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Kommentierte Bibliografie (Teil 5: 2015 -
2016)
2015
SPIEGEL-Serie:
Serie: 2030.
Deutschland,
deine Zukunft |
BARTSCH, Matthias/FICHTNER, Ullrich/JUNG, Alexander/MINGELS,
Guido/MÜLLER, Ann-Kathrin (2015): 2030 - Es kommen härtere
Jahre.
Zukunft: Nach Jahrzehnten
chronischer Geburtenschwäche steht Deutschland vor dem Umbruch:
Die Babyboomer erreichen die Rente - und ein ganzes Land muss
zittern, ob das wirklich gut gehen kann. Spiegel-Serie über das
Megathema Demografie (Teil 1),
in:
Spiegel Nr.12 v.
14.03.
"Mit Beginn des nächsten
Jahrzehnts, von 2020 an, also schon in fünf Jahren, gehen die
ersten Babyboomer in Rente. Von da an wird die deutsche
Gesellschaft altern - und zwar schneller als fast jede andere.
Sie wird schrumpfen, nach den düstersten Szenarien ebenfalls
stärker als die Bevölkerungen nahezu aller anderen Länder der
Welt",
beschwören BARTSCH u.a. den
angeblichen Untergang von Deutschland.
Nichts davon stimmt.
Bereits in der
Vergangenheit hat das Verhältnis zwischen Jung und Alt in
Deutschland dramatisch verschlechtert: Daniel BAUMANN & Stephan
HEBEL schreiben dazu in ihrem Buch
Gute Macht-Geschichten:
"(I)m Jahr 1900 haben 12,4
Erwerbsfähige für eine alte Person gearbeitet, fünfzig Jahre
später waren es noch 6,9 und zur Jahrtausendwende lediglich 4,1
Personen. Das Verhältnis zwischen Jung und Alt hat sich massiv
verschlechtert, trotzdem ist der Wohlstand aber gestiegen und
die Sozialversicherungssysteme wurden ausgebaut. Für die Zukunft
muss uns deshalb nicht bange werden."
(2016, S.62)
LEHMANN,
Anna (2015): Das Versprechen.
Zukunft: Jeder kann es nach
oben schaffen. Wenn er sich bildet. Das war der Leitsatz -
jahrelang. Heute studieren mehr denn je. Aber wie viele
Akademiker brauchen wir?
in: TAZ
v. 25.04.
Spätestens seit der
Akademikerarbeitslosigkeit der 1980er Jahre und den Studien
von Pierre BOURDIEU
war klar, dass das Aufstiegsversprechen nicht wirklich eines
war.
Bereits die Babyboomer wurden im Hochschulsystem geparkt, um
den durch die geburtenstarken Jahrgänge überlasteten
Arbeitsmarkt zu entlasten.
Statusinkonsistenz (oder Postadoleszenz) ist nicht erst das
Lebensgefühl der
Generation Y - wie der 68er Klaus
HURRELMANN in seinem Buch über die heimlichen Revolutionäre
behauptet, sondern bereits der deutschen Babyboomer (die
Pioniere der
Generation X). Das Buch
Sexbeat
von Diedrich DIEDERICHSEN beschreibt die Generation Praktikum
der 1980er Jahre. Denn die Popmoderne bot neben der Bildung die
zweite Individualisierungsverheißung. Sind wir noch Bohème oder
schon Unterschicht? Diese eher rhetorische Frage stellte sich
jedoch noch nicht.
BRUMBERG, Johanna A. (2015): Die Vermessung einer Generation. Die Babyboomer und die Ordnung der
Gesellschaft im US-Zensus zwischen 1940 und 1980, Göttinger Studien zur
Generationsforschung, Wallenstein Verlag
"Die
Generierung von Geburten- und Fertilitätsstatistiken durch den
Bevölkerungszensus war (...) eine wichtige Voraussetzung dafür,
dass sich in den 1980er Jahren die Rede von einer
Babyboom-Generation etablieren konnte. Auch wenn sich die
Generationsrede der Babyboomer seitdem immer weiter
ausdifferenziert hat und heute in ganz unterschiedlichen
Kontexten zum Einsatz kommt, rekurriert sie im Kern auf die sich
wandelnde Beobachtung einer demographischen Entwicklung. (...).
Erst unter Berücksichtigung jener historisch aufgeschichteten
Wissensbestände und ihrer statistischen Produktion, die der
Formierung der Rede von einer Babyboom-Generation vorausging,
lässt sich die heutige Wirkmächtigkeit dieser spezifischen
Generationsrede vollständig verstehen" (2015, S.10),
erklärt uns Johanna BRUMBERG,
Jahrgang 1981, die Grundlagen der Babyboomer-Debatte in den USA
herausarbeitet. Bücher wie The Coming Generational Storm
von Laurence. J. KOTLIKOFF & Scott BURNS aus dem Jahr 2005
befeuern auch hierzulande Horrorvisionen, die gerne aufgegriffen
werden. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, dem
Ursprungsland des Babyboomer-Konzepts, bleibt das Label vage:
"Die Rede von der
Babyboom-Generation, oder einfach den Babyboomern, dient der
Beschreibung und Verhandlung ganz unterschiedlicher
Sachverhalte, und daher sind die Darstellungen ebenso vielfältig
wie unspezifisch. Einerseits wird die Existenz einer
Babyboom-Generation vorausgesetzt und zum Erklärungsfaktor wie
auch immer gearteten Wandels gemacht, andererseits ist die
Generationsrhetorik der Ausgangspunkt, um gemeinsame
Erfahrungshorizonte der Babyboomer herauszuarbeiten. Jeder
glaubt zu wissen, wer oder was die Babyboom-Generation ist und
ebenso implizit wird ihr Vorhandensein mit der demographischen
Evidenz des Babybooms begründet. Fast alle Darstellungen
beziehen sich dabei - in irgendeiner Form - auf Statistiken aus
dem Bevölkerungszensus." (2015, S.10)
BRUMBERG fragt sich deshalb
zu Recht, worauf die zunehmende Attraktivität dieser
Generationsrede beruht:
"Nimmt man die heutige
Popularität des Konzepts Babyboom-Generation ernst, stellt sich
die Frage nach der Entstehung und den historischen Wurzeln
dieser Generationsrede. Auf welchen Prämissen beruht die Rede
von einer Babyboom-Generation, warum konnte sie sich überhaupt
entwickeln und was macht ihren Gebrauch so attraktiv? Welche
Rolle spielt dabei das statistische Wissen über die
Geburtenentwicklung in der Nachkriegszeit? War der
Bevölkerungszensus für die Entdeckung eines Babybooms
verantwortlich, legte er eine bestimmte Lesart dieses
demographischen Phänomens nahe und charakterisierte er
schließlich auch die in diesen Jahren geborenen Menschen in
einer bestimmten Weise?" (2015, S.10)
Wie auch die deutsche Debatte
zeigt, ist das Konzept der Babyboomer eine retrospektive
Erfindung, die erst vor dem Hintergrund des Geburtenrückgangs
überhaupt evident werden kann:
"Trotz seiner heutigen
Popularität ist der Terminus Babyboom-Generation noch relativ
jung, und in den medialen und wissenschaftlichen Debatten findet
er sich vermehrt erst in den 1980er Jahren. Während des
Babybooms, der retrospektiv meist auf die Zeit von Mitte der
1940er bis Mitte der 1960er Jahre datiert wird, spricht noch
niemand von einer Babyboom-Generation. (...). Erst an der Wende
von den 1970er zu den 1980er Jahren tauchte die Formel der
Babyboom-Generation auf" (2015, S.10f.)
BRUMBERG sieht in den 1980er
und besonders in den 1990er eine kulturelle Aufladung verbunden
mit einer Historisierung der Nachkriegsjahre hinsichtlich des
Konzepts der Babyboom-Generation. Während dies in den USA durch
die Präsidentschaft des Babyboomers Bill CLINTON geschah, gibt
es in Deutschland eine ähnliche kulturelle Aufladung durch die
Machtübernahme von Rot-Grün ab 1998. In Deutschland sind jedoch
68er und Babyboomer nicht deckungsgleich wie in den USA, sodass
die Aufladung zuerst über die Demografisierung
gesellschaftlicher Prozesse erfolgte, während sich die
Machtübernahme durch die Babyboomer erst in den letzten Jahren
vollzieht.
Fazit: Das Buch beschreibt
einen Aspekt, der in der deutschen Debatte bislang noch
unterbelichtet ist, aber dringend der Aufarbeitung harrt. Die
Konstruktion des Babybooms in Deutschland und die Frage der
Bedeutung des demografischen Wandels sind untrennbar miteinander
verbunden. Die Konstruktion eines Babybooms ist zudem ohne die
Konstruktion geburtenschwacher Jahrgänge nicht hinreichend
erklärbar. Erst das Gegenteil erklärt die Attraktivität von
Dystopien, die wiederum das Feindbild Babyboomer generieren.
STEEG, Lena (2015): Der Weg ist das Spiel.
Entscheiden, uns selbst
vermarkten, uns neu orientieren - rund um die Uhr optimieren wir
uns selbst und hoffen, unser Leben in den Griff zubekommen. Weil
wir jedoch so fixiert darauf sind, uns große Ziele zu setzen,
haben wir das Ankommen verlernt,
in: Neon,
Juli
Die
Titelgeschichte von Lena STEEG, Mitte der 1980er Jahre
geboren, ist ein Beispiel für die Selbstdarstellung moderner
"privileged Poor" (neudeutsch: Prekariat).
Wir nennen
es Arbeit beschrieb vor fast 10 Jahren dieses neue
Selbstbewusstsein jener, die statt der unerreichbaren
Festanstellung die Selbstausbeutung wählten, mit der Hoffnung
irgendwann einmal zur Elite der kreativen Klasse zu gehören.
Dabei ist zum einen die Herkunft aus einem
Mittelschichthaushalt und die Zugehörigkeit zur
Erbengeneration förderlich und zum anderen: Konformität.
Konformität heißt, dass man
seine Selbstdarstellung mit Büchern aus der Bestsellerliste
garniert. Bei Lena STEEG sind das die Romane
Soloalbum
von Benjamin von STUCKRAD-BARRE und
Unentschlossen von Benjamin KUNKEL sowie das Sachbuch
Die heimlichen Revolutionäre von Klaus HURRELMANN &
Erik ALBRECHT. Die Selbstbeschreibung sollte man auf alle
Fälle mit ein bisschen Statistik garnieren, um die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der eigenen Existenz
aufzuzeigen:
Meine Eltern "gehören zu
den Babyboomern, die zwischen 1954 und 1964 geboren wurden.
Die Wohlstandsgeneration, sie sie auch genannt wird, erlebte
die Vollbeschäftigung in Westdeutschland und einen rasant
ansteigenden Lebensstandard. Stabilität und Kontinuität
waren möglich, üblich sogar. Die Generation X, die zwischen
1965 bis 1975 geboren wurde, kämpfte schon heftiger mit dem
Verlust traditioneller Werte: die klassische
Familienstruktur bekam Risse, Scheidungszahlen stiegen, und
auch auf dem Arbeitsmarkt wurde es enger. Wenn ich
Soziologen erzähle, dass ich dreißig Jahre alt bin, kleben
sie mir das Label »Generation Y« auf die Stirn, schauen
mitleidig und sagen, dass sich für die heute 15- bis
30-Jährigen die Lage ja noch einmal verschärft habe. 2005,
ein Jahr nach meinem Abitur, lag die Arbeitslosigkeit auf
dem historischen Hoch von 11,7 Prozent, die Scheidungsquote
bei 52 Prozent."
Man kann sich darüber
streiten, welchen Sinn es macht, die Babyboomer als 1954 bis
1964 Geborene zu bezeichnen. Der westdeutsche Geburtsjahrgang
1954 umfasste lediglich 816.028 Geburten, während es beim
Jahrgang 1969 sogar noch 903.456 Geburten waren. Aber wie
gesagt: Konformität ist ausschlaggebender als die Faktenlage.
Auch die Bezeichnung
"Wohlstandsgeneration" ist unsinnig, denn 1974 kam das
Schlagwort von der Jugendarbeitslosigkeit auf, d.h. 1964
Geborene waren da gerade einmal 10 Jahre alt. 1985 erschien
der Bestseller
Von der
Nutzlosigkeit des erwachsen zu werden, der von der
Akademikerarbeitslosigkeit erzählte. 1964 Geborene waren
damals Anfang Zwanzig. Der Soziologe Berthold VOGEL beschreibt
die Wohlstandsgeneration dagegen als die um 1950 Geborenen, da
diese vom
Ausbau des Bildungssystems und des Wohlfahrtsstaats
profitierten.
Spätestens seit Katja
KULLMANNs Buch
Echtleben gehört die Lebenskrise zum festen
Bestandteil von solchen Selbstdarstellungen. Der taz-Redakteur
Dirk KNIPPHALS hat darüber gleich ein ganzes Buch geschrieben:
Die Kunst der Bruchlandung. Bilanzen von Dreißjährigen
waren bereits für die Single-Generation
charakteristisch (z.B.
Der schöne Vogel
Phönix von Jochen SCHIMMANG). Bei Lena STEEG liest
sich das so:
"Irgendwann bot man mir
eine Stelle bei der Lokalzeitung an, kein Superjob, aber
stabil. Meine Eltern fanden das toll. Ich nicht. Denn ich
wollte ja eine Superjournalistin in einer Superstadt werden
und einen Supermann finden. Unter Superlativ wollte ich es
nicht machen. Also zog ich nach Hamburg, um dort in einem
Verlag zu arbeiten. (...). Zwei Monate nach meinem Umzug bat
ich um die Auflösung des Vertrags. Zum ersten Mal hatte ich
die Kontrolle über mein Leben verloren und wusste nicht
weiter. Ich saß alleine in einer fremden Stadt, in einer
viel zu teueren Wohnung, ohne Freund, ohne Freund, ohne
Arbeit. Dabei hatte ich mich jahrelang doch so konform
verhalten, als wäre ich direkt aus einem soziologischen
Lehrbuch entsprungen".
Konformität ist keine
ahistorische Kategorie wie sie die Sozialpsychologie
beschreibt, sondern jede Generation erlernt Konformität im
Laufe des Lebens neu. Wer die Konformitätsnormen der
vorangegangenen Generation(en) lediglich übernimmt, der ist
zum Scheitern verurteilt. Erwachsenwerden im Zeitalter der
Demografiepolitik erfordert andere Verhaltensweisen als
früher. Und Wir nennen es Arbeit, das 2006, also vor
der Finanz- und Bankenkrise, aber nach der Hartz-Reform
geschrieben wurde, bietet einen weniger sinnvollen
Konformitätsrahmen als z.B. Echtleben aus dem Jahr
2011.
Ist Selbstoptimierung ein
dauerhafter Prozeß, der von STEEG kritisiert wird oder eher
Ausdruck von Bilanzierungen nach kritischen Lebensereignissen?
Das Fazit von STEEG:
"Die Frage ist gar nicht,
ob ich schuld daran bin, dass ich mein Ziel noch nicht
erreicht habe. Mir bleibt nichts übrig, als die
Selbständigkeit anzunehmen und erst mal zu machen. Das tue
ich nun seit seinem Jahr. Und der Treppenhausmoment zeigt,
dass es mir schwerfällt."
Gibt es wirklich keine
Alternativen? Für Neon ist diese unpolitische Haltung
natürlich optimal. Das Lifestyle-Magazin kann auf ein gut
gefülltes Reservoir von ehrgeizigen Selbstausbeuterinnen
zurückgreifen und muss nicht mit einem Aufstand der Freien
gegen unwürdige Arbeitsbedingungen rechnen. Und ist es nicht
viel bequemer für einen Freien, bei einem etablierten Magazin
zu arbeiten als z.B. das Abenteuer eines neuartigen
Medienprojekts zu wagen? Und ist das Honorar gar nicht alles,
wenn man durch PR für
Unternehmen sein prekäres Leben aufbessern kann?
DORBRITZ, Jürgen & Gabriele VOGT (2015): Rasanter demografischer
Wandel – Deutschland und Japan im Vergleich,
in:
Bevölkerungsforschung Aktuell Nr. 4 v. 28.07.
"In
Japan verläuft der
Alterungsprozess (...) schneller als in Deutschland und ist
weiter vorangeschritten (...). Das liegt daran, dass erstens
die
japanischen Babyboomer früher geboren wurden, daher älter als
die deutschen sind und damit früher in das Rentenalter eintreten.
Zweitens verzeichnet Japan eine höhere Lebenserwartung als
Deutschland, wodurch der Alterungsprozess beschleunigt wird.
Drittens verfügt Japan nicht über eine Zuwanderung, die
Alterungseffekte mildern könnte. (...).
Japan ist aufgrund eines nicht funktionierenden Heiratsmarktes
durch eine niedrige Verheiratungsquote gekennzeichnet, was quasi
automatisch eine hohe Kinderlosigkeit bedeutet. In Deutschland
besteht dieser Zusammenhang auch, ist aber deutlich entkoppelter.
Alleinerziehende und nichteheliche Lebensgemeinschaften mit
Kindern sind gesellschaftliche Normalität, in Japan kommen diese
Lebensformen kaum vor. Daher erscheint in Deutschland ein
Geburtenanstieg leichter realisierbar zu sein als in Japan.
Versuche der japanischen Regierung, pronatalistisch zu agieren,
sind bislang fehlgeschlagen", schreiben DORBRITZ & VOGT.
SAUER,
Stefan (2015): Babyboomer auf Jobsuche.
Weil die deutsche
Arbeitnehmerschaft altert, steigt auch die Zahl der über
55-Jährigen, die arbeitslos sind. Dabei haben sich die
Beschäftigungschancen dieser Altersgruppe verbessert,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 22.12.
SAUER will uns nun beweisen
dass die faktische Zunahme der älteren Hartz-IV-Empfänger
allein der Zunahme der über 54-jährigen Bevölkerung, also des
Eintritts der Babyboomer in die rentennahen Jahrgänge,
geschuldet ist. Dazu präsentiert uns SAUER die Entwicklung der
Geburtenzahlen dieser Geburtsjahrgänge:
"Zwischen 1951 und 1955
kamen in Deutschland insgesamt 3,85 Millionen Kinder zur
Welt. Diese Jahrgänge vollendeten zwischen 2005 und 2010 das
55. Lebensjahr und gingen somit in die Hartz-IV-Statistik
für diese Altersgruppe ein. Dann kamen die geburtenstarken
Jahrgänge. Von 1956 bis einschließlich 1960 wurden 4,46
Millionen Geburten in Deutschland registriert was gegenüber
den ersten fünf Jahren einem Zuwachs von rund 24 Prozent
entspricht."
SAUER präsentiert uns hier
keine Geburtenzahlen, denn in den Jahren 1951 bis
einschließlich 1955 wurden in Deutschland 5.489.651 Kinder
geboren, in den Jahren 1956 bis einschließlich 1960 waren es
dagegen 5.984.130 Kinder. Dies waren lediglich rund 500.000
Kinder mehr.
Wenn uns also SAUER nicht
die Geburtszahlen der Babyboomer präsentiert, welche Zahlen
präsentiert uns SAUER dann? Er müsste uns eigentlich die
Zahlen der Geburtsjahrgänge 1951-1955 für die Jahre 2006 -
2010 und der Geburtsjahrgänge 1956-1960 für die Jahre 2011 -
2015 liefern. Diese umfassen jedoch auch die Wanderungen und
Sterbefälle und nicht lediglich der Geburten jener Jahre, wie
uns SAUER glauben macht.
Auch diese Zahlen kann uns
SAUER jedoch nicht liefern, denn für das Jahr 2015 sind sie
noch gar nicht bekannt. Welches Spiel treibt also SAUER mit
uns? Greift man auf die Bevölkerungsfortschreibung des Jahres
2014 (Stand: 24. September 2015) zurück, dann ergeben sich für
die 1951 - 1955 Geborenen eine Gesamtzahl von 5.1197.794
Menschen für den 31.12.2014, selbst wenn man nur die Deutschen
nimmt, kommt man auf 4.896.123 Deutsche für jene Jahrgänge.
Wie kommt also SAUER auf seine Zahlen? Selbst wenn man die
Bevölkerungsfortschreibung am 31.12.2009 nimmt, kommt man auf
über 5 Millionen Menschen der Jahrgänge 1951 - 1955. Welche
Märchen tischt uns also SAUER auf?
Weder die Geburtenzahlen
noch die Bevölkerungsentwicklung ist jener Maßstab, den SAUER
anlegt, sondern man muss wohl sowohl die Frührentner als auch
die Erwerbsminderungsrentner abziehen, um auf jene Zahl zu
kommen, die SAUER uns als Erwerbsfähige der Babyboomer nennt.
Dabei wird ausgeblendet, inwiefern sich unter diesen
Frührentnern Menschen befinden, die gerne arbeiten würden.
Wie kommt also SAUER dazu,
dass es einen Bevölkerungszuwachs von rund 24 Prozent gegeben
hat, der - oh wie wunderbar - ausgerechnet einem Zuwachs von
24 Prozent bei den Langzeitarbeitslosen entsprechen soll?
Nehmen wird einmal einen Bevölkerungszuwachs von 24 Prozent
an, obwohl wir nachgewiesen haben, dass die Zahlen, die uns
SAUER zur "Bevölkerungsentwicklung" präsentiert, nicht
nachvollziehbar sind, sondern lediglich Vermutungen
aufgestellt werden können ("Erwerbsfähige").
Offenbar setzt SAUER
Langzeitarbeitslosigkeit mit Hartz IV-Empfang gleich. Dann
hätte es seit dem Jahr 2010 bis zum November 2015 einen
Anstieg von 24,8 Prozent gegeben. Damit unterschlägt SAUER
jedoch alle jene Langzeitarbeitslosen (länger als 12 Monate
auf Jobsuche), die noch nicht Hartz IV, sondern noch
Arbeitslosengeld I beziehen, das es längstens 2 Jahre gibt.
Und außerdem gibt es sogar langzeitarbeitslose
Nichtleistungsempfänger (vgl. auch Broschüre
Arbeitsmarktstatistik erklärt der Bundesagentur für
Arbeit)
Der Arbeitsmarktbericht
2014 weist 285.065 Langzeitarbeitslose über 55 Jahre aus. Es
gab aber gemäß SAUER 318.000 Hartz IV-Empfänger im Jahr 2014,
die älter als 55 Jahre waren. Dies zeigt bereits, dass mit
Statistiken viel belegt werden kann, und dass ohne
Transparenz, auf welche Daten zurückgegriffen wurde und in
welchem Erhebungszeitraum die Daten erhoben wurden, eine
Nachvollziehbarkeit nicht gegeben ist.
Fazit: SAUER wirft anderen
Journalisten vor, dass sie Märchen erzählen. Seine Zahlen
lassen sich aber ebenfalls nicht nachvollziehen. Selbst wenn
man unterschiedliche Statistiken zur Bevölkerung heranzieht,
kommt man nicht annähernd auf jene Zahlen, die uns SAUER
präsentiert. Der Artikel ist auch
im Kölner Stadt-Anzeiger erschienen.
2016
GROSSARTH, Jan (2016): Harter Aufstieg.
Wer gute Arbeit macht, kann
sich vom Lohn ein kleines Vermögen aufbauen. So war es einmal.
Für die junge Generation wird das viel schwieriger, als es noch
für die Babyboomer war,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 26.03.
"Es bringt nichts, die
Leute zu fragen, welche Generation es wirtschaftlich am
besten hatte. Es ist längst erwiesen, dass die Menschen sich
mit denen vergleichen, die es besser hatten, und ein Hang
zum Jammern sehr verbreitet ist. (...). Also muss man die
Statistiker fragen",
rechtfertigt Jan GROSSARTH
die Vorstellung des Ökonomen Timm BÖNKE, der sich angeblich am
besten mit der Generationenungerechtigkeit auskennt. Diese
Charakterisierung soll verhindern, dass konkurrierende
Experten, z.B. Politikwissenschaftler wie
Christina MAY oder Soziologen, die Vorgehensweise
relativieren könnten.
Allein schon die Tatsache,
dass BÖNKE lediglich westdeutsche Männer der Geburtsjahrgänge
1935 bis 1972 betrachtet hat, lässt das Unternehmen fragwürdig
erscheinen, denn weder Frauen noch Haushalte oder gar
Ostdeutsche werden damit berücksichtigt. Da nützt es auch
nichts, dass BÖNKE die Lebenseinkommen berechnet und zum
Ergebnis kommt:
"Nie war das mittlere
Lebenseinkommen höher als im Jahrgang 1955"
Auch die Differenzierung
zwischen Ärmsten, Mittelverdiener und Bestverdiener hilft da
nichts, wenn Frauen, Haushalte und Ostdeutsche ausgeklammert
sind.
Zum Schluss zieht GROSSARTH
den aktuellen Vermögensbericht der Bundesbank für das Jahr
2014 heran, um darauf hinzuweisen, dass Vermögen wichtiger
geworden sind als die Einkommen. Während BÖNKE warnt, dass
Bildung an Bedeutung verlieren könnte, wenn das Vermögen an
Bedeutung gewinn, setzt GROSSARTH in der Zeitung für
Besserverdiener auf den privaten Generationenvertrag. Urbane
Penner nannte vor einigen Jahren Mercedes BUNZ solche
Postadoleszenten, deren Lebensstil von den Eltern finanziert
wird.
PLICKERT,
Philip (2016): Kinder-Stimmen gegen Rentnerdemokratie.
Der Sonntagsökonom: Wenn die
Wählerschaft überaltert, droht eine Herrschaft der Greise. Wer
denkt da noch an die Zukunft?
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 27.03.
"Schon
jetzt gibt es rund 20 Millionen Menschen im Rentenalter. Diese
Zahl wird stark steigen, da nun die Generation der Babyboomer
das Ruhestandsalter erreicht", erklärt uns Philip PLICKERT.
KLAUS,
Julia & Alexander NEUBACHER
(2016): Absturz der Normalos.
Wohlstand: Die Mittelschicht
war das Rückgrat der deutschen Gesellschaft. Doch die Politik
hat es ihr nicht gedankt. Eine neue Studie belegt: Die Mitte
schrumpft und verliert ihren Halt,
in: Spiegel
Nr.19
v. 07.05.
Fallbeispiel 3 erzählt uns
die Story von der Generationengerechtigkeit: Ein 65-jähriger
pensionierte Lehrer sorgt sich um seine vier Kinder, die alle
studiert haben. Die Autoren zitieren eine Studie von Timm
BÖNKE und kommen zu folgender Aussage:
"Ihn interessierten die
Erwerbsbiografien westdeutscher Männer, die zwischen 1935
und 1972 geboren, worden sind. Bönke wollte wissen, welches
reale Gesamteinkommen die einzelnen Jahrgänge in den ersten
40 Lebensjahren jeweils erreicht haben.
Er fand heraus, dass es bis 1950 mit jedem Geburtsjahrgang
zunächst bergaufging (...).
Doch bei den später als 1950 Geborenen setzte in der alten
Bundesrepublik bereits eine Spaltung ein."
Interessant ist nun, dass
die Studie bereits in der FAZ zitiert wurde. Dort wurde jedoch der
Schnitt erst beim Jahrgang 1955 gesetzt. Woher also diese
Differenz?
"Die Mittelschicht blieb
mit ihrem Einkommen ab dem Geburtsjahrgang 1958 zunächst auf
dem Niveau ihrer Vorgänger. Bei den geburtenstarken
Babyboomer-Jahrgängen stagnierte das Lebenseinkommen. Doch
ab dem Jahrgang 1965 setzte auch hier der Niedergang ein.
Die später Geborenen erreichten das Lebenseinkommen in der
Regel nicht",
erzählen uns KLAUS &
NEUBACHER die Story weiter. Aber ist die Mittelschicht von
BÖNKE identisch mit der Mittelschicht des DIW? Offenbar nicht.
Und was heißt Lebenseinkommen, wenn lediglich das Einkommen
bis zum 40. Lebensjahr betrachtet wird? Die jüngeren
Geburtsjahrgänge könnten die Einbußen später durchaus
wettmachen. Weder werden Haushalte, Ostdeutsche oder gar
berufstätige Frauen betrachtet. Was will uns also der
Spiegel hier suggerieren? Dass die Ängste des Pensionärs
berechtigt sind?
ROLL,
Evelyn (2016): Wie bitte?
Die Babyboomer kommen jetzt
in die Jahre. Sie haben noch immer die viel zu lauten Rocksongs
ihrer Jugend im Ohr. Über die Generation der Schwerhörigen,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
07.05.
KITTLITZ, Alard von (2016): Ihr macht
uns arm!
Ansage: Die Babyboomer hatten
in unserem Alter Kinder, Autos und Häuser. Wir haben wechselnde
Beziehungen, ein Fahrrad und den Dispo am Anschlag,
in:
Die ZEIT Nr.21 v.
12.05.
Früher
konnte man höchstens Klassensprecher werden, heute wird man
Generationensprecher:
"Schlechte Zeiten nämlich
für mich und meine Generation, die zwischen 1980 und 1995
Geborenen, die sogenannte Generation Y",
beschreibt Alard von
KITTLITZ (Jahrgang 1982, 861.000 Geburten) seine Generation
mit einer einzigen Eigenschaft:
"Uns eint (...), dass wir
politisch nicht ins Gewicht fallen."
Angesichts der Tatsache,
dass diese Geburtsjahrgänge mit bis zu 905.000 Geburten pro
Jahr den geburtenschwachen Jahrgängen der 1970er Jahre als
geburtenstarke Jahrgänge erscheinen könnten, ist die
Konstruktion einer solchen Generation durch nichts zu
rechtfertigen, außer dass sie als Feuilletonerfindung durch
die Gazetten geistert.
Leithammel dieser Sicht auf
die Rentnerdemokratie ist der Marktradikale und Babyboomer
Rainer HANK (Jahrgang 1953, 1,095 Millionen Geburten). Wer
sind eigentlich die Babyboomer?
"Sie besetzen die
Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft. Die stärkste
Alterskohorte waren die zwischen 1950 und 1965 Geborenen
schon immer",
erklärt uns KITTLITZ, der
offenbar nicht rechnen kann:
Jahrgang 1950: 1,12
Millionen
Jahrgang 1965: 1,36 Millionen
Wenn man den Jahrgang 1950
dazu zählt, dann gehören mindestens noch die Jahrgänge 1966 -
1969 dazu, die alle mehr Geburten als der Jahrgang 1950
umfassten.
Minderheiten sind viel
durchsetzungsfähiger als Massenbewegungen. Denn wenn Masse
zählen würde, dann müssten Eltern, die sich gerne zu
Verlierern stilisieren, die Gewinner dieser Gesellschaft sein.
Aber wie man am Beispiel von FINKE sieht, giften sich Eltern
gerne gegenseitig an, weil sich die einen Eltern gegenüber den
anderen Eltern benachteiligt fühlen oder diese gar nicht als
richtige Eltern anerkennen. Und wie sieht es mit den Eliten
aus? Sind das etwa Viele? Warum sind sie dann an der Macht und
nicht längst davon gejagt, wenn Masse zählen würde?
KITTLITZ fordert ein
Beschäftigungsprogramm für junge, einheimische Berufstätige,
das er als "New Deal für Flüchtlinge" vermarktet:
"in diesen Programmen
fände unsereins, die Jungen, unbefristete, vernünftig
bezahlte, steuerpflichtige Arbeit."
Was hat das eigentlich mit
der Rentendebatte zu tun? Schließen sich Renten, die den
Lebensstandard erhalten, und vernünftige Löhne für
Beschäftigte aus? KITTLITZ baut einen Popanz auf, mit dem er
Scheinkämpfe führt.
Fazit: KITTLITZ jammert
über Babyboomer wie FINKE und HANK und diese jammern über die
Rentendebatte. Dies zeigt bereits, dass
Generationengerechtigkeit ein Scheinargument ist. In unserer
Klassengesellschaft ist es entscheidender, ob jemand wie die
beiden Autoren zur gut situierten Mittelschicht gehören oder
nicht.
FINKE, Christine (2016): Der wahre
Rentenskandal.
Alleinerziehende werden dafür
bestraft, dass sie sich um ihre Kinder gekümmert haben,
in:
Die ZEIT Nr.21 v.
12.05.
Die
ZEIT präsentiert uns heute die angeblichen Verlierer
der nächsten Rentenreform (wie immer die überhaupt aussehen
mag): zum einen die Alleinerziehenden und zum anderen die
Jungen.
Den Anfang macht Christine
FINKE, bloggende Alleinerziehende, von der im März das Buch
Allein, alleiner, alleinerziehend erschien, und
Stadträtin für das
Junge Forum in Konstanz, die ihre 3 Kinder, aber nicht
ihren Geburtsjahrgang nennt: 1966, also Angehörige der
Generation Golf bzw. Ally. Von Generationenkriegern
wie Alard von KITTLITZ einfach Babyboomer genannt:
1,318 Millionen Geburten.
Rentenpolitik ist auch gar
nicht das Thema von FINKE, sondern fehlende Arbeitsplätze,
fehlende Kitaplätze und Steuererleichterungen für
Alleinerziehende. In Deutschland gibt es ca. 1,6 Millionen
Alleinerziehende, das sind kaum mehr als im Jahr 1966 Kinder
geboren wurden. In ihrem Buch schreibt FINKE über sich:
"Ich muss etwas beichten:
Erst seitdem ich selbst alleinerziehend bin, fällt mir auf,
dass ich früher nie einen Gedanken an Alleinerziehende
verschwendet habe. (...).
Seit sechs Jahren bin ich eine dieser Frauen, die ich früher
nicht wahrnahm: Ich lebe mit meinen drei Kindern alleine."
(2016, S.7)
Jetzt also ist FINKE
alleinerziehend und so wie sie früher nie an Alleinerziehende
gedacht hat, denkt sie nun nur noch an Alleinerziehende. In
Zeiten der Lifestyle-Soziologie hieß es: Armut ist nur eine
Scheidung weit entfernt. In Zeiten der neuen Unterschicht
vollzieht sich jedoch eine Wandlung, die noch nicht bis zu
allen durchgedrungen ist.
FINKE kritisiert die
Debatte um die Stärkung von Betriebsrenten und die
Privilegierung der privaten Altersvorsorge als Mittel gegen
die Altersarmut von Alleinerziehenden als ungeeignet.
WILLEKE, Stefan
(2016): Antwort auf Alard Kittlitz.
Ansage: Ich wette, dass euer
erstes selbst finanziertes Fahrrad teurer war als unser erstes
Auto. Ihr wollt über Renten streiten, über materielle Wellness?
Ganz schön spießig,
in:
Die ZEIT Nr.22 v.
19.05.
Im
Jahr 1985
erschien der Roman
Von der Nutzlosigkeit erwachsen zu werden, der im
Milieu der Jungakademiker spielte, denen damals die
Arbeitslosigkeit drohte. Stefan WILLEKE, Jahrgang 1964, spielt darauf an, wenn er darauf verweist,
dass aus den damaligen Jungakademikern viele Karriere gemacht
haben. Die
Generation Praktikum, einst von der Zeit
erfunden und nach einiger Zeit auch wieder widerrufen, wird
ebenfalls ins Felde geführt.
Tatsächlich sind diese
inszenierten Generationenkonflikte mehr als öde, weil sie sich
in jeder Generation nach dem gleichen Schema wiederholen.
WILLEKE hat dann auch nur die üblichen Stereotypen, die über
die Generation Y kursieren, auf Lager. Gestern
68er-Generation gegen Generation Golf und
umgekehrt. Heute: Babyboomer gegen Generation Y
und vice versa. Nur sind diese Generationenkonflikte nicht
mehr politisch, sondern setzen auf die Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme. Zeugen oder Maul halten,
kreischen die einen - Generationengerechtigkeit grölen die
anderen. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner dieser öden
Generationenvertrags-Tiraden. Wutjournalisten spielen
Wutbürger! Geht's noch dümmer?
LÜTGERT,
Christoph (2016): Antwort auf Stefan Willeke.
Ansage: Wir sind die
Schmarotzer, die schamlose Generation. Wir haben nicht gesät,
aber wir fahren eine satte Ernte ein,
in:
Die ZEIT Nr.25 v.
25.05.
Teil 3 folgt dem
klassischen Schema von Generationvertrags-Tiraden: Christoph
LÜTGERT, Angehöriger der 68er-Generation, verteidigt
die Enkelgeneration Y und kritisiert die Kindergeneration der
Babyboomer. LÜTGERT liefert eine Selbstanklage, die leider 13
Jahre zu spät erscheint und deshalb belanglos für die aktuelle
Rentendebatte ist.
Wo sind die Kinder? fragte damals Susanne GASCHKE ihre
Generation, um gleichzeitig 68er wie LÜTGERT und ihre
luxuriösen Renten zu verteidigen. Warum schrieb also LÜTGERT
damals nicht diesen Artikel?
Auf Scheindebatten à la
Wohlfühl-Zeit können wir gerne verzichten!
HAERDER, Max (2016): Kassensturz.
Blickpunkte: Sind wir im
Alter alle arm? Ist Riester gescheitert? Arbeiten wir bald bis
zum Umfällen? Politiker schüren in der Rentenpolitik Ängste,
malen zu schwarz und wecken teure Sehnsüchte. Zeit für nüchterne
Zahlen und bessere Ideen,
in:
Wirtschaftswoche Nr.23
v. 03.06.
Die Deutschlandrente soll
der privaten Altersvorsorge auf die Beine helfen, weil diese
ansonsten zu unlukrativ ist. Sanfter Zwang ist dafür
notwendig.
"Schließlich bleiben
gerade noch gut zehn Jahre, bis die ersten Babyboomer dem
Berufsleben den Rücken kehren. Spätestens in 15 Jahren wird
aus einer ganzen Generation meist gut verdienender
Leistungsträger eine riesige Zahl an Leistungsempfängern
geworden sein",
jammert uns HAERDER die
Ohren voll. Wenn uns stattdessen die Situation auf dem
Ausbildungsmarkt bzw. in den Universitäten vor Augen geführt
werden soll, werden aus den vielen Leistungsträgern vorwiegend
Trottel, denen man nur unter größten Mühen überhaupt das
Nötigste beibringen kann. Und warum waren dann in den 1990er
Jahren und Anfang des Jahrtausends so viele dieser supertollen
Leistungsträger arbeitslos? Werden uns die Generationen gerade
so präsentiert, dass wir unseren Journalisten ihre Jammerarien
abkaufen? Offenbar werden wir Leser als dement betrachtet, die
heute nicht mehr wissen, was vor 10, 20 oder 30 Jahren Sache
war.
RETTBERG, Udo (2016): Altersvorsorge im
Zinstief.
Das Nullzinsumfeld erfordert
mehr Eigeninitiative, Finanzmarktwissen und Besonnenheit, um
rentabel und nachhaltig Vorsorge zu betreiben,
in: Trend
Report. Beilage des Handelsblatt
v. 27.06.
Der
Trendreport ist eine Art Werbeblatt der deutschen Wirtschaft
um den Absatz ihrer Produkte zu verbessern, der auch an
Schulen als Zielgruppe anvisiert. Uns werden jedoch absurde
Thesen aufgetischt:
"Noch kommen auf einen
Rentner drei erwerbsfähige Erwachsene. 2030 werden es nur
noch zwei sein. Ein Jahr später erst gehen die Babyboomer in
Rente."
Mit Babyboomer wäre in
dieser Sicht der Geburtsjahrgang 1964 gemeint, der im Jahr
2031 die derzeit gültige Regelaltersgrenze von 67 Jahren
erreicht. Nach ihm kommen aber nicht noch geburtenstärkere
Jahrgänge wie hier suggeriert wird, sondern geburtenschwächere
Jahrgänge. Außerdem können bereits 2029 nach derzeitiger
Gesetzeslage jene mit 45 und mehr Beitragsjahren abschlagsfrei
in Rente gehen. Seit diesem Jahr können die Ersten des
Geburtsjahrgangs 1951 regulär in Rente gehen (ca. 1,1
Millionen bei Geburt), der gerade einmal rund 200.000 Menschen
weniger umfasst als der geburtenstärkste Jahrgang 1964 und nur
ca. 7.000 Menschen weniger als der Geburtsjahrgang 1971. Wenn
man den Begriff Babyboomer als jene Generation definiert, die
pro Geburtsjahrgang mehr als 1 Millionen Geborene umfasst hat,
dann wären dies die Jahrgänge 1947 - 1971. Oder anders
formuliert: die ersten Babyboomer sind längst in Rente und
nach 2030 sind die meisten Babyboomer bereits im Ruhestand.
Damit sind also nicht die Babyboomer das Problem, sondern es
kommt darauf an wie viele Beitragszahler es in Deutschland
dann gibt. Deren Zahl hängt jedoch nicht von den bei uns
Geborenen ab, sondern auch von Zuwanderern, die hier
arbeiten.
Nicht etwa die
Kapitalmärkte werden aus der Sicht von RETTBERG und der
Finanzdienstleistungsbranche als Problem angesehen, sondern
der demografische Wandel, als ob nicht die Banken- und
Finanzkrise schuld an der gegenwärtigen Lage wäre. Uns wird
hier suggeriert, dass auf die gesetzliche Rente aufgrund des
demografischen Wandels nicht gebaut werden kann. Dies ist
falsch: Nicht der demografische Wandel ist das Problem,
sondern die neoliberale Politik, die der
Finanzdienstleistungsbranche günstig Profite verschafft.
MENKENS, Sabine (2016): Die Enkel der Babyboomer.
In Deutschland werden wieder
deutlich mehr Kinder geboren. Doch sie können die Lücke, die
durch Sterbefälle entstehen, nicht schließen,
in: Welt
v. 01.07.
MÜLLER, Ann-Katrin/NEZIK, Ann-Katrin/REHAGE,
Ruben (2016): Die Ohnmächtigen.
Generationen: Den Wohlstand
ihrer Eltern, der Babyboomer, werden viele junge Deutsche kaum
erreichen. Gegen die Lobby der Alten kommen sie nicht an,
in: Spiegel
Nr.28 v. 09.07.
Ann-Katrin MÜLLER, Jahrgang 1987,
Ann-Katrin NEZIK, Jahrgang 1986, und Ruben REHAGE werden
von den Alten Säcken des Spiegels als Vertreter der
Generation Y an die Generationenfront geschickt, um etwas
Lärm zu machen. Ihr Feindbild: Die Babyboomer, die uns im
Gegensatz zu anderen Mainstreamartikeln als 1954 (1,1
Millionen Geburten) bis 1969 Geborene (1,1 Millionen Geburten)
präsentiert werden. Diese 16 Geburtsjahrgänge werden uns als
rund 16,5 Millionen Babyboomer präsentiert. Ende des Jahrs
2014 lebten in Deutschland jedoch rund 20 Millionen dieser
Babyboomer - weiter reicht die Bevölkerungsfortschreibung
bislang noch nicht. Wie viele dieser Babyboomer das
Rentenalter erreichen und Rente beziehen werden, darüber wird
höchstens spekuliert. Die ersten sind jedenfalls bereits in
Frührente.
Als Erster der
konfliktscheuen Generation Y werden wir mit Wolfgang
GRÜNDINGER konfrontiert, der gerade das Buch Alte Säcke
Politik bewirbt. Darin werden die Babyboomer als 1955 bis
1969 Geborene definiert, was schon einmal rund 1 Millionen
weniger Babyboomer als im Spiegel-Artikel wären.
"Nicht die Jungen
schießen gegen die Alten, wie es die 68er oder die Punks
taten. Das Gegenteil ist der Fall: Attacken gegen die
Nachgeborenen gehören zum Repertoire der Altersgruppe 50
plus",
behauptet die Spiegel-Autoren,
die diese Zeit höchstens aus Veteranen-Erzählungen nach der
Jahrtausendwende kennen. Da wollte plötzlich jeder Punkt
gewesen sein, der zu Punkzeiten höchstens Punks von Weitem
gesehen hat. Dass diese in den Medien gegen die Alten
geschossen haben sollen, ist eine Legende, wie jeder im
Spiegel-Archiv überprüfen kann. Höchstens in Fanzinen, die
keiner gelesen hat, und in Songs, die nur in Szenekreisen
kursierten, wurde der Aufstand geprobt - aber keineswegs gegen
die Alten, sondern gegen das Establishment. Ein Begriff, der
heutzutage eher antiquiert erscheint.
Die Generation Y sei
abgehängt, wollen uns die Autoren weismachen, als ob das ein
Alleinstellungsmerkmal wäre. Spätestens seit sich die
privilegierte 78er-Akademikergeneration in dem
Arbeitslosen-Manifest Von der Nutzlosigkeit des
Erwachsenwerdens wieder erkannte, sind verlorene
Generationen zur intellektuellen Fingerübung nachfolgender
Generationen geworden. Jede Generation galt fortan als jene,
die es schlechter hatte als ihre Vorgänger die
68er-Generation. Noch vor einem Jahrzehnt projizierte die
Generation Golf ihre Zukunftsängste auf die
68er-Generation. Nun da die 68er im Ruhestand sind,
werden die gleichen Ängste auf die Babyboomer projiziert. Ob
Jungendarbeitslosigkeit (eine Begriffsschöpfung Mitte der
1970er Jahre), Akademikerarbeitslosigkeit (Begriffsschöpfung
der 1980er Jahre), Massenarbeitslosigkeit (1990er Jahre),
Jobkrise der Generation Golf, Generation Praktikum und nun die
Jammeriade der Generation Y. Immer ging es der Jugend
schlechter als ihren Vorgängern und das schon seit 40 Jahren.
Die Apokalypse ist unsere Begleitmusik und der perfekte Sturm
(Guardian) ist nur ihre aktuelle Version.
Offenbar ist den Autoren am
Ende der zweiten Seite plötzlich klar geworden, dass ihr
Gejammer doch ganz schön luxuriös ist. Nun werden prominente
Experten an die Front geschickt: Der Jugendforscher Klaus
HURRELMANN ("Die heimlichen Revolutionäre", der die Babyboomer
genauso definiert wie GRÜNDINGER, der das aktuelle Mantra
vorträgt:
"Die Jungen werden das
Wohlstandsniveau ihrer Eltern nicht erreichen."
Keine Ahnung, woher diese
Gewissheit genommen wird, vor allem wenn mit der Generation Y
nur der privilegierte Teil dieser Geburtskohorten gemeint
sind. Der Ökonom Thomas STRAUBHAAR sieht in den Babyboomern
Glückspilze, was vor 10 Jahren noch der 68er-Generation
zugeschrieben wurde. Was STRAUBHAAR jedoch unter den Begriff
Babyboomer subsumiert, das wird nicht erwähnt - vielleicht
weil er ganz andere Jahrgänge damit bezeichnet?
Nachdem uns also
Autoritäten ihre Meinung mitgeteilt haben, wird uns ein
Angehöriger der Generation Y als Prototyp der verlorenen
Generation präsentiert: 26 Jahre alt, also Jahrgang 1980 und
damit gerade an der Grenze zur Vorgängergeneration, nimmt man
die Definition der Spiegel-Autoren (1980 - 1995 Geborene).
Nähme man die Expertendefinition des zitierten HURRELMANN, der
die Grenze bei 1985 zieht, hätte man es also gar mit einem
Angehörigen der Generation X zu tun - ein Begriff
übrigens, den bereits die Punks verwendeten (Iggy Pop).
"Voigts Eltern sind nicht
wohlhabend, aber gehören doch zur Mittelschicht. Sein Vater
ist selbständiger Versicherungsvertreter, seine Mutter
gelernte Apothekenhelferin. »Meine Eltern hatten in meinem
Alter mehr erreicht, obwohl sie keine Akademiker sind«, sagt
Voigt, »sie hatten eine Doppelhaushälfte, ein Auto und ein
Kind«.
Geht man 26 Jahre zurück,
dann ist man - welch Wunder - im Jahr 1964 und wohl kaum
zufällig beim geburtenstärksten Jahrgang, der vor zwei Jahren
geradezu abgöttisch gefeiert wurde. Ginge man nochmals 26
Jahre zurück, dann wäre man beim Jahrgang 1938, also bei den
68ern.
Uns wird ein
Klassenkonflikt als Generationenkonflikt verkauft. Die
jetzigen Alten können ihre Position nicht mehr verbessern,
während die Jungen dies können, von daher wird uns hier ein
Scheinkonflikt serviert. Spätestens in 20 Jahren wird sich
zeigen, ob sich diese verlorene Generation nicht genauso in
Wohlgefallen aufgelöst hat wie all die verlorenen Generationen
zuvor, die uns die Mainstreampresse als Verlierergenerationen
beschrieben hat.
Zum Schluss werden uns noch
die Prognosen des Nationalkonservativen Ökonom Martin WERDING
vorgesetzt:
"Bereits 2030, also in 14
Jahren also, werden in Deutschland halb so viele Rentner wie
Erwerbstätige leben. 2060 wird sich das Verhältnis noch
stärker zugunsten der Rentner verschoben haben, auf 63 zu
100."
Das soll offenbar als
Drohszenario gelten, verfehlt aber seine Wirkung angesichts
der Tatsache, dass sich das Verhältnis bereits in der Vergangenheit dramatisch
verschlechtert hat - ohne dem Wohlstand zu schaden, weil
gerne der Produktivitätsfortschritt vergessen wird. Weil diese
noch zu harmlos ist, wird uns die Situation im Jahr 2060
geschildert - Kaffeesatzleserei nennen das ganz zu Recht
Bevölkerungsstatistiker. Ökonomen sind nicht einmal in der
Lage Prognosen für ein Jahr zu erstellen, obwohl die
Bevölkerungsentwicklung dabei noch nicht einmal eine Rolle
spielt. Bleibt uns weg, mit solchen dämlichen Prognosen.
Angeblich müssen die
nachfolgenden Generationen höhere Beiträge bezahlen als die
Babyboomer. Dabei wird jedoch die Umstellung von der vor- auf
die nachgelagerte Besteuerung außer Acht gelassen.
Fazit: 2030 werden wir
überprüfen können, was von dem, was der Spiegel heute
geschrieben hat, eingetreten ist. Denn für uns gilt: Traue nur
jener Prognose, die du selber gefälscht hast. Ökonomie ist
keine Prognosewirtschaft, sondern eine Rechtfertigungslehre!
BRAUNBERGER, Gerald
(2016): Finanzplanung mit Mitte fünfzig.
Das große Thema noch aktiver
Babyboomer: Wie lässt sich der Ruhestand vorbereiten (Teil 1
einer Reihe),
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 03.08.
"Langfristige
Finanzplanung ist sehr wichtig, aber sie wird von vielen
Menschen unterschätzt. Um solche Themen für einen breiten
Leserkreis zu behandeln, hat diese Redaktion vor einigen
Jahren zehn »Mustermenschen« unterschiedlichen Alters und
Geschlechts präsentiert, anhand deren sich typische Fragen
der langfristigen Finanzplanung nicht nur abstrakt, sondern
am konkreten Beispiel beschreiben lassen.
Einer dieser Mustermenschen ist Fazzi Indecks, heute 55
Jahre alt und damit noch ein Mitglied der »Babyboomer«-Generation",
erklärt uns Gerald
BRAUNBERGER den Zweck der neuen Reihe. Fazzi ist keiner von
uns Babyboomern, sondern als BWL-Student ein typischer
Angehöriger der nachfolgenden Popper-Generation Golf.
Mit seinem Bruttojahreseinkommen liegt er weit über dem
Standardrentner, aber noch unter der Beitragsbemessungsgrenze
der Sozialversicherungen. Typisch ist auch nicht, dass der
Vater noch lebt, während die Mutter bereits gestorben ist.
Auch die 1-Kind-Familie ist nicht für die Babyboomer in
Westdeutschland typisch, sondern für Ostdeutschland - und erst
recht nicht für jene, die ein Eigenheim in der süddeutschen
Provinz besitzen (eher für Speckgürtelbewohner oder Bewohner
innenstadtnaher Stadtviertel). Aber FAZ-Leser sind eben
auch nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.
SIEVERS, Markus (2016): Trügerisches Zwischenhoch.
Noch profitiert Deutschland
von der Demografie,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 03.08.
Markus SIEVERS heult uns
die Ohren voll, obwohl wir bereits seit einem Jahrzehnt
schrumpfen müssten und alle Sozialsysteme längst kollabiert
sein müssten, hätten die Apokalyptiker des demografischen
Wandels Recht. Wir wollen diese bevölkerungspolitische
Theologie nicht mehr hören. Jetzt sollen wir uns in einem
demografischen Zwischenhoch befinden? Haben unsere
Prognostiker dieses Zwischenhoch verschlafen oder warum
bemerkt man dies erst jetzt post hoc?
"Experten wie der
Sachverständigenrat de Wirtschaftsweisen sprechen von einem
»demografischen Zwischenhoch«, in dem sich die
Bundesrepublik entgegen der allgemeinen Wahrnehmung noch
befindet."
Ach nee? Allgemeine
Wahrnehmung? Sind damit unsere blinden Ökonomen und
Journalisten gemeint? Und wann hat man dieses "demografische
Zwischenhoch" aus dem Ärmel gezaubert?
Der Begriff findet sich
erst im Jahresgutachten 2013/14 (Bundestagsdrucksache
18/94 vom 15.11.2013), als die Ökonomen erschreckt
feststellten, dass sich der demografische Wandel nicht an die
Bevölkerungsvorausberechnungen gehalten hat, die
durchschnittlich alle 3 Jahre erneuert werden müssen, weil
sich die Realität nicht an die bevölkerungspolitisch
motivierten Annahmen der Bundesstatistiker hält.
Der Begriff findet sich
lediglich im Zusammenhang mit der Entwicklung der
Rentenzugangszahlen und damit mit den Ausgaben der
Rentenversicherung. Im Kapitel 7 des Jahresgutachtens heißt es
deshalb:
"Deutschland befindet
sich mit Blick auf die öffentlichen Finanzen derzeit
demografisch in einer besonderen Zwischenphase. Während
bereits in den Jahren unmittelbar nach der Jahrtausendwende
der Anteil der Rentner und Pensionäre an der
Gesamtbevölkerung angestiegen war und langfristig weiter
sehr deutlich zunehmen wird, waren die Zuwächse in den fünf
vergangenen Jahren spürbar geringer. Betrachtet man die
Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und älter, so zeigt sich,
dass in den Jahren 1999 bis 2006 der jährliche Zuwachs
dieser Bevölkerungsgruppe bei durchschnittlich 404 000
Personen lag. In den Jahren 2007 bis 2018 wird er gemäß der
aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen
Bundesamts jedoch nur bei durchschnittlich 164 000 Personen
liegen. Ab dem Jahr 2019 ist zu erwarten, dass die
jährlichen Zuwächse ansteigen (2013, S.315)."
Zwischen dem demografischen
Wandel, den Rentenzugangszahlen und den Ausgaben der
Rentenversicherung besteht jedoch gar nicht der starke
Zusammenhang, den uns SIEVERS weismachen will.
"Demographischer Wandel"
ist in diesem Zusammenhang lediglich ein ideologischer
Sündenbockbegriff. Die Frage stellt sich nämlich, ob sich die
Rentenzugangszahlen und der Anteil der 65-Jährigen und
Älteren, der vom Sachverständigenrat hier unterstellt wird,
auch in der Realität wieder findet oder ob nicht ganz andere
Faktoren ausschlaggebend für die Kostenstruktur sind.
Man darf also gespannt
sein, was in den nächsten Jahren aus dem "demografischen
Zwischenhoch" tatsächlich wird. Dem Geschwafel von Ökonomen
und Journalisten glauben wir jedenfalls schon lange nicht
mehr, sondern wir werden überprüfen inwiefern dieser
Zusammenhang tatsächlich besteht.
"Die niedrigen
Rentenzugangszahlen sind trügerisch, weil aktuell die
geburtenschwachen Jahrgänge der Nachkriegsjahre das
Rentenalter erreichen. Diese werden jedoch etwa ab dem Jahr
2020 von der Generation der Babyboomer abgelöst, so dass der
demografische Übergang dann voll zuschlagen wird",
zitiert SIEVERS aus dem
Jahresgutachten, das noch auf der 12. koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes
basiert. Diese ist inzwischen bereits durch die 13.
Bevölkerungsvorausberechnung überholt, die wiederum bereits
veraltet ist. SIEVERS bombardiert uns also mit Fakten, die
längst von der Realität überholt wurden. Wo bleiben neue
Fakten?
Stattdessen jammert uns
SIEVERS die Ohren voll wegen der Rente ab 63 und der
Mütterrente, die im Zeichen dieses angeblichen "demografischen
Zwischenhochs" beschlossen wurden und deshalb fatal seien.
Die Absurdität des Begriffs
"demografisches Zwischenhoch" wird dann sichtbar, wenn es
heißt:
"Erschwerend kommt hinzu,
dass die schwarz-roten Reformen das demografische
Zwischenhoch verkürzen. Vor allem die Rente mit 63 animiert
ältere Berufstätige, früher aus dem Arbeitsleben
auszuscheiden."
Seit wann können politische
Entscheidungen die Demografie beeinflussen? Damit wird
deutlich: wir haben es hier mit einer Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme zu tun. Nicht der demografische
Wandel, d.h. die Alterung der Bevölkerung, sondern die
Steuerung des Rentenzugangs und deren politischen Parameter
sind das Thema. Aus einem bevölkerungspolitischen Thema muss
wieder ein gesellschaftspolitisches Thema werden. Aber solche
Debatten hassen unsere Eliten, die lieber Politik per
Gutsherrenart machen möchten und deshalb den angeblichen
Sachzwang "demografischer Wandel" präsentieren.
CZIMMER-GAUß, Barbara (2016): Stuttgart zieht junge Leute an.
Bevölkerung: Die
demografische Entwicklung hat lange die Angst vor Überalterung
geschürt. Doch mehr und mehr Menschen zwischen 18 und 30 Jahren
finden Gefallen an der Stadt,
in:
Stuttgarter Zeitung v.
01.09.
Barbara CZIMMER-GAUß
berichtet aus einem
Artikel von Attina MÄDING u.a. im Statistikheft der Stadt
Stuttgart vom Februar über die Entwicklung der
Einwohnerentwicklung der Stadt. Der Begriff "Überalterung" wird
nicht definiert, sondern jeder Leser muss sich dazu seinen Teil
denken. Die Überalterung kommt auf uns als eine Art
Überalterungswalze in Form der Babyboomer (1960 bis 1970
Geborene) zu, die 2015 zwischen 45 und 55 Jahre alt waren.
Dieser Babyboomer-Kohorte werden uns die 18- bis 30-Jährigen als
Gegengift gegenübergestellt. In dieser Sicht sind die
56-Jährigen und Älteren bereits abgeschrieben - quasi als Tote
von Übermorgen. Während die Babyboomer noch über uns
hinwegrollen.
KUNTZ,
Michael (2016): Wer früher geht, lebt kürzer.
Wissenschaftler
haben herausgefunden, dass das Sterberisiko wächst, wenn
Berufstätige vorzeitig in den Ruhestand wechseln: Viele fallen
in ein Loch, weil sie nicht mehr gefragt sind, der Frust wächst.
Familie, Freunde und Hobbys können helfen, den neuen
Lebensabschnitt zu genießen,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 13.09.
"Von den in den 1960er
Jahren geborenen Babyboomern hat ein Drittel keine Kinder",
lügt uns KUNTZ an, denn
diese Fehleinschätzung von Herwig BIRG Anfang des Jahrtausends
ist längst durch Erhebungen widerlegt. Ledig rund 20 % dieser
Babyboomer bleiben kinderlos. Dass dies ein Problem sei, ist
allenfalls Spekulation und kein empirischer Beleg.
BOLLMANN, Ralph (2016): Schluss mit der Rentenpanik!
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 02.10.
Die Rentenprognose bis 2045 interpretiert BOLLMANN nicht als
dramatisch, sondern als Anzeichen einer entspannten Lage. Er
entdeckt nun sogar Generationen, statt nur Altersgruppen bei
der Rentendebatte:
"Wer über die Neurentner
des Jahres 2045 spricht, der redet über Menschen, die kurz
vor dem Jahr 1980 geboren sind. Ein Mittdreißiger von heute
hat Anspruch darauf zu wissen, was er aus der staatlichen
Rentenversicherung zu erwarten hat, nachdem er ein
Arbeitsleben lang die Altersbezüge der vorausgegangenen
Babyboomer finanzierte. Bei den Renten des Jahres 2045 geht
es um Wohltaten für die heute Jungen, nicht für die Alten.
Das dreht die Debatte auf erfrischende Weise um."
VAILLANT, Kristina (2016): Die verratenen Mütter. Wie die
Rentenpolitik Frauen in die Armut treibt, München: Knaur Verlag
Kristina VAILLANT,
Jahrgang 1964, charakterisiert ihre Generation der weiblichen
Babyboomer folgendermaßen:
"Wenn die knapp sieben
Millionen Frauen der geburtenstarken Jahrgänge 1958 bis 1968 in
den nächsten zehn bis zwanzig Jahren in Rente gehen, könnte eine
Lawine weiblicher Altersarmut auf uns zurollen. Denn etwa ein
Drittel dieser Frauengeneration, mehr als zwei Millionen Frauen,
erwartet Renten von maximal 600 Euro.
Anfang 2012 hatten zwei Sozialwissenschaftlerinnen der Freien
Universität Berlin eine Studie vorgelegt, die erstmals die
Rentenerwartungen der Frauen der geburtenstarken Jahrgänge in
den Blick nahm. Wider Erwarten stellten sie fest, dass die
hochgerechneten durchschnittlichen Renten dieser Frauen mit
einem Plus von knapp 100 Euro nur unwesentlich über den Renten
liegen, die Frauen der Geburtsjahrgänge 1947 bis 1951 erhalten,
von denen die meisten schon heute Rentnerinnen sind. Und das,
obwohl die Frauen der geburtenstarken Jahrgänge wesentlich
höhere Bildungsabschlüsse erreicht haben und zu über 80 Prozent
berufstätig sind.
(...). Mit anderen Worten: Millionen Frauen der
Babyboomer-Generation, gut ausgebildet und überwiegend
berufstätig, werden mit ihren niedrigen Renten womöglich auf
Grundsicherung angewiesen sein: eine Fürsorge-Leistung des
Sozialstaats, die eigentlich für den Notfall vorgesehen ist."
(2016, S.26)
Zwei Jahre zuvor erschien das
Buch
Die
verratene Generation, das VAILLANT zusammen mit
Christina BYLOW, Jahrgang 1962, verfasste. Dort hieß es noch:
"Frauen
der geburtenstarken Jahrgänge, auf die Welt gekommen in den
Jahren zwischen 1958 und 1968 (...).
Über sechseinhalb Millionen Frauen sind heute zwischen 45 und 55
Jahre alt. (...) Etwa ein Drittel von ihnen, das sind über
zwei Millionen Frauen, werden voraussichtlich eine Rente von
maximal 600 Euro bekommen. Wenn diese Frauen in den Jahren
zwischen 2023 und 2035 in Rente gehen, kann das ein Alter in
Armut bedeuten." (2014, S.59f.)"
Die aktuelle
Bevölkerungsfortschreibung 2015, erschienen im Dezember 2016,
weist für die Frauenjahrgänge 1958 bis 1968 für Ende Dezember
rund 7,333 Millionen Frauen aus. Ende Dezember 2014 waren es
erst 7,328 Frauen. Ende Dezember 2012 waren es rund 7,325
Millionen Frauen. Die weibliche Babyboomer-Generation ist also
zwischen 2012 und 2015 um rund 8000 Frauen gewachsen, d.h. die
Wanderungszugewinne waren höher als die Verluste durch die
Sterblichkeit.
Mit ihren Befürchtungen zur
Altersarmut bezieht sich VAILLANT auf die Studie
Die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren
Lebensalter. Wandel und rentenpolitische Implikation von
Barbara RIEDMÜLLER & Ulrike SCHMALRECK aus dem Jahr 2012. In der
Studie wurden lediglich die Frauenjahrgänge 1962 bis 1966
untersucht. Erhebungszeitpunkt war das Jahr 2008 bzw. der
Zeitraum 1999 - 2008 (SOEP).
Im Gegensatz zu VAILLANT, die
einen großen Unterschied zwischen den Babyboomerinnen und ihren
Vorgängerinnen erkennen will, sind diese Unterschiede bei
RIEDMÜLLER & SCHMALRECK eher bescheiden. Keineswegs sind die
Babyboomerinnen "gut ausgebildete Generation", sondern die
"Bildungsstarken" machen gerade einmal 7 Prozent der
Babyboomerinnen aus. Bei RIEDMÜLLER & SCHMALRECK heißt es zu
dieser Gruppe:
"Während unter den anderen
Typen der Kohorte die kumulierte Ausbildungszeit nach dem 15.
Lebensjahr jeweils etwa 5 Jahre beträgt. Und auch das
Bildungsniveau der Typen kaum Unterschiede ausweist, zeichnet
sich die Bildungsstarke durch eine lange Ausbildungszeit von
durchschnittlich 12 Jahren und einem hohem Qualifikationsniveau
aus. 87% der Bildungsstarken verfügt über ein hohes und 13% über
ein mittleres Bildungsniveau. Auch lässt sich unter den Frauen
der höchste Anteil an akademischen Berufen beobachten. Fast die
Hälfte übt als Beamtin oder Freiberuflerin einen akademischen
Beruf aus (44%). Der Anteil der Dienstleistungsberufe ist mit 3%
besonders gering. Auch die Berufe im Gesundheits-, Pflege- und
sozialem Bereich werden mit 13% seltener als bei den anderen
Typen ausgeübt. Das mittlere Einkommen aus selbstständiger oder
abhängiger Beschäftigung entspricht mit rund 22.900 Euro brutto
jährlich fast dem der Vollzeiterwerbstätigen." (2012, S.48)
Auch wenn die betrachteten
Babyboomer-Jahrgänge nicht identisch sind, so zeigt sich doch,
dass die Unterschiede zu den 1947 - 1951 geborenen Frauen
keineswegs so gewaltig sind, wie VAILLANT das gerne hätte. Auch
der Typus der langzeitarbeitslosen Babyboomerin (6 % der
Kohorte) ist keineswegs so stark präsent wie das bei VAILLANT
erscheint. Das Vereinbarkeitsproblem ist bei den Babyboomerinnen
nur graduell größer gewesen.
Die
endgültigen Kinderzahlen der Frauenjahrgänge zeigen, dass
der Babyboomer-Jahrgang 1958 (1,66 Kinder pro Frau) nur
unwesentlich weniger Kinder bekommen hat als der Jahrgang 1968
(1,51 im Alter von 48 Jahren). Beim Jahrgang 1947 waren es 1,77
Kinder pro Frau. 1951 noch 1,69.
Fazit: Die Zahlen, die
VAILLANT präsentiert, stammen aus der Zeit vor der Einführung
der Mütterrente und könnten sich durch die geplante Mütterrente
II weiter verändern. Hinzu kommt, dass die Zahlen die Situation
des Jahres 2008 wiederspiegeln.
STELTZNER, Holger (2016): Rentnerdemokratie.
Die sozialen Kosten der
Schrumpfung sind hoch - und Verteilungskonflikte unausweichlich
und hart,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 03.11.
"Viele Kinderlose unter
den Babyboomern sind im Alter auf Zahlungen jener Nachfahren
angewiesen, die sie selbst nicht geboren und großgezogen
haben",
kommt uns STELTZNER als
Moralapostel. Wenn schon Aufrechnung, dann richtig: Mütter,
deren Kinder nicht in die gesetzliche Rentenversicherung
einzahlen, müssten dann genauso an den Pranger gestellt
werden! Man sollte diese Art von Polemik also ein für allemal
aus Rentendebatten heraushalten.
Und wer leichtfertig von
"demographischem Abgrund" spricht (vgl. Walter
KRÄMER, FAZ 31.10.2016) , der sollte sich die
Fehleinschätzungen der Bevölkerungspolitiker seit der
Wiedervereinigung anschauen (Ganz zu schweigen davon, dass man
vor 30 Jahren mit Bevölkerungszahlen rechnete, über die man
heute nur noch den Kopf schütteln kann. Oder kennt jemand
einen Bevölkerungswissenschaftler, der vor 1989 das Szenario
Wiedervereinigung einkalkuliert hat?).
Wer Begriffe wie "atmendes
Rentensystem" für die Kopplung des Renteneintrittsalters an
die Lebenserwartung erfindet, der will uns eher die Luft zum
Atmen nehmen!
SCHOBIN, Janosch (2016): "Armenbestattungen" im modernen
Sozialstaat.
Zeitliche Entwicklung,
Ursachen und Probleme des Ordnungsbestattungswesens in deutschen
Groß- und Mittelstädten,
in:
Zeitschrift für
Sozialreform, Heft 3, S.301-329
"Personen aus Kohorten, die
weniger Kinder haben, haben im Kohortenvergleich auch seltener
einen Ehepartner/Lebenspartner (Lengerer
2011). Nun ist es aber gerade so, dass die Jahrgänge, die in
den letzten Jahren gestorben sind, für den
Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich waren.
(...).
In der Hauptsache waren in etwa die weiblichen Jahrgänge von
1926/1927 bis 1939/1940 und die männlichen Jahrgänge von
1924/25 bis 1937/1938 für den Babyboom der Nachkriegszeit
verantwortlich. (...). Schaut man nun auf die Sterbetafeln der
letzten Jahre (hier die Tafel für 2009/2011), stellt man fest,
dass ca. 70 Prozent der weiblichen Todesfälle in die
Altersgruppe zwischen 72 und 93 Jahren fallen. Bei den Männern
liegen ca. 70 Prozent der Todesfälle in der Altersgruppe der 65-
bis 90-Jährigen (Statistisches Bundesamt 2013). (...). Der
typische Verstorbene der letzten Jahre stammt folglich aus den
Geburtsjahrgängen der Babyboomer-Eltern und gehörte demnach zu
einer Kohorte, die relativ viele Kinder hatte und besonders
heiratsfreudig war. Das würde erklären, warum der
kontinuierliche Zuwachs des relativen Anteils an
ordnungsbehördlichen Bestattungen in den letzten Jahren ins
Stocken gekommen ist. Es legt aber auch nahe, dass das »dicke
Ende« erst noch kommt. (...). Rein demographisch spricht demnach
vieles dafür, dass der relative Anteil an Ersatzvornahmen auch
in den nächsten Jahren im Mittel weiter steigt. Es gibt noch
zwei weitere starke Gründe, dies zu vermuten. Erstens die
Entwicklung der Altersarmut, deren Anstieg nach dem Stand der
Dinge besonders in Ostdeutschland stark prononciert sein wird
(...). Zweitens weisen die Nachkriegskohorten (ab 1946) höhere
Scheidungsraten auf (...). Scheidungen hängen kausal mit der
Entfremdung von bestattungspflichtigen Angehörigen, speziell von
Kindern von ihren Vätern zusammen. Dies leitet zu einer
wichtigen Beobachtung über: Von Ordnungsamtsbestattungen sind
besonders Männer betroffen."
DAVIES, Sally C. (2016): Annual Report of the Chief Medical
Officer 2015. On the State of the Public’s Health Baby Boomers:
Fit for the Future, London: Department of Health
Der Report des britischen
Gesundheitsministeriums beschreibt zwei Babyboomer-Kohorten in
England, die sich in ihren gesellschaftlichen Bedingungen
unterscheiden:
"The post-Second World War
baby boom cohorts are clearly visible. In England, the immediate
rise in births in 1946 and 1947 was followed by a drop in births
during the 1950s and it was only from the late 1950s onwards
that births rose again, peaking in 1964. This contrasts with the
situation in the USA, where the baby boom following the return
of soldiers from Europe and across the globe was sustained right
through the late 1940s and the 1950s. Thus, England can be
thought of as having experienced two distinct baby boom cohorts:
the first born in the mid to late 1940s and the second born in
the 1960s.
It is important to distinguish between the two baby boom cohorts
as they have experienced very different economic and social
environments at different life stages. The first baby boomers
(1945–49) were born in a period of post-war austerity,
experiencing rationing and selective education. However, when
they entered the labour market the economy was entering a period
of relative prosperity. Not only was there a buoyant job market,
but the rapid expansion of higher education in the 1960s also
meant that a growing number stayed on at school and entered
university.
In contrast, the second baby boom cohort (1960–64) were born in
a period of prosperity, experiencing the consumer spending boom
of the 1960s and comprehensive secondary education. However, by
the time this generation came to enter the labour market at the
end of the 1970s, the economy was entering a recession,
resulting in sharp rises in unemployment. Individuals born
during the peak birth year of 1964 reached school leaving age in
1979, at the height of recession. These very different economic
and social environments have affected the respective life
chances of the different cohorts, as well as cohort members’
expectations of employment, the welfare state and life in
general." (2016, S.19)
Im Vereinigten Königreich
(England, Wales, Schottland und Nordirland) gab es zwei Gipfel:
1947 mit 1.025.427 Lebendgeburten und 1964 mit 1.014.672
Lebendgeburten. Eine
Allianz-Studie aus dem Jahr 2014 bezeichnet die Jahrgänge
1956 bis 1968 in England und Wales als Babyboomer-Kohorten. Die
folgende Tabelle enthält die Zahlen zu Lebendgeburten und
Geburtenziffern des Office for National Statistics (ONS) für die
Jahre 1945 bis 1975:
Tabelle:
Lebendgeborene
und Geburtenrate im Vereinigten Königreich bzw.
England/Wales in den Jahren 1945 - 1975 |
Jahr |
Vereinigtes
Königreich |
England/Wales |
Lebendgeborene |
Zusammen-gefasste
Geburtenziffer (TFR) |
Lebendgeborene |
Zusammen-gefasste
Geburtenziffer (TFR) |
1945 |
795.868 |
k. A. |
679.937 |
2,04 |
1946 |
955.266 |
k. A. |
820.719 |
2,47 |
1947 |
1.025.427 |
k. A. |
881.026 |
2,68 |
1948 |
905.182 |
k. A. |
775.306 |
2,38 |
1949 |
855.298 |
k. A. |
730.518 |
2,27 |
1950 |
818.421 |
k. A. |
697.097 |
2,18 |
1951 |
796.645 |
k. A. |
677.529 |
2,14 |
1952 |
792.917 |
k. A. |
673.735 |
2,16 |
1953 |
804.269 |
k. A. |
684.372 |
2,22 |
1954 |
794.769 |
k. A. |
673.651 |
2,21 |
1955 |
789.315 |
k. A. |
667.811 |
2,22 |
1956 |
825.137 |
k. A. |
700.335 |
2,35 |
1957 |
851.466 |
k. A. |
723.381 |
2,45 |
1958 |
870.497 |
k. A. |
740.715 |
2,52 |
1959 |
878.561 |
k. A. |
748.501 |
2,56 |
1960 |
918.286 |
2,71 |
785.005 |
2,68 |
1961 |
944.365 |
2,78 |
811.281 |
2,77 |
1962 |
975.635 |
2,87 |
838.736 |
2,85 |
1963 |
990.160 |
2,90 |
854.055 |
2,88 |
1964 |
1.014.672 |
2,95 |
875.972 |
2,93 |
1965 |
997.275 |
2,88 |
862.725 |
2,85 |
1966 |
979.587 |
2,80 |
849.823 |
2,75 |
1967 |
961.800 |
2,69 |
832.164 |
2,65 |
1968 |
947.231 |
2,61 |
819.272 |
2,57 |
1969 |
920.256 |
2,51 |
797.538 |
2,47 |
1970 |
903.907 |
2,44 |
784.486 |
2,40 |
1971 |
901.648 |
2,40 |
783.155 |
2,37 |
1972 |
833.984 |
2,20 |
725.440 |
2,17 |
1973 |
779.545 |
2,03 |
675.953 |
2,00 |
1974 |
737.138 |
1,92 |
639.885 |
1,89 |
1975 |
697.518 |
1,81 |
603.445 |
1,78 |
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Quelle:
Office
for National Statistics, Vital Statistics:
Population and Health Reference Tables (annual Data);
Stand 20.11.2017 |
Die Zahlen zeigen, dass die
Abgrenzung der Babyboomer durch die Allianz-Studie nicht
unbedingt plausibel ist. Es wird nicht der erste, sondern nur
der zweite Babyboom herausgegriffen. Die Abgrenzung des
Gesundheitsministerium wiederum beinhaltet beim ersten Babyboom
auch zurückgehende Geburtenraten, während dies beim zweiten
Babyboom nicht der Fall ist.
In dem Buch Renewing the
Family. A History of the Babyboomers von Catherine BONVALET
u.a. aus dem Jahr 2015 wird der Babyboom in England/Wales mit
Frankreich verglichen. In beiden Ländern hat der Babyboom zwei
Höhepunkte, wobei in Frankreich das Niveau zwischen den beiden
Gipfeln höher ist als in England/Wales. Es gibt also durchaus
ganz unterschiedliche Möglichkeiten das Babyboom-Phänomen zu
betrachten und damit die Babyboomer-Kohorten zu konstruieren.
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