenjahrgang 1967 ist zudem ein Anstieg der Geburtenrate
(CFR) festzustellen:
"Aus den bislang
verfügbaren Informationen zu den Geburtenverläufen bei den
Frauenjahrgängen aus den 1960er- und 1970er-Jahren lässt
sich ableiten, dass die endgültigen Kinderzahlen der
Jahrgänge 1968 bis 1973 gegenüber dem Jahrgang 1967 in
Baden-Württemberg leicht ansteigen – von rund 1 500 Kindern
je 1 000 Frauen auf etwa 1 580 Kinder."
Das Statistische Bundesamt
geht gemäß seiner konservativen Schätzung davon aus, dass
dieser Geburtenanstieg nur vorübergehend ist und die in den
1980er Jahren geborenen Frauen wieder weniger Kinder bekommen
werden. Dies könnte jedoch eine Fehlinterpretation sein, weil
der Anteil der Akademikerinnen an der Gesamtbevölkerung weiter
zunimmt. Da jedoch
Akademikerinnen hauptsächlich für den Anstieg der späten
Mutterschaft verantwortlich sind, führt diese
Nichtberücksichtigung zu einer Unterschätzung der Kinderzahlen
in den jüngeren Frauenjahrgängen.
Es gilt weiterhin das
Manko: Unsere Bevölkerungwissenschaftler melden Trends über
Änderungen des Geburtenverhaltens erstens zu spät und zweitens
führt ihre konservative Schätzung durch die
Nichtberücksichtigung von Änderungen der Sozialstruktur zu
Fehleinschätzungen.
Der Politikwissenschaftler
Christian RADEMACHER hat in seiner exzellenten Studie
Deutsche Kommunen im Demographischen Wandel
nachgewiesen, dass die Demographisierung gesellschaftlicher
Probleme zur Falscheinschätzung des demografischen Wandel
führt. Es kommt zur Tendenz, dass die demografische Lage
überwiegend schlechter eingeschätzt wird als sie tatsächlich
ist. Dies führt dazu, dass positive Entwicklungen zu lange
nicht wahrgenommen werden.
NASSEHI, Armin (Hrsg.) Kursbuch 178: 1964, Murmann Verlag,
Juni
"1964 war der
geburtenstärkste Jahrgang Deutschlands, und zwar in Ost und West
- danach ging es nur noch bergab, wenigstens im Westen. In der
DDR hat es in den Siebzigern und Achtzigern dann wieder einen
Anstieg der Geburten gegeben, was sicher auch an der
Selbstverständlichkeit von Betreuungseinrichtungen lag. Die
Raten von 1964 freilich wurden hier wie dort nie wieder
erreicht.
Es gibt eine Faustregel: Je zufriedener, zukunftsgewandter,
optimistischer und unbeschwerter die Menschen leben, desto höher
liegt die Geburtenrate" (2014, S.1),
konstruiert Armin NASSEHI
seine Idee des Babybooms. Eine Konstruktion ist es, weil hier in
die Vergangenheit nachträglich eine Ideologie eingetragen wird,
die sich nicht aus den damaligen Gegebenheiten ergeben, sondern
aus einer ganz spezifischen retrospektiven Sicht. Entsprechend
bieten die Beiträge keinen Einblick in den damaligen Zeitgeist,
sondern blicken aus dem Jahr 2014 auf die Vergangenheit zurück.
Viel interessanter wäre eine Rekonstruktion der damaligen
Debatten gewesen.
NASSEHI vermischt
unterschiedliche bevölkerungswissenschaftliche Indikatoren, um
seine Ideologie zu konstruieren: zum einen die Kohortenstärke
und zum anderen die zusammengesetzte Geburtenziffer, aber beides
ist nicht deckungsgleich - und mit der
endgültigen Kinderzahl der Frauenjahrgänge, die zum
damaligen Babyboom beitrugen, hat das überhaupt nichts zu tun.
In seinem Beitrag Die
erste digitale Generation weist NASSEHI auf die Problematik
des Generationenbegriffs hin und stilisiert
Generationsidentitäten zu einer Frage des öffentlichen
Diskurses, in dem sich solche Zuschreibungsprozesse bzw.
Projektionen auf Kohorten bewähren müssten. Oder anders
formuliert: Generationen sind Fiktionen der Teilnehmer an
öffentlichen Debatte, die um die Deutungshoheit kämpfen.
Generationenetiketten stehen damit immer im Konkurrenzkampf mit
anderen Etiketten. Das Generationenetikett "Babyboomer" ist
jedoch auch deshalb so umkämpft, weil es derzeit zur Debatte um
den demografischen Wandel eine bedeutende Rolle spielt. Das
bleibt bei NASSEHI ausgeblendet.
Die Babyboomer als erste
digitale Generation werden bei NASSEHI als "Kohorten der 1960
bis 1965 Geborenen" (S.46) abgegrenzt:
"Ich wurde nicht 1964
geboren, sondern 1960 - das macht (...) keinen großen
Unterschied" (S.31),
begründet NASSEHI diese
autobiografisch hergeleitete Eingrenzung der
Babyboomer-Generation. Wäre er 1958 geboren worden, dann wäre
sein Essay anders ausgefallen.
Max OTTE stilisiert den
Jahrgang 1964 zu einer Generation, obwohl es nur eine Kohorte
der Babyboomer ist. Eigentlich müssten nicht die Babyboomer,
sondern die Frauen jener Jahrgänge gefeiert werden, die diesen
Babyboom mit ihren Geburten ermöglichten. Nicht die
1964Geborenen, sondern jene die diese Kinder zur Welt brachten,
hätten im Mittelpunkt des Kursbuchs stehen müssen, denn
schließlich geht es nicht nur um eine Kohorte, sondern um ein
Jahr. Diese beiden Dimensionen von 1964 gehören untrennbar
zusammen.
30 Jahre nach zwölf!
lautet eine Überschrift in dem Beitrag Kind, Korn und
Kachelofen von Peter FELIXBERGER, in dem die
nationalkonservative Sicht von der ausgefallenen Generation, die
insbesondere Herwig BIRG verbreitete. Dazu werden uns Fakten
präsentiert, die auf den Fehleinschätzungen Mitte der Nuller
Jahren beruhen und folgendermaßen zusammengestellt werden:
"Erstens sind wir weltweit
das Land, in dem die Bevölkerungsschrumpfung als Erstes begann
(in den alten Bundesländern 1972, in den neuen 1969). Zweitens
hängt unsere niedrige Geburtenrate (1,2 Kinder pro Frau) damit
zusammen, dass immer mehr Frauen und Männer zeitlebens kinderlos
bleiben. Und drittens werden fehlende Geburten überhaupt nur
durch Einwanderungen einigermaßen kompensiert - und zwar schon
seit Jahrzehnten." (2014, S.16)."
Das Land, in dem die Bevölkerung als erstes schrumpfte, war
Frankreich. Nur wenn man die Nachkriegszeit betrachtet und
die Stärke der Schrumpfung außer Acht lässt, stimmt dies.
Inzwischen ist auch der zweite Punkt nicht mehr zu halten, dass
nämlich die jüngeren Frauenjahrgänge immer weniger Kinder
bekommen bzw. immer mehr Frauen zeitlebens kinderlos bleiben.
Der letzte Satz ist meist der Verquickung von Fakt und Prognose
geschuldet. Inwieweit die natürliche Bevölkerungsentwicklung
(Saldo von Geborenen und Gestorbenen) in einer globalisierten
Welt noch ein Maßstab für die gesellschaftliche Entwicklung sein
kann. Diese Frage wird aus nationalkonservativer Perspektive,
die sich jeder zu eigen macht, der auf diese demografischen
Zusammenhänge selbstverständlich rekrutiert, gar nicht erst
gestellt. Der Soziologe Karl Otto HONDRICH hat diesen
bevölkerungspolitischen Imperativ der Bestandserhaltungszahl zu
Recht kritisiert.
"1.357.304 Kinder wurden im Peak-Jahr des Babybooms geboren. Zum Vergleich: 2013 waren es
kaum mehr als 677.000 (...). In den Jahren 1961 bis 1965 kamen
jeweils 1,3 Millionen Menschen in Deutschland auf die Welt",
erklärt uns Inge KLOEPFER,
Jahrgang 1964 in dem Beitrag Wer sind wir Babyboomer-Frauen.
Wäre das einzige Abgrenzungskriterium eine Kohortenstärke von
1,3 Millionen Kinder, dann hätte KLOEPFER auch den Jahrgang 1966
zu den Babyboomern zählen müssen.
"Im Verhältnis der
Geschlechter lagen die Jungen damals leicht vorn, auf 1000
geborene Mädchen kamen 1058 Jungen."
Das Statistische Bundesamt
kommt in ihrer zusammenfassenden Übersicht 1946 bis 2015 für
1964 sogar auf 1059 Jungen (Erscheinungsdatum: 30.06.2016).
SCHMOLLACK, Simone (2014): Fröhlich sein mit de Maizière.
Generationen: Wie werden die
heute Fünfzigjährigen später leben? Ein Innenminister muss so
was wissen. Deshalb informiert er sich bei den Betroffenen, bei
den Babyboomern,
in:
TAZ v. 18.06.
SAKKAS, Konstatin (2014): Wie die Babyboomer ihren Wohlstand
sichern.
... während sich die
Dreißigjährigen von Job zu Job hangeln?
in:
DeutschlandRadio v.
20.08.
"In keiner Generation ist
der Anteil der Aufsteiger- und Migrantenkinder so hoch wie
in unserer",
weis
Konstantin SAKKAS, ein privilegierter Angehöriger der
Generation @. Für seine Generation gilt genauso, was schon für
die
Generation Golf in der Jobkrise vor einem Jahrzehnt
galt: Die Unterschiede innerhalb von Generationen sind größer
als die zwischen Generationen. Diese Ungleichheit wird in
einer Gesellschaft der Langlebigen sogar noch zunehmen. Will
der Generationenkrieger SAKKAS also nur davon ablenken?
NEUMANN, Horst (2014): Eine große Chance für
die Arbeit.
Forum: Industrie 4.0 - In den
nächsten Jahren gehen die "Babyboomer" in Rente.
Fabriktätigkeiten können weiter automatisiert werden,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
06.10.
WOLF,
Richard/LANGLEY, Greg/FINKE, Renate (2014): Baby, it's over.
The Last Boomer turns 50, Allianz SE
Die Allianz behauptet in
ihrer
Untersuchung, dass der letzte
Babyboomer 50 geworden ist. Untersucht wurden nur 18 Länder,
deren Babyboomer-Generationen vermessen wurden.
"In Australia and the US,
boomers are defined as those born in post-war years when there
was an upswing in the total fertility rate (TFR) to three or
more children per woman.4 (Total fertility refers to the average
number of children that would be born to a typical woman over
her lifetime if she lives to the end of her childbearing years.)
In these countries, then, the official definition of the baby
boomers is the generation born during the 19-year period
stretching from 1946 to 1964." (2014, S.4)
Für Europa gibt es gemäß WOLF
u.a. keine offizielle Definition der Babyboomer. Für Deutschland
werden vier Definitionen erwähnt, wobei auf MENNING & HOFFMANN
2009 und das Statistische Bundesamt verwiesen wird. Ihr Vorgehen
bei der Identifizierung von Babyboom-Kohorten beschreiben
WOLF/LANGLEY/FINKE folgendermaßen:
"As we use the reversal
points to identify the start and end of the boomer generation in
each country, percentage increases and decreases of TFR and CBR
are taken into account. As the US and Australia consider the
post-war periods as relevant to the baby boom, only data
starting in 1946 was used as well as their level of change to
calibrate the results of all countries." (2014, S.5)
Neben der Kohortenstärke geht
also auch die Entwicklung der Geburtenrate in die Definition mit
ein, wobei zwei verschiedene Maße Verwendung finden: zum einen
die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) und zum anderen die
rohe Geburtenziffer (CBR)
Die folgende Übersicht listet
Beginn und Ende des Babybooms und damit der Babyboomer-Jahrgänge
auf, sowie den Umfang der Kohorte als Anteil der Bevölkerung am
Ende des Booms und die Spitze der Fruchtbarkeit:
Tabelle:
Der Babyboom in 18 westlichen Ländern |
Land |
Beginn des
Babybooms |
Ende des
Babybooms |
Anteil der
Babyboomer an der Gesamtbevölkerung am Ende des
Booms |
Höchste
Fruchtbarkeit |
Geburtenrate |
Jahr |
Australien |
1946 |
1965 |
38,5 % |
3,55 |
1961 |
Österreich |
1956 |
1969 |
23,0 % |
2,82 |
1963 |
Belgien |
1950 |
1967 |
28,5 % |
2,71 |
1964 |
Bulgarien |
1946 |
1950 |
10,1 % |
3,29 |
1946 |
Kanada |
1946 |
1965 |
42,3 % |
3,94 |
1959 |
Dänemark |
1946 |
1966 |
33,9 % |
3,02 |
1946 |
Finnland |
1946 |
1953 |
18,2 % |
3,46 |
1948 |
Frankreich |
1946 |
1967 |
37,0 % |
3,02 |
1947 |
Deutschland |
1956 |
1968 |
20,6 % |
2,53 |
1964 |
Ungarn |
1947 |
1956 |
18,0 % |
2,97 |
1954 |
Italien |
1946 |
1949 |
7,2 % |
3,01 |
1946 |
Niederlande |
1946 |
1965 |
37,9 % |
3,97 |
1946 |
Neuseeland |
1946 |
1972 |
53,4 % |
4,31 |
1961 |
Norwegen |
1946 |
1969 |
39,0 % |
2,98 |
1964 |
Schweden |
1946 |
1953 |
13,0 % |
2,57 |
1946 |
Schweiz |
1946 |
1968 |
36,8 % |
2,68 |
1964 |
England/Wales |
1956 |
1968 |
20,8 % |
2,93 |
1964 |
USA |
1946 |
1964 |
37,4 % |
3,71 |
1957 |
|
Quelle:
Allianz 2014, Tabelle 1, S.6 |
Die
Auswahl der Länder ergibt
sich aus der Interessenlage des Lebensversicherers und nicht aus
wissenschaftliche begründeten Kriterien.
Bei
TEITELBAUM & WINTER 1985 werden auch Japan, Schottland,
Polen und Rumänien sowie eine Reihe von Staaten betrachtet, die
es heutzutage gar nicht mehr gibt (z.B. Jugoslawien, UdSSR).
Fazit: Inwieweit die
Vermessung des Babybooms und damit der Babyboomer-Kohorten, die
von der Allianz vorgenommen wurde, gewinnbringend für die
Beurteilung des demografischen Wandels ist, wird auf
single-generation.de Thema von weiteren Abhandlungen sein,
bei denen die international vergleichenden Aspekte und
länderspezifische Unterschiede im Vordergrund stehen werden.
SCHOLZ, Christian (2014): Generation Z. Wie sie tickt, was
sie verändert und warum sie uns alle ansteckt, Verlag Wiley-Vch
"In
einem sind sich die meisten Forscher und Beobachter der
aktuellen Lebenswelt völlig einig: Keine Generation hatte und
hat es so gut wie die Babyboomer: Aufgewachsen im
Wirtschaftswunder standen ihnen alle Türen offen. Sie konnten
experimentieren, opponieren, debattieren oder sich auch nur
einfach selbst optimieren. Sie konnten völlig neue Wege gehen
und hatten zu keinem Zeitpunkt Zukunftsangst." (2014, S.82)",
charakterisiert Christian
SCHOLZ die Generation der Babyboomer in seinem Buch, das sich
jedoch in erster Linie mit der Generation Z beschäftigt.
ETTE, Andreas/DORBRITZ, Jürgen/SULAK, Harun (2014): Zunehmende
ethnische Diversität: Die Babyboomer-Kohorte 1964 im sozialen
Wandel der Bundesrepublik Deutschland.
Das Elterngeld wirkt sich vor
allem auf das Einkommen und die Fertilität hoch qualifizierter
Frauen,
in:
Bevölkerungsforschung Aktuell, Nr.6 v. 10.12.
Auch das Bundesinstitut für
Bevölkerungsforschung hat die
Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur Geburtenrate
abgewartet, um ihre demografische Konstruktion des
Babyboomer-Jahrgangs 1964 in Szene zu setzen. Aufgrund der
mangelhaften Datenlage bleiben die speziellen Unterschiede
zwischen BRD und DDR unberücksichtigt. Auch ist der Mikrozensus
2012 ungeeignet, um die Unterschiede von Ostdeutschen und
Westdeutschen herauszuarbeiten, weswegen eine gesamtdeutsche
Kohorte konstruiert wird, die es so nie gab. Nicht die Herkunft,
also ob in der DDR geboren oder in der BRD, sondern lediglich
der Wohnort im Jahr 2012 ist in dieser Betrachtung entscheidend
für die Bezeichnung "Ostdeutscher" bzw. "Westdeutscher". Wir
erfahren also nichts über wirkliche deutsche Lebensläufe,
sondern werden mit künstlichen Datenartefakten abgespeist.
Selbst mit Längsschnittstudien, wie z.B. derjenigen über die
Wendegeneration der 1971 Geborenen, bleibt vieles im
Dunkeln.
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