[ Übersicht der Themen des Monats ] [ Rezensionen ] [ Homepage ]

 
       
   

Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Deutschlands Zukunft im Spiegel der Öffentlichkeit

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Bevölkerungsentwicklung in wiedervereinigten Deutschland (1990 - heute)

 
       
     
   
     
     
 

Einführung

Ein Blick in die Vergangenheit der Zukunft Deutschlands bietet die Möglichkeit die Grenzen von Bevölkerungsvorausberechnungen zu erkennen. Welche Zukünfte wurden uns Deutschen prophezeit und was ist davon überhaupt eingetreten? Diese Bibliografie ermöglicht einen Vergleich zwischen zeithistorischen Befürchtungen bezüglich des demografischen Wandels und der tatsächlichen Entwicklung in Deutschland.

Tabelle 1: Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 1990 - 2015

 
Jahr Deutschland Früheres Bundesgebiet
(ab 2001 ohne West-Berlin)
Neue Bundesländer
(ab 2001 ohne Ost-Berlin)
1990 79,75 Mio. 63,73 Mio. 16,03 Mio.
1991 80,27 Mio. 64,48 Mio. 15,79 Mio.
1992 80,97 Mio. 65,29 Mio. 15,69 Mio.
1993 81,34 Mio. 65,74 Mio. 15,60 Mio.
1994 81,54 Mio. 66,01 Mio. 15,53 Mio.
1995 81,82 Mio. 66,34 Mio. 15,48 Mio.
1996 82,01 Mio. 66,58 Mio. 15,43 Mio.
1997 82,06 Mio. 66,69 Mio. 15,37 Mio.
1998 82,04 Mio. 66,75 Mio. 15,29 Mio.
1999 82,16 Mio. 66,95 Mio. 15,22 Mio.
2000 82,26 Mio. 67,14 Mio. 15,12 Mio.
2001 82,44 Mio. 65,32 Mio. 13,73 Mio.
2002 82,54 Mio. 65,53 Mio. 13,62 Mio.
2003 82,53 Mio. 65,62 Mio. 13,52 Mio.
2004 82,50 Mio. 65,68 Mio. 13,43 Mio.
2005 82,44 Mio. 65,70 Mio. 13,34 Mio.
2006 82,31 Mio. 65,67 Mio. 13,24 Mio.
2007 82,22 Mio. 65,66 Mio. 13,14 Mio.
2008* 82,00 Mio. 65,54 Mio. 13,03 Mio.
2009* 81,80 Mio. 65,42 Mio. 12,94 Mio.
2010* 81,75 Mio. 65,43 Mio. 12,87 Mio.
2011** 80,33 Mio. 64,43 Mio. 12,57 Mio.
2012** 80,52 Mio. 64,62 Mio. 12,53 Mio.
2013** 80,77 Mio. 64,85 Mio. 12,50 Mio.
2014** 81,20 Mio. 65,22 Mio. 12,50 Mio.
2015** 82,18 Mio. 66,06 Mio. 12,60 Mio.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2015, S.3
(Stand: 08.03.2017); Rundung auf zwei Stellen; eigene Darstellung
Anm.: * Verzerrungen durch Datenbereinigungen;
** Bevölkerungsfortschreibung auf Basis Zensus 2011; Alte Bundesländer ab 2001 ohne
Berlin West; Neue Bundesländer ab 2001 mit Berlin-Ost

Tabelle 2: Die Entwicklung der Altenquotienten in Deutschland 1990 - 2015

 
  Altenquotient 60 Altenquotient 65 Altenquotient 67
Jahr Deutschland Früheres
Bundesgebiet
Deutschland Früheres
Bundesgebiet
Deutschland Früheres
Bundesgebiet
1960   30,0   18,0    
1970   38,0   23,4    
1975   39,1   25,7    
1980   35,8   26,6    
1985   36,0   24,0    
1990 35,2 35,6 - 23,9    
1991 35,2 - 23,6      
1992 35,0 - -      
1993 35,1 - -      
1994 35,8 - -      
1995 36,6 - 24,7      
1996 37,5 - -      
1997 38,6 - -      
1998 39,8 - -      
1999 41,3 - -      
2000 42,7 - 26,8      
2001 43,9 - 27,5      
2002 44,3 - 28,3      
2003 44,9 - 29,3      
2004 45,5 - 30,5      
2005 45,2 - 31,7      
2006 45,3 - 32,7      
2007 45,6 - 33,2      
2008* 46,1 - 33,7      
2009* 46,9 - 34,1      
2010* 47,6 - 33,8      
2011** - - 33,9      
2012** - - 34,1      
2013** - - 34,2      
2014** - - 34,6      
2015** 50,4 - 34,7      
Quelle: Altenquotient 20/60: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2009, S.11; WIST 7/2002, S.563
Altenquotient 20/65: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2015, S.3
(Stand: 08.03.2017); eigene Darstellung
Anm.: * Verzerrungen durch Datenbereinigungen; ** Bevölkerungs-
fortschreibung auf Basis Zensus 2011

Kommentierte Bibliografie (Teil 1: 1990 - 2000)

1990

SCHULZ, Erika (1990): Szenarien der Bevölkerungsentwicklung in der DDR,
In: DIW-Wochenbericht, Nr. 23-24 v. 14.06., S.315-321

Erika SCHULZ geht davon aus, dass die Bevölkerung in den neuen Bundesländern von 16,4 Millionen (01.01.1990) aufgrund von Wanderungsverlusten bis zum Jahr 2000 auf unter 15 Millionen sinkt. SCHULZ geht demnach vom Szenario B aus (14,5 Millionen), während das Szenario A mit 15,1 Millionen der tatsächlichen Entwicklung entspricht, denn Ende 2000 lebten in den neuen Bundesländern noch 15,12 Millionen.

Jahre

Abwanderungsverluste

Szenario A Szenario B
1989 340.000 340.000
1990 300.000 400.000
1991 200.000 280.000
1992 120.000 180.000
1993 80.000 130.000
1994 60.000 110.000
1995 40.000 80.000
1996-2000 20.000 60.000
2001-2010 10.000 30.000
2011-2020 0 20.000
2021-2030 0 10.000
2031-2040 0 0

Im Artikel Demografische Situation in den ostdeutschen Ländern (abgerufen am 17.03.2017) heißt es zu den Abwanderungsverlusten::

"Von 1991 bis 2012 verringerte sich die ostdeutsche Bevölkerung allein durch die Ost-West-Wanderung um rund 1,1 Millionen Personen"

Das Szenario A geht dagegen nur von 700.000 Personen aus, während das Szenario B von 1,38 Millionen für diesen Zeitraum ausgeht.

Bei der Geburtenentwicklung geht SCHULZ davon aus, dass sich das Geburtenmuster des Frauenjahrgangs 1973 zum Oststandard entwickelt. Sie unter für diesen Frauenjahrgang eine endgültige Kinderzahl von 1,5 Kinder je Frau. Die endgültige Kinderzahl des Frauenjahrgangs 1958 wird auf 1,86 geschätzt. SCHULZ geht davon aus, dass sich die endgültige Kinderzahl der vor 1973 geborenen Frauen dem Jahrgang 1973 schrittweise annähern.

1992

SOMMER, Bettina (1992): Entwicklung der Bevölkerung bis 2030.
Ergebnis der siebten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung,
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 4, S.217-222

DÖNHOFF, Marion/MIEGEL, Meinhard u.a. (1992): Weil das Land sich ändern muss. Ein Manifest, Reinbek: Rowohlt Verlag

Die Herkunft der folgenden Bevölkerungsvorausberechnung wird in dem Buch nicht angegeben. Um die Situation zu dramatisieren, wird mit gleich bleibender Geburtenrate gerechnet und keine Zuwanderung angenommen:

"Die jüngsten Prognosen des Statistischen Bundesamtes über die künftige Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands sind eindeutig. Ohne Veränderung der Geburtenrate und ohne Zuwanderungen wird sie bis Ende der neunziger Jahre um rund eine Million Menschen, im dann folgenden Jahrzehnt um 2,8 Millionen, zwischen 2011 und 2020 um 4,4 Millionen und zwischen 2021 und 2030 um 5,6 Millionen, insgesamt also um etwa 14 Millionen Menschen abnehmen.
Mit dieser Bevölkerungsabnahme geht eine nachhaltige Veränderung der Altersstruktur einher. Der Bevölkerungsanteil der über 60jährigen steigt von gegenwärtig reichlich einem Fünftel bis 2030 auf weit über ein Drittel. Der Anteil der über 80jährigen steigt im gleichen Zeitraum von knapp 4 v.H. auf knapp 7 v.H. der Bevölkerung. Etwa jeder 15. Einwohner Deutschlands ist dann älter als 80 Jahre. Der Anteil der unter 20jährigen geht demgegenüber von gegenwärtig einem Fünftel auf etwa ein Sechstel der Bevölkerung zurück. Die Zahl der über 60jährigen ist also um 2030 mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der unter 20jährigen. Um 1950 lagen die Zahlenverhältnisse von über 60jährigen und unter 20jährigen genau umgekehrt."
(1992, S.40)
 

1993

TICHY, Roland (1993): Ausländer rein! Deutsche und Ausländer - verschiedene Herkunft, gemeinsame Zukunft, München: Pieper Verlag

Für Roland TICHY herrscht bereits in den 1990er Jahren ein demografisch bedingter Fachkräftemangel in Deutschland, weil die Babyboomer den geburtenschwachen Jahrgängen weichen:

"Bereits im Jahr 1990 wird es nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) 300.000 Schul- und Hochschulabgänger weniger geben als 1989. Ab Anfang der 90er Jahre würde damit jeder dritte Lehrplatz unbesetzt bleiben - für jeden neuen Lehrling wird dann ein roter Teppich ausgebreitet werden, so der DIHT.
Was sich da plötzlich als Mangel an Nachwuchskräften bemerkbar macht, ist das Auslaufen einer demographischen Welle - das Ende des starken Geburtenanstiegs der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. Babyboom nennen die amerikanischen Medien die starken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre - eine Entwicklung, die sich ähnlich in allen europäischen Staaten und in den USA vollzog. Die Generation der Babyboomer (...) drängelt sich derzeit an den Hochschulen und auf dem Arbeitsmarkt, der für sie noch nicht Lehrstellen im Überangebot bereithielt. Die nachfolgende Generation der 70er Jahre ist wesentlich weniger zahlreich - und trifft auf für sie wesentlich günstigere Bedingungen. Dabei ist das oben verwandte Bild von der Welle falsch (...): Die Babyboomer sind vielmehr ein einmaliger Berg, der sich durch das gesamte gesellschaftliche System schiebt. Danach werden die Deutschen immer weniger." (1993, S.126)
 

Das Buch erschien 1990 und obwohl diese 3. Auflage 1993 als "völlig überarbeitet" deklariert wurde, beziehen sich die Berechnungen in erster Linie auf Westdeutschland, wobei deren Herkunft kaum nachvollziehbar ist.

Zur Geburtenentwicklung wird z.B. lediglich das Buch Der Rückgang der Geburten - Folgen auf längere Sicht aus dem Jahr 1989 (Herausgeber Horst Claus Recktenwald) angegeben. Basisjahr der Berechnungen ist das Jahr 1984, wobei es sich hier um Westdeutschland handelt. Da es sich beim Jahr 1984 um einen Tiefpunkt der Geburtenzahlen handelt, sind die Ergebnisse entsprechend dramatisch, was wohl auch im Sinne des Autors war:

"Die Bevölkerungswissenschaftler sprechen von einer fast unausweichlichen Bevölkerungs-Implosion - einem In-sich-Zusammenfallen der Bevölkerung. Die Bevölkerung schrumpft und vergreist. Wie sich das zahlenmäßig entwickelt, errechnete das Statistische Bundesamt unter drei verschiedenen Annahmen:
- im Modell I bleibt das Gebärverhalten auf dem Niveau des Jahres 1984;
- im Modell II sinkt die Geburtenfreude weiter ab - statt 600.000 Kindern würden von einer gleichgroßen Bevölkerung nur noch 500.000 Kinder geboren;
- im Modell III schließlich steigt die Geburtenzahl wieder auf 800.000 an. Selbst bei dem optimistischen Modell III, das einen sofortigen Geburtenboom verlangt, schrumpft die Bevölkerung schon in etwa 15 Jahren (...). Statt der derzeit 61 Millionen Deutsche gibt es in 40 Jahren dann nur noch knapp 53 Millionen." (1993, S.129)

TICHY spricht von deutscher Bevölkerung, obwohl es sich hier lediglich um die westdeutsche Bevölkerung handelt. Die Ostdeutschen werden sozusagen als Ausländer gesehen.

1994

DEUTSCHER BUNDESTAG (1994)(Hrsg.): Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demographischer Wandel". Herausforderung unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik, Bonner Universitäts-Buchdruckerei (auch als Bundestag-Drucksache 12/7876 vom 14.06.1994 online verfügbar)

Die Entwicklung der Geburten in Ostdeutschland wird von der Enquête-Kommission folgendermaßen beschrieben:

"Der Einfluß einer außergewöhnlichen sozio-ökonomischen Lage auf das Fertilitätsniveau kann an dem aufgezeigten abrupten Geburtenrückgang in den neuen Bundesländern abgelesen werden: Die niedrige Geburtenhäufigkeit dürfte sich bei anhaltender sozialer und wirtschaftlicher Unsicherheit zunächst noch fortsetzen. Kurz- bis mittelfristig könnte sie sich an das Niveau in den alten Bundesländern angleichen. In der regionalen Bevölkerungsprognose der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) wird angenommen, daß bis zum Jahr 2000 eine zusammengefaßte Geburtenrate von 1,0 in den neuen Bundesländern zu erwarten ist (Bucher u. a., 1993, 43). Der weitere Annäherungsprozeß könnte sich auf 20 bis 25 Jahre erstrecken. Birg erwartet für den Geburtsjahrgang 1980 eine in den neuen und alten Bundesländern etwa angenäherte Kohortenfertilität, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für den Geburtsjahrgang 1985. Das bedeutet, daß noch bis zu den Jahren 2025/30 die Auswirkungen des abrupten Einbruchs der Geburtenzahlen auf das Fertilitätsniveau in den neuen Bundesländern zu bemerken sein werden." (Bundestag-Drucksache 1994, S.26)

Tatsächlich lag die ostdeutsche zusammengefasste Geburtenziffer im Jahr 2000 bereits bei 1,21 statt bei lediglich 1,0. Seit 2008 ist die zusammengefasste Geburtenziffer in Ostdeutschland (1,40) sogar höher als in Westdeutschland (1,37), was keiner der Experten damals prognostizierte.

Die Entwicklung der Zahl der Hochbetagten (80-Jährigen und Älteren) wird von der Enquête-Kommission (besetzt u.a. mit Eckart BOMSDORF, Gerhard NAEGELE, Bert RÜRUP und Winfried SCHMÄHL) folgendermaßen beziffert:

Jahr Deutschland alte Bundesländer neue Bundesländer
in Mill.  in % in Mill. in % in Mill. in %
1995 3,238 3,99 2,688 4,10 0,550 3,55
2000 2,911 3,59 2,494 3,79 0,417 2,72
2005 3,361 4,19 2,876 4,42 0,485 3,19
2010 3,724 4,72 3,155 4,94 0,569 3,79
2015 3,948 5,12 3,300 5,29 0,648 4,41
2020 4,623 6,17 3,823 6,30 0,800 5,61
2025 4,539 6,25 3,685 6,27 0,855 6,20
2030 4,347 6,22 3,594 6,35 0,752 5,66
Quelle: 1994, S.73 (Bundestag-Drucksache S.40)

Die damals erwartete Alterung für die Hochbetagten wurde von der Entwicklung bislang übertroffen. Im Jahr 2000 betrug der Anteil 3,8 %, im Jahr 2010 lag er bei 5,3 %. Ausschlaggebend ist jedoch nicht die Anzahl der Hochbetagten, sondern z.B. die Entwicklung der Pflegebedürftigen. Dazu macht der Bericht jedoch keine konkreten Aussagen.

Für die Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland bis 2030 (in Millionen) werden folgende 3 Modellrechnungen präsentiert:

  1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030
DESTATIS 8/1993 79,8 81,7 82,7 82,2 81,2 79,8 78,1 76,1 73,8
BIRG / FLÖTHMANN 8/1993 79,8 81,0 81,5 81,4 80,9 80,1 79,1 77,8 76,1
DIW 7/1993 80,3 81,9 83,4 83,7 83,7 82,7 81,6 79,6 77,5
Quelle: 1994, S.102 (Bundestag-Drucksache S.56); eigene Darstellung

Das Statistische Bundesamt rechnet also genauso wie BIRG/FLÖTHMANN bereits zwischen dem Jahr 2000 und 2005 mit einem dauerhaften Rückgang, während das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erst zwischen 2010 und 2015 mit einem dauerhaften Rückgang der Bevölkerung rechnet.

Tatsächlich ist Deutschland nach einer kurzzeitigen Schrumpfung (Höchststand 2002: 82,537) ab dem Jahr 2011 weiter gewachsen. Das Buch Das große Schrumpfen aus dem Jahr 2007 zeigt, dass dieses kurzzeitige Schrumpfen bereits mit einem dauerhaften Rückgang verwechselt wurde.

Aufgrund der Zensus 2011-Korrektur musste die Bevölkerungszahl um 1,5 Millionen Menschen verringert werden (31.12.2011: 80,328). Im Jahr 2015 dürfte das Wachstum seit 2011 bereits wieder die Millionengrenze überschreiten.

SOMMER, Bettina (1994): Entwicklung der Bevölkerung bis 2040.
Ergebnis der achten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung,
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 7, S.497-503

Für die 8. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung wurden 3 Varianten berechnet, die sich nur durch unterschiedliche Wanderungssalden unterscheiden. Es wird angenommen, dass der Wanderungsüberschuss bis zum Jahr 2000 auf 100.000 (Variante 1), 200.000 (Variante 2) bzw. 300.000 (Variante 3) zurückgeht. In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung der Bevölkerung und des Altenquotient 60 gemäß mittlerer Variante 2 und tatsächlicher Entwicklung ersichtlich:

Tabelle: Vergleich der Bevölkerungsvorausberechnung mit der
tatsächlichen Entwicklung von Bevölkerung und Altenquotient 60
31.12. des Jahres Bevölkerungsstand Altenquotient 60
Schätzung
(Variante 2)
tatsächlich Schätzung
(Variante 2)
tatsächlich
1992 80,97 Mio. 80,97 Mio. 35,0 35,0
2000 83,74 Mio. 82,26 Mio. 41,4 42,7
2010 83,43 Mio. 81,75 Mio. 44,1 47,6
2020 81,18 Mio.   51,7  
2030 77,41 Mio.   67,8  
2040 72,41 Mio.   67,8  
Quelle: Bettina Sommer, WIST 7/1994, Tabelle 2 S.501, Ergebnisse
gerundet; Statistisches Bundesamt (siehe Hyperlinks)

Während die Bevölkerungsentwicklung überschätzt wurde, wurde die Alterung unterschätzt.

Bei der Geburtenentwicklung wird für das frühere Bundesgebiet eine Geburtenrate von 1,4 angenommen. Nach einem Geburteneinbruch in den neuen Bundesländern soll sich deren Geburtenrate ab 1996 an das Niveau von Westdeutschland anpassen. Bei den meisten Ländern geschieht das bis 2005, nur in zwei Ländern dauert die Anpassung bis 2010. Beide Annahmen haben sich als falsch erwiesen.

MÖLLER, Klaus-Peter (1994): Wohin treibt die deutsche Wirtschaft? In: Warnfried Dettling (Hg.) Perspektiven für Deutschland, München: Knaur Verlag, S.99-118

Der Ökonom Klaus-Peter MÖLLER liest aus der Altersstruktur des Jahres 1992 die weitere gesamtdeutsche Entwicklung ab! Der alsbaldige Fachkräftemangel steht für ihn fest und auch der Wohnungsmarkt wird sich nach der Jahrtausendwende entspannen:

"Es ist deutlich zu erkennen, daß auch im vereinten Deutschland die negativen Folgen des Geburtenrückgangs auf die Binnennachfrage schon in wenigen Jahren spürbar werden. Mit dem Geburtenberg der sechziger Jahre ist letztmalig eine starke Altersgruppe von »Deutschen« in das Erwerbsleben eingetreten. Schon ab 1996 werden sich die Bestandszahlen in den Altersgruppen um 25 Jahre drastisch um 40 Prozent vermindern. Die Folgen dieser Verminderung lassen sich schon heute einigermaßen klar absehen:

- Es wird zu einem erheblichen Arbeitskräftemangel bei den Berufsanfängern kommen. Dieser wird bereits ab 1996 einsetzen.
- Die Zahl der Haushaltsneugründungen geht zurück und damit vermindert sich der Druck auf den Wohnungsmarkt. Das aufgebaute Defizit wird allerdings noch bis zum Jahr 2000 für starke Nachfrage sorgen.
- Die Bevölkerung der Bundesrepublik überaltert. Die Folgen dieses Entwicklungsprozesses sind zwar noch nicht absehbar, können aber in Richtung mangelnder Kreativität und Flexibilität gehen (1994, S.103f.)

OBERNDÖRFER, Dieter (1994): Einwanderungsland Deutschland. In: Warnfried Dettling (Hg.) Perspektiven für Deutschland, München: Knaur Verlag, S.285-301

Der Politikwissenschaftler Dieter OBERDÖRFER beruft sich auf eine nicht weiter ausgeführte DIW-Modellrechnung, wonach nur der reine Erhalt der Wirtschaftskraft Deutschlands ab dem Jahr 2008 eine Zuwanderung von 1 Million Menschen erfordern würde:

"Nach einer Modellrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung benötigt Deutschland allein zur Erhaltung seiner Wirtschaftskraft bis zum Jahr 2008 eine jährliche Zuwanderung von 300.000 Facharbeitern, einschließlich ihrer Angehörigen. Nach 2008 wäre wegen der dann verstärkt einsetzenden Überalterung der deutschen Bevölkerung eine Zuwanderung von einer Million notwendig. Zusammengerechnet ergäbe dies bis zum Jahr 2015 eine Einwanderung von 12 Millionen." (1994, S.288)

Auch der baldige Zusammenbruch des Rentensystems ist gewiss, weil bereits 2015 auf einen Erwerbstätigen zwei Rentner lasten:

"Der Zusammenbruch des Rentensystems und ein schwerer Generationenkonflikt sind vorgezeichnet.
Die Gefährdung der Renten zeichnet sich schon jetzt ab. Trotz ständig steigender Beiträge der Arbeitnehmer zur Altersversicherung soll nach den Plänen Bundesarbeitsminister Blüms das Rentenalter bis 2002 allmählich von derzeit durchschnittlich 60 auf 65 Jahre angehoben werden. Dies kann aber nur eine vorübergehende Entlastung bringen. Schon 2015 wird ein Erwerbstätiger auf zwei Rentner und bis 2040 ein Erwerbstätiger auf vier Rentner kommen." (1994, S.286)

1995

WOTER, Carla (1995): Alt und älter: Der vergreisende Planet. Die Deutschen stellen ihre Bevölkerungspyramide auf den Kopf. In: Wolfgang Wiedlich (Hrsg.) Das unvorstellbare Wachstum. Die Bevölkerungslawine. Ein Blick zurück nach vorn, Bonn: Bouvier, S.38-47

Carla WOTER prophezeit bereits für das Jahr 2005 einen demografisch bedingten Arbeitskräftemangel und beschreibt Lösungsmöglichkeiten:

"Die Gruppe der über 60jährigen ist in den Industrieländern innerhalb von 40 Jahren von elf auf 17 Prozent gestiegen. Den Welt-Alterungsrekord hält das Land des Lächelns und Arbeitens - Japan: Bis zum Jahr 2007 wird einer von fünf Japanern über 65 sein, 2025 bereits einer vor vieren."
(1995, S.40)

"In Europa sieht die Welt kaum jünger aus. »Die goldenen Jahre sind in Deutschland bald vorbei«, sagte Tyll Necker, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, unlängst auf einer Konferenz zum Thema »Alternde Gesellschaft - Dynamische Wirtschaft«. Im Jahre 2035 werden 35 Prozent der Bundesbürger über 60 sein und nur 17 Prozent unter 20. Derzeit profitiert Deutschland noch von seiner geradezu idealen Altersstruktur als Folge des Zweiten Weltkriegs sowie den geringeren Geburtenraten in der Endphase der Weimarer Republik. Doch die wachsende Anzahl von Rentnern und Pensionären könnte sich aufgrund steigender Sozial- und Rentenkosten im internationalen Konkurrenzkampf als Nachteil erweisen. So wird ab Mitte des nächsten Jahrzehnts die deutsche Erwerbsbevölkerung um etwa 500.000 Personen abnehmen. In den Industrieländern allgemein kommt heute auf drei Erwerbstätige ein Rentner, aber bereits in 30 Jahren liegt das Verhältnis bei 1,5:1. Um das auszugleichen, müßten die Tarifparteien und Gesetzgeber schon heute wichtige Bereiche der Gesellschaft umorganisieren. Etwa den Frauen die Kombination von Beruf und Familie erleichtern, die Anzahl der Kindergartenplätze und Kindertagesstätten erhöhen sowie flexiblere Arbeitszeiten schaffen.
Eine andere Möglichkeit, dem Dilemma zu entkommen, birgt die nächste Schwierigkeit - Zuwanderer. Statistischen Erhebungen der Universität Nürnberg zufolge müßte die Einwanderungsquote um 250.000 Personen jährlich erhöht werden. Doch die Politik steuert in die andere Richtung." (1995, S.42) 

Die Veränderung der Bevölkerungspyramide wird als Ausdruck der Ego-Gesellschaft beschrieben:

"Symbol der sogenannten Ego-Gesellschaft ist die Bevölkerungspyramide: Aus der ehemals sich nach oben verschlankenden Form ist ein Pilz geworden. Unten rankt ein sehr schmaler, junger Stamm, oben wuchert die solide Alten-Krone.
Wie schnell wird aus dem Generationenvertrag ein Verteilungskrieg zwischen den Generationen? (...). Während heute 36 Rentner von den Beitragszahlungen 100 Erwerbstätiger leben, werden es im kommenden Jahrhundert mehr als doppelt so viele sein." (1995, S.45)

Die steigende Lebenserwartung bewegt sich auf ein Ende zu:

"Modellrechnungen haben ergeben, daß 1993 geborene Mädchen auf 85 Jahre Leben hoffen können, Jungen auf fast 78. Gerontologen gehen davon aus, daß die Lebenserwartung des Menschen irgendwo zwischen 100 und 120 Jahren ausgereizt ist. (...). Die demographische Zeitbombe tickt und hat viele Gesichter. Das Mengenproblem ist eines, die Überalterung der Gesellschaften ein anderes." (1995, S.45)

1996

SPIEGEL -Titelgeschichte: Schlaraffenland abgebrannt.
Die Pleite des Sozialstaats

SPIEGEL (1996): Pleite im Paradies.
Geburtenrückgang und Arbeitslosigkeit haben die sozialen Sicherungssysteme verwüstet - der Sozialstaat bisheriger Prägung ist am Ende. Die Rente ist unsicher, niemand weiß, womit Arbeitslosengeld, Pflegehilfe und Krankengeld in Zukunft bezahlt werden sollen. Die Gewerkschaften befürchten das Schlimmste: Kapitalismus pur,
in: Spiegel Nr.20 v. 13.05.

Ein Schaubild zeigt folgende Entwicklung der erwarteten Zahl der Rentner je 100 Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung:

  1994 2000 2010 2020 2030 2040
Rentner je 100 Beitragszahler 46 52 62 74 96 102
Quelle: Spiegel Nr.20, S.29

Als Quelle wird der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) angegeben. Der Altenquotient als Relation von 100 20-59-Jährigen zu 60Jährigen und Älteren lag im Jahr 1995 bei 36,5, d.h. damals lag die Rentnerlast ca. 26 % über dem Altenquotient. Unklar ist, wie der Rentnerquotient in die Zukunft fortgeschrieben wurde. Im Jahr 2010 lag der Altenquotient bei 47,2 und der erwartete Rentnerquotient bei 62, d.h. um ca. 30 % höher.

Wie hoch war der Rentnerquotient jedoch tatsächlich im Jahr 2010? Nach dem Rentenversicherungsbericht 2010 (vgl. S.59) lag der Rentnerquotient bei 55,59, d.h. lediglich ca. 18 % über dem Altenquotient. Das Rentenproblem ist also innerhalb von 15 Jahren geringer geworden als damals erwartet.      

Außerdem wird die Entwicklung der Hochbetagten in Deutschland folgendermaßen beziffert:

  1900 1950 1994 2030
80 Jahre und älter 270.000 600.000 3.300.000 4.500.000
90 Jahre und älter 10.000 20.000 362.000 800.000
100 Jahre und älter 400 1.200 4.000 50.000
Quelle: Spiegel Nr.20, S.29

Da nur Zahlen für das Jahr 2030 genannt werden, lässt sich nicht überprüfen, inwiefern diese Entwicklung zutreffend ist. 

SCHÜLLER, Heidi (1996): Die Alterslüge. Für einen neuen Generationenvertrag, Reinbek: Rowohlt Verlag

Heidi SCHÜLLER sieht keinen Arbeitskräftemangel im Jahr 2030 drohen, sondern einen Mangel an Arbeitsplätzen:

"Weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung (46 Prozent) würde in 35 Jahren - also im Jahre 2030 - überhaupt noch im klassischen »erwerbsfähigen« Alter sein. Und wie viele von denen finden dann überhaupt noch Vollzeitarbeit in Zeiten zunehmender Rationalisierung und zunehmender Abwanderung von Industrieproduktion in Billiglohnländer."
(1996, S.53)

Aufgrund fehlender Statistiken zur lebenslangen Kinderlosigkeit wird mit Zahlen von Haushalten ohne Kinder, also durch Umdefinition von potentiellen und tatsächlichen Eltern in Kinderlose, argumentiert:

"30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland bleiben mittlerweile kinderlos, 20 Prozent der Eltern haben nur einen Sprößling. Das heißt, für 40 Prozent der Bevölkerung müssen die Renten später von den Kindern anderer, fremder Leute aufgebracht werden. »Pro Jahr fließen rund 160 Milliarden D-Mark von den Mehrkinderfamilien auf die Konten der kinderlosen und kinderarmen Rentner«, rechnet der Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert in der Woche vor." (1996, S.61)

Heidi SCHÜLLER betrachtet die Lebenserwartung differenziert zum einen für Neugeborene und zum anderen für 70-Jährige:

"Noch vor hundert Jahren erreichten nur etwa 75 Prozent der Geborenen das Erwachsenenalter, ein Viertel aller Neugeborenen starb schon im Säuglings- oder Kleinkindalter. Die Hälfte derer, die das Erwachsenenalter erreichten, wurde dann aber auch über sechzig Jahre alt. Heute liegt die statistische Lebenserwartung für alle männlichen Neugeborenen bei knapp 73 Jahren und für alle weiblichen bei fast 79 Jahren. Das sind durchaus beeindruckende Zahlen. Entsprechend wird zum Beispiel in den Ärzteblättern wohlfeil gejubelt, daß die Lebenserwartung sich in den letzten hundert Jahren fast verdoppelt habe (Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 51/52 vom 27. Dezember 1993). Aufmerksame Kollegen allerdings wissen diese Meldung postwendend und zutreffend zu differenzieren. Denn diese Aussage trifft tatsächlich nur für Neugeborene zu. Die hohe Zahl der Alten insgesamt ist also im wesentlichen eine Folge der verringerten Frühsterblichkeit und nicht der »grandiosen« medizinischen Versorgung im Alter.
Für einen heute siebzigjährigen Mann hat sich die weitere Lebenserwartung innerhalb der letzten hundert Jahre gerade mal um 3,56 Jahre erhöht. Für eine gleichaltrige Frau beträgt der statistische Gewinn 6,36 Jahre. Für Siebzigjährige läßt sich also eine statistische Lebensverlängerung nicht von der Hand weisen. Hingegen hat sich die Lebenserwartung eines Neunzigjährigen im Vergleich zu der Überlebenschance eines Greises vor hundert Jahren nur gerade einmal um weniger als ein Jahr verbessert." (1996, S.65f.)

Zum Rentensystem und der weiteren Bevölkerungsentwicklung nennt SCHÜLLER folgende Zahlen:

"1992 wurden insgesamt 18,3 Millionen Einzelrenten ausgezahlt, inklusive Versicherten-, Witwen- und Waisenrenten. (...).
Ab 2035 könnte sich die Lage theoretisch wieder bessern, dann geht der »Pillenknick« in Rente. Doch das Mißverhältnis zwischen Erwerbstätigen und Anspruchnehmern bleibt. Nur unter der Voraussetzung einer Zuwanderung von 14,5 Millionen Menschen ließe sich das Schrumpfen der Einwohnerzahlen bis 2040 auffangen. Bis dahin wird ein Minus von 5,5 bis 15 Millionen Einwohnern in Deutschland erwartet." (1996, S.82)

Vor allem die Vorruhestandsregelungen haben zur Verlängerung der Rentenbezugsdauer beigetragen:

"Großzügig gewährte und massenhaft in Anspruch genommene Vorruhestandsregelungen gestatten es (...) eine für alle Beteiligten »günstige« Regelung der Ausstiegsbedingungen zu schaffen. Die Firma spart Kosten, der Arbeitnehmer gewinnt Zeit und Rentenansprüche, und die verschiedenen Sozialversicherungen, mithin die Gemeinschaft der Beitragszahler, begleicht die Rechnung.
Solche und andere Regelungen haben dazu geführt, daß das durchschnittliche Rentenalter bei Männern inzwischen bei 59,7 Jahren liegt. Bis zum 65. Lebensjahr arbeiten lediglich noch ein Fünftel der Männer, ein Zwanzigstel der Frauen (und nur noch jeder hundertste Lehrer). Der Rentenbeginn bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten liegt für Frauen im Durchschnitt bei mittlerweile 52,5 Jahren." (1996, S.96)

Der Kampf der Familienlebensstile zeigt sich im Ost-West-Vergleich bei den Rentnerinnen. Die Rabenmütter im Osten sind gegenüber den Heimchen am Herd im Westen bevorzugt. Während die Ostfrauen heute vielfach den Westfrauen als Vorbilder präsentiert werden, ziehen sie sich bei SCHÜLLER den Neid auf sich:

"Für die alten Menschen in Ostdeutschland bot die Vereinigung sogar große Chancen. Der zusammengebrochene Sozialismus hätte für sie ohnehin keine Versorgung mehr bereitgehalten. Sie konnten sich nur verbessern, vor allem die ostdeutschen Rentnerinnen. Da fast alle von ihnen berufstätig waren - die Frauenerwerbsquote in der DDR lag bei 91 Prozent -, hatten sie nach der Anpassung der Rentensysteme auch gleichzeitig einen verbrieften Anspruch auf eine eigene Rente.
Trotz geringerer Auszahlungen als im Westen waren sie damit besser gestellt als zahlreiche Westrentnerinnen, vor allem als die Alleinstehenden unter ihnen, die zeitlebens keine eigenen Ansprüche erworben hatten, weil sie zu Hause die Kinder großgezogen hatten.
Eine Rentnerin in Nordrhein-Westfalen, die im Durchschnitt über nicht mehr als 700 DM an eigenen Rentenbezügen verfügt, hat nichts zu lachen. Und eine heute 87jährige Frau im Westen, die in ihrem Leben zweimal geschieden wurde und immerhin dreizehn Kinder zur Welt gebracht hat, steht ohne eigenen Rentenanspruch da und ist auf Sozialhilfe und Pflegegeld angewiesen (vergleiche Walter Hanesch u.a.: »Armut in Deutschland«. Reinbek 1994, Seite 348), während berufstätige Frauen aus dem Osten, die ihre Kinder in den zahlreichen Kinderhorten - wie gut auch immer - versorgt wußten, nun ihre eigene Rente beziehen. So etwa schafft Unmut." (1996, S.163f.)

Eine Westfrau mit 13 Kindern ist jedoch die seltene Ausnahme, da die Kinderzahl bereits Anfang des 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen ist.

HÖHN, Charlotte (1996): Bevölkerungsvorausberechnungen für die Welt, die EU-Mitgliedsländer und Deutschland,
in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Heft 2, S.171-218

1997

MÜNZ, Rainer (1997): Rentnerberg und leere Schulen? Unsere alternde Gesellschaft im 21. Jahrhundert. In: Annette Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das Abenteuer der Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld Verlag, S.17-25

Der Aufsatz von Rainer MÜNZ bleibt vage obwohl er immer wieder die angebliche Genauigkeit der Bevölkerungsvoraussagen beschwört. Lediglich zum Jahr 2030 werden ein paar konkrete Zahlen genannt:

"Derzeit ist ein Fünftel der in Deutschland lebenden Bevölkerung über 60 Jahre alt (21 Prozent), darunter etwas über ein Prozent über 80jährige. Bis zum Jahr 2030 wird der Anteil der älteren Menschen in beiden Teilen Deutschlands auf gut ein Drittel steigen (35 Prozent), darunter fast vier Prozent über 80jährige.
(...).
Heute sind 21 Prozent der Bevölkerung unter 20 Jahre alt, 2030 werden gerade noch 16 Prozent dieser Altersgruppe angehören." (1997, S.20f.)

BÖRSCH-SUPAN, Axel (1997): Eine umfassende Verpflichtung zur Solidarität. Das Festhalten am Umlageverfahren gefährdet den Generationenvertrag - Kapitaldeckung ist möglich und vorteilhaft. In: Annette Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das Abenteuer der Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld Verlag, S.34-40

Axel BÖRSCH-SUPAN plädiert für einen Umstieg vom Umlageverfahren auf die Kapitaldeckung und verspricht für die kapitalgedeckte Rente weit höhere Renditen als das jetzige Umlageverfahren:

"Um während eines 40jährigen Erwerbslebens das Deckungskapital für eine Rente auf dem heutigen Niveau zu sammeln, ist bei einer Kapitalrendite von 5 Prozent eine Sparquote von 4,7 Prozent notwendig. Im Vergleich mit dem derzeitigen Beitragssatz von mehr als 20 Prozent würden unsere Kinder also nicht lange fackeln, wenn sie wählen könnten."
(1997, S.39)

Das Kapitalmarktrisiko wird mit Blick auf die Niederlande und Schweiz klein geredet.

TEXTOR, R. Martin  (1997): Bevölkerungsentwicklung: Konsequenzen für Gesellschaft und Familie, in: Ders. (Hrsg.) Sozialpolitik. Aktuelle Fragen und Probleme, Westdeutscher Verlag, S.11-28

"Bedeutsamer als der Rückgang der Bevölkerung ist ihre Alterung. (...). Die geburtenstarken Jahrgänge um 1965 und vor 1990 werden zu Ausbuchtungen bei den Altersgruppen der 70- bis 75jährigen und der 60- bis 60jährigen führen. Die jüngeren Altersgruppen werden dann immer schwächer besetzt sein.
Dieser Altersstrukturwandel wird zu einer Neubewertung des Altseins führen. Es muß nicht nur zwischen  »jungen Alten« und Hochbetagten unterschieden werden, sondern auch zwischen ganz verschiedenen Lebensstilen und Bedürfnislagen. Singularisierung (Fehlen eines Partners), Isolierung aufgrund mangelnder verwandtschaftlicher Verflechtungen (Kinder- , Geschwisterlosigkeit), Chronische Erkrankung und Pflegebedürftigkeit mit Angewiesensein auf fremde Hilfe werden häufiger werden" (1997, S.16),

beschreibt Martin R. TEXTOR die Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung bis 2040, wobei er auf die Ergebnisse der achten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (vgl. SOMMER 1994) zurückgreift.

1998

DEUTSCHER BUNDESTAG (1998)(Hrsg.): Demographischer Wandel. Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demographischer Wandel" - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik, Bonner Universitäts-Buchdruckerei (auch als Bundestag-Drucksache 13/11460 vom 05.10.1998 online verfügbar)

LUTZ, Wolfgang & Sergei SCHERBOV (1998): Prohabilistische Bevölkerungsprognosen für Deutschland,
in:
Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Heft 2, S.83-109

LUTZ & SCHERBOV haben für das Ausgangsjahr 1995 Prognosen erstellt. Es zeigt sich, dass die Bevölkerungsentwicklung - je nach Annahme - eine enorme Schwankungsbreite annehmen kann:

Die "Wohnbevölkerung Deutschlands (wird) im Jahr 2020 mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 73 und 87 Millionen Menschen betragen".

Zur Entwicklung des Anteils der unter 20-Jährigen schreiben die Autoren:

"Der Anteil der Personen von unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung ist in den letzten Jahren schon deutlich gesunken. Derzeit beträgt er noch knapp 21 %. Die Ergebnisse (...) zeigen, daß auch dieser Anteil (...) im Jahr 2015 (mit) mehr als 98 % aller simulierten Fälle unterhalb eines Anteils von 20 % zu liegen (kommt)".

Dabei liegt die Untergrenze sogar bei ca. 15 % für 2015! 

1999

SPIEGEL -Titelgeschichte: Die Baby-Lücke.
Geburtenrückgang mit dramatischen Folgen: Vergreisung, Rentenkrise, Explosion der Gesundheitskosten

REIERMANN, Christian & Ulrich SCHÄFER (1999): Zwang zur Wende.
Das Gezerre um die Renten verschreckt Wähler und Regierung. Doch das ist erst der Anfang: Weil Deutschland vergreist, wird die Rentenversicherung unbezahlbar, und die Gesundheitskosten werden explodieren. An einer wirklichen Reform der sozialen Sicherungssysteme führt kein Weg vorbei - mit mehr Eigenvorsorge und weniger staatlicher Fürsorge,
in: Spiegel Nr.35 v. 30.08.

2000

GRÜNHEID, Evelyn (2000): Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2050 - Vergleich der beiden letzten Modellrechnungen des BMI mit der 8. und 9. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Bundesamtes und der Statistischen Landesämter,
in: Zeitschrift für Bevölkerungsentwicklung, Heft 2, S.327-338

 
     
 
       
   

weiterführender Link

 
       
   

Deutschlands Zukunft im Spiegel der Öffentlichkeit (Teil 2): 2001 - 2005

 
       
   
 
   

Bitte beachten Sie:
single-generation.de ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten

 
   
 
     
   
 
   
© 2002-2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 28. März 2015
Update: 11. Februar 2019