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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Die Babyboomer (Teil 2)

 
       
   

Begrifflichkeiten und ihre Bedeutung für die Beurteilung des demografischen Wandels am Beispiel der öffentlichen Debatte

 
       
     
   
     
 

Kommentierte Bibliografie (Teil 2: 2003 - 2007)

2003

Jean-François Sirinelli (2003): Les baby-boomer. Une génération (1945 - 1969), Paris: Fayard

WEILL, Claude (2003): Du baby-boom au papy-blues.
Histoire d'une génération qui a changé la France - et changé avec elle,
in: Nouvel Observateur Nr.2014 v. 12.06.

DIERING, Frank (2003): Abgerechnet wird zum Schluss.
Die No-Future-Generation kommt in die Jahre - und wird zum Problem
in: Welt v. 16.07.

"Jede Generation hat ihre Zeit, und in der mit Sorge beäugten Alterspyramide der Deutschen fällt eine Gruppe als letzte Bastion eines geburtenstarken Jahrzehnts besonders ins Gewicht. Die No-Future-Generation als Spitze der Baby-Boomer (1946 bis 1969). Die Jahrgänge zwischen 1959 und 1969 beschäftigen Demographen ebenso wie Banker und Arbeitswissenschaftler"

informiert uns Frank DIERING. Die Gründerväter des Punk und des Hip Hop sind das Feindbild von DIERING, der hier den Generationenkonflikt anheizen möchte und zum Schluss folgendes Szenario aufzeigt:

"Abgerechnet wird zum Schluss, könnte zum Schlachtruf der No-Future-Generation avancieren. Mit Argusaugen werden sie über die Karrieren der Damen und Herren aus der Spaßgesellschaft, der Generation Golf und X wachen. Die Pilzhaube steht auf einem dünnen Fuß. Die ehemaligen Punker werden zu Besitzstandswahrern mutieren, die ihre Saat der Vergangenheit nun kräftig abernten möchten."

Das Problem von DIERING ist offenbar, dass er sich im Generationendschungel verlaufen hat, denn Generation X und No-Future-Generation sind eher Synonyme als unterschiedliche Generationen, wobei im exakten Sinne immer nur von Generationeneinheiten zu sprechen wäre.

WEIDENFELD, Ursula (2003): Wenn ich Königin von Deutschland wär'.
Der Kanzler heißt Gerhard Schröder und nicht Ursula Weidenfeld. Doch was wäre, wenn sie die Macht hätte? Ihre Regierungserklärung,
in: Tagesspiegel v. 27.07.

Junge Singles hätten nichts zu lachen, wenn Sozialpopulisten wie Hans-Werner SINN oder Meinhard MIEGEL im Kabinett von WEIDENFELD säßen. Die alten Rentner könnten sich dagegen freuen:

"Die Jahrgänge, die derzeit in Rente sind, erhalten ihr Geld wie bisher. Schließlich haben sie uns in die Welt gesetzt: die Kinder der Fünfziger- und Sechzigerjahre, von denen es so reichlich gab, dass uns nicht umsonst der Name Babyboomer umgehängt wurde. Wir dagegen, die Generation der heute Dreißig-, Vierzig- und Fünfzigjährigen, haben vorsorgetechnisch bislang versagt: Zu wenig Kinder, zu wenig Arbeitskräfte, zu wenig Beitragszahler".

Offenbar hat Frau WEIDENFELD keine eigene Meinung, sondern delegiert sie an SINN und MIEGEL.   

SAUGA, Michael/SCHULT, Christoph/TIETZ, Janko (2003): Ende einer Illusion.
In aller Stille bereitet die Regierung tiefe Einschnitte in die gesetzliche Alterssicherung vor, die damit auf das Niveau einer Basisversorgung zusammenschmelzen dürfte. Schon planen Grüne und Union den Einstieg in einen grundlegenden Systemumbau,
in: Spiegel Nr.33 v. 11.08.

Die Autoren bereiten auf weitere drastische Einschnitte ins Rentensystem vor, denn durch einen Nachhaltigkeitsfaktor (vgl. RÜRUP 2002) soll das Rentenniveau weiter abgesenkt werden. Begründet wird dies durch den angeblichen Sachzwang Geburtenrückgang:

"Dass es den heutigen Senioren materiell gut geht, haben sie nicht nur den großzügigen Rentengesetzen aus den Aufbaujahren der Republik zu verdanken, sondern auch der eigenen Gebärfreudigkeit. Die heutige Rentnergeneration hat genau jene Babyboomer der fünfziger und sechziger Jahre großgezogen, die derzeit noch die Fabriken und Büros bevölkern und mit ihren Beiträgen die Alterskassen füllen. Wenn diese Generation aber in einigen Jahren selbst in den Ruhestand wechselt, bekommt sie unausweichlich die Quittung für die Kinder-nein-danke-Mentalität der vergangenen drei Jahrzehnte präsentiert. Weil seit Anfang der siebziger Jahre die Geburtenrate drastisch sank, fehlt es bald an Beitragszahlern, um das heutige Rentenniveau zu halten."

Belegt werden soll das durch Zahlen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), eine Lobbyorganisation der Finanzbranche.

MÜLLER-VOGG, Hugo (2003): Die Lifestyle-Sünden der Baby-Boomer rächen sich,
in: Welt am Sonntag v. 17.08.

Der Ohrensessel-Demonstrant Hugo MÜLLER-VOGG übt den Schulterschluss zwischen Großvater und Enkel, was momentan auch auf dem Buchmarkt in Mode ist. Was MÜLLER-VOGG über die "bevölkerungspolitisch korrekte Vermehrung" schreibt, ist jedenfalls richtiger als das, was GASCHKE gerade in ihrem ZEIT-Leitartikel vom Stapel gelassen hat. Nur gehört MÜLLER-VOGG nicht zu den 70-Jährigen Großvätern, sondern als 1947 Geborener gehört er zur 68er-Generation, d.h. er gehört bereits zur Generation der  "zeugungs- und gebärfaulen Eltern", über die er schimpft. Wenn der Autor "als Vater nur eines Kindes" als Friedensangebot auch  kein Problem damit hätte, wenn seine Rente um einen "Kinder-Fehlbetrag" gekürzt würde, Geringverdienern würde das sehr wohl etwas ausmachen. Verfechter einer Rente nach Kinderzahl - z.B. Hans-Werner SINN - haben das bereits vorgeschlagen, aber gerade die Generation von MÜLLER-VOGG soll davon ausgenommen werden. Auch darüber gibt es hier im September-Thema von single-generation.de mehr zu lesen.

GERMIS, Carsten (2003): "Die Baby-Boomer sind die Gekniffenen".
Der Ökonom Axel Börsch-Supan über den Streit mit den Alten und die Chancen für Reformen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 24.08.

DOEMENS, Karl (2003): Pillenknick gefährdet Versorgung der Babyboomer.
Die langfristigen Probleme der Rentenversicherung bleiben - und damit die Frage nach der Lebensarbeitszeit,
in: Frankfurter Rundschau v. 18.10.

Die FR betreibt sozialpolitische Demagogie. Bis ins Jahr 1910 muss man zurück, um eine Alterspyramide zu finden, die dem entspricht, was Bevölkerungspolitiker als Ideal betrachten. Zwei Weltkriege haben jedoch die Altersstruktur deformiert und das schnelle Bevölkerungswachstum in der Nachkriegszeit ist genauso wenig zu verkraften gewesen, wie der nachfolgende rapide Geburtenrückgang innerhalb der 68er-Generation. Die Nach-68er-Generationen sollen nun die Zeche für das Versagen der vorangegangenen Generationen zahlen, so sieht es die gegenwärtige Politik vor.

1973 schreibt der spätere Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung, dass weder ein Geburtenrückgang noch das Bevölkerungswachstum an sich positiv oder negativ bewertet werden können. Beides muss im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden:

"Keine Bevölkerung kann ewig wachsen, weil der menschliche Lebensraum begrenzt ist. Wir sollten uns daher davor hüten, den Geburtenrückgang als ein »Unglück« anzusehen. Die Bundesrepublik gehört schon heute zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Erde. Viele Probleme würden sich daher leichter lösen lassen, wenn die Bevölkerung des Bundesgebietes nicht weiter wächst. Viele Kinder zu haben ist wohl kaum ein Wert an sich. Von daher läßt sich also ein weiteres Wachsen der Bevölkerung schwerlich rechtfertigen. Wir haben vielmehr, wie das im Grunde immer schon war, die Bevölkerungsentwicklung in Einklang zu bringen mit unseren begrenzten lebensräumlichen Ressourcen. ("Entwicklung und Ursachen des Geburtenrückgangs", S.34)

BERGER, Ulrich & Christoph STEIN (2003): Die Baby-Boomer in Deutschland.
Ein herbes Schicksal bis zur Rente,
in: Telepolis v. 22.10.

Die Autoren verweisen zwar in ihrem Beitrag nicht auf single-generation.de, aber sie benutzen Argumente, die seit langem auch auf diesen Seiten vertreten werden. BERGER & STEIN klären über die Mär des Geburtenrückgangs auf, die Professor Peter KRAFT auf seinen Seiten ausführlich behandelt.

Der privaten Altersvorsorge stehen sie kritisch gegenüber, da sie die Probleme auch nicht besser lösen kann als das bewährte Umlageverfahren.

Mit Detlef GÜRTLER stimmen sie darin überein, dass nicht die Demografie die Wirtschaft, sondern umgekehrt die wirtschaftliche Entwicklung das demografische Schicksal beeinflusst:

"Die Demografie ist kein Schicksal, sie ist eine Herausforderung, die gemeistert werden kann - oder auch nicht. Große demografische Schwankungen haben zwar wirtschaftliche Auswirkungen, aber die wirtschaftlichen Konjunkturen determinieren am Ende die demografischen."

Einen demografisch begründeten Handlungsdruck angesichts der gegenwärtigen Krise des Sozialsystems verweisen die Autoren ins Reich der sozialpolitischen Demagogie:

"Ein demografisch begründbarer Handlungsbedarf zur Stabilisierung der Rentenkassen entsteht erst ab 2025 und das auch nur, wenn die unsicheren und umstrittenen Prognosen zur Geburtenrate und zur Lebenserwartung richtig sein sollten."

2004

SCHACHT, Martin (2004): Die ewige Zielgruppe. Warum sich die heute 30- bis 49-Jährigen nie wieder Sorgen machen müssen Berlin: Argon Verlag

"Rein statistisch betrachtet, sind wir gut verdienende Thirtysomethings mit 1,3 Kindern, 0,8 Mobiltelefonen und 1,2 Autos, denn die Wahrscheinlichkeit, dass wir jenem größten Teil der Bevölkerung angehören, der heute zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, ist ungleich größer als jene, dass wir Rentner sind oder noch zur Schule gehen. Denn wir sind viele. Wir sind die geburtenstärksten Jahrgänge, die Jahrgänge, die kurz vorm Pillenknick gezeugt wurden. (...).
Wir waren nicht nur viele, wir waren zu viele.
Aber genau das ist eigentlich unsere Stärke!
Weil wir zu dieser Gruppe zählen, sind wir begehrt und einflussreich. Um uns dreht sich alles. Medien, Werbung, Politik, Kultur. Und das wird so bleiben, solange es uns gibt" (2004, S.7),

charakterisiert Martin SCHACHT, Jahrgang 1965, seine Babyboomer-Generation. Im Jahr 2004 waren dies die 1965Geborenen (40-Jährige) bis 1974Geborenen (30-Jährigen) - sozusagen diejenigen, die NACH dem angeblichen Pillenknick gezeugt wurden. Diese entsprechen auch nicht den geburtenstärksten Jahrgängen. Die Babyboomer wären eher die 40- bis 50-Jährigen gewesen.

"Wer heute zwischen dreißig und vierzig Jahre alt ist, wird auch 2030 noch zur zahlenmäßig größten Bevölkerungsgruppe gehören. Schon 2010 werden fast 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland älter als fünfzig Jahre alt sein" (2004, S.13),

beschreibt SCHACHT die Zukunft. Seine Generation beschreibt er zudem als Erbengeneration:

"Die Generation der heute 30- bis 40-Jährigen wird bis zum Jahr 2020 330 Milliarden Euro erben."

SCHACHT lässt in seinem Buch diverse Interviewpartner seiner Generation zu Wort kommen: Michael MICHALSKY (Jahrgang 1969), Inga HUMPE (Jahrgang 1956), Tommi ECKART (Jahrgang 1962), Hermann WEIZENEGGER (Jahrgang 1963), Berthold RZANY (Jahrgang 1961), Axel BERG (Jahrgang 1959). Die Spanne reicht von den 1956Geborenen bis zu den 1969Geborenen, entspricht also einer weiten Definition der Babyboomer-Generation.

Fazit: Das Buch nimmt es mit dem Babyboomer-Begriff nicht besonders genau, was daran liegt, dass es ihm um den Lebensstil der 30- bis 49-Jährigen (Jahrgänge 1955 - 1974) geht. Diese werden als stilbildende Generation betrachtet, die auch die nachfolgenden Jahrgänge ab 1975 beeinflusst. In dieser Hinsicht beschäftigt sich SCHACHT mit dem gleichen Aspekt wie Holger RUST im Buch Trendforschung.

SCHIRRMACHER, Frank (2004): Das Methusalem-Komplott. Die Menschheit altert in unvorstellbarem Ausmaß. Wir müssen das Problem unseres eigenen Alterns lösen, um das Problem der Welt zu lösen, München: Blessing Verlag

TUMA, Thomas (2004): Generation XY ungelöst.
Der Jahrgang 1964 ist der bevölkerungsreichste, den Deutschland je erlebt hat. Aber wo sind all die nun 40-Jährigen in Politik, Wirtschaft oder Kultur? Pflegen die Babyboomer die alte Abneigung gegen die 68er - oder leiden sie an Zukunftsängsten? Eine Spurensuche,
in: Spiegel Nr.14 v. 29.03.

Warum darf TUMA im Spiegel schreiben? Sein Jahrgangsporträt entspricht genau jenem Bild, das die selbstgefällige, spiegellesende Elite von sich hat. TUMA beschreibt seinen Jahrgang als einen mit "Lust auf Leistung", dazu noch nett und nach Anerkennung kämpfend (also außengeleitet im Sinne von David RIESMAN). Als solch toller Jahrgang muss man sich natürlich abgrenzen zum Rest der Gesellschaft:

"Vor uns 64ern glucken die Besitzstandswahrer, Reförmchen-Macher und Nicht-alt-werden-wollenden-Finca-Besitzer, die uns Schuldenberge, ein bizarres Steuersystem, kaputte Schulen und absurde Rentenforderungen hinterlassen. Nach uns kommen gleich die Pisa-geschüttelten Selbstbefindlichkeits-Videoten."

In dieser Aufzählung befindet sich - oh Zufall! - all das, was dem Spiegel schon immer ein Dorn im Auge war. TUMA kann es sich leisten, denn sein Jahrgang ist fast vollkommen unsichtbar geblieben. Ganze drei vorzeigbare Vorbilder hat er gefunden: Henry MASKE, Johannes B. KERNER und Ute VOGT.
Heinz BUDE muss dazu herhalten, um durch eine Außensicht diesem Jahrgangs-Schmarrn die nötige Autorität zu verleihen.
Der Sicht von Axel BÖRSCH-SUPAN, der in diesem Jahrgang einen "privilegierten" sieht, mag sich TUMA nicht anschließen. Vielleicht hätte es auch ein Blick in Martin SCHACHTs "ewige Zielgruppe" getan, um diesem Gejammer ein Ende zu setzen.
Den Trendforscher Peter WIPPERMANN zählt TUMA zu den 68ern, obgleich der 1949 geborene WIPPERMANN bereits zur Nach-68er Kohorte gehört.
Alt-68er hatten für diese Nachfolger nur den verachtenden Ausdruck vom "neuen Sozialisationstyp" (Thomas ZIEHE) übrig. Dieser Typus ist unter anderem durch den Kampf um Anerkennung (narzißtisch!) und sein "Nettsein" gekennzeichnet. Also hatte er außer der Leistungsorientierung bereits all jene Eigenschaften, die TUMA für seinen glorreichen Jahrgang beansprucht. TUMAs Jahrgangsporträt besticht durch ausgesprochene Unterlegenheitsgefühle und völlig fehlendes Selbstvertrauen. Für diese Opferperspektive hat TUMA auch die passenden Stichworte parat:

"Veränderte Rolle der Frauen, die uns erstmals auf dem Arbeitsmarkt richtig Konkurrenz machten, weniger Kinder, hohe Scheidungsraten, neue Familienmodelle".

Diese Sichtweise hat TUMA ausgerechnet von den gehassten (!) 68ern übernommen. Ulrich BECKs Individualisierungsthese beruht auf dieser Sicht, die das "Golden Age of Marriage" als nostalgische Folie benutzt. TUMA ist Sklave dieser implizit familienfundamentalistischen Sichtweise, die historisch gesehen völlig atypisch ist. In fast allen früheren Epochen war genau das, was TUMA als Manko beschreibt, die gelebte Realität, wenn auch nicht der bürgerlichen Spiegel-Norm entsprechend. TUMA unterscheidet nicht zwischen empirisch gemessenen Fakten und Idealen. Eine nicht bestandserhaltende Geburtenzahl ist bereits seit 1900 die Regel und nicht die Ausnahme. TUMAs Perspektive ist also historisch gesehen engstirnig und die Jahrgangsperspektive verdeckt die neuen Klassenkonflikte, die gerade am Aufbrechen sind. Übrigens war das noch nicht einmal eine Halbzeitbilanz (siehe SCHIRRMACHER), in vierzig Jahren darf dann TUMA wirklich Bilanz ziehen, dann könnte der Blick auf den Jahrgang völlig anders ausfallen...

SCHENZ, Viola (2004): Born to be wild - dank Bypass und Biopillen.
Die Baby Boomer, die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsgeneration, weigern sich beharrlich, von der Harley abzusteigen und Jüngeren das Rebellieren zu überlassen.
in: Forecast 2005. Beilage der Süddeutschen Zeitung v. 29.12.

2005

KOTLIKOFF, Laurence J. & Scott BURNS (2005): The Coming Generational Storm. What You Need To Know About America's Economic Future, Mit Press

"baby boomers. The proverbial »pig in the python« generation that has dominated American concerns since birth, they came of age as your wish for smaller families was coming true. They had smaller families than their parents. Soon they will be starting to retire. The bumper crop of boomers born in 1946 will be reaching 62, the age at which most people start taking Social Security, in 2008. That’s just three years away. Unfortunately, the number of children coming of age and joining the workforce won’t be nearly as large. Basically, all the forces that can enlarge the retired elderly population are in overdrive. The forces that would expand the younger (and working) population paying Social Security and Medicare taxes are in reverse. The result is a kind of perfect demographic storm" (2005, S.3f.),

behaupten Laurence J. KOTLIKOFF & Scott BURNS, die 1946 als ersten US-amerikanischen Babyboomer-Jahrgang betrachten, der bereits ab 2008 - im Alter von 62 Jahren - in Rente gehen wird. Die Spitze des Babybooms in den USA waren gemäß dieser Sicht dann die Jahre 1950 bis 1960 (vgl. S.19).

KOTLIKOFF gilt als Miterfinder der Generationenbilanzen, die in Deutschland von BERND RAFFELHÜSCHEN popularisiert wurden (vgl. Philip PLICKERT "Die schlechte Botschaft der Generationenbilanzen", FAZ 17.10.2016) .

CROLLY, Hannelore (2005): Muttersein oder Managerin.
Frauen müssen immer noch zwischen Nachwuchs und Beruf wählen. Beides auf einmal bekommen viele nicht in den Griff. In Berlin wird das Thema auf einem internationalen Kongreß debattiert,
in: Welt v. 01.03.

"Bei den Müttern der Generation Ally macht sich Ernüchterung breit. Aus dem Babyboomer-Triumph »Wir können alles haben« ist ein enttäuschtes »Wir kriegen all das, was wir haben, gar nicht in den Griff« geworden", schreibt CROLLY.

SCHIRRMACHER, Frank (2005): Deutschland-Thriller,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.03.

"Wenn für die Mehrheit einer Demokratie etwas »zu spät« oder verloren ist und diese Mehrheit das Unausweichliche der Verspätung auch begreift, dann wird, wie es nach Kriegen oder großen Katastrophen zu geschehen pflegt, die individuelle Biographie von unzähligen Menschen dramatisch politisiert.
In dieser Lage befinden wir uns bereits. Daß im Augenblick über Kinder plötzlich wieder biographisch geredet wird, liegt daran, daß der typische Deutsche heute älter als vierzig ist.
Die Frauen des Geburtsjahrgangs 1964 - des letzten der Baby-Boomer -, die bisher keine Kinder bekamen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine mehr bekommen. Was einst als privatester aller privaten Entschlüsse galt, entwickelt sich jetzt vor den fassungslosen Augen der Beteiligten zu einem Politikum
", meint Frank SCHIRRMACHER.

KRUGMAN, Paul (2005): America's Senior Moment,
in: The New York Review of Books Nr.4 v. 10.03.

Der US-amerikanische Ökonom KRUGMAN kritisiert das Buch The Coming Generational Storm von Laurence J. KOTLIKOFF & Scott BURNS. KRUGMANN teilt nicht deren demografischen Pessimismus.

EIDLHUBER, Mia (2005): Die Alten kommen.
Unternehmen entdecken den Arbeitnehmer "40+" neu - sie müssen auch,
in: Der Standard v. 09.04.

Die schöne junge welt muss als Zurichtung der Nach-68er-Generationen für den neuen Arbeitsmarkt der jungen Alten gelesen werden, das legt EIDLHUBER nahe:

"Die Babyboomer tun heute gut daran, sich Zeit ihres Lebens auf den Jogging-Pfaden fit zu halten, denn sie sind die erste Generation, die man nicht in Frühpension schicken wird"

KAISER, Tina (2005): "Die Alten sind in der Überzahl".
Björn Böhning ist 26 Jahre alt und Juso-Vorsitzender. Ein Expertengespräch über die Jugend von heute
in: Welt am Sonntag v. 10.07.

Zwei 78er unter sich - nein, diesmal nicht 78er-Generation, sondern Geburtsjahrgang 1978. Tina KAISER versucht den Juso-Vorsitzenden Björn BÖHNING zum Generationenkrieg anzustiften, was jedoch nicht gelingt:

"Die Babyboomer sind fast doppelt so geburtenstark wie unsere Jahrgänge. In ihrer gesellschaftlichen Position haben sie gar kein Interesse an Veränderung.
         Böhning: Ich glaube nicht, daß es so was wie Generationenegoismus gibt. Außerdem sind wir selbstbewußt genug, unsere Bedürfnisse artikulieren zu können. Ein Generationenkrieg würde uns im übrigen nicht helfen. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir den anzetteln würden. Die Alten sind in der Tat in der Überzahl."

2006

WINKELMANN, Ulrike (2006): "Es wird keine Jobs für Baby-Boomer geben".
Arbeitsmarktexperte Johann Fuchs warnt davor, auch die geburtenstarken Jahrgänge zur Rente mit 67 zu zwingen,
in: TAZ v. 31.01.

NIEJAHR, Elisabeth (2006): Die Entdeckung des Alters.
Das Gute an der Rentendebatte: Die Deutschen merken, worauf es künftig ankommt,
in: Die ZEIT Nr.8 v. 16.02.

Elisabeth NIEJAHR verkündet, dass die Verlierer der vergangenen Rentenreformen - die Post-68er -  die Reformen widerstandslos abnickten:

"Schon die vergangenen Rentenreformen gingen den Babyboomern nie schnell und weit genug: Erst kämpften sie dafür, dass Helmut Kohl als Kanzler den demografischen Faktor in seine Rentenreform aufnahm. Später forderten sie Gerhard Schröder auf, das Rentenniveau möglichst weit abzusenken. All das schadete nicht den Rentnern von heute, sondern denen von morgen. Insgesamt, so die Berechnungen des Rentenexperten Bert Rürup, haben die Reformen von Kohl und Schröder zur Verringerung der Rentenansprüche um dreißig Prozent geführt. Verkehrte Welt: Die Verlierer nicken – und die anderen klagen."

OSTERMANN, Dietmar (2006): Generation Protest.
Zum Erbe von Amerikas Babyboomern, die jetzt 60 werden, gehört die Liberalisierung der Gesellschaft,
in: Frankfurter Rundschau v. 18.02.

OSTERMANN stellt Leonard STEINHORN vor, der mit den Buch The Greater Generation das schlechte Image der Baby-Boomer (Kohorte der 1946 - 1964 Geborenen) aufpolieren möchte.

KOHLBACHER, Florian (2006): Arbeitskräftemangel und Wissensverlust?
Das Jahr-2007-Problem in Japan,
in: Japanmarkt, Juli

"Die demographische Struktur Japans bringt ein unmittelbar bevorstehendes Ereignis mit weit reichenden Konsequenzen mit sich: Nisennananen-mondai, das Jahr-2007-Problem. In Japan könnte ein großer Teil der dankai-sedai oder der Baby Boomer ab dem Jahr 2007 ihr 60. Lebensjahr erreichen und planmäßig in den Ruhestand gehen. Die japanische Baby–Boom-Generation umfasst nach der engen Definition, die Personen, die zwischen 1947 und 1949 geboren wurden. (...).
Die Gesamtzahl der Baby Boomer von 6,8 Millionen — nach der weiten Definition die noch die Jahrgänge 1950 und 1951 einschließt sogar 10 Millionen — macht zwar nur circa 5,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, dafür aber knapp 10 Prozent der Erwerbsbevölkerung aus" (2006, S.8),

beschreibt Florian KOHLBACHER das Pensionierungsproblem, das die Babyboomer auslösen. Ein Kasten auf Seite 9 erklärt den japanischen Babyboomer-Begriff folgendermaßen:

"Die japanische Baby-Boom-Generation wird auf japanisch als dankai-sedai oder dankai-no-sedai, wörtlich also als »Klumpen«- oder »Haufengeneration« bezeichnet. Dieser Ausdruck geht auf den Roman »Dankai no sedai« von Taichi Sakaiya aus dem Jahr 1976 zurück und hat sich seitdem eingebürgert, da die Generation der Baby-Boomer im Vergleich zu anderen Jahrgängen aufgrund der »Masse« tatsächlich wie ein großer Klumpen oder Packen erscheint."

Florian KOHLBACHER sieht nicht wirklich ein Jahr-2007-Problem auf Japan zukommen.

Gemäß den Historical Statistics of Japan (Stand: April 2012) der japanischen Statistikbehörde wurden in Japan in den Jahrgängen 1940 bis 1952 mehr als 2 Millionen Kinder geboren:

Tabelle: Anzahl der Lebendgeborenen und Geburtenrate in Japan 1940 - 1952
Jahr

Anzahl Lebendgeborene

Geburtenrate (TFR) Nettoreproduktionsrate
1940 2.115.867
(2,110 Mill*)
4,12 1,44
1941 2.277.293
(2,256 Mill.*)
k. A. k. A.
1942 2.233.660
(2,313 Mill.*)
k. A. k. A.
1943 2.253.535
(2,219 Mill.*)
k. A. k. A.
1944 k. A.
(2,274 Mill.*)
k. A. k. A.
1945 k. A.
(1,902 Mill.*)
k. A. k. A.
1946 k. A.
(1,576 Mill.*)
k. A. k. A.
1947 2.678.792
(2,623 Mill.*)
4,54 1,72
1948 2.681.624
(2,702 Mill.*).
4,40 1,76
1949 2.696.638
(2,694 Mill.*)
4,32 1,75
1950 2.337.507
(2,447 Mill.*)
3,65 1,51
1951 2.137.689
(2,239 Mill.*)
3,26 1,39
1952 2.005.162
(2,071 Mill.*)
2,98 1,29
Anm.: * Angaben Statistisches Jahrbuch 2018, Tab. 2-1

Der Verlauf des japanischen Babybooms zeigt, dass der erste Babyboomer-Jahrgang 1947 die höchste Geburtenrate aufwies und von da an ein Geburtenrückgang einsetzte, wobei die Geburtenraten anfangs weit über dem Ersatz der Elterngeneration (Nettoreproduktionsrate 1 und höher) lagen. Zwischen 1956 und 1964 wurde die Elterngeneration dagegen nicht mehr ersetzt. Erst ab 1975 fiel die Geburtenrate dauerhaft unter das Bestandserhaltungsniveau.

Seit dem Jahr 2005 liegt die Anzahl der Lebendgeborenen in Japan zwischen 1 Million und unter 1,1 Millionen (vgl. Statistisches Jahrbuch 2018). Die heutigen Jahrgänge in Japan umfassen also lediglich 40 Prozent der geburtenstarken Jahrgänge. In Deutschland waren die geburtenstärksten Jahrgänge nur halb so groß wie in Japan. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland die wenigsten Kinder geboren. Das waren rund 48,5 Prozent des geburtenstärksten Jahrgangs 1964.

Seit 2010 ist die japanische Bevölkerung um rund 1 Million Menschen geschrumpft. Inwieweit damit ein dauerhafter Schrumpfungsprozess eingesetzt hat, das ist die Frage. Auch in Deutschland sollte die Bevölkerung gemäß Bevölkerungsvorausberechnungen bereits dauerhaft schrumpfen, doch die Bevölkerungsentwicklung hielt sich nicht an die Prognosen.     

2007

MONNIER, Alain (2007): Le baby-boom : suite et fin,
in: Population & Sociétés Nr.431, Februar

Alain MONNIER unterscheidet Länder, in denen ein Babyboom nach dem 2. Weltkrieg stattfand von anderen Ländern, in denen es keinen Babyboom nach dem 2. Weltkrieg gab:

"Le baby-boom désigne l’augmentation temporaire de la natalité observée dans certains pays industrialisés, entre 1945 et 1975, suite à une reprise de la fécondité. Sa chronologie et son ampleur s’apprécient au vu de la courbe des naissances annuelles. Deux éléments permettent d’identifier les pays du baby-boom : une natalité relativement faible dans les années 1930 puis une natalité relativement élevée dans les 25 ans qui suivent la Seconde Guerre mondiale.
En se fondant sur ces critères, la liste des pays du baby-boom regroupe essentiellement les états du quart nord-ouest de l’Europe : les pays scandinaves, l’Allemagne, l’Autriche, la Belgique, la France, le Luxembourg, le Royaume-Uni et la Suisse, ainsi que, de façon un peu moins nette, la Finlande et les Pays-Bas. Parmi ces pays, l’ampleur et les particularités du baby-boom varient notablement.
Dans les pays d’Europe méridionale et centrale, ainsi qu’en Irlande, la natalité était élevée dans les années 1950 et 1960, mais ces pays n’ont pas à proprement parler connu de baby-boom, dans la mesure où leur natalité avant-guerre était encore forte.
En France, le nombre de naissances est devenu inférieur à 800 000 en 1975, alors que la fécondité avait amorcé sa chute depuis 1965. En effet, l’arrivée aux âges de la maternité des premières générations du baby-boom (femmes nées en 1945) a permis de compenser partiellement la baisse de la fécondité jusqu’au milieu des années 1970. Ce phénomène « d’auto-renouvellement » du baby-boom s’observe également, à des degrés divers, aux Pays-Bas ou en Suède, mais il n’a pas eu lieu en revanche en Allemagne ou au Royaume-Uni." (2007, S.3)

Der Baby-Boom und damit die Babyboomer werden aus dieser Sicht in Relation zu den Vorgänger- bzw. Nachfolgerkohorten betrachtet. Wo es keine als außergewöhnlich empfundene Veränderungen bei der Geburtenrate gab, kann es nach dieser Sicht auch keinen Babyboom gegeben haben. In dieser Sicht ist die Entwicklung der Geburtenrate entscheidender als die reine Kohortenstärke von Geburtsjahrgängen.

MONNIER sieht das Phänomen in Europa insbesondere im Nordosten verbreitet: Skandinavien, Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Luxemburg, Großbritannien und die Schweiz. Finnland und die Niederlande waren jedoch weniger betroffen. Im restlichen Europa wie in Irland spielt das Phänomen keine Rolle. Während in manchen Ländern jedoch auch nach 1975 noch ein neuer Babyboom ausgemacht wird (z.B. Frankreich, die Niederlande und Schweden) bleibt in anderen Ländern ein weiterer Babyboom aus.

Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Entwicklung der Lebendgeborenen und der Geburtenrate im Frankreich der Jahre 1940 bis 1975 ersichtlich:

Tabelle: Anzahl der Lebendgeborenen und Geburtenrate in Frankreich
1940 - 1975
Jahr

Anzahl Lebendgeborene

Geburtenrate (TFR)
1940 561.281 1,99
1941 522.261 1,84
1942 575.261 2,00
1943 615.780 2,15
1944 629.878 2,23
1945 645.899 2,29
1946 843.904 2,97
1947 870.472 3,01
1948 870.836 2,97
1949 872.661 2,97
1950 862.310 2,93
1951 826.722 2,77
1952 822.204 2,73
1953 804.696 2,66
1954 810.754 2,69
1955 805.917 2,68
1956 806.916 2,67
1957 816.467 2,70
1958 812.215 2,69
1959 829.249 2,74
1960 819.819 2,73
1961 838.633 2,82
1962 832.353 2,79
1963 868.876 2,89
1964 877.804 2,90
1965 865.688 2,84
1966 863.527 2,79
1967 840.568 2,66
1968 835.796 2,58
1969 842.245 2,53
1970 850.381 2,47
1971 881.284 2,49
1972 877.506 2,41
1973 857.186 2,30
1974 801.218 2,11
1975 745.065 1,93
Quellen: Lebendgeborene: INED, Tabelle Nés vivants et enfants sans vie selon le sexe
1901-2016 (Zugriff am 13.04.2018); Zusammengefasste Geburtenziffern: TEITELBAUM &
WINTER (1985)
, S.158f.

Die Allianz-Studie aus dem Jahr 2014 zählt die Jahrgänge 1946 bis 1967 zu den Babyboomern.

BRÜNNING, N./MORITZ, H.-J./ÖTTL, S./THEWES, F./TUTT, C. (2007): Trickreiche Umverteilung.
Weil der Nachwuchs ausbliebt, wollen die Politiker den Jungen mehr geben, ohne den Älteren etwas zu nehmen,
in: Focus,
Nr.19 v. 07.05.

Ein Schaubild zeigt die Anzahl Lebendgeborener von 1970 bis 2004. Ein Text erläutert, dass im Vergleich zu 1970 32,6 % Kinder zur Welt kamen. Ein anderer Text erklärt dann:

"Bei einer Geburtenrate von 1,3 Kindern je Paar ist jede Generation um ein Drittel kleiner als die vorherige."

Ein weiteres Schaubild zeigt die Veränderung der Jungen zu den Alten in den Jahren 2003 bis 2005. Danach sind die unter 6-Jährigen um 4 % zurückgegangen, die 6-15-Jährigen ebenfalls, während die 65 Jahre und Älteren um 7 % zugenommen haben. Der Rückgang der Kinderzahlen wird als "Demographie-Dividende" bezeichnet, die zur Umverteilung für den Ausbau der Ganztagskinderbetreuung genutzt werden könne.

Einer Politik zu Gunsten der Jungen stehe jedoch eine wachsende Altenmacht entgegen:

"Eine Politik zu Gunsten der Jungen scheint zumindest bis etwa 2020 durchsetzbar. Dann erreichen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer die zwischen 1955 und 1965 geboren wurden, nach und nach das Rentenalter und schaffen so neue Mehrheiten im Wahlvolk. Sie werden mehr Investitionen für Ältere und in die Pflege verlangen."

Die Autoren zitieren deshalb Sachsens CDU-Ministerpräsidenten Georg MILBRADT, der ein Elternwahlrecht fordert. Das Schlusswort gehört dann dem Pessimismus des nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG. 

WEIRAUCH, Grit (2007): Kampf der Kinderkrieger.
Die Berliner Babyboomer kämpfen um Schulplätze,
in: TAZ v. 22.05.

"In der im Verwaltungsdeutsch Planregion 2 genannten Gegend, zwischen Schönhauser und Prenzlauer Allee, wo Deutschlands Babyboomer wohnen und seit Jahren die Kinderwagen Kolonne fahren, kann jedes vierte Kind nicht die Schule in seiner Nähe besuchen. Denn die sind überfüllt. Es ist, als hätte das Schulamt nicht mitbekommen, wovon die ganze Republik seit Jahren spricht: dass im Prenzlauer Berg, entgegen dem bundesdeutschen Trend, massenhaft Kinder geboren werden", berichtet WEIRAUCH in ihrer Reportage vom Prenzlauer Berg.

COULMAS, Florian (2007): Die Gesellschaft Japans. Arbeit, Familie und demographische Krise, München: C.H. Beck Verlag

Der zweite Teil des Buchs von Florian COULMAS befasst sich mit dem Problem der Generationen und damit auch mit den Babyboomern:

"In Japan dauerte der sogenannte erste Babyboom nur drei Jahre mit einem Maximum von 2.702.000 Lebensgeburten 1948. Danach sank die Geburtenrate drastisch, um 1961 mit 1.607.000 Lebendgeburten einen Tiefpunkt zu erreichen. Das »Echo« auf den ersten Babyboom zeigte sich 25 Jahre später mit 2.107.000 Lebendgeburten 1973. Wegen des allgemeinen Rückgangs der Geburtenrate ist der zweite Gipfel in der Kurve deutlich niedriger als der erste, aber immer noch erkennbar. (...).
1946 lag die Geburtenrate um 70 Prozent unter der von 1948, mit 1.576.000 Lebendgeburten der niedrigste Stand seit 1920. (...). Erwartet wird ein weitere Geburtenrückgang von 1,17 Millionen im Jahr 2002 auf weniger als eine Million im Jahre 2014.
Die ersten Babyboomer werden dann Mitte 60 sein. Sie gelten und empfinden sich als eine »Generation«, und das nicht nur, weil sie in der Bevölkerungspyramide als eine Ausbuchtung erkennbar sind. »Altersgruppe« oder »Kohorte« sind andere Bezeichnungen, die in diesem Fall angemessener sind, da die Babyboomer nur drei Jahrgänge sind, weit weniger als eine biologische Generation. Aber neben der biologischen, gibt es auch die soziale Generation. (...).
Die japanischen Babyboomer der Nachkriegszeit stellen eine Generation dar, weil die schiere Tatsache der geburtenstarken Jahrgänge vielfältige psychologische und soziale Folgen für ihre Sozialisation, ihre schulische Erziehung, ihren Einfluss auf Konjunkturzyklen und ihre Anforderungen an das Sozialsystem hat" (2007, S.33ff.)

Im Anschluss an ICHIKAWA (2003) stellt er vier aufeinanderfolgene Generation vor. Die Babyboomgeneration wird als "Dankai Sedai"  bezeichnet, nach einem Roman des Ökonomen Taichi SAKAIYA aus dem Jahr 1976. COULMAS geht auch auf das Jahr 2007-Problem ein, das in den deutschsprachigen Medien gehypt wurde:

"Die erste Babyboomgeneration ist durch den Zeitpunkt und die Anzahl ihres Auftretens gekennzeichnet. 6,8 Millionen Menschen wurden zwischen 1947 und 1949 geboren, d.h., es gab 30 bis 50 Prozent mehr Geburten als in den benachbarten Dreijahreskohorten. Ihr Einfluss als Generation auf die Gesellschaft ist noch immer spürbar. Im Jahr des Erscheinens dieses Buches erreicht der erste Babyboomjahrgang das Renteneintrittsalter, mit Folgen für den Arbeitsmarkt und die Rentenkassen, ein Umstand, der als »2007-Problem« in den Medien thematisiert wird. " (2007, S.36)

Die Definition des japanischen Babybooms entspricht nicht den üblichen Abgrenzungen. Welchen Einfluss Dreijahreskohorten auf die Gesellschaft wirklich haben, das wäre eine empirische Frage.

Das Problem der Generationengerechtigkeit fasst COULMAS als Problem zwischen erster und zweiter Babyboomgeneration ("Dankai Junia Seda" bzw. "Kinder der ersten Babyboomer")

PHILLIPSON, Chris (2007): Understanding the Baby Boom Generation: Comparative Perspectives,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.7-11

Gemäß Chris PHILLIPSON, der in das Themenheft zur Baby Boom Generation einführt, wird das Babyboomer-Konzept in der Gerontologie hauptsächlich in Europa verwendet. Beispielhaft geht er auf Forschungen in Finnland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich ein. Die Sicht der Demographie beschreibt er als Fokussierung auf den Geburtenanstieg in den Industriestaaten nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei er die Unterschiedlichkeit des Phänomens in den verschiedenen Staaten hervorhebt:

"some countries (e.g. Finland) had a relatively compressed surge in birth rates following demobilization, this coming to an end at the beginning of the 1950s. Others (e.g. Australia and the USA) experienced a longer pe-riod of increasing birth rates – typically from the mid-1940s through to the mid-1960s (McKay 1997; Whitbourne and Willis 2006). The UK had a distinctive pattern of two separate peaks in the birth rate – in 1947 and 1964. In comparison, Germany experienced no real baby boom and only a moderate increase in the birth rate in the early 1960s." (2007, S.7)

Die Auffassung, dass in Deutschland kein wirklicher Babyboom stattfand, dürfte in Deutschland auf Widerspruch stoßen. Im internationalen Vergleich sieht das jedoch anders aus.

Das soziologische Interesse am Babyboom setzt PHILLIPSON mit der Generationen-Debatte gleich, wobei hier eher Politikwissenschaftler und Ökonomen (Stichwort: Generationengerechtigkeit, Alterssicherung) die öffentliche Debatte dominiert haben. Das Ausmaß, in dem das Generationenkonzept in den einzelnen Ländern akzeptiert wird, ist jedoch unterschiedlich. PHILLIPSON nennt das Vereinigte Königreich, in dem das Babyboomer-Konzept eher abgelehnt wird, während es in Finnland eher angenommen wurde. Hier stellt sich die Frage inwiefern dies mit den unterschiedlichen Verläufen des Phänomens in den jeweiligen Ländern zusammenhängt. Dies bleibt bei PHILLIPSON ausgeblendet.

GILLEARD, Chris & Paul HIGGS (2007): The Third Age and the Baby Boomers: Two Approaches to the Social Structuring of Later Life,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.13-30

Chris GILLEARD & Paul HIGGS sehen das Generationenkonzept dem Kohortenkonzept bei der Erklärung der Entstehung des neuen Lebensstils der jungen Alten ("third age") als überlegen an. Die Unterschiede der beiden Ansätze beschreiben sie folgendermaßen:

"In this paper we wish to contrast two alternative perspectives: a cohort based approach to the third age that is framed around the ageing of a »baby boomer« cohort with a generational approach that is concerned with the evolution of »mass consumer culture« across the life course. Common to both approaches is a concern with historical change in the experience of later life. What dif-ferentiates them is the former’s focus upon a distinct cohort identity (i.e. as a baby boomer) as against the latter’s focus upon generational lifestyle (i.e. as participants in the third age)." (2007, S.15)

GILLEARD & HIGGS betonen den Einfluss von Büchern für die Popularität des Baby Boomer-Konzepts. Schon der Titel des kanadischen Bestsellers Boom, Bust & Echo von David K. FOOT deutet auf die Relevanz hin, die demographischen Prozessen zugeschrieben wird. Die Autoren sehen in den Demografen, Politikern und Ökonomen lediglich die Urheber des Begriffs, der zuerst in den 1970er Jahren in den USA aufkam.  Die Popularisierung des Konzepts sehen sie jedoch als Ergebnis des Babyboomer-Marketing in Werbung und Medien.

GILLEARD & HIGGS sehen das Babyboomer-Konzept zudem durch die Unterschiedlichkeit des Phänomens außerhalb der USA als Erklärungskonzept für den Wandel des Alterns untauglich:

"Outside North America less emphasis has been paid to this demo-graphic structure, partly because the post war circumstances of European nations were highly diverse. In Finland, the post war baby boom lasted for about three years (Suokannas 2005; see Karisto this issue); in Eastern Europe, there were few signs of any post war baby boom, rather the op-posite, a decline in fertility throughout the 1950s (Therborn 1995); in Italy there had been a steady decline in fertility that only came to a halt in the 1950s (Livi Bacci 1967); while in Germany there was no post war baby boom until the 1960s. In France and in Britain, there were two quite sepa-rate booms, the first occurring between 1945 and 1950 and the second between 1960 and 1965 (Chauvel 2005; Evandrou and Falkingham 2000) whilst fertility patterns in Eastern Europe developed in quite divergent directions from those in the West, dropping steadily in the post war dec-ades (Coleman 1993)." (2007, S.22)

BIGGS, Simon/PHILLIPSON, Chris/LEACH, Rebecca/MONEY, Anne-Marie (2007): The Mature Imagination and Consumption Strategies.
Age and Generation in the Development of a United Kingdom Baby Boomer Identity,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.31-30

BIGGS, Simon/PHILLIPSON, Chris/LEACH, Rebecca/MONEY, Anne-Marie (2007): The Mature Imagination and Consumption Strategies.
Age and Generation in the Development of a United Kingdom Baby Boomer Identity,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.31-59

BIGGS/PHILLIPSON/LEACHE/MONEY fassen die britischen Baby Boomer als Kohorte der 1945 - 1954 Geborenen:.

"The demographic patterning of UK baby boomers consists of two waves, which peak in 1947 and 1964, respectively. For the purposes of the ESRC/AHRC project, research was based upon so-called »first wave« baby boomers, defined as those born between 1945 and 1954." (2007, S.34)

Diese Kohorten mit dem Höhepunkt 1947 ist die erste Welle der Baby Boomer im Vereinigten Königreich. Ihre Untersuchung beschränken sie auf ein Teilgebiet von Manchester in England, das repräsentativ für das ganze Königreich sein soll::

"The core of the research comprised primary data collection with 150 baby boomers together with 30 follow-up, in-depth, biographical interviews. The sam-ple consists of people born between 1945 and 1954, living in South Manchester, England. The characteristics of the sample did not differ significantly from the same age group in the wider UK population." (2007, S.34)

Warum hier die erste und nicht die zweite Welle der Babyboomer zur Untersuchung herangezogen wurde oder gar ein Vergleich beider Gruppen wird nicht erklärt. 

BONVALET, Catherine & Jim OGG (2007): Ageing in Inner Cities.
The Residential Dilemmas of the Baby Boomer Generation,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.61-90

Catherine BONVALET & Jim OGG beschäftigen sich mit der Rolle der Babyboomer (Jahrgänge 1945 - 1954) bezüglich der Gentrifizierung in London und Paris. Dabei werden zwei Gruppen von Babyboomern unterschieden: jene, die früher in die Stadt zogen ("Local Inhabitants") und jene, die im Rahmen ihrer Pensionierung in die Stadt ziehen ("Retirement Migration). BONVALET & OGG heben Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb der Babyboomer hervor, wobei auch länderspezifische Unterschiede deutlich werden.

KARISTO, Antti (2007): Finnish Baby Boomers and the Emergence of the Third Age,
Age and Generation in the Development of a United Kingdom Baby Boomer Identity,
in: International Journal of Ageing and Later Life, Nr.2, S.91-108

Antti KARISTO beschreibt den Babyboom in Finnland folgendermaßen:

"The war against the Soviet Union ended in September 1944. The war against Germany in Lapland continued, however, until the following spring, but with the majority of soldiers demobilized by the end of 1944. It then took around ten months from their home-coming for the arrival of what came to be known as the »baby boom«-generation. In the first post-war summer the birth rate more than doubled compared with previous months. It had never been as high before nor has been since. The birth rate reached its peak just after mid-August 1945, with August 24 being the most common Finnish birth-day of all time (Karisto 2005b).
The meteoric increase of the birth rate is extraordinary, even taking into account the ending of the war and demobilization. It is surprising in the light of the loss of married men during the war and in the way that war-time had impeded the mating of young people. In the Finnish case,however, the recovery from war happened very quickly, at least from an economic, cultural and demographic perspective. By the time indemnities to the Soviet Union were paid in 1952, the country had already surpassed the pre-war gross national product (GNP). That same year was the culmination of mental reconstruction, symbolised by the Helsinki Olympic Games. The baby boom was though already over at this point, with the birth rate beginning to drop from the beginning of the 1950s (...)." (2007, S.92f.)

KARISTO hebt insbesondere den Zeitpunkt bzw. die kurze Dauer des Babybooms und die enorme Kohortenstärke der finnischen Babyboomer hervor, die Finnland als Ausnahme erscheinen lassen.

Zudem wird das Fehlen eines zweiten Babybooms betont, wobei von "Echo Generation" gesprochen wird. Ein demographischer Echo-Effekt ist nicht zu verwechseln mit einem Babyboom. Echo-Effekte werden durch die steigende Anzahl von gebärfähigen Frauen hervorgerufen, während ein Babyboom durch ansteigende Geburtenraten gekennzeichnet ist. Oder anders ausgedrückt: Echo-Effekte sind Struktureffekte, während ein Babyboom auf Verhaltensänderungen beruht.

 
     
 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 01. April 2018
Update: 03. Februar 2019