2015
MÜLLER, Reinhard (2015): Woher kommen wir?
Urteil zu Samenspenden: Der
Bundesgerichtshof hat das Recht der Kinder, zu wissen, wer ihre
leiblichen Eltern sind, gestärkt. Eine wichtige Entscheidung.
Denn auf dem Spiel steht noch viel mehr: Familie und Kultur,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.01.
WERDERMANN, Felix
(2015): Die Angst vor der Unterhaltspflicht.
Samenspenden: Auch
minderjährige Kinder haben ein Recht zu erfahren, wer ihr
biologischer Vater ist. Bleiben nun die Samenspender weg? Nein –
wenn man Unterhalts- und Erbrecht ändert,
in:
Freitag N.6 v. 05.02.
SCHMOLLACK, Simone (2015): "Trend geht zur offenen Spende".
Kinder: Diplom-Psychologin
Doris Wallraff begrüßt das Urteil des Bundesgerichtshofs, nach
dem auch Minderjährige die Identität ihres Samenspenders
erfahren dürfen,
in:
TAZ v. 20.02.
STEINER, Anya (2015): Mutter Spender Kind. Wenn Singlefrauen
Familien gründen Ch. Links Verlag
WOHLFARTH, Isabell (2015): Wenn Singlefrauen Kinder bekommen.
Mutter Spender Kind: Kinder
waren immer fester Teil des Plans. Doch dann fehlt mit Ende 30
der Partner. Viele Frauen bleiben dann kinderlos. Manche aber
geben den Traum vom Kind nicht auf, sie suchen Lösungen wie
Samenspende oder Adoption oder Pflegschaft – oft ein schwieriger
Weg,
in: Kölner
Stadt-Anzeiger Online v. 06.03.
LUZ, Christine (2015): Einfacher wäre, ihn zu vergessen.
Familie: Sie wollen ein Kind.
Er kann es nicht zeugen. Irgendwann bestellen Sonja und Mathias
das Sperma eines Fremden,
in: TAZ
v. 21.03.
ALBRECHT,
Jörg & Sonja KASTILAN (2015): Können wir es besser?
Dem unvollkommenen Menschen
auf die Sprünge zu helfen ist ein alter Traum. Vor allem für
Genetiker. Jetzt sind sie ihrem Ziel wieder ein Stück näher
gekommen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 22.03.
MITIC-PIGORSCH, Katja (2015): Familiengründung? Das geht doch
längst ohne Mann.
Frauen ohne passenden Partner
stellen sich irgendwann die Frage, ob sie weiter auf den
Richtigen warten wollen oder alleine Kinder großziehen. Die
Samenspende eröffnet ihnen ganz neue Perspektiven,
in: Welt
Online v. 26.03.
HARTWIG, Ina
(2015): Reproduktionsmedizin als Metapher.
Auf den Spuren Susan Sontags,
in: Merkur
Nr.791,
April
SPIEWAK,
Martin (2015): Dubioser Rekord.
Vierlinge mit 65 Jahren? Das
geht nur unter Missachtung aller deutschen Regeln für die
Kinderwunsch-Medizin,
in:
Die ZEIT Nr.16 v.
16.04.
ROEDIG, Andrea (2015): Der Bauch gehört ihr.
Eine fünfundsechzigjährige
Frau, die dank Reproduktionsmedizin mit Vierlingen schwanger
geht, gibt derzeit zu reden. Ist eine solch späte Erfüllung des
Kinderwunsches «gegen die Natur»?,
in: Neue
Zürcher Zeitung v. 25.04.
HAARHOFF, Heike (2015): Schwesigs Luftnummer.
Künstliche Befruchtung: Paare ohne Trauschein werden trotz der
Initiative der Familienministerin bei der staatlichen Förderung
ihres Kinderwunsches leer ausgehen,
in: TAZ v. 01.06.
VICIANO, Astrid (2015): Aus
dem Eis.
Bislang führt eine Krebstherapie häufig zur Unfruchtbarkeit.
Mithilfe tiefgefrorener Eierstöcke und Eizellen können sich
Frauen den Kinderwunsch dennoch erfüllen,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 13.06.
HAMMER, Mirja (2015): Weiblich, ledig, trotzdem schwanger.
Singlefrau sucht
Samenspender: Sie haben den Richtigen nicht gefunden, wollen
aber nicht auf Kinder verzichten. Weil ihnen eine Samenspende in
Deutschland schwer bis unmöglich gemacht wird, gehen immer mehr
Singlefrauen dafür ins Ausland - manche auch bis an ihre
Grenzen,
in: Stern
Online v. 19.06.
WIPPERMANN, Carsten & Katja WIPPERMANN (2015): Ungewollte
Kinderlosigkeit. Was Betroffene bewegt - und wie Medizin,
Beratungsstellen, Betroffenenverbände, Krankenversicherungen,
Wissenschaft und Politik sie unterstützen können, herausgegeben
vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Der Begriff
"ungewollte Kinderlosigkeit" wird in der Untersuchung von
Carsten WIPPERMANN weiter gefasst als in der von der
Reproduktionsmedizin gebräuchlichen Definition oder der
konservativen Sicht auf Kinderlose. Dazu heißt es:
"Die
Bezeichnung »Ungewollte Kinderlosigkeit« und die
bedeutungsähnliche Variation »Unerfüllter Kinderwunsch«
werden meist verwendet als Ergebnis des erfolglosen
Versuchs, ein (eigenes) Kind zu bekommen, und sind eng
assoziiert mit dem Befund oder der Vermutung der
Infertilität.
Dabei
wird explizit oder implizit vorausgesetzt, dass ungewollt
Kinderlose in einer Partnerschaft leben und das Paar seit
einem Jahr (und länger) aktiv und erfolglos versucht, auf
natürlichem Wege oder durch Unterstützung einer
Kinderwunschbehandlung ein Kind zu bekommen. Kerngedanke
ist, dass für Personen mit unerfülltem Kinderwunsch eine
Partnerschaft die Voraussetzung ist für einen
realistischen Kinderwunsch oder sich mit der eigenen
Infertilität oder der des Partners/der Partnerin
auseinanderzusetzen. Die Voraussetzung der stabilen
Partnerschaft ist zugleich eine normative (teilweise
auch moralische) Vorstellung von Familie.
Doch
damit werden jene
ohne aktuellen Partner per Definition ausgeschlossen und ihr
Kinderwunsch wird nicht als gleichwertig anerkannt.
Angesichts der Individualisierung und Pluralisierung von
Lebensformen und Lebensverläufen, von Partnerschaftsformen
und Partnerschaftsverläufen wäre es eine Verkürzung und
statische (nicht lebenslaufbezogene) Betrachtung, wenn mit
ungewollt Kinderlosen nur jene gemeint wären, die
aktuell in einer stabilen Partnerschaft sind. Die
vorliegende Untersuchung beobachtet, dass viele ohne Partner
einen ausgeprägten Kinderwunsch haben und unter ihrer
Kinderlosigkeit leiden; dass einige sich auch ohne Partner
ein Kind wünschen; dass einige sich von ihrem Partner
trennten, weil dieser kein Kind wollte oder sich der
Kinderwunsch nicht erfüllte. Diese aus der
sozialwissenschaftlichen Definition »ungewollte
Kinderlosigkeit« auszuschließen, wäre realitätsfern, würde
ihren Kinderwunsch nicht anerkennen oder als weniger
erheblich stigmatisieren.
Daher
umfasst in der vorliegenden Studie die Gruppe der ungewollt
Kinderlosen alle Personen mit aktuellem unerfüllten
Kinderwunsch: Dazu gehören jene in fester Partnerschaft
(Ehe, nichteheliche Lebensgemeinschaft) und jene ohne
Partnerschaft. Ungewollte Kinderlosigkeit ist eine
subjektive Selbstverortung von Personen, die sich momentan
ein Kind wünschen und bisher keines bekommen haben oder
können. Diese Definition hat zwei wesentliche Vorteile: (1)
Das Spektrum von Ursachen und Motiven ist nicht auf eine
Teilgruppe reduziert, sondern geweitet und ermöglicht eine
ganzheitliche, realitätsgerechte Analyse. (2) Der
Kinderwunsch wird nicht nur statisch, sondern dynamisch
erfasst durch Einbeziehung von zeitlichen Perspektiven,
Lebensplänen sowie Veränderungen im Lebens- und
Partnerschaftsverlauf. Insofern wird ungewollte
Kinderlosigkeit in dieser Untersuchung umfassend definiert
und differenziert analysiert (z. B. nach Partnerschaftsform,
Alter, Lebensphase, Milieu u. a.)."
(2014, S.9)
WIPPERMANN, Carsten (2015): Kinderlose Frauen und Männer.
Ungewollte oder gewollte Kinderlosigkeit im Lebenslauf und
Nutzung von Unterstützungsangeboten, herausgegeben vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
AMANN, Melanie
u.a. (2015): Familie für alle.
Recht: Die Reproduktionsmedizin und neue Formen des
Zusammenlebens verändern den Begriff von Familie und Abstammung.
Die Gesetze sind dafür nicht geschaffen. Die Bundesregierung ist
überfordert,
in:
Spiegel Nr.31
v. 01.08.
BACHINGER, Eva Maria (2015): Kind auf Bestellung. Ein
Plädoyer für klare Grenzen Wien: Deuticke Verlag
PAWLIK, Michael (2015): Nachwuchs ist für alle da.
Vom Eizellen-Einfrieren bis zur Leihmutter in Indien: Ein Buch
gegen den selbstgerechten Konsum der Reproduktionsmedizin,
in:
Welt
v. 08.08.
"Es gibt kein Recht auf ein
Kind" heißt die allgemeine Abwehrformel gegen
reproduktionsmedizinischen Fortschritt. Wer dafür eintritt,
der sollte zu allererst für die Gleichberechtigung von Eltern
und Kinderlosen eintreten. Dies würde bedeuten sich gegen
Forderungen nach einem Familienwahlrecht oder eine Rente nach
Kinderzahl auszusprechen oder ganz allgemein: sich gegen
Bevölkerungspolitik zu engagieren. Alles andere wäre mehr als
verlogen.
Oftmals verbirgt sich
jedoch hinter dem Satz "Es gibt kein Recht auf ein Kind"
lediglich die Ansicht: Es gibt kein Recht auf ein Kind für
ganz bestimmte Bevölkerungskreise (z.B. die "Unterschicht"
bzw. Sozialhilfeempfänger, gleichgeschlechtliche Paare,
Partnerlose usw.).
LENZEN, Manuela (2015): Der unbedingte Kinderwunsch.
Die Journalistin Eva Maria Bachinger unterzieht die Angebote zu
assistierter Fortpflanzung einer harten Kritik,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung
v. 08.08.
STALA BW (2015): Anteil der Zwillingsgeburten verdoppelt.
2014 kamen in Baden-Württemberg 1 750 Zwillingspaare zur Welt -
Bei älteren Müttern ist eine Zwillingsgeburt wahrscheinlicher -
auch 38 Drillingsgeburten,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Landesamts Baden-Württemberg
v. 27.08.
"Von den 94 091
baden‑württembergischen Frauen, die im Jahr 2014 Kinder zur Welt
brachten, gebaren 1 750 Zwillinge. Damit hat sich der Anteil der
Zwillingsgeburten an allen Geburten seit dem Jahr 1980 auf
zuletzt knapp 2 Prozent annähernd verdoppelt. 1 Bei etwa jeder
54sten Geburt sind somit im vergangenen Jahr Zwillinge geboren
worden, so das Statistische Landesamt. Im Jahr 1980 waren es
1001 Zwillingsgeburten.
38 Frauen mit Wohnsitz in Baden‑Württemberg bekamen 2014 sogar
Drillinge. Das heißt, dass bei etwa jeder 2 500sten Geburt
Drillinge geboren wurden. Erstmals wurden seit dem Jahr 2010
auch wieder Vierlinge geboren, nämlich zweimal. Die höchste Zahl
an Vierlingen gab es seit 1980 in Baden‑Württemberg in den
Jahren 1987 und 1989 (jeweils fünf). Fünflinge wurden seit 1980
in sechs Jahren geboren, zuletzt 1999.
Im Jahr 2014 gab es mehr Geburten mit Zwillingsbrüdern als mit
Zwillingsschwestern (578 gegenüber 520). Die größte Gruppe bei
Zwillingsgeburten waren allerdings die Geburten mit einem Jungen
und einem Mädchen (652). Die Geburt von »Pärchen« war bereits in
allen Jahren seit 2001 am häufigsten. Ganz anders dagegen noch
in den 1980er-Jahren. Damals waren Zwillingsgeburten mit einem
Jungen und einem Mädchen jeweils am seltensten. 2 Im vergangenen
Jahr waren 567 der Frauen, die Zwillinge gebaren, 35 Jahre oder
älter. Das bedeutet, dass bei den
»späten Müttern« immerhin
2,5 Prozent der Geburten und damit jede 40. Geburt
Zwillingsgeburten waren. Bei den Frauen im Alter von unter
35 Jahren lag dieser Anteil lediglich bei 1,6 Prozent. Der
Anstieg der Mehrlingsgeburten in den letzten Jahrzehnten erklärt
sich somit auch damit, dass ältere Mütter überdurchschnittlich
oft Zwillinge bekommen und der Anteil der Kinder, die von
Müttern im Alter von 35 Jahren oder später geboren wurden,
stetig angestiegen ist. So hat sich der Anteil »später Mütter«
seit dem Jahr 2000 von 17 Prozent auf zuletzt immerhin
24 Prozent erhöht.
Der Hauptgrund für den Anstieg der Zwillingsgeburten dürfte
allerdings sein, dass bis zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts
immer öfter Frauen mit Hilfe der künstlichen Befruchtung
schwanger wurden. Weil sich Paare zunehmend später für ein Kind
entscheiden, sind sie häufiger auf die Reproduktionsmedizin
angewiesen. Etwa jede fünfte Reagenzglasbefruchtung führt
hierbei zu Zwillingsgeburten", meldet das Statistische Landesamt
Baden-Württemberg.
BOHSEM, Guido (2015): Lesbisch, kinderlos - selbst schuld?
Homosexuelle mit Kinderwunsch
sind steuerlich im Nachteil,
in: Süddeutsche
Zeitung
v. 27.11.
HUMMEL, Katrin (2015): Wir dachten, er weiß, was er tut.
Zwei lesbische Frauen
bekommen mit Hilfe eines Samenspenders ein Kind. Doch nach der
Geburt will der Mann plötzlich das Sorgerecht. Chronologie eines
Albtraums,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 29.11.
BAUREITHEL, Ulrike (2015): Sprengstoff für den Diskurs: Zur
Zukunft der Familienarbeit,
in: Freitag
Nr.52/53
v. 23.12.
"Kitchen Politics, eine
radikal-subversive Denkfabrik, interveniert seit kurzem mit
einer gleichnamigen Buchreihe in der queerfeministischen
Debatte. Das Kollektiv greift eine im angelsächsischen Raum
schon weiter gediehene feministisch-marxistisch inspirierte
Analyse des globalen Marktes für Reproduktionstechnologien
auf, um über die Transformation von Arbeit, Reproduktion und
Familie nachzudenken.
Dieses dritte Bändchen der Reihe, Sie nennen es Leben,
wir nennen es Arbeit. Biotechnologie, Reproduktion und
Familie im 21. Jahrhundert, birgt Sprengkraft. Die
deutsche Übersetzung zweier richtungsweisender Aufsätze von
Melinda Cooper und Catherine Waldby könnten die hiesige
Diskussion beflügeln, gerade außerhalb akademischer Mauern",
meint Ulrike BAUREITHEL,
die auch für den Gen-ethischen Informationsdienst (GID)
schreibt (Das
Dezemberheft 2014 befasste sich bereits ausführlicher mit
diesem Thema). Die Redakteurin des Gen-ethischen
Informationsdienstes
Susanne SCHULTZ wiederum gehört zum Kollektiv Kitchen
Politics.
2016
BMFSFJ (2016): Unterstützung bei Kinderwunschbehandlungen auch
für unverheiratete Paare,
in:
Pressemitteilung des
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
v. 07.01.
Noch vor 10 Jahren galt die
gewollte Kinderlosigkeit als Hauptproblem der niedrigen deutschen
Geburtenrate, inzwischen gibt es eine Verschiebung der Debatte
hin zur ungewollten Kinderlosigkeit bzw. zur
Berücksichtigung
kinderreicher Familien. In der Pressemitteilung heißt es nun:
"Immer mehr Paare leben heute
auch ohne Trauschein glücklich zusammen. Eine moderne
Familienpolitik muss sich deshalb nach den gesellschaftlichen
Veränderungen ausrichten. Die im Zusammenhang mit der Bundesinitiative zur besseren
Unterstützung ungewollt kinderloser Paare durchgeführte
sozialwissenschaftliche Milieuuntersuchung hat bestätigt, dass
zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz auch unverheiratete Paare
von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind: Der Anteil ist
hier sogar doppelt so hoch (38 Prozent) wie der Anteil bei den
Verheirateten mit unerfülltem Kinderwunsch (19 Prozent)."
Hier wird eine
Sichtweise suggeriert, die ungewollte Kinderlosigkeit einzig und
allein mit biologisch-medizinischer Kinderlosigkeit im Sinne von
Unfruchtbarkeit gleichsetzt (denn in dieser Pressemeldung ist
ausschließlich die Förderung künstlicher Befruchtung gemeint).
Dies zeigt zum einen die Definitionsmacht der Reproduktionsmedizin
und zum anderen die Ignoranz gegenüber anderen, sozial bedingten
Formen ungewollter Kinderlosigkeit, z.B. aufgrund von
Partnerlosigkeit oder fehlendem Kinderwunsches eines Partners. Was
das Bundesfamilienministerium aus der Studie zu ungewollter
Kinderlosigkeit verschweigt:
"Die Partnersituation ist ein
zentraler Faktor für jene mit aktuellem Wunsch nach einem Kind. 58
% leben in fester Partnerschaft: 38 % sind unverheiratet, 19 %
sind verheiratet, 1 % lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft –
und möchte ein Kind (bisher erfolglos); das heißt, 39 % der
ungewollt Kinderlosen sind ledig ohne feste Partnerin bzw. festen
Partner."
(2015,
S.11)
Bezeichnenderweise befinden sich
die vom Bundesfamilienministerium selektiv zitierten Daten zum
Familienstand und ungewollter Kinderlosigkeit gerade nicht in der
Broschüre für Reproduktionsmediziner, sondern für Politiker!
Im Gegensatz zur derzeitigen
Begriffspolitik, die sich selbst noch in der
2. Auflage des sozialwissenschaftlichen Sammelbandes Ein Leben
ohne Kinder aus dem Jahr 2013 befindet, verengt der
Studienautor Carsten WIPPERMANN den Begriff der ungewollten
Kinderlosigkeit nicht auf biologisch-medizinische Gründe, die nun in
der Pressemeldung missverständlicherweise im Mittelpunkt stehen
(mehr hier). Es wird in einer anderen Broschüre des Autors im Auftrag
des Bundesfamilienministeriums sogar diese Praxis ausdrücklich
kritisiert:
"Die
Bezeichnung »Ungewollte Kinderlosigkeit« und die
bedeutungsähnliche Variation »Unerfüllter Kinderwunsch« werden
meist verwendet als Ergebnis des erfolglosen Versuchs, ein
(eigenes) Kind zu bekommen, und sind eng assoziiert mit dem Befund
oder der Vermutung der Infertilität.
Dabei wird explizit oder implizit vorausgesetzt, dass
ungewollt Kinderlose in einer Partnerschaft leben und
das Paar seit einem Jahr (und länger) aktiv und
erfolglos versucht, auf natürlichem Wege oder durch
Unterstützung einer Kinderwunschbehandlung ein Kind zu
bekommen. Kerngedanke ist, dass für Personen mit
unerfülltem Kinderwunsch eine Partnerschaft die
Voraussetzung ist für einen realistischen
Kinderwunsch oder sich mit der eigenen Infertilität
oder der des Partners/der Partnerin
auseinanderzusetzen. Die Voraussetzung der stabilen
Partnerschaft ist zugleich eine normative
(teilweise auch moralische) Vorstellung von Familie.
Doch damit werden jene ohne aktuellen Partner per Definition
ausgeschlossen und ihr Kinderwunsch wird nicht als gleichwertig
anerkannt."
(2015,
S.9)
Nicht minder schuldig als die
Reproduktionsmedizin ist hier also die Sozial- bzw.
Bevölkerungspolitik sowie ihre Handlanger in der Wissenschaft, die
mit ihren Ausgrenzungsversuchen gegenüber Kinderlosen mehr Schaden
angerichtet haben als dass sie zu einer kinderfreundlichen
Gesellschaft (die es im übrigen nie gab!) beizutragen. Dass lange Zeit in Deutschland Mütter nicht bereuen durften, Mütter
geworden zu sein, und dieses Thema nun erst mit Macht in die
Öffentlichkeit drängt, zeigt dass in Deutschland vieles im Argen
liegt.
ADAM, Elena
(2016): Am Geld soll es nicht scheitern.
Behandlungszuschuss nun auch
für unverheiratete Paare,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
08.01.
KULLMANN,
Kerstin (2016): Auf Eis gelegt.
Fortpflanzung: Das kostbare
Gewebe der Eierstöcke lässt sich entnehmen, einfrieren und
später wieder einsetzen - es hilft Frauen, ihre Fruchtbarkeit zu
bewahren. Ist es auch ein Jungbrunnen?
in:
Spiegel Nr.8 v. 20.02.
MAYER, Astrid (2016): Wenn junge Eltern
schon älter sind.
Familie: Das Thema
polarisiert: Was ist von spätem Kindersegen auch dank
Reproduktionsmedizin zu halten?
in:
Stuttgarter Zeitung v.
12.03.
Astrid
MAYER stellt die Bücher
Kind auf
Bestellung von Eva-Maria BACHINGER und
Späte
Kinder von Eric BREITINGER vor. Thema ist der
Blickwinkel von Kindern später Eltern, der in der Debatte um die
späte Elternschaft vernachlässigt wird. Während BACHINGER nur
das "Wohl" reproduktionsmedizinisch gezeugter Kinder im Blick
hat, die zwar in der Regel späte Kinder sind, aber nicht sein
müssen, legt Eric BREITINGER den Focus auf das ganze Spektrum
später Kinder.
BERNDT,
Christina (2016): Gespendetes Glück.
Andrea Rensch hat bei der
Geburt ihres ersten Kindes ihre Gebärmutter verloren. Weil sie
sich nach einem zweiten Kind sehnt, soll sie nun ein fremdes
Organ transplantiert bekommen,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
19.03.
Christina
BERNDT berichtet über den Wettlauf um die erste
Gebärmuttertransplantation in Deutschland, der durch die erste
erfolgreiche Transplantation und Geburt eines Babys in
Schweden befeuert wird.
STEUER, Helmut (2016): Babys für alle.
In
Schweden dürfen sich jetzt
auch Singles künstlich befruchten lassen. Die Kosten trägt die
Kasse. Die Nachfrage ist groß - nur die Spender fehlen,
in:
Welt v. 06.04.
BERNDT,
Christina (2016): Die Schneeflocken-Babys.
Ein Mann verliert seine erste
Frau an den Krebs. Auf Eis lagern ihre Embryonen. Der Mann
verliebt sich erneut. Darf seine zweite Frau die Kinder
austragen?
in:
Süddeutsche Zeitung v.
23.04.
Wie schon
die
ZEIT im September letzten Jahres befördert Christina
BERNDT die Ideologie der religiösen Rechte, indem sie die
Sicht eines tiefreligiösen Paares schildert und deren
Begrifflichkeit unrelativiert transportiert.
Während der Deutsche
Ethikrat in seiner Stellungnahme von Embryonenspende spricht,
wird im Artikel nahe gelegt, dass Embryonen Kinder seien, die
adoptiert werden müssen. Wie Lebensschützer, die Abtreibungen
grundsätzlich verhindern wollen, wird hier das gleiche
Vokabular benutzt, um die Embryonen"adoption" durchzusetzen:
"es kann doch wohl kaum
im Interesse der Kinder sein, dass sie sterben müssen, bevor
sie geboren werden,"
zitiert BERNDT diese "Kindes"wohl-Argumentation.
Erst am Ende des Artikels wird klar, dass es sich in diesem
geschilderten Fall möglicherweise gar nicht um Embryonen im
Sinne des deutschen Gesetzes handelt, sondern lediglich um
befruchtete Eizellen. Die Lebensschutzbewegung sieht darin
jedoch keinen Unterschied.
Fazit: Immer mehr bestimmen
in Deutschland religiöse Fundamentalisten den medialen
Diskurs. Ihre Sichtweisen fließen untergründig in
Medienberichte ein, ohne dass über verschiedene Sichtweisen
gleichrangig aufgeklärt wird.
Muss zur Freigabe der
Embryonenspende, die BERNDT im Sinne des Deutschen Ethikrats
in diesem Artikel betreibt, unbedingt das Vokabular von
Lebensschützern verwendet werden? Und wer klärt eigentlich
über Lobbyisten wie das Netzwerk Embryonenspende auf? Die
Medien lassen uns im Stich, weil sie ihrer Aufklärungspflicht
nicht nachkommen und stattdessen lieber selber
Interessenpolitik betreiben. Der Glaubwürdigkeit der Medien
dient dies sicher nicht.
WELT AM SONNTAG-Titelgeschichte: Die Neuerfindung der Familie.
Moderne Formen des Zusammenlebens lösen das klassische
Familienmodell zusehends ab. Wie weit wird das noch gehen? Diese
Debatte wird heftiger denn je geführt |
PETERS, Freia
(2016): Welche Familie soll's denn sein?
Ehe: Familie ist ein weites Feld,
auf dem mehr blüht als die Patchworkfamilie. Der Multimillionär
Nicolas Berggruen, zurzeit Single, etwa ließ sich gerade von zwei
Leihmüttern je ein Kind austragen - und sieht sich als "ihr Vater
und ihre Mutter". Und das ist erst der Anfang,
in:
Welt am Sonntag kompakt v. 01.05.
Freia PETERS
berichtet über geplante Änderungen der deutschen Gesetze, die
bislang noch die Anwendung von reproduktionsmedizinischen
Verfahren in Deutschland verhindern.
Während die Embryonenspende und
die Eizellspende erlaubt werden könnte, soll die Leihmutterschaft
in Deutschland zwar weiterhin verboten bleiben, aber aufgrund
eines BGH-Urteils könnten Männer, die ihre Kinder im Ausland von
Leihmüttern austragen lassen, hierzulande als Vater anerkannt
werden.
PETERS zitiert zwei Experten
zum Thema: Tobias HELMS und Christiane WOOPEN, die beiden Mitglied
im Arbeitskreis des Justizministeriums sind, das sich mit Fragen
einer Lockerung der deutschen Gesetze beschäftigt. HELMS geht
aufgrund des BGH-Urteils davon aus, dass der
"Leihmutterschaftstourismus" nach den USA, Indien und Osteuropa
zunehmen wird.
BERNDT, Christina & Verena MAYER
(2016): Alltag hoch vier.
Vor einem Jahr brachte die
65-jährige Annegret Raunigk Vierlinge zur Welt. Mit ihrer späten
Schwangerschaft löste die Mutter von insgesamt 17 Kindern
Diskussionen über künstliche Befruchtung aus. Wie geht es den
Babys heute?
in:
Süddeutsche Zeitung v.
19.05.
BERNDT & MAYER berichten
anlässlich des ersten Geburtstags der Vierlinge der damals
65-jährigen Mutter. Im Vordergrund stehen die Risiken von
Mehrlingsschwangerschaften. Anhand der Vierlinge werden die
Risiken solcher Schwangerschaften aufgezeigt. Die Autorinnen
zitieren einen Hamburger Reproduktionsmediziner, der sich gegen
die künstliche Befruchtung bei älteren Frauen und Singles
richtet.
BECK-GERNSHEIM,
Elisabeth (2016): Die Reproduktionsmedizin und ihre Kinder.
Erfolge- Risiken - Nebenwirkungen, Wien: Residenzverlag
"Heute geht es oft nicht mehr
um biologisch bedingte Hindernisse, die der Verwirklichung des
Kinderwunsches entgegenstehen, sondern es wird vielmehr zur
Aufgabe der Medizin, denen zu helfen, bei denen persönliche oder
soziale Umstände das Hindernis sind. Zur Erläuterung möchte ich
hier drei Fallbeispiele anführen (...).
Den genannten Geschichten sind wesentliche Merkmale gemeinsam.
Im Zentrum befinden sich nicht Ehepaare, sondern Alleinstehende,
genauer alleinstehende Frauen - die eine nach einer Reihe von
Partnerschaften heute getrennt lebend, die zweite verwitwet, die
dritte noch auf der Suche nach einer Partnerin. Und ein
gemeinsames Merkmal ist auch (...:) Sie alle können Kinder
bekommen (...). Wenn die Frauen jetzt die Hilfe der
Fortpflanzungsmedizin suchen, dann (...) weil sie, und das ist
der entscheidende Zusatz, für ihren speziellen Kinderwunsch
nur auf diesem Weg Aussicht auf Erfolg haben.
Die
eine will ein weiteres Kind, obwohl sie die Zeitspanne
biologischer Fruchtbarkeit schon lange hinter sich hat; die
andere will ein Kind von ihrem Ehemann, obwohl dieser schon vor
Jahren gestorben ist; die dritte wünscht sich eine optisch
zusammenpassende Familie, aber ohne Mann, bestehend aus zwei
Müttern mit Kind. (...).
In der individualisierten Gesellschaft, in der das
Sich-Einlassen auf einen anderen Menschen, das Aushalten seiner
Gewohnheiten, Vorlieben, Eigenheiten und erst recht seiner
unbequemen Seiten (...) zunehmend größerer Anstrengungen bedarf,
(...) mag die neue Form der Fortpflanzung deshalb einer
wachsenden Zahl von Männern und Frauen als Vorteil und
Fortschritt erscheinen. (...).
Aber auch hier gilt: Der Gewinn hat seinen Preis. (...).
Pointiert zusammengefasst: Der Gewinn für die Erwachsenen geht
auf Kosten der Kinder." (S.17-22),
kritisiert Elisabeth
BECK-GERNSHEIM.
JANISCH, Wolfgang (2016): Zwei Mütter
und ein Kind.
Der Bundesgerichtshof stärkt
die Position von gleichgeschlechtlichen Paaren und erkennt eine
doppelte Elternschaft an,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 16.06.
"Der
Bundesgerichtshof (BGH) hat einem lesbischen Paar, das nach
südafrikanischem Recht verheiratet ist, die doppelte
Elternschaft zuerkannt - ihr Kind hat damit auch nach
deutschem Recht zwei Mütter, und zwar ganz ohne Adoption",
berichtet
Wolfgang JANISCH. Das BGH erkennt damit wie in anderen Fällen
auch, die Rechtsordnung jenes Landes an, das den
Lebensmittelpunkt eines Kindes darstellt. Inwiefern durch
diese Praxis Methoden der künstlichen Befruchtung, die
hierzulande unzulässig sind,
durch die Hintertür auch in Deutschland gebräuchlich werden,
darüber lässt sich JANISCH nicht aus.
SCHMOLLACK,
Simone (2016): Kommen und gehen.
Sachbuch zur
Reproduktionsmedizin: Bald 40 Jahre nach dem ersten Retortenbaby
ist die Reproduktionsmedizin viel weiter. Eine Soziologin
betrachtet das mit Sorge,
in:
TAZ
v. 18.06.
DORN, Thea (2016): Wo bleibt der Aufschrei?
Gerade erfinden Forscher das
Menschsein neu. Und was tun wir? Ängstigen uns vor Gentomaten.
Über die Selbstwidersprüche unserer hysterischen Gegenwart,
in: Die
ZEIT
Nr.26 v. 23.06.
"Ich
erinnere an den Aufschrei, den es gab, nachdem Sibylle
Lewitscharoff Frauen, deren Kinderwünsche nicht in Erfüllung
gehen wollen, nahegelegt hatte, diese ihre Kinderlosigkeit als
ihr Schicksal anzunehmen, statt nach dem Reproduktionsmediziner
zu rufen. Allerdings frage ich mich, wie es zusammenpasst, dass
diejenigen Kräfte in unserer Gesellschaft, die sich für die
fortschrittlichsten halten - die selbstverständlich dafür sind,
dass eine Frau die Dienste der Reproduktionsmedizin in Anspruch
nehmen darf, die selbstverständlich dafür sind, dass sich ein
Mensch, der sich in seinem Körper unwohl fühlt, einer offiziell
anzuerkennenden Geschlechtsumwandlung unterziehen kann -, dass
just diese Fortschrittsfreunde an vorderster Front
aufmarschieren, wenn es darum geht, den Allmachtsfantasien von
Genforschern Einhalt zu gebieten. Müsste nicht gerade »die
Linke« es vorbehaltlos begrüßen, wenn der Mensch mit seiner
Selbstermächtigung endgültig ernst macht? Anstatt die Forscher
zu verteufeln, die es ermöglichen wollen, dass eines Tages die
natürlichen Unterschiede beim Menschen endgültig keine Rolle
mehr spielen, weil bloß noch gesunde, groß und schlank
gewachsene, sozial verträgliche, intelligente, sportlich begabte
Menschen in die Welt gebracht werden, müssten sie doch einzig
dafür kämpfen, dass dies zu keinem Privileg, sondern zu einer
Option für alle wird", meint Thea DORN, die sich hier zur
SLOTERDIJK-Epigonin à la Menschenpark stilisiert. Eines dürfte
DORN damit allemal erreichen: die Bedienung der Ökonomie der
Aufmerksamkeit.
JÖTTEN, Frederik
(2016): "Ein Schlag fürs Selbstbewusstsein".
Unfruchtbarkeit ist Sache der
Frau, lautet ein weit verbreitetes Vorurteil. Tatsächlich liegt
das Problem ebenso häufig beim Mann - wie im Fall von Frank S.,
der eine Diagnose bekam, die sein Leben veränderte,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 09.07.
SCHREP,
Bruno (2016): Das vertauschte Leben.
Medizin: Als Kristina V. im
Reagenzglas gezeugt wurde, passierte ein Fehler. Nun sucht sie
nach ihren leiblichen Eltern. Der verantwortliche Arzt konnte
bislang nicht helfen,
in:
Spiegel Nr.30 v.
23.07.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Wochenthema:
Neue Familien.
Eizellspenden, Doppelväter, Co-Mütter - die moderne Medizin
ermöglicht viele Konstellationen . Für Eltern und Kinder kann dies
belastend sein, auch weil die Politik manche Veränderungen
verschlafen hat |
JANISCH, Wolfgang (2016): Eltern auf
Abruf.
Vielen Partnerschaften werden
die Gesetze nicht mehr gerecht - das soll sich ändern,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 30.07.
Wolfgang
JANISCH berichtet über drei Gerichtsurteile des BGH zur
Anerkennung des Elternstatus, bei denen die
Reproduktionsmedizin mitwirkte, und der dem deutschen Recht
widerspricht. Sein Fazit:
"Der BGH ist zum
Reparaturbetrieb für Versäumnisse des Gesetzgebers
geworden."
Dies soll sich zukünftig
ändern, was uns JANISCH anhand der aktuellen
Entwicklungstendenzen und politischer Aktivitäten aufzeigt.
Während z.B. das Verbot der Eizellspende nicht mehr zeitgemäß
sei, gilt die Leihmutterschaft immer noch als unerwünscht.
HEIDENREICH, Ulrike (2016): "Spender? Vater? Heiliger Geist?"
Wie Familien, die durch
künstliche Befruchtung entstanden sind, ihre Situation
empfinden. Zwei Protokolle,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 30.07.
SCHRÖDER,
Catalina (2016): "Was spricht dagegen, Kinderwünsche zu
erfüllen?"
Seit Matthias Beckmann die
erste Transplantation einer Gebärmutter in Deutschland plant,
rufen ihn jede Woche drei Frauen an. Der Arzt sagt:
Familienplanung mit einem fremden Organ funktioniert - und ist
ethisch okay,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 21.08.
KNAUL, Susanne
(2016): Das Recht auf Kinder.
Queer Familien: Lesben und
Schwule sollten sich ihren Babywunsch mit Hilfe der
Reproduktionsmedizin erfüllen können. Israel ist dafür ein
Vorbild,
in:
TAZ v. 26.08.
JANISCH, Wolfgang (2016): Familie der
Zukunft.
Die Fortpflanzungsmedizin
eröffnet neue Wege zur Elternschaft. Doch der Gesetzgeber hat es
noch nicht geschafft, neue Regeln für Co-Mütter und Doppelväter
zu entwickeln,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 10.09.
Wolfgang
JANISCH beschäftigt sich nun auf Seite 1 mit den neuen
Familien, die er bereits Ende Juli in einem Wochenendthema behandelt hat. Anlass
ist der kommende 71. Deutsche Juristentag, wo das Thema im
Mittelpunkt stehen soll. JANISCH propagiert ein Gutachten von
Tobias HELMS, wonach Co-Mütter möglich sein sollen. JANISCH
wendet sich jedoch gegen eine Schwächung der biologischen
Elternschaft. Sein Credo:
"Das genetische Band
stärkt das Verantwortungsgefühl."
NAUE,
Laura-Nadin (2016): Ein Kind aus dem Becher.
Emma und Julia lieben sich
seit drei Jahren, sie möchten Eltern werden. Doch bei der
künstlichen Befruchtung gelten für sie andere Regeln als für
Ehepaare. Also versuchen die beiden Frauen ihr Glück auf eigene
Faust,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 16.09.
BARTENS, Werner (2016): Vorteil für
Ü-40-Eltern.
Kindliche Fehlbildungen nach
künstlicher Befruchtung seltener,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 18.10.
Werner
BARTENS berichtet über eine Untersuchung in Australien:
"Während der Anteil von
Kindern mit Fehlbildungen bei 9,4 Prozent lag, wenn junge
Frauen unter 30 künstlich befruchtet wurden, betrug er bei
Frauen jenseits der 40, die mittels ICSI schwanger geworden
waren, nur 3,6 Prozent - und war damit auch weniger als halb
so hoch wie für Frauen, die in diesem Alter auf natürliche
Weise gezeugte Kinder bekommen."
Die Ursachen wurden jedoch
nicht ermittelt. Hierzu zitiert BARTENS einen deutschen
Reproduktionsmediziner der dazu seine Spekulationen
ausplaudert.
HOLLERSEN, Wiebke & Caroline
RING
(2016): Evolution zum Selbermachen.
Forscher schaffen Eizellen
und Spermien aus Haut, verbessern Embryonen, und manche Babys
haben jetzt drei Eltern. Mit den neuen Methoden der Gentechnik
übernimmt der Mensch die Kontrolle über die Zellen, aus denen
sein Leben entsteht - und bestimmt die Grenzen der Schöpfung
selbst,
in:
Welt am Sonntag v.
23.10.
BERNDT,
Christina (2016): Mein Bauch gehört ihr.
Erstmals ist es in
Deutschland gelungen, einer Frau eine fremde Gebärmutter
einzusetzen, damit sie trotz einer Fehlbildung schwanger werden
kann. Aber as sind die Risiken - für Mutter, Spenderin und Kind?
in:
Süddeutsche Zeitung v.
25.10.
SCHMID, Birgit (2016): Ein Kind um jeden
Preis.
Mit der Fortpflanzungsmedizin
wächst auch der Druck auf Paare mit unerfülltem Kinderwunsch,
nichts unversucht zu lassen. Muss man sich bald rechtfertigen,
wenn man sich dem Nachhelfen verschliesst?
in:
Neue Zürcher Zeitung
v. 12.12.
"Von den Paaren, die auf
natürlichem Weg schwanger zu werden versuchen, bleiben 10
bis 15 Prozent erfolglos. Als unfruchtbar gilt ein Paar nach
ein bis zwei Jahren vergeblichen Wartens. Ungefähr die
Hälfte von ihnen lässt sich behandeln",
behauptet Birgit SCHMID,
ohne uns zu erklären, woher sie das alles weiß. Die Antwort
einer Psychotherapeutin, die durch ihre Arbeit lediglich mit
einem ganz bestimmten Klientel von Paaren in Kontakt kommt,
wird uns als einzige Sicht auf das Problem des sozialen Drucks
auf Kinderlose - gemeint sind hier sowieso nur kinderlose
Frauen mit Partner - präsentiert. Dass die Sicht von SCHMID
sehr eingeschränkt ist, zeigt sich, wenn es heißt:
"Die teuren Behandlungen,
die nicht kassenpflichtig sind, muss man sich auch leisten
können. (...) Finanziell weniger gut gestellte Paare sind
von dieser Wunscherfüllung von vornherein ausgeschlossen."
2017
HEIDENBREICH, Ulrike
(2017): Alles fürs Baby.
In Deutschland wird erstmals
eine Messe ausgerichtet, auf der sich ungewollt Kinderlose über
den neuesten Stand der Reproduktionsmedizin informieren können.
Vieles, was dort angeboten wird, ist nur im Ausland legal,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 06.02.
FRANKFURTER RUNDSCHAU-Titelgeschichte:
Ein Kind um jeden Preis.
Immer mehr
Frauen nehmen viel auf sich, um Mutter zu werden. Eine Messe in
Berlin zeigt Reproduktionsmethoden - auch illegale |
REINSCH,
Melanie (2017): Ein bisschen schwanger.
Frauen, die sich nichts mehr
als ein Kind wünschen, nehmen viel in Kauf, um schwanger zu
werden. Die Reproduktionsmedizin boomt. Bei einer Messe in
Berlin werden auch Methoden vorgestellt, die in Deutschland
illegal sind,
in:
Frankfurter
Rundschau v. 07.02.
KELLER,
Gabriela (2017): Glück auf Bestellung.
Wir wollen sichergehen, dass
wir das beste Material bekommen, sagt ein Mann, der Vater werden
will. Der Wunsch nach einem Kind ist ein starker Antrieb - und
ein prima Geschäft. Viele Kliniken und Samenbanken preisen
Methoden, die in Deutschland illegal sind,
in: TAZ
v. 21.02.
SCHWARZ, Patrik
(2017): Mach mir ein Kind.
Die Reproduktionsmedizin
macht heute fast alles möglich, wie eine Messe in Berlin zeigt.
Spott und Empörung sind so groß wie die Verzweiflung der
ungewollt Kinderlosen. Muss es wirklich so sein?
in: Die
ZEIT Nr.9
v. 23.02.
ROTH, Jenni
(2017): Wunschkind auf Bestellung.
Auf
einer Messe in Berlin zeigen Firmen, was der Markt der
Reproduktionsmedizin so zu bieten hat. Nicht alles davon ist in
Deutschland erlaubt,
in: Die
ZEIT Nr.9
v. 23.02.
BAUREITHEL,
Ulrike (2017): Alles für das eigene Kind.
Familienplanung: Bei der
ersten Kinderwunschmesse in Deutschland wurde für Methoden
geworben, die hierzulande verboten sind,
in: Freitag
Nr.8
v. 23.02.
KOLAR, Jindra
(2017): Für ein Baby nach Tschechien.
Paare aus Deutschland und
Österreich erfüllen sich den Kinderwunsch im Nachbarland,
in:
Neues Deutschland v.
24.03.
HENNING,
Ulrike (2017): Grenzenloser Kinderwunsch.
Ethikrat diskutiert über die
Konsequenzen von Eizellspenden im Ausland,
in:
Neues Deutschland v.
24.03.
PAUER, Nina (2017): Ihr wolltet es so.
Zwischen Eltern und
Kinderlosen herrscht ein harter Wettbewerb um das richtige
Lebensmodell. Warum sind alle beleidigt?
in:
Die ZEIT Nr.15 v.
06.04.
"Mutwillig Kinderlosen (oder
jenen, die über ihre wiederholten Besuche in der
Kinderwunschklinik nicht sprechen und denen man die
Mutwilligkeit nur unterstellt) wird hinter vorgehaltener Hand
vorgeworfen, nicht erwachsen zu werden, hedonistisch zu sein
oder sich in albernen Befindlichkeiten (»Generation
Beziehungsunfähigkeit«) zu verlieren. Kinder zu kriegen scheint
hier wie eine natürliche Pflicht und die Entscheidung gegen sie
wie ein Zeichen fehlender Opferbereitschaft, die sich am Ende
rächen wird.
Vorauseilend werden Kinderlose um ein einsames Leben im Alter
bemitleidet. Seid ihr wirklich glücklich?, unter
dieser Beweisnot stehen Menschen ohne Kinder, deren Handlungen
nur mehr als Kompensationsversuch für die Kinderlosigkeit
gewertet werden", meint Nina PAUER.
REINSCH,
Melanie (2017): Ein schwieriger Weg ins Leben.
Leidartikel: Die Eizellspende
ist in Deutschland verboten, aber viele Paare weichen ins
Ausland aus. Sollte es dabei bleiben? Oder wäre es doch
angemessen, das Verfahren gesetzlich zu regeln?
in:
Frankfurter Rundschau
v. 11.04.
ZINKANT, Kathrin
(2017): Kinder kriegen.
Früher war das Zeugen von
Nachwuchs eine Frage von Sex und Schicksal. Heute bietet die
Fortpflanzungsmedizin immer neue Reproduktionsmethoden an. Was
das für Liebe, Erotik und Familie bedeutet? Darüber lässt sich
streiten,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
29.04.
HENNING,
Ulrike (2017): Mit Gott, aber ohne Pipette.
Die ökumenische "Woche für
das Leben" pflegte Vorbehalte gegen die Reproduktionsmedizin,
in:
Neues Deutschland v.
05.05.
MÜCK-RAAB,
Marion (2017): Gene und Geburtskanal.
Justiz: Kommission legt
Abschlussbericht zur Reform des Abstammungsrechts vor. Mehr
Rechte für genetische Väter und lesbische Partnerinnen,
in:
TAZ v. 03.07.
HÖHN,
Simone
(2017): Ein Kind auf Bestellung?
Interview: Die Zahl
kinderloser Paare geht zurück. Der Kinderwunsch-Coach Franziska
Ferber kennt die Gründe,
in:
Stuttgarter Zeitung v.
27.07.
Die Stuttgarter Zeitung
berichtet genauso wenig über die Entwicklungen bei der
Kinderlosigkeit wie die SZ, sondern verkürzt das Thema
auf die Problematik der ungewollten Kinderlosigkeit, die durch
die Reproduktionsmedizin scheinbar zu einer voluntaristischen
Frage geworden ist. Wer jedoch die Frage der Kinderlosigkeit auf
kinderlose Paare verkürzt, der ignoriert die Kinderlosigkeit
aufgrund des fehlenden Partners genauso wie Fragen des
Familienleitbildes und dessen Konsequenzen für den
Geburtenrückgang in Deutschland.
WITTMANN, Martin (2017): Lenjas Welt.
Buch zwei: Die Ehe für alle
ist da. Homosexuelle dürfen heiraten, und sie dürfen Kinder
adoptieren. Aber damit beginnt nicht die Zeit ungewöhnlicher
Elternschaften - die gibt es längst. Die Geschichte einer bunten
Familie,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
14.10.
"Petra, damals 40, und
Daniel, 45, eint zu diesem Zeitpunkt nichts außer dem Baby.
Keine Beziehung zueinander, keine Liebe füreinander. Sie
haben keine gemeinsame Wohnung, führen kein gemeinsames
Konto. Das erste Mal begegnet waren sie einander erst im
Jahr davor. Der Ort, an dem sie sich getroffen hatten, heißt
www.spermaspender.de.",
beschreibt Martin WITTMANN
die Familienkonstellation, die schon seit längerem durch die
Mainstreammedien gereicht wird, die ja immer auf der Suche
nach DER Sensation ist. In der Popsoziologie spricht man dann
von "Gesellschaft der Singularitäten" (sozusagen die
Steigerungsform der Individualisierung). Der Begriff
"Single-Gesellschaft" hat sein einstiges Empörungspotenzial
eingebüsst, den er noch in der 68er-Generation hatte. Seitdem
beherrscht die Soziologie eine Inflation von
Gesellschaftsbegriffen, um auf dem Buchmarkt überhaupt noch
wahrgenommen zu werden. Single-Gesellschaft stand einstmals
für den Gegensatz zur traditionellen Familie. In Zeiten der
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme galten Singles
als Inbegriff der Kinderlosigkeit. Die Familienkonstellation,
die WITTMANN beschreibt, könnte man auch als Familienideal der
Single-Gesellschaft bezeichnen.
RIDDERBUSCH, Katja (2017):
Neu im Angebot: Schwanger in den Wechseljahren.
Jede Frau verfügt über einen
begrenzten Vorrat an Eizellen, der mit der Menopause verbraucht
ist. Das müsse nicht so sein, sagen nun einige Ärzte in Europa
und den USA. Und versprechen die wundersame Neubildung von
Eizellen,
in:
Welt v. 02.12.
SPIEGEL-Titelgeschichte:
Wunsch: Kind.
Wenn die Sehnsucht nach einem Baby
zum Drama wird |
CLAUß, Anna
(2017):
Warten aufs Kind.
Familie: Die Zahl der künstlichen
Befruchtungen in Deutschland steigt enorm. Doch die Prozedur zermürbt
viele Paare - wenn es einfach nicht klappen will mit dem Baby,
in:
Spiegel Nr.51 v. 16.12.
In den Nuller Jahre wurde die gewollt kinderlose Karrierefrau zum
Feindbild Nr.1 der Mainstreammedien. Seit der Einführung des
Elterngelds im Jahr 2007 sind die Mainstreammedien nun damit
beschäftigt, die Kollateralschäden dieser Hetzkampagne abzuarbeiten.
Seitdem ist die Debatte vom Problem der gewollten zur ungewollten
Kinderlosigkeit umgeschwenkt.
Diese Verschiebung der Debatte hat zum einen mit dem Aufstieg der
Reproduktionsmedizin zu einer Boombranche in den Industrieländern und
zum anderen mit der Zunahme später Mütter zu tun. Letzteres wird durch
das Elterngeld zusätzlich angeheizt.
"Es war ein gutes Jahr für die
Reproduktionsmedizin in Deutschland. Vergangenes Wochenende hat der
Dachverband Reproduktionsbiologie und -medizin einen neuen Rekord
verkündet: Insgesamt 103.981 Kinderwunschbehandlungen gab es im Jahr
2016",
erzählt uns Anna CLAUß.
Zur Anzahl der ungewollt Kinderlosen gibt es keine verlässliche
Zahlen. Zum einen weil Partnerlose erst gar nicht zum Kreis der
Personen zählen, die einen Kinderwunsch haben sollen. Zum anderen weil
Kinderlose erst dann feststellen, dass sie ungewollt kinderlos sind,
wenn es mit der Schwangerschaft nicht klappt. Eine ganze Heerschar hat
in den vergangenen Jahrzehnten Kinderwunschforschung betrieben, nur um
festzustellen, dass der Zusammenhang zwischen
Kinderwunsch und Kinderkriegen keineswegs so zwingend ist, wie das
politisch korrekt sein sollte.
Wenn es ums Kinderkriegen geht,
dann wird es sofort hoch emotional. Ungewollt Kinderlose sind neidisch
auf Schwangere und können sich darüber aufregen, dass diese "das Kind
womöglich auch noch abtreiben lassen", während sie sich unter
Rechtfertigungsdruck fühlen. Journalistinnen wie CLAUß helfen noch
dabei, die Gräben zu vertiefen, indem sie im Sinne einer
nationalkonservativen Bevölkerungspolitik die frühe Mutterschaft zum
Ideal erheben, obwohl das Elterngeld die gegenteilige Botschaft
verkündet. Auf dem Rücken der Kinderlosen wird in Deutschland - und
nicht nur hier - Bevölkerungspolitik betrieben.
"Es fehlte an Vorbildern, an
Frauen, die kinderlos sind und nicht sofort als kalte Karrierefrau
gelten, weil ihnen der Job angeblich wichtiger als Nachwuchs war.
»Weiß man zum Beispiel über Angela Merkel, ob sie sich Kinder
gewünscht hat, aber möglicherweise keine bekommen konnte?« fragt
Ferber.
In Zeiten, in denen vermeintlich alles machbar ist, sei es unerhört zu
sagen, man habe den Kinderwunsch aufgegeben. Man stehe sofort unter
Verdacht nicht alles probiert zu haben",
zitiert CLAUß eine Bloggerin zum
Thema Kindersehnsucht. In dem ganzen Artikel vermisst man eine
selbstkritische Aufarbeitung der Medienberichterstattung. Die späte
Mutterschaft gilt in Deutschland als Feindbild, obwohl die Politik
dies durch das Elterngeld fördert. Zuletzt wird es dann auch noch
moralisch, wenn Claudia WIESEMANN die Verhütungs- bzw.
Abtreibungskultur ("Schreckgespenst einer Schwangerschaft in der
Teenagerzeit") kritisiert:
"Es wäre gut, wenn wir zu einer
Kultur zurückkämen, in der es Frauen auch mit Mitte zwanzig möglich
ist, Kinder zu bekommen und trotzdem eine Ausbildung zu machen oder
einen Beruf auszuüben."
In diesem Zusammenhang wird dann
immer mal wieder das Studieren mit Kind propagiert, obwohl dem das
Elterngeld als Prämie für späte Mutterschaft widerspricht. Aufklärung
über Fruchtbarkeit, statt über Verhütung ist das
bevölkerungspolitische Gebot, dem dieser Artikel folgt.
Dabei ist Deutschland mit dem Geburtenanstieg der letzten und der
kommenden Jahren bereits völlig überfordert. Nur darüber lesen wir
nichts in den Mainstreammedien, die immer noch so tun als würde
Deutschland bald aussterben.
CROYÉ, Melanie
(2017):
Wenn nichts mehr
fruchtet.
Wer eine Kinderwunschbehandlung
will, hat es in Deutschland nicht leicht - die Regeln sind streng.
Viele suchen Hilfe im Ausland. Das aber birgt Risiken,
in:
Welt
v. 16.12.
DROBINSKI, Matthias
(2017): Kinder machen.
Fortpflanzung: Ein Embryo,
der 25 Jahre alt war, provoziert ethische Debatten,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
22.12.
CORNELIßEN, Waltraud/AFEDIEH, Jasmin/LANGMEYER, Alexandra
(2017): Wege in die Elternschaft. Kein Kind ohne vorgängigen
Kinderwunsch seiner Eltern?
in Zeitschrift für
Familienforschung, Heft 2, 2017,
CORNELIßEN/AFEDIEH/LANGMEYER haben
in ihrer Untersuchung die übliche wissenschaftliche
Herangehensweise in der Kinderwunschforschung hinterfragt, die
in erster Linie normativ begründet ist.
"25 Prozent der Kinder werden (...)
ohne gemeinsame Fertilitätsintention ihrer Eltern geboren. Bei
manchen Gruppen von Eltern ist der Anteil nicht gemeinsam
intendierter Kinder noch deutlich höher, bei niedriger
Schulbildung beider Elternteile zum Beispiel gut 35 Prozent
(...). Dieser Anteil nicht geplanter und nicht abgestimmter
Geburten könnte mit pairfam-Daten sogar noch unterschätzt sein
(...). Man kann annehmen, dass oft andere Dinge für den Eintritt
einer Schwangerschaft ausschlaggebend sind, zum Beispiel Sex
unter unzureichender Verhütung und das Austragen einer nicht
intendierten Schwangerschaft wegen moralischer Skrupel in Bezug
auf einen Abbruch. (...). Man kann die Inkonsistenzen zwischen
ermittelten Kinderwunschkonstellationen und nachfolgenden
Geburten allerdings auch damit erklären, dass individuelle
Kinderwünsche so wenig stabil sind, dass selbst die kurz vor
Eintritt der Schwangerschaft erfassten Fertilitätsintentionen
(...) nur zum Teil maßgeblich sind. Beide Erklärungen dafür,
dass Kinder oft auch entgegen den vorher ermittelten Intentionen
ihrer Eltern geboren werden, sind möglich." (2017, S.220f.)
2018
SCHRÖDER,
Kristina (2018): Kinder für die Kinderlosen.
Essay: Viele Paare in
Deutschland sind ungewollt ohne Nachwuchs. Der Staat könnte
ihnen mit geringen Mitteln den Kinderwunsch erfüllen - gegen die
Bedenken von Feministinnen oder Konservativen,
in:
Welt v. 08.02.
Mit der Einführung des
Elterngeldes im Jahr 2007
ging eine schleichende Diskursverschiebung der Debatte um die
Kinderlosen vonstatten. Stand davor die gewollte
Kinderlosigkeit der egoistischen Karrierefrau am Pranger -
insbesondere in der Springer-Presse, so gilt nun in
zunehmendem Maße die Karrierefrau als ungewollt kinderlos.
Dies hatte wenig mit den Fakten (Der Anteil der Kinderlosen
war nie so hoch wie das die Debatte vermuten ließ) und viel
mit der politischen Stoßrichtung der Debatte zu tun, die von
Vereinbarkeitsverfechtern und Nationalkonservativen dominiert
war.
Die umstrittene
Ex-Familienministerin Kristina SCHRÖDER hält nun ein Plädoyer
für die Unterstützung der
Reproduktionsmedizin.
Sie kritisiert, dass in den Mainstreammedien nicht die
normalen (d.h. verheiratete und heterosexuelle)
Kinderwunschpaare Mitte 30 das Bild prägen, sondern
Singlefrauen mit
Kinderwunsch,
gleichgeschlechtliche Paare und der Reproduktionstourismus
über 40jähriger Karrierefrauen ins Ausland. Die Bedenkenträger
sieht sie einerseits unter den Feministinnen und andererseits
unter rechten Fundamentalisten.
SCHRÖDER lobt den
Koalitionsvertrag, denn dort steht:
"Wir wollen ungewollt
kinderlose Paare besser unterstützen und dazu die Maßnahmen
der
Bundesinitiative »Hilfe und Unterstützung bei ungewollter
Kinderlosigkeit« unter Beibehaltung der bestehenden
Förderkriterien fortführen. Wir wollen die Zuschüsse für
Paare aus der Bundesinitiative in ganz Deutschland
unabhängig davon gewähren, ob das jeweilige Bundesland sich
an dem Programm beteiligt."
BAUREITHEL, Ulrike
(2018):
Frauenleihe und Fremdsperma.
Familie: Zu Besuch bei der
umstrittenen Kinderwunschmesse in Berlin - mit einem schwulen
und einem lesbischen Paar,
in: Freitag
Nr.8
v. 22.02.
Ulrike BAUREITHEL berichtet über
zwei gleichgeschlechtliche Paare, die auf die zweite Berliner
Kinderwunschmesse gereist sind. Während über die erste Berliner
Kinderwunschmesse noch breit berichtet wurde, doch nun hat sich
zumindest die mediale Aufregung gelegt.
Deutschland gehört zu den Ländern
mit den restriktivsten Gesetzen, was die Attraktivität ausländischer
Firmen für jene soziale Gruppen erhöht, die hierzulande von der
Familiengründung ausgeschlossen bzw. durch Fördermaßnahmen
diskriminiert werden sollen. Beispielhaft für diese Position ist ein
Artikel der
Ex-Familienministerin Kristina SCHRÖDER, die die Maßnahmen der
Reproduktionsmedizin als Mittel zur Steigerung der Geburtenrate von
verheirateten, heterosexuellen Paaren betrachtet und der eine
Berichterstattung wie jene von BAUREITHEL ein Dorn im Auge ist.
HAMANN, Götz (2018): "Ich spiele nicht mit Sehnsüchten".
In Amerika entsteht ein
neuartiger Kinderwunsch-Konzern. Der Gründer Martin Varsavsky
überlegt, nach Europa zu expandieren. Ein Gespräch über moderne
Frauen, deutsche Ängste - und seine drei In-vitro-Kinder,
in:
Die ZEIT Nr.10 v.
01.03.
Götz HAMANN interviewt den Unternehmer Martin VARSAVSKY, der mit der
Firma Prelude Fertility der Reproduktionsmedizin in den USA ein neues
Geschäftsfeld eröffnet hat:
"Was wir bei Prelude Fertility
bieten, gibt es nirgendwo sonst aus einer Hand: Junge Frauen mit
vielleicht Mitte zwanzig frieren die eigenen Eizellen bei uns ein; sie
lassen sie Jahre später befruchten, wenn sie so weit sind; es
entstehen Embryos, die wir auf genetische Krankheiten testen - und
dann setzen wir einen Embryo ein",
beschreibt VARSAVSKY sein
Geschäftsmodell, in dem das in Deutschland als social freezing heftig kritisierte Verfahren im
Mittelpunkt steht. Als 2014 Internetkonzerne in den USA die
Kostenübernahme propagierten, gab es einen Sturmlauf der deutschen
Mainstreammedien gegen das Verfahren. Der Untergang des Abendlandes
wurde wieder einmal beschworen, denn die nationalkonservative
Bevölkerungspolitik zielt auf das möglichst frühe Gebären von
Karrierefrauen ab. Die bevölkerungspolitisch motivierte Kritik
befürchtete einen weiteren Anstieg des Gebäralters bei der
bevölkerungspolitisch besonders ins Auge gefassten Zielgruppe der
erfolgreichen Karrierefrauen. Drei Jahre später ist diese Aufregung
verflogen und selbst die zweite Berliner Kinderwunschmesse, die noch
vor einem Jahr größtenteils verdammt wurde, findet kaum noch mediale
Beachtung. Obwohl die Messe bereits stattgefunden hat, gab es bislang
nur wenige Berichte, z.B. von Ulrike BAUREITHEL
in der letzten
Ausgabe der Wochenzeitung Freitag. Die
Ex-Familienministerin Kristina SCHRÖDER plädierte gar
letzten Monat
für die stärkere Subventionierung der Reproduktionsmedizin und lobte
den Koalitionsvertrag.
RIECHELMANN, Cord (2018): Das Feste und das
Flüssige.
Christina von Brauns
historische Studie
"Blutsbande" zeigt, wie durch die Reproduktionsmedizin der
starre Gegensatz von Blutsverwandtschaft und sozialer
Verwandtschaft hinfällig wird,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 11.03.
FRITZSCHE, Kerstin (2018):
Projekt alternative Familie.
Sie wollen ein Kind, aber
keinen anonymen Samenspender. Unsere Autorin und ihre
Lebensgefährtin suchen einen aktiven Vater. Doch der Weg ist
hart,
in:
TAZ v. 22.03.
WEBER,
STEINHAUS, Fiona (2018):
Willst du ein Kind mit mir?
Drum herumreden bringt
nichts: Die Frage nach dem Kinderwunsch hat entscheidenden
Einfluss darauf, ob und was für eine Zukunft man als Paar hat -
egal wie man sie beantwortet. Und was tun, wenn der Kinderwunsch
zwar drängt, aber der passende Partner fehlt? Dann öffnet sich
womöglich der Horizont - für ganz andere Formen der Familie,
in:
Neon, April
ANONYMA (2018):
Urmel aus dem Eis.
Eigentlich wollte unsere
Autorin ihre Eizellen nur einfrieren lassen, um Ruhe in ihr
Leben zu bringen. Doch dann verändern die neuen Optionen ihren
Blick auf Liebe und Familie komplett. Eine Geschichte über
biologische Uhren, schwule Väter und das Wiederfinden der
Leichtigkeit,
in:
Neon, April
HEIDENREICH, Ulrike
(2018): Der weite Weg zum Wunschkind.
Buch Zwei: Ein veraltetes Gesetz
verbietet in Deutschland fast alles, was in der Reproduktionsmedizin
heute möglich ist. Immer mehr Deutsche reisen deshalb ins Ausland, um
schwanger zu werden. Über bestellte Babys und machbares Glück,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.04.
Ulrike HEIDENREICH berichtet über
eine Kinderwunschklinik in Alicante, Spanien und über ein deutsches
Paar, das sich dort mittels Eizellspende den Kinderwunsch erfüllte.
Ein zweites Beispiel ist die Embryonenspende, die in Großbritannien
einfacher möglich ist als in Deutschland. Zu Wort kommt die
Psychologin Petra THORN, die sich auf psychosoziale
Kinderwunschberatung spezialisiert ist und in der öffentlichen Debatte
sehr präsent ist.
"Für Pro Familie hatte sie vor gut
zehn Jahren eine Expertise über »reproduktives Reisen« verfasst.
Dieser Begriff hat sich mittlerweile etabliert",
meint HEIDENREICH. In der
öffentlichen Debatte wird der Begriff nicht verwendet, sondern hier
wird der abwertende Begriff "Reproduktionstourismus" benutzt. Die
ehemalige CDU-Familienministerin Kristina SCHRÖDER wandte sich
kürzlich gegen Medienberichte, in denen nicht klassische Paare,
sondern randständige Figuren wie Homosexuelle, Lesben und
Alleinlebende als Kunden im Mittelpunkt stehen. Die SZ hält
sich mit ihrer Reportage nun an diese Vorgabe.
"1.200 neue Patienten suchen jedes
Jahr die Wunschkind-Firma auf. Die Klinik verzeichnet 15 Prozent
Zuwachsrate und zehn bis 15 Millionen Umsatz pro Jahr. Ein Drittel der
Kunden kommt aus Großbritannien, ein Drittel aus Deutschland, den
Niederlanden und der Schweiz, ein Drittel aus dem Rest der Welt, zum
Beispiel aus den Emiraten. Seitdem die Niederlande und Großbritannien
ihre Gesetze geändert haben und keine anonymen Eizellspenden mehr
zulassen, finden sich dort weniger Frauen, die ihre Eizellen abgeben
möchten. Die Folge: Die Nachfrage ist größer als das Angebote.
Britinnen und Holländerinnen mit Kinderwunsch reisen nun auch vermehr
nach Spanien. IVF Spain ist eine von insgesamt vier Kliniken für
Reproduktionsmedizin in Alicante",
berichtet HEIDENREICH aus Spanien.
In der Klinik werden gezielt Erasmus-Studentinnen aus dem
deutschsprachigen Raum als Eizellspenderinnen angeheuert, um die
Wünsche ihre Kunden zu befriedigen. Dazu locken sie u.a. mit
kostenlosem Social Freezing, ein abwertender Begriff, der in
Deutschland kursiert.
Als Gegner von Praktiken, die im
Ausland üblich sind, werden der nationalkonservative Verein
Spenderkinder und die katholische Kirche genannt. Der
Gesundheitsminister Jens SPAHN, der ansonsten eine große Klappe hat,
schweigt sich aus. Die SPD-Justizministerin plant eine Änderung des
Abstammungsrechts. Eine Kommission hat im vergangenen Jahr
Empfehlungen für eine gemäßigte Reform des Embryonenschutzgesetzes aus
dem Jahr 1990 abgegeben.
Fazit: Deutschland gehört in Sachen
Reproduktionsmedizin und Kinderwunschbehandlung zu den rückständigsten
Ländern der Welt. Mit dem Einzug der AfD besteht die Gefahr, dass die
Lebensschützer, wie bereits in anderen katholischen Ländern, die
Richtung vorgeben werden.
BERNARD, Andreas
(2018): Kinder machen.
Vor 40 Jahren wurde das erste
Kind im Labor gezeugt. Die Angst vor dieser Technik ist dem Zwang
zur Fruchtbarkeit gewachsen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 29.05.
Andreas BERNARD, Autor des Buchs
Kinder machen, beschreibt den Imagewandel der
Reproduktionsmedizin, der in den 1990er Jahren einsetzte und sich im
Begriffswandel vom "Retortenkind" zum "Wunschkind" niederschlug.
LUDWIG, Kristina
(2018): Nur mit Trauschein.
Union will Kranken mit
Kinderwunsch helfen - aber nicht allen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 25.06.
In dem Artikel von Kristina LUDWIG geht es nicht um die künstliche
Befruchtung, wie man meinen könnte, sondern um das Einfrieren von
Eizellen, das in Deutschland mit dem Begriff "Social Freezing"
diffamiert wird. Die bevölkerungspolitische Moral will junge Mütter,
die erst später Karriere machen, statt umgekehrt erst Karriere und
dann die Reproduktionsmedizin in Anspruch zu nehmen, um sich ihren
Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. Während die CDU/CSU
Unverheirateten jegliche Kassenzuschüsse verwehren möchte, ist die
SPD aufgeschlossener. Bei dieser Frage gibt es sowohl ein Nord-Süd
als auch ein Ost-Westgefälle. Die größten Trutzburgen sind das
schwarz-grüne Baden-Württemberg und Bayern.
Die Grünen sind verlogen, weil sie einerseits Minderheiten zu
unterstützen vorgeben, aber in Regierungsbündnissen mit der CDU ganz
klar keinerlei Interesse an progressiven Politiken zeigen.
LUDWIG, Kristina
(2018): Eingefrorener Kinderwunsch.
Die Opposition will künstliche
Befruchtung höher bezuschussen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 26.06.
LUDWIG, Kristina
(2018): Fortschritt auf Eis.
Kommentar zur Familienplanung:
Die Union benutzt moderne Medizin, um ihr Ideal von der Ehe
festzuschreiben,
in: Süddeutsche Zeitung v. 26.06.
MITIC, Katja
(2018): Endlich Familie dank Leihmutter.
Sylvia Bollhorn hat mit 55 Jahren
durch eine Eizellspende und Leihmutter Zwillinge bekommen. Heute
sind ihre Mädchen drei Jahre alt. Ein Besuch,
in: Welt v.
21.07.
WEIGMANN, Katrin (2018): Ein Kind vieler Mütter.
Vor 40 Jahren wurde Louise Brown
geboren, das erste Retortenbaby der Welt. Das Glück ihrer Eltern
wurde nur möglich, weil fast 300 Frauen an strapaziösen Versuchen
teilnahmen,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 24.07.
KAMANN, Matthias (2018): Wenn der Kinderwunsch
zum Stress wird.
Für viele Paare bringt eine
künstliche Befruchtung starke psychische Belastungen mit sich. Es
sei denn, sie können sich Alternativen vorstellen,
in: Welt v.
31.07.
JARDINE, Anja
(2018): Fast wie Dschingis Khan.
NZZ-Serie Die Kinder von 5010
(5): Als junger Mann hat er Samen gespendet, um sich etwas Geld
dazuzuverdienen. Und Gutes zu tun. Dass Kinder dabei herauskommen
würden, war ihm immer bewusst. Dass es aber weit über 50 sind,
überrascht ihn doch. Wer ist Samenspender 5010?
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
06.08.
JARDINE, Anja
(2018): "Fangt früher an!"
Mit Verboten lasse sich die
Medizin nicht steuern, sagt Felix Häberlin, Präsident der
Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. Sie
verschieben die Probleme nur,
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
06.08.
FIALA,
Lilian & Eva FISCHER
(2018): Lieb und teuer.
Report: Ihr Kinderwunsch treibt
immer mehr Menschen in die Arme der Reproduktionsmedizin, und die
hat ihren Preis. Die Gesetzgebung hinkt der Wirklichkeit hinterher -
mit negativen Folgen für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den
medizinischen Fortschritt in Deutschland. Ganz langsam beginnt nun
das Umdenken,
in:
Handelsblatt v. 17.08.
Anlässlich eines Antrags
der FDP zur besseren Förderung der Reproduktionsmedizin,
berichten FIALA & FISCHER über die Diskriminierung von ledigen
Frauen und gleichgeschlechtlichen Paaren bei der
Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Leistungen und
deren Erstattung durch Krankenkassen. Der so genannte
Reproduktionstourismus wird vor allem deshalb angeprangert,
weil er die möglichen Profite der deutschen
Reproduktionsmedizin einschränkt:
"Nur wenige Kliniken in
Deutschland, wie die Novum-Klinik in Essen, verfügen
überhaupt über eine Samenbank. (...) 100 bis 150 Euro
erhalten Männer (...) im Schnitt. Für die Befruchtung mit
diesem Samen zahlen Kundinnen 5.000 Euro an Mediziner Thomas
Katzorke. Der 70-Jährige (...) gründete bereits 1981 seine
Samenbank in Essen."
KUHNT, Anne-Kristin/DEPENBROCK,
Eva/UNKELBACH, Sabrina (2018): Reproduktionsmedizin und
Familiengründung.
Potentiale
sozialwissenschaftlicher Datensätze in Deutschland,
in: Zeitschrift
für Familienforschung, Heft 2, S.194-215
Bei der Forschung zur Reproduktionsmedizin
wiederholt sich, was Anfang des Jahrtausends für die
Erforschung der Kinderlosigkeit galt: Die empirische
Erforschung kommt überhaupt erst in Gang, nachdem die Politik
weitreichende gesetzgeberische Entscheidungen getroffen hat.
So beschränkte sich die Erforschung der Kinderlosigkeit bis
zum Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2001
weitgehend auf Spekulationen, die sich in unbrauchbaren
Konzeptbildungen ausdrückte, weil es an notwendigen
Datensätzen fehlte. Bis das Elterngeldgesetz beschlossen
wurde, dauerte die Blockade der empirischen Erforschung der
Kinderlosigkeit. Bis dahin waren falsche Angaben zur Höhe der
Kinderlosigkeit der Akademikerinnen politisch gewollt und
nützlich.
Dies wiederholt sich nun
auf dem Feld der Reproduktionsmedizin und der "ungewollten
Kinderlosigkeit". Im öffentlichen Diskurs geht es zwar seit
den 1990er Jahren im zunehmendem Maße um ungewollte
Kinderlosigkeit, späte
Elternschaft und neuerdings den
Kinderwunsch von
Partnerlosen, doch Fakten zur tatsächlichen Nutzung durch
spezielle Personengruppen bzw. zur gewünschten Nutzung fehlen.
Stattdessen wurden in der Vergangenheit weitreichende Gesetze
erlassen - dominiert durch moraltheologische Vorstellungen
bzw. die Finanzierung von aufwendigen Verfahren durch die
Krankenkasse auf bestimmte Personenkreise beschränkt, die
bevölkerungspolitisch gerechtfertigt wurde.
KUHNT/DEPENBROCK/UNKELBACH
stellen den Stand der empirisch nutzbaren Datensätze vor. Ihr
Anliegen beschreiben sie folgendermaßen:
"Zum einen steigen die
Zahlen zur Nutzung reproduktionsmedizinischer Behandlungen
seit Jahren an (DIR 2016). Zum anderen lässt die seit
Dekaden kontinuierliche Steigerung des Erstgeburtalters von
Frauen auf mittlerweile 30 Jahre (Destatis 2016) den Schluss
zu, dass die Nutzungszahlen reproduktionsmedizinischer
Behandlungen zukünftig weiter ansteigen werden (...) Dennoch
fehlen bislang grundlegende Informationen über die Personen,
die reproduktionsmedizinische Maßnahmen in Anspruch nehmen,
fast vollständig in der deutschen Forschungslandschaft
(Ausnahme z.B. Passet-Wittig 2017). Diese Informationen sind
jedoch notwendig, um aus medizinischer Perspektive die
Beratung und Aufklärung auf die tatsächliche Zielgruppe
abstimmen zu können. Darüber hinaus stellen Informationen zu
den Nutzer*innen eine Voraussetzung dar, um individuelle und
gesellschaftliche Konsequenzen der Nutzung von
Reproduktionsmedizin abschätzen und ggf. politisch
gegensteuern zu können, sollten Aspekte sozialer
Ungleichheit offenbar werden. Diese wären bspw. dann
gegeben, wenn die Kosten reproduktionsmedizinischer
Behandlungen den Zugang regulieren und damit nur
sozio-ökonomisch besser gestellte Personen in der Lage sind,
sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Oder ab, wenn die
Nutzung von Reproduktionsmedizin zu gesellschaftlicher
Ausgrenzung führt, wenn diese gegenüber Dritten transparent
gemacht wird." (S.195)
Diese Aspekte sind
politisch und wissenschaftlich korrekt, ob sie jedoch die
tatsächliche Interessenlage darstellen, wäre eine
machttheoretische Frage, die hier außen vor bleibt.
WICHTERICH, Christa
(2018): Gekaufte Mutterschaft.
Das globale Geschäft mit
dem Kinderwunsch,
in:
Blätter für deutsche und
internationale Politik, Oktober