2015
STALA BADEN-WÜRTTEMBERG (2015): Hochbetagte: Seit 1970 mehr
als verfünffacht.
Demografischer Wandel in
Baden‑Württemberg: In Baden-Baden ist bereits jeder 24.
Einwohner 85 Jahre oder älter,
in:
Pressemitteilung
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg v. 29.01.
Nachdem die Bevölkerungsentwicklung nicht mehr dem seit
Jahrzehnten prognostizierten Abwärtstrend folgt (mit jeder
Vorausberechnung musste der prognostizierte
Bevölkerungsrückgang um Jahre nach hinten verschoben werden),
widmet man sich in den letzten Jahren vermehrt den
Hochbetagten, denn hier lassen sich noch Dramatisierungen
herbeischreiben, die auf anderen Gebieten nicht mehr möglich
sind. Hat man vor 10 Jahren unter Hochbetagten noch die
75Jährigen und Älteren verstanden, so hat man sich nun auf
85Jährige oder sogar 100Jährige fokussiert, weil sich hier
noch Steigerungen finden lassen, die öffentliche
Aufmerksamkeit erregen. Dagegen würde die Nennung der
absoluten Zahlen (2,5 %) im Meldungsgewimmel unbeachtet
bleiben...
LUKAS, Julius (2015): Magdeburg: Stadt, Hype, Fluss.
Magdeburg hat keinen besonders
guten Ruf. Dabei gehört die Stadt zu den dynamischsten Orten der
Republik,
in: Die ZEIT
Nr.5 v. 29.01.
"Kaum jemand hatte
dieser Stadt an der Elbe nach 1990 eine Wiederauferstehung
zugetraut. Und doch ist die Geschichte des Ortes
spätestens seit dem Jahrtausendwechsel zu einer
Erfolgsgeschichte geworden – wirtschaftlich, aber auch
kulturell. Der Wohlstand wächst unaufhörlich, die
Arbeitslosenzahl hat sich in den vergangenen Jahren
halbiert. Große Firmen wie der IT-Riese IBM haben eine
Dependance in Sachsen-Anhalts Hauptstadt eröffnet. Und
seit fünf Jahren wächst die Bevölkerung wieder, auf
inzwischen 233.000 Einwohner: Der Nachwende-Exodus – 60
000 Bürger verließen Magdeburg nach 1990 – konnte gestoppt
werden. Die Stadt lebt. Das Institut der deutschen
Wirtschaft in Köln hat Magdeburg schon vor zwei Jahren zur
dynamischsten Stadt der Republik gekürt. Diese Stadt stehe
»exemplarisch für einen erfolgreichen strukturellen
Wandel«, so die Wissenschaftler",
schreibt Julius LUCAS.
Fälschlicherweise wird in der ZEIT geschrieben, dass
es sich dabei um ein Städteranking des IW Köln
handelt.
Stattdessen handelt es sich um die IW Consult GmbH.
Im Niveauranking 2005 des IW Consult GmbH lag
Magdeburg auf Platz 45. 2008 lag die Stadt sogar auf Platz
46. Erst im Jahr 2010 wurde Madgeburg auf Platz 40 gelistet.
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
sah Magdeburgs Wirtschaft im 2006 erschienenen Buch
Die
demografische Lage der Nation auf dem Weg nach
unten.
Noch 2004 schrieb das private Meinungsbildungsinstitut
zu Magdeburg:
"Der Trend führt heraus
aus maroden Innenstädten und Plattenbauten, hinein in
Neubauten auf der grünen Wiese".
Bereits zehn Jahre später
hat sich diese Prognose mehr als überholt.
Welchen Wert haben also solche Städterankings und Prognosen,
denen es um eine neoliberale Standortlogik geht?
SPIEGEL-Serie:
2030.
Deutschland,
deine Zukunft |
BARTSCH, Matthias/FICHTNER, Ullrich/JUNG, Alexander/MINGELS,
Guido/MÜLLER, Ann-Kathrin
(2015): 2030 - Es kommen härtere Jahre.
Zukunft: Nach Jahrzehnten
chronischer Geburtenschwäche steht Deutschland vor dem Umbruch: Die
Babyboomer erreichen die Rente - und ein ganzes Land muss zittern,
ob das wirklich gut gehen kann. Spiegel-Serie über das Megathema
Demografie (Teil 1),
in:
Spiegel Nr.12 v. 14.03.
"Unumstößliche Fakten sind rar"
schreiben die Autoren,
weshalb sie vor allem Schwammiges darbieten:
"Es geht um Demografie, um
das Auf und Ab von Sterben und Geborenwerden, um das Hin und Her
von Ein- und Auswanderung."
Aus diesem Grunde beklagen
Empiriker auch das
Fehlen einer Definition des Begriffs "demografischer Wandel".
Denn dann müssten unsere Apokalyptiker Farbe bekennen, was sie
aufgrund des Nichtwissenkönnens möglichst vermeiden wollen.
Man darf sich schon mal die
Augen reiben, wenn da steht:
"Spätestens von 2030 an
wird die deutsche Bevölkerung schrumpfen, leicht oder stark".
Wie das? Noch zu Zeiten der
Durchsetzung der Agenda 2010 galt es als unumstößliche Wahrheit,
dass Deutschland bereits nach dem Jahr 2010 schrumpfen wird.
Nachdem dies nun als Fehlprognose sichtbar geworden ist, steht
nurmehr die baldige Alterung der Bevölkerung im Mittelpunkt:
"Fünf Millionen Deutsche
mehr als heute werden im Jahr 2030 über 65 Jahre alt sein, sie
werden gut ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, das scheint
gewiss",
formulieren die AutorInnen
vorsichtig, denn sonst hätten sie statt von "scheint" von "ist"
gesprochen. Denn auch das ist keineswegs so sicher wie das Mantra
der Demografen ("Die Alten sind uns gewiss") glauben machen will,
sondern ist von mindestens 6 Faktoren abhängig, die sich durchaus
unterschiedlich entwickeln können: von der Entwicklung der Zu- und
Abwanderung, von der Entwicklung der Geburtenrate bzw. der
Entwicklung des Erstgeburtsalters und nicht zuletzt von der
Entwicklung der Sterblichkeit und Lebenserwartung.
Prognostiker gehen davon
aus, dass die Zukunft nichts anderes als die Fortschreibung der
jüngsten Vergangenheit ist. Sie kennen keine Brüche und
Verhaltensänderungen werden allenfalls als unbedeutend erachtet.
Die Zukunft ist aber alles andere als eine lineare Entwicklung,
sondern gekennzeichnet von unvorhersehbaren Ereignissen. Um die
Agenda 2010 durchzusetzen, wurde
im Jahr 2003 die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung
veröffentlicht, die in der mittleren Variante eine konstante
Geburtenrate von 1,4 bis 2050 (!), einen Zuwanderungsüberschuss
von 200.000 und einen Anstieg der Lebenserwartung Neugeborener bis
2050 auf 81,1 Jahre (Männer) bzw. 86,6 Jahre (Frauen) annahm.
Der Zuwanderungsüberschuss
lag im Jahr 2013 mit ca. 430.000 mehr als doppelt so hoch wie in
dieser Agenda 2010-Prognose. Selbst die höchste angenommene
Zuwanderung von 300.000 wurde weit übertroffen. Und auch dieses
Jahr wird mit einem weiteren Anstieg der Zuwanderung gerechnet.
Dies hat Auswirkungen auf die nächste, die 13.
Bevölkerungsvorausberechnung, die entsprechend korrigiert werden
muss. Eine Vorahnung dessen, was diese
Bevölkerungsvorausberechnung ergeben wird, bietet die bereits
im Juni 2014 veröffentlichte
Bevölkerungsvorausberechnung für Baden-Württemberg, die der
Spiegel verschweigt.
Anlässlich der Agenda
2010-Prognose hatte der
Spiegel 2004 den letzten Deutschen auf dem Titelbild.
Jetzt wiegelt man ab, ohne die eigene Propaganda zu nennen. Lieber
deutet man auf andere:
"Statt zur Kenntnis zu
nehmen, dass Bevölkerungswandel keine schlagartig einsetzende
Katastrophe, sondern der sich schleichend entwickelnde
Dauerzustand aller Gesellschaften ist, versteigen sich selbst
als seriös geltende Experten zu alarmistischen Thesen, die die
Wirklichkeit weit verfehlen. Deutschland wird kein
»Land ohne Kinder« sein, wie es der Münchner Ifo-Chef
Hans-Werner Sinn in einer langen, düsteren Untergangspredigt
beschrieben hat. Und auch der vom einstiegen »Frankfurter Allgemeine«-Herausgeber Frank
Schirrmacher bereits 2004 mit drastischen Worten beschworene
Krieg zwischen Alten und Jungen findet nicht statt, obwohl
er laut Schirrmacher längst begonnen haben müsste. Zweifellos
aber kommen jetzt härtere Jahre."
Handelt es sich hier nicht
eher um Nebelkerzen, die verschleiern sollen, dass der Spiegel
keineswegs den Horrorszenarien untreu wird, sondern sie nur -
aufgrund gewisser Unhaltbarkeiten - verfeinert? Darauf deutet die
Tatsache hin, dass zwar Hans-Werner SINN angegriffen wird (was
das Handelsblatt bereits vor Wochen vorexzerziert hat),
nur um seinen gelehrigen Schüler Martin WERDING hervorzuzaubern, der dem
neoliberalen Demographismus genauso huldigt wie sein Lehrer
SINN.
Die vierteilige Serie widmet
sich lediglich im letzten Teil der
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme:
"Ist der demografische
Wandel wirklich ein Problem, oder werden womöglich - umgekehrt -
viele Probleme einfach »demografisiert«? Eine ganze Schule
seriöser Wissenschaftler glaubt genau dafür gute Argumente zu
haben und versucht nachzuweisen, dass der aktuelle
Bevölkerungswandel keineswegs eine Katastrophe ist, sondern
Normalzustand eines wohlhabenden, hoch entwickelten Landes."
Der Spiegel hätte die
Chance gehabt, seine Serie aus der Sicht der Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme zu entwerfen. Dies ist offensichtlich
nicht der Fall. Stattdessen wird im ersten Teil nur der
Apokalyptiker Martin WERDING ausgiebig zu Wort kommen lassen.
Alternative Szenarien, die nicht einmal genannt werden.
Es wird z.B. lediglich der
Altenquotient genannt, aber kein Rentnerquotient, der die
tatsächlichen Rentenlast aufzeigen würde. Welche Folgen die
politische Fehlentscheidung der Finanzierung der Mütterrente durch
Beiträge statt durch Steuern bzw. die Finanzpolitik von SCHÄUBLE
(also nicht-demografische Faktoren) für die weitere Entwicklung
der Rentenversicherung hat, das erfuhr man bereits
letzte Woche im Handelsblatt.
Man erfährt im Spiegel-Artikel
zudem nicht auf welcher Bevölkerungsvorausberechnung mit welchen
Annahmen die Szenarien, die uns der Spiegel präsentiert,
gerechnet wurden. Das ist kein seriöser Journalismus, sondern
BILDZEITUNGSNIVEAU. Wer die Jahreszahlen der Basiszahlen
verschweigt, der will lediglich verbergen, dass er mit völlig
veralteten Daten hantiert. Sonst gibt es keinen Grund dafür sie
nicht zu nennen. Nicht Transparenz der Informationen, sondern
Verhinderung der Nachvollziehbarkeit ist die Strategie des
Spiegels.
Typisch sind hypothetische
Satzkonstruktionen wie "könnte" "müsste" usw. Schließlich ist
nicht die Demografie entscheidend, sondern was die Gesellschaft
aus den Rahmenbedingungen macht. Nicht die Demografie bestimmt
über Wohl oder Wehe, sondern nicht-demografische Faktoren wie
Produktivitätsentwicklung, technologischer Fortschritt usw.
Darüber schweigt aber der Spiegel wohlweislich. Der zweite
Teil der Serie soll sich den ökonomischen Konsequenzen des
Bevölkerungswandels widmen - was bereits eine verengte Sicht der
Betrachtung voraussetzt. Teil 3 gilt der
Entvölkerung im Osten und in entlegenen Dörfern. Was uns da
erwarten wird, das lässt sich im aktuellen Geo-Heft nachlesen.
Was die Familienpolitik
betrifft, so trudelt der Spiegel zwischen Elterngeld-Hype
bzw. -Verdammung und Kinderbetreuungs-Hype bzw. Verdammung hin und
her, weshalb der Artikel über wenig erhellende,
oberflächliche Formulierungen nicht hinauskommt:
"Die wissenschaftliche
Literatur ist sich weitgehend darüber einig, dass es zwei
erfolgreiche Modelle zur Verbesserung der Geburtenziffern gibt:
das französische, das umfassende Kinderbetreuung mit starken
steuerlichen Anreizen für Familien kombiniert, und das ähnlich
funktionierende schwedisch-skandinavische, das überdies die
Gleichberechtigung von Mann und Frau betont."
Weder an
Frankreich noch an
Schweden sind die Krisen der letzten Jahre spurlos
vorbeigegangen. Was bei uns über die beiden Länder bekannt ist,
ist eher mediales Wunschdenken, statt realitätsnahe
Berichterstattung. Den Deutschen wird ein Sozialstaatsregime
vorgegaukelt, das es Anfang der 1990er Jahre gab, aber längst
gravierenden Korrekturen unterzogen wurde. Davon schweigt der
Artikel jedoch.
Fazit: Faktenarmer Artikel,
der keine Vielfalt an Expertenmeinungen präsentiert, sondern ganz
einseitig auf ein Horrorszenarium setzt. Viele bunte Bildchen und
Grafiken sollen diese Faktenarmut übertünchen.
Stellt sich also die Frage,
warum man nicht die nächste Bevölkerungsvorausberechnung
abgewartet hat. Und warum werden alternative Entwicklungsszenarien
nicht vorgestellt, sondern nur diffamiert. Möchte man politische
Fakten schaffen nach Gutsherrenart? Diese Form der
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme zeigt, dass wir
bereits im postdemokratischen Zeitalter leben. Die Demokratie soll
ausgehebelt werden zugunsten angeblicher demografischer
Sachzwänge...
WIDMANN, Arno (2015): Liebling, wir schrumpfen.
Die demographische Entwicklung in
Deutschland ist dramatisch. Aber was bedeutet das für Stadt und
Land?
in:
Frankfurter Rundschau
v. 24.03.
Der vergreisende 68er
Arno WIDMANN hat zu viel Spiegel
gelesen. Es steht zu befürchten, dass nun alle anderen
Greisenblätter dieser Republik wieder ihre Leser mit
demografischen Horrorszenarien drangsalieren, die sich aus
Szenarien speisen, die bereits bei der Erstellung von veralteten
Entwicklungen ausgehen. Welche Kampagne erwartet uns also?
Üblicherweise flankieren die Medien nur das Agenda-Setting der
Politik. Das war in den Jahren vor 2005 so als die Agenda 2010
durchgesetzt werden sollte und das war vor 2007 so als das
Elterngeld auf der Agenda
stand.
Weil die gegenwärtige
Wachstumsphase keinen Ansatzpunkt für die Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme bietet, muss das Jahr 2050 als
Projektionsfläche für Horrorszenarien dienen. Der Statistiker
Gerd BOSBACH bezeichnet dies zu Recht als Kaffeesatzleserei,
zumal die
Bevölkerungsvorausberechnungen seit der Wiedervereinigung
durchschnittlich alle 6 Jahre korrigiert werden mussten. Die
Vorausberechnung, mit der die Agenda 2010 gerechtfertigt wurde,
hatte sogar nur 3 Jahre Bestand!
MINGELS, Guido (2015):
Die Demokalypse bleibt aus.
Zukunft (Teil 4): Seit mehr als
hundert Jahren fürchtet sich Deutschland vor dem demografischen Wandel
und beschwört seinen eigenen Untergang. Eine Widerrede,
in: Spiegel Nr.15 v.
04.04.
Nicht wirklich eine Widerrede ist
dieser vierte
Teil der Demografie-Serie. Statt ein alternatives Szenario zu
entwickeln, bleibt der Artikel in einer oberflächlichen Widerlegung
von 8 Mythen stehen. Deutschland stirbt nicht aus! Wer hätte das
gedacht?
"Gemein ist all den Alarmisten,
dass sie vermeintlich unheilvolle und angeblich unumkehrbare
demografische Trends als Grundlage für gesellschaftliche
Krisenszenarien nutzen. Der SPIEGEL machte hier keine Ausnahme.
Noch 2004 formulierte das Magazin die Titelzeile »Der letzte
Deutsche - Auf dem Weg zur Greisenrepublik«"
Zum ersten Teil
der Spiegel-Serie wurde auf dieser Webseite geschrieben:
"Anlässlich der Agenda
2010-Prognose hatte der
Spiegel 2004 den letzten Deutschen auf dem Titelbild.
Jetzt wiegelt man ab, ohne die eigene Propaganda zu nennen. Lieber
deutet man auf andere".
Nun wird also von MINGELS auch
auf die eigene Propaganda hingewiesen. Mit Hinweis auf den
Historiker
Thomas BRYANT geht MINGELS auf den
"Ewigwährenden Untergang" ein - so ein viel aufschlussreicheres
Buch von Thomas ETZEMÜLLER.
Was an diesem Mythenknacken
stört: Es werden zwar die Apokalyptiker von Herwig BIRG über
Hans-Werner SINN bis Frank SCHIRRMACHER genannt und Horrorzahlen
zitiert. Die wichtigsten Kritiker bleiben dagegen ungenannt und ihre
Position wird erst recht nicht dargelegt.
Den Mythos "Wenige Kinder, viele
Alte - ein Rezept für den Untergang", der auf die Altenlast
anspielt, wird nur dahingehend relativiert, dass statt der
"Altenlast" die zunehmende Erhöhung der Lebenserwartung in den
Fokus gerückt wird. Dies entspricht der gegenwärtigen politischen
Zielsetzung die Lebensarbeitszeit - vor allem durch die Erhöhung des
Renteneinstiegsalter - weiter zu erhöhen. James VAUPEL und Axel BÖRSCH-SUPAN stehen für diese Stoßrichtung der
Demografiepolitik.
Die angebliche Widerrede ist im
Grunde nicht viel mehr als die Essenz aus dem Themenheft
Demografischer Wandel der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte vom 7. März 2011.
Im Grunde wird in diesem letzten Teil die gleiche Politik vertreten
wie in den ersten drei Teilen - nur dass man versucht eine
Zielgruppe zu erreichen, die sich von
dummdreisten Apokalypse-Szenarien - wie in der Vergangenheit auch
vom Spiegel praktiziert - nicht beeindrucken lässt.
Man kann sich diese langweilige
Mythenzertrümmerung schenken (diese wurden auf dieser Webseite
bereits seit über einem Jahrzehnt gründlicher als jetzt im
Spiegel zertrümmert; mehr z.B. zur angeblich idealen
Pyramidenform
hier, mehr zur angeblich aussagekräftigen Geburtenrate
hier und
hier) und stattdessen Autoren lesen, die sich
tatsächlich der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme in
kritischer Absicht widmen, z.B. Christian RADEMACHERs Buch über
deutsche Kommunen im demografischen Wandel, das
Demografie-Heft der Zeitschrift Prokla, die Kritik des
Bevölkerungsstatistikers Gerd BOSBACH und des Politikwissenschaftlers Christoph BUTTERWEGGE.
Was lernen wir aus diesem
Spiegel-Artikel? Die Funktion der Medien in unserem
postdemokratischen Zeitalter ist die Schaffung zeitgemäßer Mythen
zur Durchsetzung von als alternativlos darzustellender Politik.
Aufklärung war gestern!
Die Botschaft ist eindeutig: Wir
sind die Elite und wissen was gut für Euch ist. Ihr Leser seid dumm,
deshalb müssen wir für Euch Mythen erschaffen. Sind diese Mythen
nicht mehr zeitgemäß, dann erschaffen wir einfach neue Mythen. Wir
Bürger brauchen aber keine Mythenschaffer und -zertrümmerer, weshalb
wir mündigen Bürger die Aufklärung in unsere eigene Hand nehmen
müssen. Selbstaufklärung ist die Aufgabe des mündigen Bürgers in
unserem Zeitalter der Postdemokratie geworden.
HÜWEL, Detlev & Martin KESSLER (2015): Boom-Städte am Rhein.
Während Düsseldorf, Köln, Bonn und
der Rhein-Kreis Neuss vom Zuzug der Menschen sowie einer hohen
Geburtenrate profitieren, schrumpft die Bevölkerung in Remscheid,
Duisburg und Krefeld,
in: Rheinische Post v.
25.04.
Bericht über die gestern veröffentliche
Bevölkerungsvorausberechnung für die nordrhein-westfälischen
Kreise und kreisfreien Städte bis 2040/2060.
Vergleicht man diese
Vorausberechnung mit
jener vom Juni 2012, dann differiert die
Bevölkerungsentwicklung um fast 1 Millionen Menschen bis zum Jahr
2040. 2012 wurde angenommen, dass 2040 in Nordrhein-Westfalen nur
noch 16,57 Millionen Menschen leben werden. Nach der aktuellen
Vorausberechnung sind es dagegen 17,49 Millionen. Aussagen für 2060 zu machen ist moderne Kaffeesatzleserei.
Welchen Sinn haben
Bevölkerungsvorausberechnungen, wenn sie innerhalb von nur 3
Jahren zu ganz anderen Ergebnissen kommen? Diesmal waren es die
Wanderungsbewegungen, die unterschätzt wurden. Nächstes Mal
vielleicht die Geburtenentwicklung oder die Lebenserwartung oder
etwas was wir gar nicht im Blick hatten?
Die Veröffentlichung von
Langfristprognosen sollte verboten werden und stattdessen
kurzfristige Entwicklungskorridore aufgezeigt werden. Das könnte
Denkverbote verhindern ebenso wie teure Fehlinvestitionen
während dringend benötigte Investitionen unterbleiben, weil sie
wegen absurd langen Vorausberechnungen als irrelevant abgetan
werden.
Die modernen Märchenerzähler
gaukeln uns vor, dass einzig Bevölkerungsentwicklungen langfristig
voraussehbar sind. Mit jeder neuen Vorausberechnung zeigt sich
jedoch, dass ihre Annahmen realitätsfern sind. Und vor allem gibt
es keinen engen Zusammenhang zwischen Kopfzahl,
Wirtschaftsentwicklung und Wohlstand einer Gesellschaft.
Für den Soziologen Karl Otto HONDRICH sichert nicht die Stabilität
von Bevölkerungen, sondern die Problemlösungskompetenz das
Überleben einer Gesellschaft.
DESTATIS (2015):
Neue Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland bis 2060,
in: Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamtes
v. 28.04.
Die Pressemeldung ist mehr oder
weniger irreführend, weil die entscheidenden WENN-Annahmen politisch
motiviert sind und die DANN-Aussagen vorstrukturieren.
Aufschlussreich ist dagegen der Tabellenband
Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 13. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung, denn er ermöglicht Vergleiche
mit früheren Bevölkerungsvorausberechnungen.
Wie absurd die Annahmen des
Statistischen Bundesamtes sind, das zeigt z.B., dass im Pressetext
zwei Varianten (Variante 1 und 2) vorgestellt werden, die von einer
gleich bleibenden Geburtenrate von 1,4 bis 2060 bei weiter
steigendem Erstgebäralter ausgehen. Dagegen liegt die Geburtenrate
der Anfang der 1970er Jahre geborenen Frauen jetzt bereits bei 1,6.
Zum anderen ist das Basisjahr der 31.12.2013 und nicht der
31.12.2014, sodass die weiter gestiegene Zuwanderung nicht adäquat
berücksichtigt wird.
Selbst, wenn man diese Annahmen
nimmt, die unter der gegenwärtigen realen Bevölkerungsentwicklung
der letzten Jahre liegen, ergibt sich gegenüber der vorangegangenen
Bevölkerungsvorausberechnung eine geringere Schrumpfung und selbst
eine geringere Alterung. Im Jahr 2009 wurde die 12.
Bevölkerungsvorausberechnung (BVB) veröffentlicht. Ein Vergleich für
das Jahr 2060 zeigt:
|
12.
BVB |
|
13.
BVB |
|
|
Variante 1 |
Variante 2 |
Variante 1 |
Variante 2 |
Bevölkerung |
64,651
Mill. |
70,120
Mill. |
67,563
Mill. |
73,079
Mill. |
Anteil 60
Jahre und älter |
40,5 % |
39,2 % |
39,4 % |
38,2 % |
Solche langfristigen
Entwicklungstrends sind lediglich moderne Kaffeesatzleserei. Sie
geben jedoch Aufschluss darüber, inwiefern sich bei den
Bevölkerungsvorausberechnungen Richtungsänderungen ergeben haben. Es
zeigt sich im Vergleich zur 12. Bevölkerungsvorausberechnung, dass
sich sowohl der Trend zur Schrumpfung als auch zur Alterung
abgeschwächt hat.
Im diesjährigen Frühjahrsthema
geht es passend zur aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung um
Deutschlands Zukunft im Spiegel der Öffentlichkeit von 1990
bis heute. Hier kann nachgelesen werden, welche Ängste in den
letzten 25 Jahren mittels Bevölkerungsvorausberechnungen geschürt
wurden und was tatsächlich eingetreten ist. Denn im Vergleich mit
einem geschichtslosen Blick nach Vorn ist der Blick in die
vergangene Zukunft aufschlussreicher. Typischerweise wird ja von den
Medien nur sehr selten über Fehleinschätzungen der
Bevölkerungswissenschaftler geschrieben. Stattdessen wird die
aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung immer als die dramatischste
aller Zeiten beschrieben oder sie wird beschwiegen. Warum
veröffentlichte z.B. der Spiegel seine
Zukunftsserie zu Deutschland 2030 kurz vor und nicht nach dieser
aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung? Offenbar passte dem
Spiegel die positive Trendentwicklung nicht ins Konzept.
BAUMANN, Daniel (2015):
Wird die
Demografie zur Katastrophe?
Analyse: Einige Argumente gegen die
Angst,
in: Frankfurter
Rundschau v.
28.04.
WELT (2015):
Deutschland verliert bis zu 13
Millionen Einwohner.
Trotz Zuwanderung wird die
Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken.
Gleichzeitig gibt es weniger Erwerbstätige und mehr Alte,
in: Welt v.
29.04.
Die Welt bleibt sich treu und nimmt den niedrigsten vom
Statistischen Bundesamt berechneten Bevölkerungsstand für das Jahr
2060 als Schlagzeile. Das Statistische Bundesamt hat jedoch 8
mögliche Varianten berechnet, die von 67,563 Millionen (Rückgang
von 13 Millionen Menschen) bis zu 78,606 Millionen (Rückgang von 3
Millionen Menschen) im Jahr 2060 reichen.
Stellungnahmen aus Politik und
der profitgierigen Versicherungswirtschaft beenden den Seite
1-Artikel.
KAMANN, Matthias (2015):
Auf die Alten
kommt es an,
in: Welt v.
29.04.
Der zugehörige Kommentar von Matthias KAMANN nimmt den angeblich unausweichlichen Rückgang um
13 Millionen Menschen zum Anlass, um zum einen gegen Kinderlose zu
hetzen:
"Die Geldtransfers von Alt zu
Jung sind beachtlich. Doch bislang gibt es fast nur in Familien
solchen Altruismus. Ihn müssen künftig auch Kinderlose
aufbringen."
Tatsächlich kommen Kinderlose
schon heute z. B. für die Schulen mit auf, obwohl nie ein Kind von
ihnen je eine Schule besuchen wird. Dagegen wird wohl kaum ein
Kinderloser etwas einzuwenden haben. Wenn man also den Beitrag von
Kinderlosen beurteilen will, dann sollte man alle
gesellschaftlichen Aspekte betrachten und nicht nur einzelne
Aspekte herauspicken.
Und zum anderen einen Umbau des
Rentensystems zu fordern, wobei KAMANN zu feige ist, konkreter zu
werden:
"Form und Beginn des
Rentnerdaseins müssen geändert werden".
Angesichts der Tatsache, dass
jedoch auch ein nur minimaler Rückgang um nur 3 Millionen Menschen
genauso möglich ist, ist die Frage zu stellen, warum die Presse
ihre Aufklärungspflicht derartig missbraucht und stattdessen eine
tendenziöse Berichterstattung liefert, die eher die
Profitinteressen der Versicherungsbranche im Auge hat als das Wohl
der Menschen in Deutschland.
KAISER, Tobias (2015):
Weniger und
älter.
Ohne Zuwanderer ist Deutschland
aufgeschmissen. Der demografische Wandel hält bis 2060 an,
in: Welt v.
29.04.
In der Berliner Morgenpost lautet die
Schlagzeile des Artikels: Deutschland gehen die Einwohner aus.
Bis zu 13 Millionen Menschen weniger als heute leben im Jahr 2060
hier. Tobias KAISER behauptet, dass sich zur
Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2009 "praktisch
nichts geändert" hätte, obwohl "unerwartet viele Zuwanderer nach
Deutschland gekommen sind". Dass dies nicht sichtbar wird ist zum
einen dem Zensus 2011 geschuldet, der dazu führte, dass von heute
auf morgen mit 1,5 Millionen Menschen weniger gerechnet werden
musste. Diese müssten also bei einem fairen Vergleich
hinzugerechnet werden. Zum anderen wurde als Basisjahr 2013 und
nicht 2014 gewählt, d.h. die starke Zuwanderung der Jahre 2014 und
2015 fließt überhaupt nicht in die Berechnungen mit ein.
"Kommen heute auf 100
Menschen im Erwerbsalter 34 Seniorinnen und Senioren, würden es
2060 bereits 60 und damit beinahe doppelt so viele sein."
Die Zahlen, die uns KAISER
präsentiert, sind der Variante 2 entnommen und beziehen sich auf
eine Altersgrenze von 65 Jahren. Im Vergleich zur Variante 2 aus
dem Jahr 2009 sind es immerhin 2 "Rentner" weniger geworden. Nimmt
man jedoch die realistischere Altersgrenze von 67 Jahren, dann
sind es statt der 61,1 nur noch 53,5 "Rentner" (2009 waren es
dagegen noch 55,5). In der Frankfurter Rundschau hat Daniel BAUMANN
ebenfalls die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung unter
die Lupe genommen und auf Schieflagen bei der Betrachtung der
Bevölkerungsentwicklung hingewiesen.
Der Bevölkerungsstatistiker
Gerd BOSBACH weist in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass ein Blick
auf 2060 vergleichbar ist mit einem Blick von 1968 auf heute.
Damals wurde aufgrund des Babybooms von einem enormen
Bevölkerungswachstum ausgegangen. Im Buch Die Gesellschaft der
nächsten Generation aus dem Jahr 1966 heißt es in dem Aufsatz
Die Stadt unserer Enkel:
"Die Zahl der Einwohner in
der Münchner Stadtregion wird im Jahre 2000 auf mindestens 2,9
Millionen angewachsen sein." (Hermann von Wimpffen 1966,S.117)
Tatsächlich lebten im Jahr 2000
lediglich 1,2 Millionen Menschen in München.
Abgesehen von dieser Art von
moderner Kaffeesatzleserei, wäre besser zu fragen, inwiefern z.B.
das Jahr 2010 bzw. 2020 an Schrecken verloren hat im Vergleich zu
den uns noch seit den 1990er Jahren prophezeiten Katastrophen.
MARON, Thomas (2015):
Deutschland
schrumpft langsamer.
Tagesthema Altersaufbau: Immer mehr
Deutsche leben immer länger, immer weniger Menschen werden
hierzulande geboren. Im Jahr 2060 werden deshalb im Extremfall 100
Erwerbstätige 101 Senioren und Kinder versorgen müssen, schätzt
das Statistische Bundesamt,
in: Stuttgarter
Zeitung v.
29.04.
CREUTZBURG, Dietrich (2015):
Einwanderung
hält Überalterung nicht auf.
Bist 2035 steigt die Zahl der
Rentner stark an. Die heutige Relation zur Arbeitsbevölkerung wäre
nur bei einem Renteneinstiegsalter von 74 Jahren zu halten,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v.
29.04.
Der Bericht der FAZ stützt sich - wie die
Welt - auf diejenige Variante mit den ungünstigsten
Berechnungen von 8 Varianten und kommt deshalb zu folgender
Schlussfolgerung:
"Wollte man sicherstellen, dass
auch im Jahr 2060 noch 34 Ältere auf 100 Erwerbspersonen kommen,
müsste das Ruhestandsalter auf 74 Jahre steigen."
Verschwiegen wird jedoch, dass
der Rentnerquotient heute weit über diesem Altenquotient liegt,
aber sich sehr unterschiedlich entwickeln kann. Entscheidend ist
die Arbeitsmarktlage, die Lohnentwicklung und die Entwicklung der
sozialversicherungspflichtigen Jobs. Diese Einflussfaktoren
relativieren die demografische Kopfzahl erheblich.
ÖCHSNER, Thomas (2015): Das Land der alten Menschen.
Einwanderung kann den Rückgang der
Bevölkerung nur abmildern,
in: Süddeutsche
Zeitung v.
29.04.
Thomas ÖCHSNER beziffert die
Veränderung der Altersstruktur folgendermaßen:
"Bereits 2030 werden 30
Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein. Der Anteil der
mindestens 80-Jährigen wird sich auf 12 Prozent oder neun
Millionen mehr verdoppeln."
Am Ende des Artikels kommt Gerd
BOSBACH zu Wort, um die Vorausberechnung zu relativieren.
SAUER, Stefan (2015):
Zuwanderung
mit Konzept.
Statistisches Bundesamt und
Migrationsexperten stellen neue Erkenntnisse vor,
in: Frankfurter
Rundschau v.
29.04.
KLÖPPER, Anna & Anna LEHMANN (2015): Voll verrechnet.
Bildung: Fast überall in Berlin wird der Platz in den Schulen knapp
- in Kreuzberg hat das paradoxe Folgen,
in: TAZ Berlin v. 02.06.
Anna KLÖPPER & Anna LEHMANN
beschreiben am Beispiel Berliner Bezirk Lichtenberg, wie
demografische Entwicklungen verschlafen werden:
"Schon 1994 hatte der
schwarz-rote Senat beschlossen, die Flächen rund um die
Rummelsburger Bucht, einen Seitenarm der Spree,
städtebaulich zu entwickeln. Ein neues Quartier mit 5.400
geförderten Wohnungen, Gewerbe und öffentlicher
Infrastruktur sollte entstehen. Doch der Boom blieb zunächst
aus: Die Stadt zog sich aus dem Projekt Rummelsburger Bucht
in den Jahren nach der Jahrtausendwende finanziell zurück
und verkaufte die Flächen »eigentumsorientiert«.
Auf der Lichtenberger Seite siedelten nun Baugruppen und
errichteten Reihenhäuser. Fast 3.500 Menschen leben heute an
der Rummelsburger Bucht, darunter viele Familien mit
Kindern. Allein: Eine neue Schule wurde hier nicht gebaut.
"Aus der Erfahrung der 90er und frühen 2000er Jahre war ein
Kinderreichtum, wie wir ihn heute erleben, nicht
anzunehmen", sagt Schulstadträtin Kerstin Beurich (SPD).
Entsprechende Mittel seien bezirksseitig auch gar nicht
vorhanden gewesen."
Was nutzen also
Bevölkerungsvorausberechnungen bis zum Jahr 2060, wenn diese
zum einen bereits nach 3 Jahren vollkommen überholt sind und
zum anderen kleinräumige demografische Entwicklungen den
angeblichen Großtrends entgegenlaufen?
"Es muss etwas geschehen.
Nirgendwo kommen weniger Kinder zur Welt als hier",
schwadroniert heute Marc
BEISE in der Süddeutschen Zeitung ("Hilfen
für Großfamilien"). Merkwürdig nur, dass man es in
Deutschland trotzdem nicht schafft, genügend Schulen für die
angeblich nicht vorhandenen Kinder zu bauen.
Wie wäre es eigentlich,
statt auf die
vergangenen Geburtenratenartefakte zu starren,
kleinräumige und kurzfristige Geburtentrends sowie die
Wanderungsbewegungen von Familien besser vorherzusagen?
Offenbar ist das doch viel schwieriger als globale Trends
auszuposaunen, die wenig hilfreich sind um konkrete Planungen,
z.B. im Schulsektor, anzuleiten.
BUJARD, Martin (2015): Folgen der dauerhaft niedrigen Fertilität in
Deutschland.
Demografische Projektionen und Konsequenzen für unterschiedliche
Politikfelder,
in: Comparative Population
Studies v. 03.06.
STUTTGARTER ZEITUNG-Tagesthema:
Der Wandel wird
sichtbar.
Bevölkerungsentwicklung: Eine neue Studie zeigt, dass die
Deutschen immer älter werden. Bis 2030 verdoppelt sich die Zahl
der über 80-Jährigen. Das hat Konsequenzen |
KÄFER, Armin
(2015): Der Südwesten wächst und wird älter.
Der demografische Wandel ist in vollem Gang. Die Kluft zwischen
Stadt und Land wird größer, die Vergreisung wächst rasant - das
zeigt eine Studie zur Bevölkerungsentwicklung. Die
Herausforderungen an die Politik sind enorm,
in: Stuttgarter Zeitung v. 09.07.
Armin KÄFER kann offenbar nicht
einmal richtig abschreiben! In der
Pressemeldung der privaten, neoliberalen Bertelsmann-Stiftung
heißt es:
"In den kommenden 15 Jahren
steigt die Zahl der Hochbetagten über 80 Jahre bundesweit um
47,2 Prozent auf über 6,3 Millionen."
Wäre dies eine Verdopplung,
dann dürften heute nur 3,15 Millionen über 80-Jährige in
Deutschland leben. Das Statistische Bundesamt meldete
jedoch zur Veröffentlichung der 13. Bevölkerungsvorausberechnung
am 28. April
diesen Jahres:
"Im Jahr 2013 lebten 4,4
Millionen 80-Jährige und Ältere in Deutschland. Ihre Anzahl wird
2060 mit insgesamt 9 Millionen etwa doppelt so hoch sein wie
heute."
Eine Verdopplung der über
80-Jährigen steht uns erst in 45 und nicht bereits in 15 Jahren
bevor - vorausgesetzt die jetzige Entwicklung würde 45 Jahre
anhalten, was jedoch an moderne Kaffeesatzleserei grenzt.
Unsere Presse leidet eindeutig
am Vergreisungssyndrom, denn wer sich Deutschland ständig als
Greisenstaat vorstellen muss, der fantasiert sich die Zahlen auch
entsprechend zurecht...
KOSTRZEWA, Anne
(2015): Nur die Alten bleiben.
Bis 2030 wird die Landbevölkerung in Deutschland stark schrumpfen.
Berlin wird voll sein - und München jung,
in: Süddeutsche Zeitung v. 09.07.
Auch
die StZ, die gerne eine "Qualitätszeitung" wäre, meldet
fälschlicherweise eine Verdoppelung der 80-Jährigen bis 2030.
CICERO-Titelgeschichte:
Die große Illusion.
Warum unser
Wohlstand in Gefahr ist |
MARGUIER, Alexander
(2015): Wohlstandsillusion.
Während fast überall in Europa die Krise herrscht, freuen sich die
Deutschen über ihre blühende Wirtschaft. Aber wenn wir nicht endlich
aufwachen, dürfte es damit bald vorbei sein,
in: Cicero, September
Hurra, wir wachsen!
titelte der Cicero im Juni 2013. Zu einem 100-Millionen-Volk sollten die
Deutschen werden. Gerade mal 2 Jahre später - Deutschland platzt
aus allen Nähten, droht uns Alexander MARGUIER schon wieder mit
Schrumpfung und Vergreisung:
"Einer Studie der OECD
zufolge wird die Zahl der Einwohner in Deutschland - Zuwanderung
hin oder her - bis zum Jahr 2030 um knapp 5 Prozent von 81,1
Millionen auf 77,4 Millionen Menschen schrumpfen."
Man sollte sich stattdessen
lieber die prognostizierten Zukünfte Deutschlands der vergangenen 25 Jahre
ansehen - und was davon geblieben ist...
DESTATIS
(2015): Jeder dritte Ostdeutsche wird bereits 2030 über 64 Jahre alt
sein,
in: Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamtes
v. 07.09.
Anlässlich der Veröffentlichung der
Ergebnisse der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung
Bevölkerungsentwicklung in den Bundesländern bis 2060 meldet
das Statistische Bundesamt:
"Die Bevölkerung in den
ostdeutschen Flächenländern wird in den kommenden 20 Jahren trotz
Nettozuwanderung stark altern. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis)
auf Grundlage der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung
nach Ländern mitteilt, wird der Anteil der über 64-Jährigen an der
Gesamtbevölkerung der neuen Länder von 24 % im Jahr 2013 bereits
bis zum Jahr 2030 voraussichtlich auf mindestens 32 % steigen.
Danach wird er bis zum Jahr 2060 nur geringfügig auf mindestens 34
% zunehmen. Im übrigen Bundesgebiet wird der Anteil der über
64-Jährigen deutlich langsamer steigen und erst um 2060 ein
vergleichbares Niveau von über 30 % erreichen."