|
Kommentierte Bibliografie (Teil 3:
2008 - 2013)
2008
RUPPS, Martin
(2008): Alternde Babyboomer.
Die
Jahrgänge der frühen Sechziger sind die geburtenreichsten der
Bundesrepublik. Was wird aus dieser Kohorte in den nächsten
Jahrzehnten? Reicht ihr die Rente?
in: Welt v. 19.02.
RUPPS,
Martin (2008): Wir Babyboomer. Die wahre Geschichte unseres
Lebens, Freiburg: Herder Verlag
"Als
der boomendste aller Babyboomer-Jahrgänge seinen 40. Geburtstag
feierte, 2004, widmete ihm der
»Spiegel« eine Geschichte, auf die wiederum ein deutscher
Professor mit einem Leserbrief reagierte. Der Begriff Babyboomer,
so der gute Mann, stammt aus den USA und bezeichnet die
Jahrgänge, die zwischen 1943 und 1960 geboren sind. Recht hat
er. Aber wir leben in Deutschland, nicht in den USA. Und ich
grenze die deutschen Babyboomer auf die Jahre 1959 bis 1964 ein,
weil diese Jahrgänge mehr verbindet als das Babyboomer-Sein. Es
handelt sich um eine Generation mit gemeinsamer Geschichte und -
noch wichtiger einem gemeinsamen Erleben von Kindheit und
Erwachsenwerden.
Anders als in den USA haben die Geburtenzahlen in Deutschland
(West) und Deutschland (Ost) nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst
stagniert - es war keine gute Zeit für Familiengründungen. Mitte
der fünfziger Jahre stiegen sie langsam an und machten 1959 den
ersten Sprung. 1963 ging es noch einmal kräftig nach oben. Das
Jahr 1964 schaffte knapp den Rekord: Eine Million
dreihundersiebenundfünfzigtausenddreihundertvier Babys kamen in
Deutschland (West) und Deutschland (Ost) lebend zur Welt. 1964
ist der Spitzenjahrgang"
(2008, S.8f.),
schreibt Martin RUPPS, der
also die Jahrgänge 1959 - 1964 zu den Babyboomern zählt. Die
Zahl der Geburten spielt in dieser Definition nur als
hinreichendes Abgrenzungskriterium, aber nicht als ausreichendes
Abgrenzungskriterium eine Rolle. Hinzu kommt, dass es einen
Anstieg der Geburtenzahlen geben muss. Zudem wird die Behauptung
aufgestellt, dass diese Jahrgänge nicht nur eine Kohorte,
sondern auch eine Generation sind ("gemeinsames Erleben von
Kindheit und Erwachsenwerden"). Es ist diese Vermengung von
Kohorten- und Generationenbegriff, die solche
Generationenporträts prägt, wobei
solche Porträts hinter dem Generationenbegriff in der Tradition
von Karl MANNHEIM zurückbleiben, was auf
single-generation.de anhand des Beispiels der Generation
Golf gezeigt wurde.
ATOH,
Makoto (2008): Japan's Population Growth during the Past 100
Years. In: Florian Coulmas u.a. (Hrsg) The Demographic
Challenge. A Handbook about Japan, Brill Verlag, S.5-24
"The baby boom cohort, about
8 million born in 1947-49, later called dankai no sedai (the
mass generation), has affected an will continue to affect
Japanese society in no small way at each distinktive stage of
their life course. In particular, they gave birth to another
baby boom cohort, about 8 million, in the first half of the
1970s when their female cohort reached their mid-20s; this was
called dankai junia (the junior mass generation). While the
Japanese population was very young in 1950, with its median age
as 22,3 and the proportion of the elderly population aged 65 or
over as 4,9 percent (...), it started ageing from the botton of
the age pyramid just after the rapid fertility transition"
(2008, S.12),
erklärt Makoto ATOH zur
Babyboomer-Kohorte. In dem Roman Dankai no Sedai von Taichi
Sakaiy werden gemäß ATOH die Härten des Lebenslaufs der
geburtenstarken Jahrgänge beschrieben.
ERNST, Heiko (2008):
Generativität: Die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte.
In Deutschland sind die
geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge, die sogenannten Babyboomer,
im Zenit ihres Lebens, in ihren "besten Jahren". Die erste
Nachkriegsgeneration macht sich berechtigte Hoffnungen, die
eigene Verrentung um 30 Jahre und mehr zu überleben. Aber was
fängt sie mit den gewonnen Jahren an?
in:
Psychologie Heute
Nr.4, April
RUPPS, Martin (2008): Die Revolte ist sicher.
Noch
zahlen die geburtenstarken Jahrgänge in die Sozialkassen ein.
Doch wehe, wenn sie sich aus dem Arbeitsleben verabschieden!
Babyboomer-Experte Martin Rupps fordert mehr Geld und weniger
Lügen,
in: Rheinischer Merkur Nr.16 v. 17.04.
"Die Zukunft ist
auch nicht mehr, was sie einmal war. Schon gar nicht die Zukunft
des Alters. Adieu Generationenvertrag, adieu sichere Rente! Das
erkennen – endlich – auch die deutschen Babyboomer, die
Massenjahrgänge 1959 bis 1964",
meint Martin RUPPS.
DROBINSKI, Matthias (2008): Die Rente
und der Neid,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 22.04.
"Es
ist die Tragik der
in den Baby-Boomer-Jahren zwischen 1960 und 1968 Geborenen,
dass sie nun unter der Abgabenlast stöhnen und in 25 Jahren
als Rentenproblem in die Geschichte eingehen werden. Dann erst
werden die wahren Probleme der Alterssicherung zutage treten,
wird die Rentenfinanzierung an ihre Grenzen geraten, die
Altersarmut zunehmen",
meint Matthias DROBINSKI.
DEMMER, Ulrike & Udo LUDWIG (2008): Geschäft mit der Hoffnung.
Viele
hunderttausend Paare bleiben in Deutschland ungewollt kinderlos
- und es werden immer mehr. Die verhinderten Mütter und Väter
fühlen sich von den Nachbarn mitleidig beäugt, von den Ärzten
ausgenommen und von der Politik im Stich gelassen,
in: Spiegel Nr.22 v. 26.05.
DEMMER & LUDWIG widmen dem
"menschheitsgeschichtlich widernatürlichen
Spätgebären der Babyboomer-Generation"
einen Artikel, der zwischen bevölkerungspolitischem Gebot zur
Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen
("volkswirtschaftlich gebotene Ziel, die Überalterung der
Gesellschaft durch mehr Geburten einzudämmen"), Kritik an der
Bezahlung von Abtreibungen durch Krankenkassen, Aufklärung
über falsches Verhalten ("Die Hälfte der ungewollt kinderlosen
Paare hatte an den durchschnittlich fünf fruchtbaren Tagen pro
Monat gar keinen Sex") und der Verteidigung "natürlicher"
Familienformen ("das gültige Familienmodell fundamental
ausgehebelt") hin und herpendelt.
2009
MENNING, Sonja & Elke HOFFMANN (2009): Die Babyboomer - ein
demografisches Porträt, Report Altersdaten, Heft 2
MENNING & HOFFMANN
charakterisieren die Babyboomer folgendermaßen:
"Die
Zeitangaben für den Babyboom in Deutschland schwanken je
nachdem, welche Kriterien für Beginn und Ende des Babybooms
angenommen werden. Setzt man für den Babyboom die Periode des
Anstiegs der Geburtenzahlen an, ist der Zeitraum des Babybooms
etwa Anfang bis Mitte der 1950-er Jahre bis zur Mitte der
1960-er Jahre zu verorten. Die Spezifik der Babyboomer liegt in
ihrer absoluten Kohortenstärke. Daher werden für diesen Report
diejenigen Geburtsjahrgänge als Babyboomer definiert, die die
höchsten absoluten Geburtenzahlen aufweisen. Für Deutschland
sind das zehn Jahrgänge, deren Geburtskohorte größer war als 1,2
Mio. Lebendgeborene - die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1968 (...).
Damit fand in Deutschland der Geburtenanstieg der Nachkriegszeit
später statt als in den USA und anderen Staaten, er ist zeitlich
enger begrenzt und das Phänomen der Babyboom-Kohorten erreicht
nicht das quantitative Ausmaß wie in den USA. Die
US-amerikanischen Babyboomern machen inzwischen ein Drittel der
gesamten Bevölkerung aus, die deutschen Babyboomer umfassen
dagegen nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung."
(2009, S.10f.)
Im Gegensatz zu den Mehrzahl
der Autoren, die über die Babyboomer schreiben, nennen MENNING &
HOFFMANN neben dem Abgrenzungskriterium Geburtenzahl, das sie
für Deutschland mit mehr als 1,2 Mill. Lebendgeborene angeben,
auch noch ein Maß für das Gewicht dieser Kohorten. So ist gemäß
MENNING & HOFFMANN die Babyboomer-Generation der USA fast
doppelt so groß wie in Deutschland, was deren Anteil an der
Gesamtbevölkerung betrifft. Sie geben für die USA jedoch kein
Abgrenzungskriterium an, sondern verweisen lediglich auf andere
Autoren:
"In den USA besteht die
Babyboomer-Generation aus 76 Mio. Menschen, die zwischen 1946
und 1964 geboren wurden (Morgan, 1998). Sie sind die größte
jemals geborene Kohorte, die jetzt das mittlere Erwachsenenalter
erreicht. (Whitbourne & Willis, 2006). Noch 1943 sagten zwei
prominente US-amerikanische Demografen, Warren Thompson und
Pascal Whelpton, voraus, dass die US-Bevölkerung schrumpfen
würde. Bereits 1946 begannen aber die Geburtenzahlen zu
explodieren und dieser Trend sollte für viele Jahre anhalten.
Statt der von Thompson und Whelpton für das Jahr 1970
prognostizierten 147 Millionen Menschen lebten 204 Millionen
Menschen in den USA. (Eggebeen & Sturgeon, 2006)." (2009, S.7)
Das Beispiel zeigt auch, dass
Veränderungen des Geburtenverhaltens von Demografen nicht
prognostiziert werden können, sondern erst im Nachhinein als
solche entdeckt werden. Das liegt daran, dass
Bevölkerungsvorausberechnungen simple Fortschreibungen der
Vergangenheit sind und zudem noch mit politischen Intentionen
überfrachtet werden.
PERRIG-CHIELLO, Paqualina & François HÖPFLINGER (2009): Die
Babyboomer. Eine Generation revolutioniert das Alter, Verlag
Neue Zürcher Zeitung
HARTUNG, Manuel J. (2009): Unser Aufstand
gegen die 64er.
Manuel Hartung, Jahrgang 1981, über
den Zwist zwischen den 64er- und 80er-Generationen, die sich nicht
kennen, sich strukturell aber sehr ähneln,
in: ZEIT-Magazin Nr.39 v. 17.09.
"Das »Wir sind einfach mehr« macht die 1964er
zum gefährlichsten Jahrgang der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Besonders gefährlich sind sie, weil sie sich selbst als harmlose
Hedonisten tarnen: »Wir sind gut ausgebildet. Wir sind einigermaßen
vermögend. Wir haben Kreditkarten«, schrieb
Thomas Tuma, Jahrgang 1964, vor fünf Jahren zu
seinem 40. Geburtstag im Spiegel
. Man denkt an Leute, die Eis von Häagen-Dazs essen und bei
Manufactum einkaufen, lauwarm, aber nett. An
eine
Generation, die so langweilig ist, dass sie sich nicht mal ein
richtiges Etikett hat ankleben lassen.
Kein Feindbild, keine Revolte, kein Ereignis, auch kein
Unteremittelklasseauto hat sich für diese Jahrgänge zu der
gemeinsamen Erfahrung verdichtet, aus der sich eine Generation
formt. Dafür, dass sie
»Babyboomer« heißen, haben sie selbst am wenigsten getan",
meint Manuel J. HARTUNG. Die
Erstfassung des Feinbilds Babyboomer
von Manuel J. HARTUNG. Der Artikel wiederum ist eine späte Replik
auf einen
Spiegel-Artikel zum 40. Jahrestag des Jahrgangs 1964.
WILLEKE, Stefan (2009): Geboren 1964.
Sie sind der geburtenstärkste Jahrgang. Sie beherrschen das Land.
Unser Autor ist einer von ihnen,
in: ZEIT-Magazin Nr.39 v. 17.09.
AMEND, Christoph (2009): Meine Nationalgalerie.
Wie Thomas Demand, der berühmteste deutsche Künstler des
Jahrgangs 1964, auf sein Land blickt,
in: ZEIT-Magazin Nr.39 v. 17.09.
MAYER, Karl-Ulrich & Eva SCHULZE (2009): Die Wendegeneration.
Lebensverläufe des Jahrgangs 1971, Frankfurt a/M: Campus
Verlag
SIEVERS, Markus (2009): "Arme Babyboomer".
Professor Ernst Kistler warnt vor einer menschlichen Bugwelle: Wenn
die geburtstarken Jahrgänge sich dem Rentenalter nähern und sich
nichts ändert, drohen den Älteren Arbeitslosigkeit und Armut,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.11.
2010
RUPPS, Martin (2010): Es lebe das
Mittelalter.
Babyboomer: Jugend wird in
Deutschland zum knappen Gut. Aber Hand aufs Herz: Welcher
Vierzig- oder Fünfzigjährige möchte ernsthaft mit jungen Leuten
tauschen? Unser Autor, Jahrgang 1964, rangiert die
Midlife-Crisis einfach aus,
in: Rheinischer Merkur Nr.9 v. 04.03.
RUPPS, Martin (2010): Bloß nicht noch
einmal 20 sein!
Schon immer gab es einen
Kulturbruch zwischen zwei Generationen. Noch nie haben sich
allerdings die Lebenswelten so sehr gewandelt wie zwischen den
Babyboomern und den heute 20-Jährigen. Das wird auch deshalb so
deutlich, weil die Babyboomer gerade erst ihre Lebensmitte
erreicht haben,
in: Rheinischer Merkur Nr.9 v. 04.03.
KOHLBACHER, Florian (2010): Bevölkerungsentwicklung in Japan:
Fokus Märkte.
in: Online-Handbuch
Demografie des Berlin-Instituts, Mai
"Die japanische
Baby-Boomer-Generation umfasst nach der engen Definition die
Jahrgänge 1947 bis 1949 und macht einen beachtlichen Anteil der
Erwerbsbevölkerung aus. Legt man die weite Definition, die auch
die Jahrgänge 1950 und 1951 mit einschließt, zugrunde, so gibt
es insgesamt 10,7 Millionen Baby-Boomer in Japan, von denen 2006
8,2 Millionen zur Erwerbsbevölkerung gehörten, mehr als 12
Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung",
beschreibt
Florian KOHLBACHER die japanische Babyboomer-Kohorten ("dankai-sedai").
Diese Definition wird im Zusammenhang mit den Auswirkungen der
Pensionierung dieser Kohorten auf die Arbeitswelt als
"Jahr-2007-Problem debattiert (Mehr
hier,
hier und
hier).
HARTUNG, Manuel J. & Cosima SCHMITT (2010): Die netten Jahre
sind vorbei. Schöner leben in der Dauerkrise, Frankfurt a/M:
Campus Verlag
Manuel J. HARTUNG,
Jahrgang 1981, und Cosima SCHMITT, Jahrgang 1975, stilisieren
ihre Generation ohne Generation folgendermaßen:
"Dieses Buch ist ein
Generationenbuch ohne Generation. Es beschreibt die Generation
zwischen zwanzig und Mitte dreißig, wie sie wirklich ist."
(2010, S.20)
Damit grenzen sie ihre
Kohorte auf die Jahrgänge 1975 bis 1990 ein. Als Gegner im
Generationenkonflikt konstruieren sie die Babyboomer, wobei sie
ihre Kohorte auf die Generationeneinheit des Akademikermilieus
beschränken:
"Wie wehren wir uns gegen die
gefährlichste Generation aller Zeiten - die Babyboomer, deren
Rente uns ruinieren wird? Welche Generationenkonflikte werden in
Zukunft entstehen, gibt es gar eine Revolution?
Dabei können wir nur einen Ausschnitt unserer Generation
betrachten: die Studenten, die Praktikanten, die
Berufseinsteiger. Mittelschichtskinder, wenn man so will. Wir
finden sie besonders interessant, weil sie es waren, die in der
öffentlichen Debatte im Fokus standen. Und wir schreiben über
sie, weil es die Menschen sind, die wir kennen" (2010. S.23)
Außerdem präsentieren uns
HARTUNG & SCHMITT eine Generationenkonflikttypologie mit drei
Konflikttypen und zwei Möglichkeiten wie Revolten entstehen:
"Die erste umfasst den
Konflikt um Werte. (...).
Die zweite Hauptart des Konflikts ist der Konflikt um Verteilung
- um die Verteilung von Macht, Geld, Ressourcen (...).
Die dritte Art des Konflikts umfasst den Konflikt um des
Konflikts willen. (...).
Der Konflikt um Werte und der Konflikt um Ressourcen - diese
beiden braucht es für eine Revolution. (...).
Wenn es stimmt, dass ohne Utopie keine Revolution stattfinden
kann, dann werden wir die revolutionslose Generation bleiben.
Vielleicht muss man unterscheiden zwischen zwei
Revolutionstypen: Typ A kämpft für etwas (...) Sie wird
genährt durch zwei Konflikte, den um Werte und den um
Ressourcen. Man könnte diesen Typ
»Offensive
Revolution« nennen.
Der Typ B der Revolution wäre dann die
»defensive
Revolution«. (...). Sie will etwas verteidigen. Sie ist gegen
etwas. Sie kämpft nur einen Kampf um Ressourcen. Es geht um
die Verteilung von Geld und Macht und Zukunftschancen. Diese
Revolution nährt sich nicht aus einer Utopie, sondern aus einer
Dystopie, der Gegenteil einer Utopie."
(2010, S.168ff.)
In der Realität sind Motive
durch beides motiviert: Utopien und Dystopien. Wer nur auf
Dystopien setzt könnte schnell zum Opfer seiner Horrorvisionen
werden. Es dürfte klar sein, dass sich das Feindbild Babyboomer,
das hier entworfen wird, aus Dystopien seine revolutionäre Kraft
speisen soll. Mit dem gefährlichsten Jahrgang ist 1964 gemeint
und die Geschichte des Babybooms bzw. des Geburtenrückgangs
erzählen uns die Autoren folgendermaßen:
"Die Antibabypille, 1961 in
Deutschland eingeführt, war schwer zu bekommen, und so stand dem
Kinderkriegen nichts entgegen. 1961 zählten die deutschen
Statistiker erstmals mehr als 1,3 Millionen so genannte
Lebendgeborene. (...). Auch in den folgenden Jahren kamen immer
mehr Kinder zur Welt. Der Jahrgang 1964 war der größte der
deutschen Geschichte: 1.357.304 Menschen wurde in diesem Jahr
geboren. Die 1964-er sind mehr, als in München Einwohner leben.
Jeden Monat kam eine Stadt wie Remscheid auf die Welt. Jeden Tag
drei Gesamtschulen.
Doch dann begann das
»Ende der Nachkriegszeit«,
wie es die Historiker ausdrücken. Der Wirtschaft ging es
schlechter, das Wunder verlor an Glorie und Bundeskanzler
Ludwirg Erhard
sein Amt. Mit der Flaute kippte die Stimmung, die Pille knickte
die Geburten, und so kamen von Jahr zu Jahr weniger Kinder auf
die Welt. Es ging Schlag auf Schlag: 1969 waren es nur noch 1,1
Millionen. 1972 gut 900.000, 1975 schon unter 800.000. In den
80-er Jahren stieg die Zahl leicht an (...). Erst im neuen
Jahrtausend stürzte die Zahl wieder ab: 2006 kamen nur noch
672.724 Kinder zur Welt - der schwächste Jahrgang der
Nachkriegsgeschichte ist weniger als halb so groß wie der
stärkste.
Was sagen die Zahlen aus? Sie geben Aufschluss über die
Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft. Zahlen bedeuten
Macht. Ein Millionenheer von Babyboomern steht einer kleinen
Schar von Kindern der Dauerkrise gegenüber. Die Boomer sind
Millionen Wähler, die die Politik, wenn sie wollen, auf
Jahrzehnte hinweg bestimmen können. Und wir, wir sind vielleicht
die Opfer" (2010, S.173f.)
Die Beschreibung hat mit der
damaligen Realität nichts zu tun. Sie ist eine Projektion aus
Sicht des wiedervereinigten Deutschland. Im Jahr 1961 zählten
die west- und ostdeutschen Statistiker jeder für sich. Die einen
kamen auf 1.065.437 Geburten, die anderen nur auf 301.472
Geburten.
HARTUNG & SCHMITT
dramatisieren den Generationenkonflikt, indem sie Extremwerte
herausstellen. Der Geburtsjahrgang 1964 wird damit zum
"gefährlichsten Jahrgang aller Zeiten" stilisiert und eine
"Totalkollision" konstruiert. Der "Kampf um die Rente" erscheint
dadurch zur wichtigsten Herausforderung der Zukunft:
"Man kann sich leicht
ausmalen, wie das Leben in zwanzig Jahren sein wird. Wie sich
das Leben unserer Generation radikal verändert. Wie uns die Luft
abgeschnürt wird.
Was wird passieren? Die Babyboomer sind heute Mitte vierzig.
(...). In zwanzig Jahren werden sie in den Ruhestand gehen. In
zwanzig Jahren werden Massen von Rentnern dieses Land bevölkern.
(...).
1991 kam ein Rentner auf vier Menschen zwischen 20 und 65. 2030
wird sich das dramatisch verschoben haben: Einem Rentner stehen
nur noch zwei Erwerbsfähige gegenüber. (...). »Deutschland wird
zu Europas Rentnerrepublik« zeilte die Welt im Januar
2010; die Stadt Chemnitz zitiert die Zeitung aus einer Studie,
werde die älteste Stadt Europas sein.
Die Zahlenfolge verdeutlicht die Dramatik der Bewegung. Schon
die Babyboomer bekommen weniger raus, als sie ursprünglich
erwarten konnten. Unsere Generation (...), kann aber nichts mehr
erwarten."
Die Dystopie, die HARTUNG &
SCHMITT konstruieren, ist lediglich eine verzerrte Projektion
der Vergangenheit in die Zukunft, die mit der Realität des
Jahres 2030 nicht viel gemein haben wird, denn bei der Rente
kommt es nicht auf die Zahlen der Jahrgänge im Jahr 1964 oder
1975 an, sondern auf deren Größe im Jahr 2030 sowie auf jene
Jahrgänge, die dann im Erwerbsleben stehen werden. Die Dystopie
fällt in sich zusammen wie ein frisch aus dem Ofen geholter
Käsekuchen, der der Eiseskälte ausgesetzt wird.
Kohorten wachsen und
schrumpfen im Laufe der Zeit. Nicht Momentaufnahmen, sondern
Längsschnittaufnahmen sind entscheidend. Das Buch
Die Wendegeneration von Karl-Ulrich MAYER & Eva SCHULZE
präsentiert den west- und ostdeutschen Jahrgang 1971. Dort heißt
es:
"Allerdings wird die
Jahrgangsgröße nicht allein durch die Zahl der Geborenen
bestimmt. Insbesondere für die Wendegeneration haben Zu- und
Abwanderungen eine sehr große Rolle gespielt. (...). Bis 1988
wachsen die Westdeutschen des Jahrgang 1971 um etwas 22.000 auf
802.000 vor allem durch Zuwanderungen der Kinder von
Arbeitsmigranten und Aussiedlern (...). Nach der
Wiedervereinigung kommen weitere 156.000 '71er nach
Westdeutschland, ganz überwiegend Ostdeutsche. Trotz des
dramatischen Geburtenrückgangs erreicht der westdeutsche
Jahrgang 1971 also fast Babyboom-Stärke.
Dagegen schrumpft der ostdeutsche Jahrgang 1971 von 1990 bis
2004 netto um 27.000 auf 196.000, also um fast 16 Prozent.
Rechnet man die Zuwanderer ab, kann man davon ausgehen, dass
etwa ein Fünftel der ostdeutschen Wendegeneration in den Westen
abgewandert ist" (2009, S.27f.)
Das
nationalkonservative Starren auf die "Ungeborenen"
vernachlässigt viele Aspekte von Lebensverläufen bzw.
Kohortenverläufen. Am Schluss entwickeln HARTUNG & SCHMITT noch
so etwas wie ein trotziges Pathos, das sich aus dem Feindbild
Babyboomer speisen soll :
"Unser Leben wird sich auch
daran entscheiden, ob wir diesen Kampf aufnehmen. (...).
Wir können den Kampf gewinnen, wenn wir als effiziente
Idealisten gegen die Babyboomer-Egoisten kämpfen. Wir müssen
fragen: Was heißt Generationengerechtigkeit und wie können wir
diese schaffen? (...).
Die Babyboomer können das Wogegen sein." (2010, S.184)
Wer im Glashaus sitzt, sollte
nicht mit Steinen werfen, denn auch die Generation ohne
Generation wird alt werden und dann könnten sie das Feindbild
sein. Wie schnell sich Opfer und Täter abwechseln können, das
zeigt die 68er-Generation. Noch Anfang der Nuller Jahre wollte
jeder ein 68er gewesen sein und Rot-Grün bestimmte die Politik,
15 Jahre später sitzt die AfD in vielen Landtagen und seit 2017
auch im Bundestag. Rechts- statt Linksintellektuelle bestimmen
nun den Ton der öffentlichen Debatten. Die netten Jahre sind
vorbei - aber anders als das HARTUNG & SCHMITT glaubten.
MOTEL-KLINGEBIEL, Andreas/WURM, Susanne/HUXHOLD,
Oliver/TESCH-RÖMER, Clemens (2010): Wandel von Lebensqualität und Ungleichheit in der zweiten Lebenshälfte.
In: MOTEL-KLINGEBIEL, Andreas/WURM, Susanne/TESCH-RÖMER,
Clemens (Hrsg) Altern im Wandel. Befunde des Deutschen
Alterssurveys (DEAS), Stuttgart: Kohlhammer Verlag
"Die zwischen der Mitte
der 1950er und der ersten Hälfte der 1960er Jahre geborene
Babyboomer-Generation sind besonders geburtenstarke
Jahrgänge, denen sehr viel schwächer besetzte Geburtskohorten
folgen. Die Babyboomer in West- und Ostdeutschland fanden
weitgehend etablierte wirtschaft liche und politische Systeme
vor. In Westdeutschland gab es vor allem aufgrund der Masse von
Personen eines Jahrgangs, aber auch aufgrund einer Verlangsamung
der wirtschaft lichen Entwicklung nur bedingt Spielraum für
berufl iche Aufstiege. Und dies trotz der im Zuge der
Bildungsexpansion der 1970er Jahre gegenüber ihren
Vorgängerkohorten massiv gestiegenen Bildungschancen dieser
Gruppe. Ähnliches galt in Ostdeutschland, aber aus anderen
Gründen. (...).
Die Babyboomer werden die erste Generation sein, die voll von
den in den letzten Jahren beschlossenen Leistungsabsenkungen des
Systems sozialer Sicherung, insbesondere der öffentlichen
Alterssicherung und den Folgen der Privatisierung sozialer
Sicherung betroffen ist und künftig sein wird. Diese Generation
ist mit einer deutlich veränderten Struktur der gesetzlichen
Alterssicherung konfrontiert. Und allein schon aufgrund ihrer
Kohortenstärke sinkt nach dem reformierten Rentenrecht ihre
individuelle Altersrente" (2010, S.29f.),
charakterisieren
MOTEL-KLINGEBIEL/WURM/TESCH-RÖMER die Babyboomer, die auf die
Jahrgänge 1955 bis 1965 eingegrenzt werden.
In den empirischen Beiträgen
des Buchs spielt diese Abgrenzung jedoch keinerlei Rolle
aufgrund der Tatsache, dass dort z.B. Altersgruppen gebildet
werden, die nicht mit dieser Kohorteneingrenzung identisch sind.
So bilden z.B. Heribert ENGSTLER & Clemens TESCH-RÖMER
Altersgruppen zu je 15 Jahrgängen, die zu den Zeitpunkten 1996
und 2008 betrachtet werden.
"Die bisherige Entwicklung
wird dazu führen, dass – beginnend mit den »Babyboomern« – im
Alter mehr Menschen keine Kinder haben und auf andere
Unterstützungsressourcen angewiesen sein werden" (2010, S.173),
heißt es bei ihnen z.B. bei
ihnen im dem Beitrag Lebensformen und Partnerschaft. In
anderen Beiträgen werden dann sogar noch umfangreichere
Altersgruppen gebildet.
Fazit: Auch in
wissenschaftlichen Abhandlungen gerät der Begriff Babyboomer
meist nur zu einer Leerformel, die der öffentlichen Debatte
geschuldet ist.
BERTH, Felix (2010): Boom, Baby!
Warum
viele Frauen die Kinderfrage lange Zeit aufgeschoben haben - und
sie nun mit Ja beantworten,
in: Süddeutsche Zeitung v. 30.12.
"Vor der endgültigen
Entscheidung stehen derzeit viele Frauen, die zur Generation
der Baby-Boomer gehören. Sie kamen in den späten sechziger
und frühen siebziger Jahren zur Welt, bevor der
»Pillenknick« einsetzte."
BERTH definiert die
Baby-Boomer-Generation im Gegensatz zu wissenschaftlichen
Definitionen sehr großzügig. Im
GeroStat Report Altersdaten werden die Baby-Boomer
z.B. als die Jahrgänge 1959 - 1968 charakterisiert.
2011
STEINBERGER, Petra (2011): Endstation Jugend.
Die
finanziellen Ressourcen werden knapp. Das macht Alte und Junge
zu erbitterten Konkurrenten. Wenn sie den Generationenvertrag
aufkündigen, verspielen die Babyboomer die Zukunft ihrer Kinder,
in: Süddeutsche Zeitung v. 15.01.
Petra STEINBERGER, Jahrgang
1965 und damit eine Angehörige der Generation Golf,
schreibt anlässlich der ZDF-Dystopie 2030 - Aufstand
der Jungen über die Babyboomer, die sie als zwischen 1945
und 1967 Geborene beschreibt:
"Der
Generationenvertrag, der die Grundlage des modernen
Wohlfahrtsstaates bildet, wird gerade von jener Generation
gebrochen, die im Jahr 2030 die Mehrheit der Alten stellen
wird."
STEINBERGER zählt sich zur
Minderheit der Idealisten, was die unausgesprochene
Selbststilisierung dieser Klage über ihre Generation ist. Ich,
die Idealistin, gegen Euch die Massen, das ist die liebste
Pose unserer Medienklasse.
STEINBERGER will Anzeichen
für diesen Bruch des Generationenvertrags finden. Da wird der
Kampf der bildungsfernen Schichten in den Pariser Banlieues
kurzerhand mit dem Streik der Studenten in Großbritannien
zusammengefasst zur jungen Generation, obwohl beide Phänomene
eher auf den gesellschaftlichen Gegensatz von arm und reich
verweisen.
Ausgerechnet
Frankreich, das mit einer bestandserhaltenden Geburtenrate von
2,1 als unumschränktes Vorbild der Demografen gilt, soll
als Beispiel des Interessengegensatzes von geburtenstarken und
-schwachen Altersgruppen dienen? Das Beispiel zeigt eher, dass
den Generationenkämpfern jedes Mittel Recht ist, um ihren
Standpunkt zu rechtfertigen - auch wenn es noch so absurd ist.
STEINBERGER konstruiert
eine europäische bzw. sogar westliche Babyboomer-Generation.
Tatsächlich unterscheiden sich die Babyboomer-Generationen in
den verschiedenen Nationalstaaten beträchtlich. Die
deutsche Babyboomer-Generation ist im
Vergleich zu den USA oder Japan ein
Babyboomer-Generatiönchen.
Seriöse Forscher definieren die deutschen Babyboomer als
1959 - 1968 Geborene. Die
vor 1950 Geborenen waren in Deutschland ähnlich schwach
besetzt wie die Anfang der 1970er Jahre Geborenen. Selbst die
Anfang der 1990er Jahre Geborenen erreichten fast noch die
Stärke der um 1945 Geborenen (mehr
hier). Das so genannte Altersbeben, auf das STEINBERGER
und ihr nicht genanntes Vorbild Frank SCHIRRMACHER abzielt,
verläuft in den USA und Japan ungleich stärker.
Ausgerechnet der aus der
Politik geflüchtete Populist Roland KOCH ist STEINBERGERs
Gewährsmann für die Macht der Alten. Wenn dem so wäre, warum
ist dann KOCH abgetreten? Wohl doch eher, weil er aufs falsche
Pferd gesetzt hat. Ein
weiterer Gewährsmann ist der 1976 geborene Wissenschaftler
Harald WIKOSZEWSKI, auf den vor allem die in der Krise
steckende SPD setzt. Das Gespenst des Generationenkrieges
vernachlässigt mindestens zwei Aspekte:
1) Wenn man vom
Generationenvertrag spricht, dann ist zwischen öffentlichem
und privatem Generationenvertrag zu unterscheiden. Vom
privaten Generationenvertrag profitiert die junge Generation
als so genannte Erbengeneration. In den nächsten Jahrzehnten
werden hohe Vermögenswerte vererbt, die vor allem den jungen
Eliten zu Gute kommen. Von
dieser sozialen Ungleichheit wird abgelenkt, um stattdessen
einen Generationenkrieg zu postulieren, der sich um die
öffentlichen Transfers von Jung zu Alt rankt, aber die
umgekehrten Transfers von Alt zu Jung vernachlässigt.
2) Der nächste blinde
Fleck: Das Konstrukt der Wohlfahrtsgenerationen, das hinter
dem Begriff der Babyboomer steckt, behauptet Gewinner- und
Verlierergenerationen. Einer empirischen Untersuchung halten
diese Behauptungen jedoch nicht stand. In dem Konstrukt wird
zudem die vorhandene Infrastruktur von Verkehr,
Telekommunikation, Krankenhäuser usw. vernachlässigt, also
Vermögenswerte, die den Jungen hinterlassen werden. Das
Konstrukt Wohlfahrtsgeneration stützt sich lediglich
auf den engen Bereich der Sozialversicherungen und nicht auf
den Wohlfahrtsstaat im Ganzen.
Die
Politikwissenschaftlerin Christina MAY hat die
Generation als Argument ländervergleichend für den
Bereich der Rentenversicherung untersucht,
der ja Anfang des Jahrtausend hart umkämpft war. Sie
kritisiert insbesondere Wissenschaftler wie
Heinz BUDE, denen sie Eigeninteressen unterstellt, die
wenig mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun haben.
Wenn man den Wohlstandsstaat
-
so wie Berthold VOGEL im Buch Wohlstandskonflikte -
im weiteren Sinne betrachtet, dann kommen ganz andere
Gewinnergenerationen in den Blick. Dann steht die
Generation Golf plötzlich gar nicht mehr so schlecht da,
sondern es werden die
Aufstiegschancen sichtbar, die der Umbau vom sorgenden zum
gewährleistenden Staat bietet.
Petra STEINBERGER betreibt
Interessenpolitik für ihre Generation, das ist ihr gutes
Recht. Nur wer einen Generationenkrieg herbei schreibt, der
darf sich nicht wundern, wenn die Konflikte außer Kontrolle
geraten. Wer heute andere an den Pranger stellt, der könnte
morgen schon selbst am Pranger stehen.
In den jetzt anstehenden
Reformen um Gesundheitswesen und Pflegeversicherung geht es
nicht in erster Linie um den Generationenvertrag, sondern um
einen zukunftsträchtigen Markt für die Anbieter von
Dienstleistungen und Produkten. Wer nur vom Bruch des
Generationenvertrages redet, der möchte diesen Aspekt der
Profitinteressen ausklammern.
WELT (2011): Babyboomer in Deutschland.
Viele Paare können Nachwuchs
nur auf künstlichem Wege bekommen. Das bringt viele Probleme mit
sich,
in:
Welt v. 21.02.
Die Welt erklärt uns
den Begriff "Babyboomer" folgendermaßen:
"Der Begriff Babyboomer wird
für Menschen verwendet, die zu den Zeiten steigender
Geburtenraten nach dem Zweiten Weltkrieg (dem Babyboom) in
Staaten geboren wurden, die vom Krieg betroffen waren. Die
Gesamtheit dieser Menschen wird von Soziologen als
Boomgeneration bezeichnet".
Hier wird von steigenden
"Geburtenraten" gesprochen. Die Geburtenzahlen erreichten in
Westdeutschland erst 1964 ihren Höhepunkt, während es in
Ostdeutschland bereits 1963 war. Von Geburtenrate spricht man
gewöhnlich bei der zusammengefassten Geburtenziffer (TFR). In
seiner
Bevölkerungsgeschichte Deutschlands gibt Peter
MARSCHALCK für Westdeutschland folgende Entwicklung der
Geburtenrate an: Sie lag 1964 in Westdeutschland bei 2,54. 1965
fiel sie auf 2,50 um dann 1966 auf 2,53 zu steigen. 1967/68
betrug sie 2,48. Erst danach ging die zusammengefasste
Geburtenziffer dann tatsächlich steil bergab. In der Broschüre
Geburten in Deutschland des Statistischen Bundesamt heißt
es zur Geburtenrate:
"Zu Beginn der 1960er Jahre
erlebten beide Teile Deutschlands einen kurzfristigen Anstieg
der Geburten mit der höchsten zusammengefassten Geburtenziffer
der Nachkriegszeit mit über 2,5 Kindern je Frau. Die damals
geborenen Kinder bilden heute die geburtenstarken Jahrgänge der
Mittvierziger. Das folgende Sinken der Geburtenhäufigkeit setzte
in der ehemaligen DDR bereits 1965 ein, seit 1967 hat auch im
früheren Bundesgebiet die Zahl der Geburten kontinuierlich
abgenommen. Der Rückgang im früheren Bundesgebiet dauerte fast
zwanzig Jahre und erreichte Mitte der 1980er Jahre ein
vorläufiges Tief mit 1,28 Kindern je Frau. Danach schwankte die
zusammengefasste Geburtenziffer geringfügig zwischen 1,35 und
1,45 Kinder je Frau und lag im Jahr 2010 bei 1,39.
Die ehemalige DDR wirkte mit umfang- reichen staatlichen
Fördermaßnahmen für Familien mit Kindern einer Absenkung des
Geburtenniveaus ab Mitte der 1970er Jahre entgegen. Die
zusammengefasste Geburtenziffer stieg sogar kurzfristig auf über
1,9 Kinder je Frau. Dann ging auch hier die Geburtenhäufigkeit
allmählich zurück" (2012, S.15)
Offenbar ist die Datierung
des Geburtenrückgangs keineswegs so eindeutig wie das die Welt,
die zwischen der Entwicklung der Geburtenzahlen und der
Entwicklung der Geburtenziffer nicht wirklich unterscheidet,
wenn es weiter heißt:
"Dieser Boom trat in den
Ländern jedoch zu verschiedenen Zeiten auf. Während er in den
USA von der Mitte der 1940er- bis Mitte der 1960er-Jahre
dauerte, begann er in Deutschland (West) erst Mitte der 1950er-
und dauerte bis Mitte der 1960er-Jahre. Das bedeutet: Die
unmittelbaren Nachkriegsjahrgänge (1946-1950) waren in den USA
bereits geburtenstark, während sie in Deutschland
geburtenschwach waren. Statistiker bezeichnen in Deutschland
erst die im Zeitraum von 1955 bis 1965 Geborenen als
geburtenstarke Jahrgänge. Im Jahr 1964 erreichten die
Geburtenzahlen mit 1,4 Millionen Neugeborenen ihren Höhepunkt.
Die Entwicklung wurde im Jahr 1965 durch den sogenannten
Pillenknick plötzlich unterbrochen. Seitdem nehmen die
Geburtenzahlen in Deutschland beständig ab; im Jahr 2002 war es
nur noch die Hälfte des Wertes von 1964."
Die Welt geht in ihrer
Begriffsbestimmung großzügig über die Feinheiten des
Geburtenrückgangs hinweg.
Keineswegs werden von "Statistikern" die Jahrgänge 1955 bis 1965
unisono als geburtenstark definiert, zumindest nicht, wenn
die Kohortenstärke und nicht wie bei der Welt der Anstieg
bzw. Rückgang von Geburtenzahlen/raten im Vordergrund der
Begriffsbildung steht.
Fazit: Aufgrund der
widersprüchlichen Zusammenführung zweier Definitionselemente
("steigende Geburtenraten" und "geburtenstark") bleibt die
Begriffserläuterung der Welt unscharf und
missverständlich.
SCHMITT, Uwe (2011): Babyboomer werden 65 – Wenn Hippies in
Rente gehen.
In den USA tritt die
Generation der Babyboomer von der Bühne des Berufslebens ab. Dem
Land steht eine beispiellose Veränderung bevor,
in:
Welt Online v. 21.02.
Im Themaheft zum
demografischen Wandel wird der Begriff "Babyboomer" nur selten
benutzt und wenn, dann wird er auch nicht definiert.
Das
SCHWENTKER,
Björn & James W. VAUPEL (2011):
Eine neue Kultur des Wandels,
in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr.10-11 v. 07.03.
"Demografen aus Österreich
und den USA haben ausgerechnet, was passieren würde, stiege die
Rentenaltersgrenze so schnell wie die Lebenserwartung: Der
Quotient nimmt dann zwar zunächst bis auf ein Maximum von knapp
40 Prozent im Jahr 2040 zu, wenn die Babyboomer in ein höheres
Alter kommen. Danach aber schrumpft er und fällt auf etwa 30
Prozent am Ende des Jahrhunderts. Wenn die Babyboomer sterben,
erlebt Deutschland also eher eine Verjüngung als eine
Vergreisung"
erklären uns SCHWENTKER &
VAUPEL, die dabei auf den Beitrag Average remaining lifetime can
increase as human populations age von Waren C. SANDERSON &
Sergei SCHERBOV in der Zeitschrift Nature verweisen.
Angenommenen wird dabei ein Anstieg der Geburtenrate von 1,4 auf
1,6 Kinder pro Frau - aber erst im Jahr 2082! Der Begriff "Babyboomer"
wird von den Autoren dagegen nicht definiert.
BÖRSCH-SUPAN, Axel VAUPEL (2011):
Ökonomische Auswirkungen des demografischen Wandels,
in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr.10-11 v. 07.03.
"Im Jahr 2010 sind die
Babyboomer etwa Mitte vierzig. Die rasche Abfolge von
Pillenknick auf Babyboom ist die zweite große Komponente des
demografischen Wandels, die historisch gegeben ist, an der wir
nichts mehr ändern können, und die in etwa 15 Jahren ganz
dramatisch die sozialpolitische und ökonomische Lage
Deutschlands bestimmen wird. Dies sieht man auf der
Bevölkerungspyramide des Jahres 2025 (...). Im Vergleich zum
Jahr 2010 hat sich die Abfolge von Pillenknick auf Babyboom um
15 Jahre vorgearbeitet, nun sind die Babyboomer etwa 60 Jahre
alt und beginnen, in Rente zu gehen.
Weitere 25 Jahre später (...) sind die Babyboomer schon recht
alt, die meisten von ihnen sind verstorben. Die erwartete
Altersstruktur im Jahre 2050 zeigt, dass uns der demografische
Wandel langfristig beschäftigen wird. Solange die Geburtenraten
so niedrig bleiben wie sie sind (...,) wird die
Bevölkerungsstruktur nie wieder die Form der (...) Pyramide
erreichen, sondern wird einen Kopf haben, der größer als die
Basis ist", behauptet Axel BÖRSCH-SUPAN, vermeidet es aber den
Begriff "Babyboomer" zu definieren..
MITTELSTRASS, Bettina (2011): Keine jungen Alte, sondern ältere
Erwachsene.
Durch die
Baby-Boomer verändert sich die Alterspyramide,
in: DeutschlandRadio v. 08.12.
MISCHKE, Joachim (2011): Wir sind die meisten.
1964 ist
der geburtenstärkste deutsche Jahrgang. Die
Generation der Babyboomer prägt unsere Gesellschaft, darf
aber auch erst mit 67 in Rente. Unser Autor ist einer von ihnen,
in: Hamburger Abendblatt v. 15.12.
2012
RIEDMÜLLER, Barbara & Ulrike SCHMALCK (RE2012): Die Lebens- und
Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren Lebensalter. Wandel
und rentenpolitische Implikation, Stand: Januar 2012
"Ziel der vorliegenden Studie
ist es, die Muster der Vielfalt herauszuarbeiten und daraus
Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Rentenpolitik zu
ziehen. Zu diesem Zweck werden Lebens- und Erwerbsverläufe von
Frauen der Jahrgänge 1962 bis 1966 untersucht. Bei ihnen sind
die familiären (Fertilität) wie beruflichen Weichen gestellt.
Zudem hat für die Rentenversicherung diese Untersuchungsgruppe
besondere Relevanz, denn sie werden die spätere soziale Lage der
Rentner stark prägen. So befinden sich in ihr die
geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten »Babyboomerinnen«.
Aufgrund ihrer Kohortenstärke und der danach folgenden deutlich
geburtenschwächeren Jahrgänge, werden deren individuellen
Alterseinkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich
sinken. Ihre Alterssicherung wird deshalb stärker als bei
älteren Generationen von einer gut bezahlten Erwerbstätigkeit
abhängig sein. Für die wissenschaftliche und sozialpolitische
Auseinandersetzung zur künftigen Lebenslage der Babyboomer im
Alter ist es von besonderer Bedeutung den bisher eher spärlichen
Wissensstand über die Kohorte zu erweitern. Die vorliegende
Studie leistet dazu einen Beitrag. Die zwischen 1962 und 1966
geborenen Frauen sind zum Erhebungszeitpunkt Mitte 40 (...),
ihnen bleiben damit noch rund 20 Jahre, bis sie die
Regelaltersrente erreichen" (2012, S.1f.),
schreiben RIEDMÜLLER &
SCHMALRECK, die sich mit ihrer Charakterisierung der Babyboomer
auf MENNING & HOFFMANN 2009 beziehen,
die wiederum die Jahrgänge 1958 - 1968 als Babyboomer
definierten. RIEDMÜLLER & SCHMALRECK greifen zur
Familiensituation der Babyboomerinnen auf MENNING & HOFFMANN
2009 zurück:
"Die jüngsten Babyboomer
Jahrgänge haben bisher durchschnittlich 1,4 Kinder geboren.
Dagegen liegt die Kinderzahl der 1959 geborenen Frauen bei 1,7
Kindern (Hoffmann und Menning 2009, S. 24 f.). Die Reduktion der
Geburtenzahlen ist vor allem auf die Abnahme der
Mehrkinderfamilien und dem Anstieg der Kinderlosigkeit
zurückzuführen. Der Anteil kinderloser Frauen unter den
Jahrgängen 1961 bis 1966 liegt in den alten Bundesländern bei
etwa 20%. »Dies entspricht einer Verdopplung des Anteils
kinderloser Frauen seit den Geburtsjahrgängen 1940 und 1949«
(Schulze 2008, S. 30). In den neuen Bundesländern ist etwa jede
zehnte Babyboomerin ohne Kinder. (Hoffmann/ Menning 2009, S.
24)." (2012, S.8)
In ihrer empirischen
Untersuchung haben RIEDMÜLLER & SCHMALRECK die
Babyboomer-Kohorten in sieben Typen unterteilt. Die
westdeutschen Babyboomerinen chrakaterisieren sie
folgendermaßen:
"Die »Bildungsstarke« mit
langen Ausbildungszeiten, hohem Qualifikationsniveau und guter
Arbeitsmarktintegration sowie die »Langzeitarbeitslose« mit
langen und häufigen Phasen der Arbeitslosigkeit. Diese beiden
Typen zählen unter der Kohorte zu den kleinsten Gruppen mit
einem Anteil von 6 bzw. 7%. Den quantitativ stärksten Typ mit
21% bildet die Vollzeiterwerbstätige. Bedingt durch die höhere
Vielfalt an Lebens- und Erwerbsverläufen und der damit höheren
Anzahl an Biografietypen ist die Voll-zeiterwerbstätige unter
den jüngeren Frauen im Vergleich zu den älteren Frauen
prozentual deutlich seltener vertreten.
Die verstärkte Präsenz am Arbeitsmarkt und die größtenteils
weiterhin übernommene Mutterrolle der Babyboomerinnen führen zum
vermehrten Vereinbarkeitsproblem von Kindererziehung und
Erwerbstätigkeit. Dies offenbart sich durch häufigere
Erwerbsunterbrechungen, etwa durch Arbeitslosigkeit, sowie
vermehrter Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung. Jede
fünfte Babyboomerin zählt zum Typ der Teilzeiterwerbstätigen.
Neben der höheren Erwerbsorientierung der Babyboomerinnen zeigt
sich bei ihnen ein Bedeutungsverlust an reinen
Hausfrauenbiografien. Mit einem Anteil von 19% sind unter den
Babyboomerinnen weniger Familienorientierte zu finden, als unter
den älteren Frauen (25%). Im Vergleich zu der älteren Kohorte
hat sich der Anteil der Zwei-Phasen Frauen unter den jüngeren
Frauen fast verdoppelt (von 9% auf 16%). Den siebten
Biografietyp bildet die Mischerwerbstätige. Jede neunte
Babyboomerin gehört diesem Cluster an (11%)." (2012, S.39f.)
SCHIRRMACHER, Frank (2012): Der Sturz der Babyboomer.
Abtritt
ohne Vermächtnis: Sie hatten keine Idee, sie hatten den Markt:
Eine ganze Generation konservativer Babyboomer hat aufgegeben.
Auch das höchste Amt im Staat verlor sie in Rekordzeit. Was ist
da geschehen?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.02.
Frank SCHIRRMACHER definiert
die Babyboomer-Generation nach guter alter Gutsherren-Manier,
d.h. so wie sie ihm gerade in den Kram passt. Für das
Methusalem-Komplott waren es im Jahre 2004 noch die
1950-1965 Geborenen. Nun also - 8 Jahre später - die 1955-1965
gar 1970 Geborenen. Welch ein Glück, dass Angela MERKEL 1954
geboren ist, sonst hätte der Artikel erst nach dem Rücktritt
bzw. der Abwahl von MERKEL geschrieben werden können.
BOUFFIER, Volker (2012): Der Sturz der Babyboomer.
Eine
Replik,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.02.
Frank SCHIRRMACHER, Vorsänger im Männerchor der deutschen
Jammerelite, hat sich vor einer Woche seinen Frust über seine
Babyboomer-Generation von der Seele geschrieben. Da sich kein
Babyboomer, sondern nur ein einsamer Journalist, um seinen Artikel
geschert hat, muss jetzt ein Nicht-Babyboomer die Politiker aus
der Babyboomer-Generation verteidigen. Gar nicht auszudenken,
wenn keiner auf den Artikel des eitlen FAZ-Herausgeber
reagiert hätte.
SPAHN, Jens (2012):
Die Kinder der anderen.
Eine
Gesellschaft, in der bald jeder Dritte älter als sechzig ist,
muss über die Lastenverteilung in Pflege und Rente neu nachdenken. Doch
gerade dieses Nachdenken scheuen wir, sowohl in individueller
wie in gesamtgesellschaftlicher Form. Wir denken, es sei noch
Zeit. Doch das stimmt nicht,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 14.03.
Wer heute wie Jens SPAHN
(Jahrgang 1980, 865.789 Geborne) die
Babyboomer auf die Anklagebank setzt, der könnte ganz
schnell selber als Babyboomer auf der Anklagebank sitzen, wenn
die geburtenschwachen Jahrgänge der nuller Jahre (z.B.
Jahrgang 2009, 665.126) im Jahr 2050 an der Macht sind.
Eines der Lieblingsmärchen
der Generationengerechten lautet: Die Alten des Jahres 2050
seien heute schon geboren, weswegen die zukünftige
Bevölkerungsentwicklung bereits feststeht. Sie verschweigen
jedoch, dass die andere Seite der Gleichung im Ungewissen
liegt. Von den Vorhersagen zur Geburtenentwicklung des
nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftlers Herwig BIRG
ist
bereits nach 7 Jahren nicht mehr viel übrig geblieben.
Der angebliche
Generationenvertrag ist ein
Konstrukt der katholischen Soziallehre, auf den sich SPAHN
bezieht. Der Vatikan, der hinter dieser ganz und gar
uneigennützigen Lehre steht, ist aber das beste Beispiel, wie
es ein Staat der Kinderlosen zu großem Reichtum bringen kann.
Der "Generationenvertrag" ist zudem auf ein geschlossenes
System gemünzt, wogegen moderne Gesellschaften offene Systeme
sind.
Tatsächlich ist das
Sozialversicherungssystem nicht in erster Linie von der Anzahl
des Nachwuchses abhängig, sondern von Beitragszahlern und dem
Produktivitätsfortschritt des Wirtschaftssystems.
Der Soziologe Karl Otto HONDRICH hat eindrucksvoll bewiesen,
dass unsere Gesellschaft erstaunlich unabhängig von der
Kopfzahl geworden ist.
Antimodernisten wie SPAHN
hängen romantischen Vorstellungen von einer Vergangenheit nach,
die es so nie gegeben hat.
Wer wie SPAHN die Spaltung
der Gesellschaft in Eltern und
Kinderlose betreiben möchte, der darf sich nicht wundern,
wenn Kinderfreie wie Nicole HUBER im Gegenzug fordern, dass
Eltern, deren Kinder später Straftäter oder
Sozialhilfeempfänger werden bzw. aus sonstigen Gründen keine
Beiträge zahlen zur Kasse gebeten werden sollen. Eine solche
Ökonomisierung des Sozialen, in der Elternschaft analog zum
Beruf als Leistung verstanden würde, ist zwar nur ein
Gedankenspiel, zeigt aber, wohin solche Diskussionen führen.
KULLMANN, Katja (2012): Was ist bloß mit den Babyboomer-Männern
los?
Das
entehrte Geschlecht: Sie sitzen an den Schalthebeln, an denen
unterschiedliche Frauen- und Männergehälter budgetiert werden -
Jetzt schreiben sie auch noch "Manifeste" und beschweren sich
über ihre "Entehrung",
in: Der Standard v. 14.04.
Katja
KULLMANN empfindet das Buch des Babyboomers Ralf BÖNT
(Jahrgang 1963) als Zumutung und hofft auf die jüngeren
Männer:
"Die Antwort auf diesen
breitbeinig vorgebrachten Anwurf ist schnell gefunden: Wir
warten darauf, dass dein Nachfolger, dein schönerer,
schlauerer, großzügigerer, wahrhaftigerer, stärkerer kleiner
Bruder alsbald die Volljährigkeit erreicht."
RÖTTGEN, Norbert (2012): Wir Babyboomer.
Wir dürfen
nicht länger auf Kosten unserer Kinder leben. Es geht im Kern um
einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen den Generationen. Das
ist zentrales Projekt meiner Zeit,
in:
Welt v. 21.04.
Wir sollten den
Generationenrhetorikern aller Couleur die rote Karte zeigen
und stattdessen dem Klassenkampf von oben den Kampf ansagen.
Ziel ist: mehr Lebensqualität in einer Gesellschaft der Langlebigen.
Statistics Netherlands (2012): Babyboomers in the Netherlands,
April
Das niederländische
Statistikamt CBS definiert die niederländischen Babyboomer als
die Jahrgänge 1946 - 1955:
"Some 2.4 million babies were
born in the Netherlands in the period 1946–1955. These are the
babies we define as the belonging to the post-war baby boom. The
rise in the number of births started earlier, however: in
1943–1945 Dutch marriages also proved very fertile. Population
growth remained high in the country until the end of the 1960s.
According to Statistics Netherlands’ demographers (1989), the
birth wave in the years immediately after the Second World War
was caused by expectations that the war would end quickly after
the Normandy invasion by the western allied forces in June
1944." (2012, S.7)
Die folgende Tabelle enthält
die Lebendgeburten und die Geburtenraten, die das
niederländische Statistikamt für die Jahre 1940 bis 1975
ermittelt hat:
Tabelle:
Anzahl der Lebendgeborenen und Geburtenrate in den
Niederlanden 1940 - 1975 |
Jahr |
Anzahl
Lebendgeborene |
Geburtenrate (TFR)* |
Nettoreproduktionsrate** |
1940 |
185.000* |
2,67 |
k. A. |
1941 |
182.000* |
2,61 |
k. A. |
1942 |
190.000* |
2,71 |
k. A. |
1943 |
209.000* |
2,98 |
k. A. |
1944 |
220.000* |
3,13 |
k. A. |
1945 |
210.000* |
2,96 |
k. A. |
1946 |
284.000* |
3,97 |
k. A. |
1947 |
267.000* |
3,70 |
k. A. |
1948 |
248.000* |
3,41 |
k. A. |
1949 |
236.000* |
3,22 |
k. A. |
1950 |
229.718** |
3,10 |
1,42 |
1951 |
228.407** |
3,05 |
1,40 |
1952 |
231.888** |
3,09 |
1,41 |
1953 |
227.964** |
3,03 |
1,40 |
1954 |
228.173** |
3,03 |
1,40 |
1955 |
229.222** |
3,03 |
1,41 |
1956 |
231.492** |
3,05 |
1,42 |
1957 |
233.892** |
3,08 |
1,44 |
1958 |
236.859** |
3,11 |
1,45 |
1959 |
242.518** |
3,17 |
1,49 |
1960 |
239.128** |
3,12 |
1,46 |
1961 |
247.407** |
3,22 |
1,51 |
1962 |
246.150** |
3,18 |
1,50 |
1963 |
249.879** |
3,19 |
1,50 |
1964 |
250.914** |
3,17 |
1,49 |
1965 |
245.216** |
3,05 |
1,43 |
1966 |
239.611** |
2,90 |
1,38 |
1967 |
238.678** |
2,81 |
1,33 |
1968 |
237.112** |
2,72 |
1,29 |
1969 |
247.588** |
2,75 |
1,30 |
1970 |
238.912** |
2,57 |
1,22 |
1971 |
227.180** |
2,36 |
1,12 |
1972 |
214.133** |
2,15 |
1,03 |
1973 |
194.993** |
1,90 |
0,91 |
1974 |
185.982** |
1,77 |
0,84 |
1975 |
177.876** |
1,66 |
0,79 |
|
Quellen:
Statistics Netherland; *Tabelle Population,
households and population dynamics; from 1899 (Stand:
29.12.2017) ** Tabelle Birth; key figures (Stand:
17.07.2017) |
Die Definition der Jahrgänge
1946 - 1955 als Babyboomer beginnt mit dem Höhepunkt der
zusammengefassten Geburtenziffer und endet mit dem Tiefstpunkt.
Die niederländischen Babyboomer entsprechen eher dem Begriff "Babybuster",
wobei auch dies den Sachverhalt nicht richtig treffen würde.
Die
Allianz-Studie aus dem Jahr 2014 zählt die Jahrgänge 1946
bis 1965 zu den Babyboomern. Dies umfasst alle Jahrgänge, die
stets mehr als 3,0 Kinder pro Frau geboren haben. Bei einer
weniger genauen Auslegung könnte man dann auch die Jahrgänge
1943 bis 1945 dazu zählen. Wenn ein Abgrenzungskriterium das
Ende des Zweiten Weltkriegs ist, dann wäre der früheste Beginn
dadurch sozusagen gesetzt und ergäbe sich nicht aus einem
demografisch zu rechtfertigenden Sachverhalt.
Das Abgrenzungskriterium
Kohortenstärke ergibt sich aus den Tiefpunkten. In den
Niederlande waren das die Jahre 1983 (170.246) und 2015
(170.510). Nimmt man den Höchstwert mit rund 284.000 Geburten,
waren das rund 40 Prozent weniger. Im Vergleich mit anderen
Ländern macht das Kriterium Kohortenstärke in den Niederlande
weniger Sinn als in Ländern, in denen die Unterschiede
gravierender sind.
Alain MONNIER sieht die Niederlande zu Recht als Land an,
das durch den Babyboom weniger betroffen ist.
SEIBT, Gustav (2012): Geheimnis einer Fiebersenkung.
Moderate
Inflation? Das heißt: Halbes Geld für Babyboomer,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 31.05.
Gustav SEIBT erörtert
zuerst die Möglichkeiten des Abbaus der Staatsschulden durch
eine moderate Inflation:
"Mit einer Inflation von
vier Prozent bei niedrigen Zinsen lassen sich Schuldenberge
schon in einem guten Jahrzehnt dritteln; in anderthalb
Jahrzehnten ist schon mehr als die Hälfte der Kaufkraft
weg".
Danach erläutert er, dass
diese Inflation in erster Linie die Babyboomer treffen werde:
"Europa besteht derzeit
aus alternden Gesellschaften, darunter Deutschland, aber in
besonderem Maß auch Italien und Spanien. Hier trifft die
angeblich maßvolle Inflation und die damit verbundene
Geldfiebersenkung die heute Fünfzig- bis Sechzigjährigen,
jene also, denen man in Deutschland vor zehn Jahren ans Herz
legte, sie sollten auf dem Kapitalmarkt zusätzliche
Altersvorsorge betreiben. (...). Diese Generation - die
erste der Riester-Renten - ist die geburtenstärkste und
kinderärmste der bisherigen deutschen Geschichte. Die
Babyboomer, die ab 2025 in Rente gehen werden, haben also
eine gestiegene Lebenserwartung vor sich, und sie werden
einer schrumpfenden arbeitenden Bevölkerung auf der Tasche
liegen. Diese Alterskohorte wird (...) nicht mehr die
Möglichkeit haben, sich das Eingebüßte zurückzuerarbeiten."
Gustav SEIBT findet das
ganz gerecht. Der Haken an der Sache: Die moderate Inflation
trifft nur die Geringverdiener, während die Besserverdiener
Ausweichmöglichkeiten besitzen:
"Die moderate
Vier-Prozent-Inflation trifft (...)(die) kleineren
Sparvermögen mit besonderer Wucht. (...). Für kleinere
Ersparnisse gibt es wenig Ausweichmöglichkeiten, etwa in
Immobilien (schnell überbewertet) oder auf dem
Risiko-Kapitalmarkt (für kleine Summen dringend abzuraten)."
Der Abbau der Schuldenberge
hat also nichts mit einem Generationenproblem zu tun wie SEIBT
weismachen will, sondern ist eine weitere Form der
Umverteilung von unten nach oben.
LEERSCH, Hans-Jürgen
(2012): Mehr Schulden als die Griechen.
Wirtschaft: Mit der Alterung droht auch eine Explosion der
Sozialkosten. Die deutsche Politik muss schnell die Bremsen
ziehen,
in: Das Parlament v. 06.08.
Entgegen der Überschrift
ist mit einer "Explosion der Sozialkosten" gerade nicht zu
rechnen, da z.B. die Rentenansprüche der Babyboomer gegenüber
der 68er-Generation wesentlich geringer ausfallen, wie LEERSCH
zugeben muss:
"So rechneten das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die Deutsche
Rentenversicherung in einer gemeinsamen Studie vor, dass in
Ostdeutschland zwischen 1956 und 1965 geborene Männer eine
Monatsrente von 794,50 Euro zu erwarten haben. Wären sie
1936 und 1945 geboren, kämen sie dagegen auf 1.043 Euro.
Ebenfalls enttäuschend wird die Entwicklung in den alten
Bundesländern für Frauen der Babyboomer-Generation
verlaufen. Sie haben im Durchschnitt eine Rente von 656,50
Euro zu erwarten, kaum mehr als die zwischen 1936 und 1945
geborenen Frauen. Die Entwicklung ist um so erstaunlicher,
da der Anteil der erwerbstätigen Frauen stark zugenommen
hat."
2013
BUDE, Heinz
(2013): Die große Schuld der Alten.
Generationengerechtigkeit:
Über die Unhaltbarkeit eines moralischen Begriffs,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 23.01.
Heinz BUDE,
Guru der Generation Berlin, zweifelt neuerdings am Konzept der
Generationengerechtigkeit, das auf der linearen Fortschreibung
der Vergangenheit in die Zukunft beruht:
Während im
Jahr 2008 auf einen Rentner 3,5 Beitragszahler kamen, werden
2030 nur noch 2,3 Erwerbstätige einen Rentner finanzieren.
Mit solchen Argumenten wurde die Vorstellung eingeführt,
Generationengerechtigkeit sei Renditegerechtigkeit.
Die Generation der um 1940 geborenen Kriegskinder stellt sich
als die große Gewinnerin des Nachkriegs dar, während sich die um
1960 Geborenen als die großen Verlierer der langen Friedenszeit
begreifen müssen. Aber kann man das Zahlen von
Rentenbeiträgen überhaupt mit einem Anspruch auf Rendite
verbinden? Populär wurde der Gedanke, die Generationen sollten
über Anlagestrategien jeweils für sich selber sorgen, in den
Neunzigerjahren. Nach 2008 würde indessen keiner mehr so
argumentieren. Denn gerade die Pensionsfonds wurden in den
Strudel der Kapitalvernichtung gerissen. Was als kontinuierliche
Entwicklung berechnet wurde, entpuppte sich plötzlich als
ziemlich diskontinuierlicher Verlauf. (...).
Generationengerechtigkeit stellt (...) lediglich ein Motiv, aber
kein begründbares Kriterium und schon gar kein brauchbares
Verfahren für die vergleichende Beurteilung von
generationsspezifischen Lebenschancen dar. (...).
Das Prinzip der Generationengerechtigkeit beruht auf dem Glauben
an eine lineare Entwicklung der Welt. Nur unter dieser
Voraussetzung lässt sich ernsthaft annahmen, dass Lasten und
Gewinne sich gleichmäßig entwickelten. Wenn jedoch die Sprünge,
Kehrtwendungen und Auswüchse gewöhnlich sind, dann ist eine
Gerechtigkeit zwischen Generationen undenkbar."
BLASBERG, Anita (2013): Die schon wieder!
Sie sind viele, sie sind
reich, und sie sind mächtig: Die Babyboomer bestimmen, wo es
langgeht - in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur.
Warum kommen die Jüngeren nicht gegen sie an? Eine Polemik,
in: Die
ZEIT Nr.17 v. 18.04.
"Nie zuvor und nie danach
wurden so viele Kinder geboren wie zwischen 1946 und 1965.
Die sogenannten Babyboomer sind die größte und wohlhabendste
Alterskohorte aller Zeiten",
behauptet,
Anita BLASBERG, eine Angehörige der blassen Generation @
und bislang nicht hervorgetreten mit Artikeln, die für mehr
Generationengerechtigkeit eintraten.
BLASBERG jammert uns vor,
dass neuerdings die Alten an der Macht seien! Ganz was Neues?
Schon der erste deutsche Bundeskanzler Konrad ADENAUER kam als
73Jähriger ins Amt und trat erst 87jährig ab. Die
Wirtschaftswunderrepublik war eine Gerontokratie par
excellence. Dagegen herrscht heute in Politik und Wirtschaft
geradezu der Jugendwahn.
BLASBERG gehört selber in
nicht allzu ferner Zukunft zu den Babyboomern der 1966 - 1985
Geborenen (18,5 Millionen Angehörige), denn BLASBERG schert
sich nicht um Empirie, sondern fasst willkürlich Jahrgänge
zusammen: Hauptsache die Masse stimmt. Deshalb gilt auch, dass
für die 1986 - 2005 Geborenen (nur 15,6 Millionen) BLASBERG
einmal die Angehörige der Babyboomer sein wird. Wer im
Glashaus sitzt, sollte also nicht mit Steinen werfen!
"Die Babyboomer sind und
waren immer: die Mehrheit"
Tatsächlich? Eine
seriöse Definition der Babyboomer findet sich z.B. im
GeroStat Report 2009:
"Setzt man für den
Babyboom die Periode des Anstiegs der Geburtenzahlen an, ist
der Zeitraum des Babybooms etwa Anfang bis Mitte der 1950-er
Jahre bis zur Mitte der 1960-er Jahre zu verorten. Die
Spezifik der Babyboomer liegt in ihrer absoluten
Kohortenstärke. Daher werden für diesen Report diejenigen
Geburtsjahrgänge als Babyboomer definiert, die die höchsten
absoluten Geburtenzahlen aufweisen. Für Deutschland sind das
zehn Jahrgänge, deren Geburtskohorte größer war als 1,2 Mio.
Lebendgeborene - die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1968"
Demnach gehören die
1946-1950 auf keinen Fall und die 1950 - 1959 Geborenen
höchstens mehr oder weniger eingeschränkt zu den Babyboomern
dazu.
"Wie bei kaum einer
Debatte zuvor offenbarte sich ein neuer Graben: Er verlief
nicht zwischen den Geschlechtern oder den Parteien, er
verlief zwischen Jung und Alt",
behauptet BLASBERG
angesichts der Sexismus-Debatte um Rainer BRÜDERLE.
Tatsächlich etwas Neues? Nein! Politische
Generationenkonflikte kennen wir seit der 68er-Bewegung
im Nachkriegsdeutschland. Und Debatten um
Generationengerechtigkeit sind noch weniger neu, sondern
kennzeichneten diverse Jugendbewegungen. Verlorene
Generationen kennt das Nachkriegsdeutschland spätestens seit
der Jugendarbeitslosigkeit in den 1970er Jahren. Kurze Zeit
später entdeckte die akademische Jugend die
Nutzlosigkeit
erwachsen zu werden .
Nie war
der Aufschrei größer als in der Jobkrise der Generation
Golf.
Im Grunde schreibt BLASBERG
gegen jenes mediale Selbstbild der
ewigen
Zielgruppe an, das Martin SCHACHT vor fast einem Jahrzehnt
geprägt hat. Bereits in den 1920er Jahren grassierte in
Deutschland der
Mythos Jugend, den BLASBERG nun wieder beschwören will.
Und immer wieder steht die Pyramide Kopf. Sind wir also
unfähig aus der Geschichte zu lernen?
BLASBERG jammert, darüber
dass die Babyboomer von der Entwicklung begünstigt seien:
"Zu jeder Zeit ihres
Lebens profitierten sie von gut finanzierten
Staatsprogrammen: Als sie jung waren, wurden für sie die
Universitäten ausgebaut, das Bafög wurde erfunden. Als
Berufstätige freuten sie sich über massive Steuersenkungen.
Als Ältere kommen sie in den Genuss eines historisch
einmaligen Versorgungswesen. Zum Dank haben sie den Staat
zurückgebaut, wo sie nur konnten."
Da fragt man sich
lediglich: warum hat man von BLASBERG nichts gehört, als ihre
Kollegin
Susanne GASCHKE (Jahrgang 1965) den Jungen ihre Rentenkürzung
als Notwendigkeit verkaufte.
Könnte es nicht sein, dass
die Jungen sich hohe Renditen und großartige Karrieren
erhofften und deshalb tatenlos zuschauten wie der Staat
zurückgebaut wurde? Zitiert BLASBERG nicht ausgerechnet den
Babyboomer Heinz BUDE, der den Rückbau des Staates unter
großem Beifall rechtfertigte?
Man konnte das damals
nicht wissen? Oder musste aus der Generation Golf
erst die
Generation Laminat (Kathrin FISCHER) werden?
Und was soll diese
Lobpreisung des Babyboomers Frank SCHIRRMACHER? Der hatte 2012
den
Sturz der Babyboomer verkündet. Wie passt das zur
Generation Zuversicht, die gemäß BLASBERG die Babyboomer sind?
Die USA als Vorbild für den zukünftigen Generationenkampf in
Deutschland?
Darin folgt BLASBERG dem Großmeister des Alarmismus,
SCHIRRMACHER, und seinem Buch Das Methusalem-Komplott.
Zweifel sind angebracht, denn
sowohl in den USA als auch in Japan ist das "Altersbeben"
gewaltiger als in Deutschland.
"Seit dem 11. September
kennen wir nichts anderes als Krise (...). Wenn das stete
Aufwärts die Generation der Babyboomer prägte, dann formte
uns der Bruch, die Gewissheit, dass nichts mehr bleibt, wie
es war. Strotzen die Babyboomer vor Zuversicht, nagt an uns
der Zweifel",
behauptet BLASBERG. Dumm
nur, dass diese homogene Lebenserfahrung der Babyboomer, so
wie sie BLASBERG definiert, nicht existiert. Die Soziologen
Karl Ulrich MAYER & Steffen HILLMERT kommen in ihrer
Untersuchung der Lebensverläufe in Deutschland (1960 - 2000)
lediglich für die zwischen 1940 und 1955 geborenen
Westdeutschen zu einer positiven Bilanz:
"Die sechziger und
siebziger Jahre waren die prägenden Jahre für die
Geburtsjahrgänge, die ungefähr zwischen 1940 und 1955
geboren wurden. Diese Jahrgänge wurden zunehmend durch
Bildungsreform und Bildungsexpansion begünstigt" (2004,
S.135)
Noch kritischer ist es,
wenn die Alten zu einer homogenen Masse stilisiert werden,
obgleich mit zunehmendem Alter die intragenerationellen
Ungleichheiten immer mehr zunehmen? Angesichts
unvorhersehbarer Brüche hat der Soziologe Heinz BUDE
vor
kurzem das Konzept der Generationengerechtigkeit für
unbrauchbar erklärt. Ist das nun Ausdruck einer neuen
Altenmacht, wenn der Interpret der neuen Bürgerlichkeit von
diesem Konzept abrückt?
Welchen Wert hat das Argument Generation überhaupt?
Nur eines ist sicher:
In einer Gesellschaft der
Langlebigen ist eine neue Sicht auf den Wohlfahrtsstaat
dringend erforderlich.
FUHR, Eckhard (2013): Jugend ist kein Wert.
in: Welt v. 20.04.
Eckhard FUHR über das
Babyboomer-Feindbild von Anita BLASBERG.
HANK, Rainer (2013): Wir sind viele.
Die Babyboomer sind überall,
setzen kulturelle Standards und jammern auf hohem Niveau.
Demnächst treten sie ab,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.04.
"Bei den vielen zu sein
stärkt das Selbstbewusstsein",
erzählt uns Rainer HANK
über die Babyboomer, den 1955 - 1965 Geborenen. Leider kann
HANK auch nicht rechnen:
"Nein, zu kurz gekommen
sind die Babyboomer nie: In Wahrheit haben sie es zur
ordentlichem Reichtum gebracht. (...). Dabei übersehen die
westdeutschen Boomer gerne, dass ihre Altersgenossen in der
DDR ein viel böseres Schicksal erleiden mussten. Als der
Sozialismus unterging, waren die schon 35 Jahre oder älter,
zu spät, um dem Leben einen neuen Dreh zu geben."
Die DDR-Altersgenossen der
westdeutschen Babyboomer müssten jedoch jünger und nicht älter
als 35 Jahre sein!
SEIDL,
Claudius (2013): Und wir sind stark.
Die Babyboomer sind überall,
setzen kulturelle Standards und jammern auf hohem Niveau.
Demnächst treten sie ab,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.04.
GROSSE, Julia (2013): Das S-Wort.
Es klingt nicht gut und
präzise im Ausdruck ist es auch nicht,
in:
TAZ v. 09.07.
Nachdem nun das Single-Dasein
als abweichendes Verhalten im neubürgerlichen Diskurs
erfolgreich etabliert ist, kann die nächste Phase stattfinden:
die Konstruktion der Single-Generation als Verlierergeneration
der neuen
Klassengesellschaft. Das Buch
Die Wiederkehr der Konformität
von Cornelia KOPPETSCH leistet dazu einen ersten
Beitrag. Dort wird zwar nicht von der
"Single-Generation"
gesprochen. Aber der Ausdruck "Singles der
Babyboomer-Generation" meint dasselbe, wenngleich die damit
bezeichneten Kohorten nicht identisch sind, sich aber
überschneiden.
KADE, Claudia & Dorothea SIEMS (2013): Renten-Geschäft auf
Kosten der Jungen.
Babyboomer-Generation
profitiert. Für alle anderen steigen die Beiträge,
in:
Welt
v. 29.11.
|
|