|
Einführung
Einsamkeit und Alleinleben gelten in unserer paar-
und familienorientierten Gesellschaft oftmals als Synonym,
obwohl Einsamkeit auch in Partnerschaften ("gemeinsam einsam"
oder Familien nicht selten ist. Im viel gelesenen Beitrag
Einsamkeit.
Single-Haushalte und die Fröste der Freiheit aus dem
Jahr 2002 wurden deshalb typische Vorurteile in der Debatte um
die so genannte Single-Gesellschaft aufgezeigt und das
Alleinleben als anspruchsvolle Lebensform dargestellt. Außerdem
wurde aufgezeigt wie man der Einsamkeitsfalle entgehen kann,
Partnerlose werden als "einsame Herzen" bezeichnet
und die professionelle Partnersuche gilt als Geschäft mit der
Einsamkeit, Partnerlose und Partnersuchende sind jedoch nicht
identisch mit Alleinlebenden. In dieser Bibliografie steht nicht
diese "Lonely Hearts"-Thematik im Mittelpunkt, weil es dazu
zahlreiche speziellere Bibliografien gibt (eine Übersicht findet
sich
hier). Einsame sind jedoch oftmals Opfer von
Liebesbetrügern, weshalb dieser Aspekt in dieser Bibliografie
behandelt wird.
Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser werden von
Betroffenen als auch von der Politik als Lösung des
Einsamkeitsproblems angesehen. Den Alleinlebenden droht dagegen
der einsame Tod. Inwiefern dies zutreffend ist, zeigt die
kontrovers geführte Debatte um den demografischen Wandel. Können
nicht Nachbarn, Haustiere, Freunde oder gar neue Technologien
gegen Einsamkeit helfen und das Alleinsein angenehmer gestalten?
Gibt es
Risikofaktoren oder Verhaltensweisen, die ein Leben in
Einsamkeit wahrscheinlicher machen? Die psychologischen Beiträge
in dieser Bibliografie beschäftigen sich mit dieser Frage. Mitte
der Nuller Jahre gab es eine regelrechte Flut von
Einsamkeitsliteratur, in der es um ein neues Ethos der
Einsamkeit geht. In dem zweiteiligen Beitrag
Das neue Ethos der
Einsamen wird der Wandel des Einsamkeitsverständnisses
in der neuen Ratgeberliteratur vor dem Hintergrund des
gesellschaftlichen Wandels beschrieben.
Im Zeitalter
der Demografiepolitik symbolisiert die kinderlose Karrierefrau
die Einsamkeit par Excellence:
Einsame
Spitze oder Erfolgreich, einsam, kinderlos (so
der
Untertitel eines Bestsellers) bringen dies auf den Punkt.
Auch dieser Aspekt wird in anderen speziellen Bibliografien und
Beiträgen ausführlicher beleuchtet (mehr
hier) und hier nur am
Rande thematisiert.
Kommentierte Bibliografie (Teil 1: 1977 -
2004)
1977
ZORN, Fritz (1977): Mars,
München: Kindler Verlag
HENÉ, Mario (1977): Lieber
allein, als gemeinsam einsam, Hamburg: Metronome Musik GmbH
1978
SPIEGEL-Titelgeschichte:
Alleinleben.
Die neue Freiheit |
SCHREIBER, Hermann (1978): Du bist du, und
ich bin ich.
Teil 1: Vor Liebe wird gewarnt,
in: Der Spiegel, Nr. 25 v. 19.06.
Herman
SCHREIBER beschreibt in der 3-teiligen Spiegel-Serie
das Alleinleben als Reaktion auf die Einsamkeit zu zweit.
1979
GERZ,
Jochen (1979): Einsamkeit. In: Bettina Best (Hrsg.) Ich
lebe alleine, München: Matthes & Seitz Verlag
"Die Einsamkeit ist
ein relativer Begriff. Man kann damit ganz verschiedenes
meinen. Wenn jemand macht, was er will und dahin geht,
wohin er will, kann das Wort für ihn anziehend sein. Wenn
er aber mitten auf einer Straße, die mit Leuten überfüllt
ist, einsam ist, kann er das eigentlich gar nicht sein,
denn das heißt ja ohne andere Menschen sein, und
gleichzeitig heiß es auch (in den Berichten, die
Einsiedler und sonstige Leute betreffen, die sich
zurückzogen in die Einsamkeit): sich selbst genug sein,
sich selbst disponibel halten für sich selbst. So heißt
Einsamkeit heute oft das Gegenteil von früher und ist vor
allem trist und ausweglos", (S.35) schreibt Jochen GERZ.
1980
SEIFERT,
Theodor (1980): Lernen sich selbst zu ertragen.
Einsamkeit und
Alleinsein sind zweierlei. Viele leben allein, doch nicht alle
fühlen sich einsam. Und die Einsamkeit hat viele
Erscheinungsformen. Manche können die Angst vor ihr kaum mehr
ertragen, andere sehnen sich danach, allein zu sein. Sicher
sind die meisten auf den Kontakt mit anderen Menschen
angewiesen. Wie gut wir aber auch ohne sie auskommen, hängt
davon ab, wie wir zu uns selber stehen,
in: Psychologie
Heute, H.2, Februar
RUBINSTEIN, Carin/SHAVER,
Philipp/PEPLAU, Letitia Anne (1980): Einsamkeit.
Die Kluft zwischen
Wunsch und Wirklichkeit,
in: Psychologie
Heute, H.2, Februar
M.M. (1980): "Eine ganz
gewöhnliche Reaktion".
Einsamkeit: Der
Soziologe Robert Weiß gilt als Nestor der
Einsamkeitsforschung: Für ihn ist Einsamkeit eine Reaktion auf
das Fehlen von emotionalen oder sozialen Beziehungen,
in: Psychologie
Heute, H.2, Februar
1987
MEER, Jeff (1987):
Einsamkeit.
Wie entsteht das Gefühl
der Einsamkeit, das immer mehr Menschen quält? Und wann wird
aus der unvermeidbaren Erfahrung der Einsamkeit ein
chronischer Zustand? Psychologen haben begonnen, die
Einsamkeit und ihre Ursachen zu erforschen,
in: Psychologie
Heute, H.3, März
1989
STRASSER, Eva (1989): Der ewige Single.
Warum immer mehr junge Frauen einsam sind,
in: Wiener, Mai,
S. 86-93
PULS, Wichard (1989): Soziale Isolation
und Einsamkeit: Ansätze zu einer empirisch-nomologischen Theorie,
(Diss.), Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag
Die
Entwicklung der
Einpersonenhaushalte veranschlagt Wichard PULS aufgrund einer
Berechnung des Statistischen Bundesamtes auf 14,7 % im Jahr 1990
(1981: 12,9 %). Anhand einer Literaturstudie, bei der die Ergebnisse
der
GETAS-Studie (1980), eine Untersuchung von OPASCHOWSKI &
NEUBAUER (1981) und die Forschungen von Jenny DE
JONG-GIERVELD berücksichtigt werden, kommt PULS zur Hypothese:
"Je größer der Anteil der
Personen einer Gesellschaft ist, der in Einpersonenhaushalten
lebt, desto wahrscheinlicher ist es, daß sich eine Person
innerhalb dieser Gesellschaft in einem Zustand der sozialen
Isolation befindet und sich einsam fühlt" (1989, S.380; im
Original unterstrichen)
1990
STRASSER, Eva (1990): Nie mehr Single.
Das
Ende einer Ära,
in: Wiener, März S.76-80
"Einsamkeit wird
als Leiden der 80er Jahre die Krankenstatistik anführen.
Zehn Millionen Alleinlebende in Deutschland sind ihre
potentiellen Opfer. Halbe Metropolen sind zu gigantischen
Lazaretten verkommen, wo angeknackste Einzelkämpfer
verzweifelt ihr Image als lockerer Großstadt-Sklave zu
retten.",
schreibt Eva
STRASSER in dem Zeitgeistmagazin. Sie datiert den Beginn des
"Single-Kults" auf das Jahr 1975.
BECK, Ulrich & Elisabeth BECK-GERNSHEIM (1990): Das ganz
normale Chaos der Liebe, Frankfurt a/M: Suhrkamp Verlag
"Die Grundfigur der
durchgesetzten Moderne ist - zu Ende gedacht - der oder die
Alleinstehende (...).
Doch in dem Maße, in dem diese individualisierte
Existenzführung gelingt, wächst die Gefahr, daß sie zu einem
unüberschreitbaren Hindernis für die ja meist doch
angestrebte Partnerschaft (Ehe, Familie) wird. In dem
Single-Dasein wächst die Sehnsucht nach dem (der) anderen
ebenso wie die Unmöglichkeit, diesen Menschen in den Bauplan
des nun wirklich »eigenen Lebens« überhaupt noch
aufnehmen zu können. Das Leben wurde ausgefüllt mit der
Nichtgegenwart des anderen. Jetzt ist kein Raum mehr für ihn
(sie). Alles atmet die Abwehr von Einsamkeit: die Vielfalt
der Beziehungen, die Rechte, die man ihnen einräumt, die
Gewohnheiten des Wohnens, die Verfügung über den Zeitplan,
die Arten des Rückzugs, um die hinter den Fassaden bohrenden
Schmerzen zu bewältigen. Dies alles wird durch die erhoffte
Zweisamkeit in seiner mühselig austarierten Feinbalance
gefährdet. Die Konstruktionen der Selbständigkeit werden zu
Gitterstäben der Einsamkeit", (S.190f.)
schreibt Ulrich BECK in
dem Bestseller. Der französische Soziologe Jean-Claude
KAUFMANN hat diese Sicht dann in seinem Untersuchungen in den
1990er Jahren zum Ausgangspunkt seiner Betrachtung des
Single-Daseins gemacht. Seine Grundthese lautet, dass der
Single-Alltag das spätere Paarleben durch die Macht der
Gewohnheiten torpediert (vgl. z.B.
Schmutzige Wäsche)
1991
GROSS, Peter (1991):
Solitäre Enklaven. Zur Soziologie des Nicht-Sozialen.
In: Vetter (Hg.) Muster moderner Lebensführung. Ansätze
und Perspektiven, Weinheim/München: Juventa, S.379-406
SCHEIDT, Jürgen
vom (1991): Die Wonnen der Einsamkeit,
in: Copray, Norbert (Hrsg.) Lieber allein? Im Sog der Single-Gesellschaft,
München: Kösel, S. 120-126
"Auf
jeden Single, der in einem Einpersonenhaushalt lebt, kommt
mindestens noch ein weiterer, dem man das nicht so ohne
weiteres ansieht. Es ist sogar anzunehmen, daß Singlesein
inzwischen die am weitesten verbreitete Lebensform im
psychologischen Sinne ist - nur wissen es oft nicht einmal
die Betroffenen selbst. Ich nenne diese Leute (...)
»Krypto-Singles«. Denn obgleich sie - nach außen hin
- im Gegensatz zum echten Single im Sinne der Statistik
mit anderen Menschen in einer engen Gemeinschaft leben,
sind sie doch so viel allein, und leben sie vor allem in
einer solch ausgeprägten inneren Einsamkeit und Distanz zu
ihrer Familie, daß man sie ohne Bedenken als Single
bezeichnen darf" (S.124),
schreibt
Jürgen vom SCHEIDT, der Singles nicht im soziologischen Sinne
als Alleinlebende begreift, sondern psychologisch im Sinne einer
Grundhaltung.
1992
MAKOWSKY, Arno (1992): Solo-Trip über
fünfzehn Stockwerke.
Wie die Menschen in einem typischen Münchner Appartementhaus mit
443 Einzelmietern über die trennende Gemeinsamkeit denken, allein zu
leben,
in: Süddeutsche Zeitung v. 30.05.
"Die Anonymität:
In der Franziskanerstraße ist sie allgegenwärtig. Niemals,
sagt Birgit G., sehe man Nachbarn, die sich unterhalten, an
Bekanntschaften sei gar nicht zu denken. So ist es kaum
erstaunlich, wenn ein Münchner Polizeisprecher es als »ganz
normal« bezeichnet, daß in großen Appartementhäusern
Todesfälle oft erst nach Wochen, manchmal Monaten entdeckt
werden. (...). Vom Dauerauftrag für die Miete bis zur
automatisch abgebuchten Telefon- und Stromrechnung - der
moderne alleinlebende Mensch hat sein Leben so geregelt, daß
sein Tod nicht weiter auffällt", schreibt Arno MAKOWSKY.
1993
SCHWAB, Reinhold (1993): Einsamkeit. In:
Angela Schorr (Hg.) Handwörterbuch der Angewandten Psychologie.
Die Angewandte Psychologie in Schlüsselbegriffen. Bonn:
Deutscher Psychologen Verlag, S.148-151
FOCUS-Titelgeschichte:
Schicksal Single.
Der Preis
der Ich-Sucht |
KLONOWSKY, Michael (1993): Schicksal
Einsamkeit: Der Preis der Ich-Sucht.
Jede zweite Wohnung in den Großstädten ist ein
Single-Appartement. Während die moderne Einsiedelei weiter boomt,
leiden die Eremiten,
in: Focus Nr.49 v. 06.12.
"Der unbekannte Mann,
auf den Polizeibeamte am 30. März 1993 in einer Wohnung im
Wiesbadener Stadtteil Biebrich stießen, starb ungefähr Ende
Oktober 1989. Seine mumifizierte Leiche lag dreieinhalb
Jahre auf dem Küchenfußboden. Hätte nicht Interesse an der
Wohnung bestanden, läge er vermutlich heute noch dort.
Einsam sterben - nur ein Randgruppenschicksal?
Offenbar nicht", meint Michael KLONOWSKY.
1997
FLIEGEL, Steffen (1998):
"Kontaktanzeigen".
Eine Hilfe gegen
Einsamkeit?,
in:
Vorname genügt,
Sendung des WDR 2 v. 18.05.
PSYCHOLOGIE
HEUTE-Titelgeschichte:
Zeitkrankheit Einsamkeit.
Isolation überwinden, Kontakte
knüpfen |
LEVEND, Helga (1997): "Bin
ich gut genug?"
Überhöhte Ansprüche an
sich selbst können einsam machen,
in: Psychologie
Heute, H.6, Juni
"Einsamkeit ist kein Phänomen unserer Zeit. Sie ist ein
Grundgefühl des Menschen, dem er sich immer wieder neu stellen muß.
Allenfalls haben sich die Ursachen und das Erscheinungsbild etwas
verändert.
Wissenschaftler haben herausgefunden: Es sind eher junge als ältere
Menschen, die über Einsamkeit klagen", meint
Helga LEVEND.
UNVERZAGT, Gerlinde (1997):
Einsamkeit: Chance zum persönlichen Wachstum,
in: Psychologie
Heute, H.6, Juni
SCHREP,
Bruno (1997): Die 40 Quadratmeter der Marianne W.
Fünf Jahre lag ein Toter unbemerkt in seinem Hamburger Apartment
- der Fall schockt die ganze Republik,
in: Spiegel Nr.40 v. 29.09.
1998
KOELBL, Susanne (1998): Ist doch irre.
Fünf Jahre lag ein Toter unbemerkt in seinem Hamburger Apartment
- der Fall schockt die ganze Republik,
in: Spiegel Nr.48 v. 23.11.
1999
RÖHRLE, Bernd & Julia OSTERLOW
(1999): Gemeinsam allein?
Zur Psychologie der Einsamkeit,
in: Universitas Nr.636, Juni, S.572-585
HANIKA, Iris (1999): Wir einsamen
Frauen,
in: Merkur Nr.6, Juni, S.568-574
2000
SCHMIDT,
Stephanie (2000): "Zweisam", "Dreisam", aber niemals einsam.
Wohngemeinschaften als ideale Lebensform,
in: Süddeutsche Zeitung v. 04.08.
ROTTENBERG, Thomas (2000):
Zu Besuch bei alten Damen.
Die "Gesellschafterin"
soll Einsamkeit vertreiben helfen,
in:
Standard
v. 09.10.
KLÜVER, Reymer (2000): Requiem für Nummer 16098.
Immer mehr Leichen
kommen unter die Erde, ohne dass Angehörige Notiz davon
nehmen - Geistliche wollen darüber nicht einfach Gras
wachsen lassen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 25.11.
Menschen in Pflege- oder
Altenheimen erscheinen in keiner Statistik zur
Single-Gesellschaft. Viel wird über "Bindungslose"
geschrieben, aber man sucht sie in Einpersonenhaushalten,
statt in den Anstaltshaushalten oder unter den Obdachlosen.
Diese Ausgesonderten gelten nicht einmal mehr als "Singles".
Im
Glossar
werden die Begriffe "Alleinlebende (Einpersonenhaushalt)"
und "Anstaltshaushalt" erklärt.
2001
ZOUBEK, Holger (2001):
Anrufe gegen die Einsamkeit.
Bei den Mitarbeitern
der evangelischen Telefonseelsorge melden sich jeden Tag
mehr als 60 Ratsuchende,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 16.02.
Man liest und denkt, zu
schön um wahr zu sein. In der SZ ein kritischer
Artikel über die familienpolitische Debatte? Man liest
erstaunt über statistische Ungenauigkeiten bei der
Erfassung von Singles und davon, dass nur 3 % der
Bevölkerung Singles sind, aber dann kommt doch noch das
Übliche: das "Single-Gespenst".
Der "Nicht-Single" wird
glorifiziert: Für Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sind
die Ehefrau und die Tochter zuständig! Wer das nicht hat -
also Singles - der liegt der Allgemeinheit auf der Tasche.
DIE wichtigste Botschaft
aber fehlt: Nicht-Singles und Singles sind keine
ausschließende Kategorien, sondern meist Phasen innerhalb
eines Lebenslaufs. Wer heute Nicht-Single ist, der kann
morgen durch den Tod des Partners oder der einzigen
Tochter zum Single werden. Aber für diesen Sachverhalt
gibt es in unserer Gesellschaft kein Bewusstsein. Witwen
sind die größte Subgruppe der Alleinlebenden und nicht die
Yuppies, wie das die Medien suggerieren...
MAYRING, Eva-Maria (2001):
Kampf der Einsamkeit.
Förderung von
Wohngemeinschaften für Ältere
in:
Süddeutsche Zeitung v. 07.03.
KNA/WAZ (2001): Es geht auch ohne Familie.
Die Ich-Gesellschaft
als Ausdruck von Einsamkeit und Isolation? Der Münchner
Sozialpsychologe Heiner Keupp widerspricht dieser
Betrachtung und warnt vor "gesellschaftsdiagnostischen
Schnellschüssen",
in: WAZ
Wochenende v. 13.07.
Der Sozialpsychologe
Heiner KEUPP widerspricht der These vom Niedergang des
Sozialkapitals. Jüngere haben eine neue Form des sozialen
Engagements entwickelt: "Menschen in ähnlicher Lebenslage
kümmerten sich verstärkt umeinander.
Das Gute: Die Hilfe erfolge freiwillig und weniger aus dem
Gefühl der Verpflichtung heraus, das durch traditionelle
Gemeinschaftsbindungen entstehe. Die neuen Beziehungen
beschreibt Keupp als zwangloser, vielseitiger und
beweglicher. Und: Sie seien weniger von einem 'moralisch
aufgeladenen Helferpathos' geprägt".
MISCHKE, Roland (2001): Die schlimmste Not ist die
Einsamkeit.
Vielen Eltern sind Beruf und Freizeitvergnügen wichtiger
als ihre Kinder: Wir stehen vor einer
"Erziehungskatastrophe", klagt Journalistin Susanne Gaschke
in:
Saarbrücker Zeitung v. 16.08.
Interview mit der
Journalistin Susanne GASCHKE über ihr umstrittenes Buch:
"Frage: Sie behaupten,
dass wir es mit einem makabren Wohlstandsphänomen zu tun
haben, mit der 'anderen Armut', wie Schwedens
Bestseller-Autor Henning Mankell sagt. Obwohl unsere
Kinder wirkliche Not nicht kennen, stecken sie in vielen
Nöten.
Gaschke: Die schlimmste Not ist die Einsamkeit, und zu
viele Kinder erfahren sie. Zwar haben wir hierzulande
eine recht gute Versorgungssituation. Für viele Kinder
ist es im Kindergarten und in der Schule sogar besser
als zu Hause. Aber die Gruppe kann eben nicht Mutter und
Vater ersetzen. Kinder brauchen
Erwachsenenaufmerksamkeit wie Luft zum Atmen."
Der österreichische Soziologe
Leopold ROSENMAYR hat die von GASCHKE beklagte
Vereinsamungstendenz als
Singularisierung
bezeichnet.
GLOBERT, Yvonne (2001): Einsam im
August.
Wenn alle übers Sommerloch stöhnen, laufen beim Berliner
Krisendienst die Telefone heiß. Nicht nur Alleingebliebene, auch
Touristen suchen Hilfe,
in: TAZ v. 22.08.
Das Klischee von New
Yorker Singles wird von
Yuppie-Serien
wie
Sex and the City bestimmt.
Nach den Terroranschlägen soll das Single-Dasein - wie die
New York
Times
meldete - noch ein bisschen einsamer geworden sein.
Es ist üblich geworden,
jedes passende und unpassende Ereignis zum Anlass zu
nehmen, um das "Ende der Spaßgesellschaft" zu fordern oder
zu verkünden. In den Berichten über die "neue Qualität"
des Single-Daseins nach den Terroranschlägen wird versucht
eine Ausnahmesituation zu normalisieren. Nichts mehr, und
nicht weniger.
Die Gleichung
"Single-Gesellschaft" = "Spaßgesellschaft" hat vor dem 11.
September nicht gestimmt und wird deshalb jetzt auch in
ihrer Umkehrung nicht richtiger.
EICHHORN, Roland (2001):
Auch Einsamkeit macht krank.
Für Herzinfarkte sind zahlreiche psycho-soziale Faktoren
mitverantwortlich
in:
Frankfurter Rundschau v. 06.11.
"Der US-Arzt Dean
Ornish hat in einer Vielzahl von Studien aus aller Welt
den großen Einfluss von sozialer Isolation und fehlendem
menschlichen Rückhalt herausgestellt. Auch für die
Herzerkrankungen gilt: Isolation macht krank,
Verbundenheit und Nähe (sogar mit Haustieren) wirkt als
Gesundheitsschutz",
schreibt Roland EICHHORN.
Normalerweise wird zwischen sozialer Isolation als
objektivem Tatbestand der Kontaktlosigkeit und Einsamkeit
als einem subjektiven Gefühl unterschieden.
Der Slogan
"Lieber allein, als
gemeinsam einsam" weist darauf
hin, dass der Zusammenhang zwischen beiden Phänomen nicht
sehr eng ist. Unerwünschte Unterstützung ist ebenfalls ein
Stressfaktor, dem aber angesichts der sozialpolitisch
verzerrten Single-Debatte keine Aufmerksamkeit zuteil
wird. Gerade Untersuchungen, die mit objektiven Faktoren
arbeiten, sitzen gravierenden Fehlschlüssen auf.
Wenn es um das subjektive Phänomen Einsamkeit geht, dann
ist durchaus mit negativen Folgen im Sinne von ORNISH zu
rechnen.
BRIGITTE-Dossier: Einsamkeit - das große
Tabu
Einsamkeit raubt uns das
Selbstbewusstsein und stempelt uns zu Versagern. Einsamkeit kann
jeden treffen, trotzdem wird sie verschwiegen. Sechs Frauen
brechen das Schweigen |
Ein Umzug in eine fremde
Stadt ist - trotz fester Partnerschaft - ein kritisches
Lebensereignis wie Anja HAEGELEs Beispiel zeigt.
HELD, Monika (2001):
Einsamkeit tut weh.
Alleinsein ist eine Kunst,
Einsamkeit ein Makel. Man ist nicht einsam. Nicht in unserer
Spaßgesellschaft,
in:
Brigitte Nr.24 v. 14.11.
taz-Serie:
Aufzeichnungen aus Pflegehäusern (Teil 5) |
FUCHS, Peter
& Jörg MUSSMANN (2001): Die Erkrankung Einsamkeit.
Aufzeichnungen aus
Pflegehäusern (5): Im rationellen Zeitmanagement kann eben
nicht wahrgenommen werden, dass Kommunikation zwar alles
andere als effektiv und linear ist, sondern eher ornamental,
aber genau darin - unverzichtbar,
in: TAZ v. 27.11.
DPA (2001): Einsame Singles
unterm Weihnachtsbaum sind Irrglaube.
Laut Uni Mainz wird an
Wochenenden Alleinsein schlimmer empfunden,
in:
Mannheimer Morgen v. 19.12.
Singles meint hier allein wohnende
Partnerlose
und diese haben nach Stefan HRADIL die Wahl zwischen der
Weihnachtsfeier mit den Eltern oder teuren Veranstaltungen
speziell für jene, die davor genauso viel Horror haben wie
vor einem Wochenende allein zu Hause.
2002
GEBHARDT, Miriam (2002) Trauer
und Glück der Überlebenden.
Verwitwete
Frauen bleiben oft über Jahrzehnte allein. Wie sie leben - danach
fragt niemand in einer Gesellschaft, die den Tod verdrängt,
in: Die ZEIT Nr.3 v. 10.01.
Miriam GEBHARDT
berichtet aus dem Mittelschichtleben von 3 Witwen. Zwei Witwen
können zum normalen Witwenleben gezählt werden, während die dritte
Witwe mit ihren 30 Jahren zu den atypischen Witwen gehört. Sie
gehört zu rund 250.000 Witwen und Witwern unter 50 Jahren in
Deutschland. Weitere 250.000 Menschen dieses Alters haben ihren
Partner durch Tod verloren. Martina
NICOLAIDIS hat aufgrund dieser Erfahrung eine
Selbsthilfeorganisation für verwitwete Mütter & Väter gegründet,
die auch im Web unter
www.verwitwet.com präsent ist.
ABI (2002):
HR-Stadtgespräch.
Die Einsamkeit in der
Spaßgesellschaft,
in:
Frankfurter Rundschau v. 12.01.
"'Einsam allein oder
glücklich allein?' Das Stadtgespräch des Hessischen
Rundfunks am Donnerstag, 17. Januar dreht sich um
Singles - freiwillige und unfreiwillige."
Die Ankündigung lässt
eine der üblichen Veranstaltungen der Kulturpessimisten
erwarten. Das Thema dürfte auch vollkommen verfehlt sein,
da es um Einsamkeit geht und davon sind in erster Linie
Nicht-Singles betroffen.
Ein Terminus wie
"Spaßgesellschaft" lockt auch
nicht unbedingt Singles in diesen Gesprächskreis. Da
Pessimismus ansteckt, sollte man die Kulturpessimisten
sich selbst überlassen...
FOD (2002): "Männer leiden
stärker unter Alleinsein als Frauen".
Der Gerontologe und
Psychiater Dr. Peter Netz sprach über Suizidalität im Alter
- "Gesunkenes Selbstwertgefühl" - Diskussion um Sterbehilfe,
in:
Gießener Anzeiger v. 02.02.
Von den über-65jährigen
sollen 25 % sozial isoliert sein. Es wird jedoch nicht
angegeben, was darunter verstanden wird. Soziale Isolation
wird von einigen Forschern mit dem Führen eines
Einpersonenhaushaltes gleichgesetzt, andere verstehen
darunter die geringe Kontakthäufigkeit. Beides sind jedoch
keine ausreichenden Indikatoren für "Vereinsamung". Witwer
scheinen besonders gefährdet. Über die Ursachen wird im
Bericht jedoch nur spekuliert. Angeblich soll die
Unfähigkeit einen Haushalt allein führen zu können, eine
Rolle spielen. Tatsache ist jedoch, dass ältere Männer nur
selten einen Einpersonenhaushalt führen, weil sie entweder
wieder heiraten oder früher sterben als ihre Ehefrau.
ZIPS, Martin (2002): Roland
- allein zuhaus.
In Bayerns Großstädten
lebt jeder Zweite allein. Besuch bei einem von zwei
Millionen Singles - wie ein 40-Jähriger das Leben in der
Einsamkeit meistert,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.02.
Es ist eine Schande, dass
in einer überregionalen Zeitung immer noch Falschmeldungen
über die Anzahl der Singles zu lesen sind.
Es
kann gar keine Rede davon sein, dass in Bayerns
Großstädten jeder Zweite allein lebt. Der Autor
verwechselt die
Haushalts- und Personenebene.
Martin ZIPS hätte besser
bei seinem Kollegen von der Regionalzeitung Main Echo
(10.12.2002) abgeschrieben, denn dort steht zu lesen, dass
"in den bayerischen
Städten mit mindestens 100 000 Einwohnern über 26
Prozent der Menschen alleine (lebten). Fast jeder zweite
Haushalt (49 Prozent) bestand dort aus nur einer
Person."
Auch wenn man bei der SZ
gerne die Familien als aussterbende Minderheit darstellt,
so sollte man nicht versuchen die Anzahl der Singles
künstlich zu dramatisieren, denn dies ist
singlefeindliche Medienberichterstattung.
"Nur wenige Singles
sind unter 30".
Dies ist so richtig wie
falsch!
Die größte Gruppe sind die älteren Witwen. Aber auch junge
Singles unter 30 sind in Bayern mit 18 Prozent eine
bedeutende Gruppe. Die Alleinlebenden jedoch, die im
Brennpunkt der Medien stehen, sind die 25-45 Jährigen. Nur
ist das nicht die Mehrheit, wie es ZIPS nahelegt, sondern
eine Minderheit.
Nur in einem Punkt liegt
ZIPS richtig:
Männer dominieren in dieser Gruppe auch wenn die
weiblichen Yuppies gerne in den Vordergrund gerückt
werden. Das Fallbeispiel eines geschiedenen
Alleinlebenden, der Unterhalt zahlen muss liegt näher an
der Wirklichkeit des typischen männlichen Singles im
mittleren Lebensalter als die üblichen
Lifestyle-Yuppie-Geschichten.
Der Soziologe Jörg ECKHARDT
nennt diese Gruppe die
"gebrauchten Junggesellen".
KAUFMANN, Jean-Claude (2002): Singlefrau und Märchenprinz.
Über die Einsamkeit moderner Frauen, Konstanz: UVK
Die Kennzeichnung der Armut durch Einsamkeit ist öfter
männlich, während die Kennzeichnung des gesellschaftlichen
Erfolgs durch Autonomie häufiger weiblich ist. Alleinlebende
Männer findet man häufiger unten auf der gesellschaftlichen
Leiter, alleinlebende Frauen häufiger oben" (S.251),
beschreibt der
französische Soziologe Jean-Claude KAUFMANN den
geschlechtstypischen Unterschied bei den Alleinlebenden.
DPA (2002): Geräusch-CD
für einsame Singles,
in: Thüringer
Allgemeine Zeitung v. 31.05.
Die Agenturmeldung wird
von der Zeitung mit dem Bild einer Frau im mittleren
Lebensalter repräsentiert. Die Frau sitzt allein in einem
leeren Straßencafé. So soll Einsamkeit angeblich aussehen.
Die CD wird angepriesen mit den Worten:
"Realitätsnahe Stücke
wie »Noch kurz die Zeitung lesen«, »Zwischendurch einen
Cappuccino« oder auch »Jeder muss mal« führen mehr oder
weniger einfühlsam vor, was man alles verpasst, wenn man
sein Leben als Single verbringt".
Wann kommt die
Geräusch-CD für frustrierte Paare und Eltern? Der Markt
dafür müsste angesichts des Gejammers der Paartherapeuten
und Familienrhetoriker eigentlich wesentlich größer sein
als jener für einsame Singles.
KRAUSE, Tilman (2002): Allein sein im Geheimnis.
Produktive Potenziale II: Der Rückzug auf sich selbst,
in: Welt v. 29.08.
Tilman KRAUSE plädiert für das Alleinsein als einfache
Methode der Konfliktbewältigung, die in den Zeiten der Außenleitung
(RIESMAN) aus der Mode gekommen ist:
"Die
Selbst-Konfrontation zählt schließlich zu den wenigen großen
Abenteuern, die auch dem Mittellosen zugänglich sind. Wer sich ihr
überlässt, wird in jedem Falle reicher. Reicher an Einsichten über
das Menschsein. Und die kommen nicht nur dem Ich, die kommen dann
sogar der Gesellschaft zugute."
HENDRIK, Werner (2002): Ball der einsamen Herzen.
In keiner Stadt leben mehr Singles als in Berlin. Und nirgendwo
treibt die Kuppelbranche so bizarre Blüten wie hier,
in: Welt am Sonntag v. 29.09.
GEO-Titelgeschichte:
Einsamkeit.
Was ist wichtig am Alleinsein? Was ist zerstörend am Alleinsein? |
POSSEMEYER, Ines (2002): Einsamkeit.
Ein Gefühl der Verlassenheit, ein heilsamer Zustand des
Massenwesens Mensch, eine Geißel der individualisierten
Gesellschaft? Noch nie wurde von Wissenschaftlern so viel Aufwand
getrieben, sich dem Menschheitsthema Einsamkeit zu nähern: Sie
analysieren Verhalten und Immunfunktionen, sie messen Empfindungen
und soziale Kontakte - und sie lassen in raffinierten Experimenten
sogar Tiere einsam sein,
in: Geo, Oktober
HANIKA,
Iris (2002): Der moderne Mensch - einsam?
Von seltsamen Strategien für Singles,
in: Politisches Feuilleton. Sendung des DeutschlandRadio
v. 31.10.
Iris HANIKA betrachtet
den Einpersonenhaushalt als die "schlechteste aller
Lebensformen". Sie
sitzt dabei den drei typischen Missverständnissen auf:
Alleinwirtschaften = Alleinwohnen = Partnerlosigkeit. Diese
Gleichung stimmt heutzutage immer weniger!
Alleinwirtschaften können
(Ehe)-Paare,
Wohngemeinschaften,
Wochenendväter und -mütter und auch Nesthocker.
Die
Absatzprobleme von CDs wie Nie mehr allein, die
HANIKA hier behandelt - ist deshalb zu allererst die
Überschätzung der Partnerlosigkeit und der Einsamkeit im
mittleren Lebensalter. Für
die Gruppe der einsamen Partnerlosen - und nicht der
Alleinlebenden - gilt dann vielleicht HANIKAs Einwand
gegen die CD:
"Fühlt man sich
aber wirklich umsorgt, wenn fremde Leute im Hintergrund
Geräusche machen? Eher nicht; sonst würde man sich ja
nie über seine Nachbarn ärgern. Aber es ist natürlich
richtig, daß auch der alleinlebende Mensch nicht immer
seine Ruhe haben will. Nur sollten die Geräusche, die er
dann gerne hören würde, nicht darum vertraut sein, weil
er sie schon hundertmal gehört hat - solche Geräusche
kann nämlich jeder jederzeit selbst erzeugen -, sondern
sie sollten vertraut sein, weil ein vertrauter Mensch
sie erzeugt. Denn nicht nach Geräuschen an sich sehnt
sich der alleinlebende Mensch in solchen Momenten,
sondern nach einem Erzeuger von Geräuschen. Und den kann
eine CD ebensowenig ersetzen wie ein Solarium die
Karibik oder ein Vibrator den Liebhaber."
WIESCHE, B. aus
der (2002): Die Angst vor der Einsamkeit des Alters,
in:
Kölner Stadt-Anzeiger v. 20.12.
"Eine
Viertel der Kölner Bevölkerung, etwa 250 000 Menschen,
sind älter als 60 Jahre. Ihr Hauptproblem ist nicht etwa
materielle Armut - die überwiegende Mehrheit hat ein
gutes Einkommen - sondern die
Gefahr der Vereinsamung. Betroffen sind vor allem
Alleinstehende, Verwitwete und
Kinderlose",
behauptet WIESCHE. Die
Sozialstatistik und -forschung weis da anderes zu
berichten.
2003
HEINKE, Nathalie (2003): Der vermeintlich letzte Ausweg.
Weit über zehntausend
Menschen sterben jährlich in Deutschland durch Selbstmord.
Das sind mehr, als im Straßenverkehr umkommen. Vor allem die
über 60-Jährigen sind suizidgefährdet. Die Ursachen sind
Depression und Einsamkeit,
in: TAZ v. 13.06.
Selbstmord ist
männlich: über 8000 Männer und weniger als 3000 Frauen
nahmen sich 2001 das Leben. HEINKE führt dazu aus:
"Nach Depressionen
und Suchtmittelabhängigkeit scheint das Kriterium Alter
die dritthäufigste Gefährdungskategorie für eine
suizidale Entwicklung zu sein, so die Expertensicht.
Einsamkeit, der Verlust des vertrauen Umfeldes oder des
Lebensgefährten, Krankheit, Isolation, Armut und
Misshandlungen - die Gründe, weshalb alte Menschen an
Selbstmord denken oder ihn in die Tat umsetzen, sind
vielfältig."
STUCK, Silke
(2003): Ersatzfamilie gegen Einsamkeit,
in:
Berliner Zeitung v. 24.06.
BÄRTELS, Gabriele (2003): Einsamkeit,
in: Freitag Nr.47 v.
14.11.
DRIBBUSCH, Barbara (2003): Das Paradox des
Wohlbefindens.
Jobs werden unsicherer, das Leben
ungerechter, die Menschen einsamer - so die Mythen über
Deutschland. Die Wirklichkeit sieht anders aus,
in: TAZ v. 31.12.
2004
PSYCHOLOGIE HEUTE
(2004): Die Pein allein.
Ein
Mangel an befriedigenden Sozialkontakten belastet den
Kreislauf,
in: Psychologie Heute, Januar
Helmut HÖGEs Informant
berichtet von Singles, die in keiner Single-Statistik
erfasst werden:
"Die
meisten Obdachlosen sind Männer. Frauen verlieren zwar
schneller ihren Job, kommen aber besser damit klar, auch
mit der Einsamkeit. Männer verwahrlosen zudem leichter.
Sie suchen verzweifelt Kontakte, treffen sich mit anderen
am Kiosk oder im Bahnhof, pennen mal hier mal dort und
irgendwann sagen sie sich: »Ich brauch meine Wohnung,
diesen Saustall, doch eigentlich gar nicht.» Man gibt
einem Menschen noch kein Zuhause, wenn man ihm eine
Wohnung zuweist."
Männliche Singles als Modernisierungsverlierer
war von single-generation.de bereits vor längerer
Zeit als ein Thema benannt worden, das es zu entdecken gilt.
Der Artikel von HÖGE ist ein erster Einstieg in ein
weitgehend brachliegendes Thema:
"Für
Frauen gibt es an sich (...) mehr und bessere
Hilfsangebote als für Männer. Außerdem sprechen die
Gerichte zu Recht im Trennungsfall, wenn ein Kind da ist,
meistens der Frau die Wohnung zu.
Und dann sind hier in den letzten Jahren rund 500 000
Männerarbeitsplätze weggefallen, aber 700 000
Frauenarbeitsplätze neu entstanden. Für Männer sieht es
also immer schlechter aus - besonders von einem bestimmten
Alter an und bei bestimmten Berufen. Es gibt inzwischen
eine regelrechte Partnerlosigkeit aus Armut. Die Männer
sind einsam, weil sie arm sind und umgekehrt."
KOBER, Henning (2004): "Ein Tanz auf dem
Hochseil".
Seit 1995 ist Jürgen Domian auf Sendung.
Tief in der Nacht spricht er im Radio und im Fernsehen mit
Menschen über ihre Probleme. Am Anfang heftig kritisiert, ist
der Medienseelsorger inzwischen Träger des
Bundesverdienstkreuzes. Ein Gespräch
über Freaks, Heimat und Einsamkeit,
in: TAZ v. 24.01.
WDR-Radiomoderator Jürgen
DOMIAN u.a. über Einzelgängertum:
"Sie bezeichnen sich
als Einzelgänger - was macht einen dazu?
Ich hatte schon als Kleinkind eine ausgeprägte Sehnsucht
nach Autonomie. In Gesellschaft von Erwachsenen habe ich
mich wohler gefühlt als bei der ganzen Kindermischpoke. Ich
bin Einzelkind, wurde aber eigentlich nicht so erzogen.
Hätten Sie gern Geschwister gehabt?
Ja, einen großen Bruder oder auch eine kleine Schwester.
Vielleicht wird man durch Geschwister etwas lockerer.
Ist es gut, ein Einzelgänger zu sein?
Ich weiß, dass ich es allein kann. Mich packt nicht wie
andere die Panik, wenn ich etwas allein machen muss. Aber es
macht das Leben auch schwer, wenn man Menschen oder Gruppen
aus dem Weg geht."
BITTNER, Jochen (2004): Jung, gebildet, allein.
Von wegen neoliberale
Spaßgesellschaft. Wenn Jobs und Geld knapp sind, bleibt für
Zweisamkeit kaum Zeit. Romantik wird zum Luxusgut,
in: Die ZEIT Nr.6 v. 29.01.
HERBON, Bernd (2004): Single bells.
"Quirkyalones": Rechtzeitig
zum Valentinstag formieren sich die glücklichen Einsamen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 14.02.
Bernd HERBON berichtet
über eine neue Single-Bewegung in den USA. "Quirkyalones"
nennt Sasha CAGEN jene selbstbewussten Singles, die -
entgegen dem Bridget-Jones-Stereotyp - ihr Single-Dasein
nicht um jeden Preis überwinden möchten, sondern ihrem
Alleinleben Positives abgewinnen können. In
den USA sind Kinderlose bereits seit der Ära CLINTON Anfang
der 90er Jahre massiv in die Defensive geraten.
Die Regierung BUSH und ihre neokonservativen Anhänger
verfechten die Familienwerte noch militanter. In
diesem singlefeindlichen Klima - das mittlerweile auch in
Deutschland spürbarer wird - haben die Singles das negative
Stereotyp vom "schrulligen Alleinstehenden" zu einem
Kampfbegriff umfunktioniert.
Diese Strategie verwendete die
Anti-Ehe-Bewegung bereits
erfolgreich Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahren als
erstmals Singles massenhaft öffentlichwirksam in Erscheinung
getreten sind. HERBON
schreibt zur neuen Singlebewegung:
"Die
Anti-Gefühlsterror-Einheit meint es ernst: In einem ersten
Handstreich hat sie den Valentinstag gekapert und
kurzerhand zum »International Quirkyalone Day« erklärt. In
diesem Jahr wird er bereits in 40 amerikanischen und
europäischen Städten gefeiert.
Initiatorin der Bewegung ist die Publizistin Sasha Cagen
aus San Francisco – eine aparte 30-Jährige, deren letzte
längere Beziehung nach eigenen Angaben mehrere Jahre
zurückliegt. 1999 veröffentlichte sie ihre Betrachtungen
eines »eingefleischten Singles« in der Zeitschrift
To-Do-List und erhielt überwältigende Reaktionen. Der
Essay dient nun als Grundlage des gerade erschienenen
Buches »Quirkyalone: A Manifesto for Uncompromising
Romantics«. Inzwischen haben die »kompromisslosen
Romantiker« eine heftig frequentierte Website (www.quirkyalone.net)
und die Aufmerksamkeit aller großen US-Medien.
Cagens pathetisch-kämpferische Unabhängigkeitserklärung
richtet sich gegen falsches Mitleid der Gesellschaft und
eventuell aufkommendes Selbstmitleid der Alleinstehenden:
»Als Romantiker, Idealisten und Exzentriker empfinden wir
unser Single-Dasein als natürlichen Ruhezustand«.
Quirkyalones, so Cagen weiter, sehen sich als »Rebellen«
in einer von Ehe und Partnerschaft bestimmten Gesellschaft
– spätere Liebesbeziehung oder gelegentliche
Lebensabschnittsgefährten natürlich nicht ausgeschlossen.
Denn auf keinen Fall sei man »anti-sex« und »anti-love« .
Ein enges Netzwerk von Freunden und Gleichgesinnten soll
dabei helfen, den Gefühlshaushalt der Quirkyalones zu
stabilisieren. Damit nicht passiert, was die Journalistin
Heike Faller im »Kursbuch: Die 30-Jährigen« als ultimative
Horrorvorstellung ihrer Generation beschreibt: »Alleine zu
bleiben. Kinderlos. Bis man schließlich mit 60 beim
Fensterputzen ausrutscht und zwei Jahre später skelettiert
aufgefunden wird.«
Freundeskreise als Familienersatz propagiert der
amerikanische Sachbuchautor Ethan Watters bereits als
neues Zeitgeist-Phänomen. Auch dem deutschen
Lifestyle-Magazin Neon ist das Thema eine Titelstory wert.
Watters bezeichnet die Zweckgemeinschaften der »never-marrieds«
als »urban tribes« – Stämme von städtischen Singles mit
eigenen Ritualen und Treffpunkten, vorzugsweise chicen
Cocktailbars."
Hinsichtlich der
Einschätzung des politischen Einflusses von Singles in
Deutschland deckt sich HERBONs Sichtweise mit jener, die von
single-generation.de vertreten wird:
"In
Deutschland leben 13 Millionen Menschen allein – Tendenz
steigend. Das entspricht einem Drittel der
Privathaushalte.
Doch die Größe dieser wachsenden Minderheit spiegelt
keinesfalls ihren Einfluss. Wahrscheinlich, weil es schwer
fallen dürfte, ein gemeinsames Sprachrohr für ältere
Frauen mit winziger Witwenrente und Ferrari fahrende
Yuppies zu finden. So dienen Singles als Zielscheiben
unterschiedlichster Couleur. Im krisengeschüttelten
Sozialstaat werden sie schon mal als selbstsüchtige
Hedonisten etikettiert und gegen generationenvertragstreue
Familien mit Kindern ausgespielt."
Jetzt aber aufgepasst
liebe Leser! Nun folgt der Clou! Der Artikel wird von
single-generation.de nur als
WICHTIG, NICHT ABER als SINGLEFREUNDLICH eingestuft.
Der Grund ist einfach: HERBON argumentiert unredlich! Die
Rede vom "schlafenden Riesen", der von einer Singlebewegung
geweckt werden könnte, lässt sich nur durch eine
Argumentation auf der Haushaltsebene rechtfertigen. Bereits
1/3 Singles. WOW! Und der Anteil steigt sogar noch. WOW! Der
politische Einfluss von Ehe und Familie ist in Gefahr, soll
das heißen. Her mit dem Familienwahlrecht würden jetzt die
Familienfundamentalisten fordern. Dies
ist auch der Grund, warum single-generation.de in der
Individualisierungsthese eine Ursache des derzeit
entstehenden Familienfundamentalismus
sieht. HERBON benützt die singlefeindlichen Strategien der
Individualisierungsvertreter, die insgeheim
Familienromantiker sind. Betrachtet
man die Machtverhältnisse jedoch nicht auf der
Haushaltsebene, sondern auf der Personenebene, dann wird
deutlich, dass hier von HERBON ein Papiertiger aufgebaut
worden ist. Bei der Bundestagswahl 2002 gab es gemäß FAZ
vom 24.09.2002 ca. 61,3 Millionen Wahlberechtigte. Dem
stehen jedoch nur ca. 13,5 Millionen Alleinlebende in
Deutschland gegenüber, d.h. die Alleinlebenden stellen nur
ca. 22 % der Wähler und nicht etwa 1/3, wie HERBON das
suggeriert! Erst
nachdem dies klar herausgestellt ist, kommt das zum Tragen,
was HERBON als Interessenantagonismus deutlich gemacht
hat. Die Heterogenität der Single-Haushalte ist jedoch noch
gravierender. Grob
gesagt, gibt es mindestens drei Interessengruppen innerhalb
der statistischen Gruppe der Alleinlebenden, die sich aus
der Stellung im Lebenszyklus ergeben:
Alleinlebende sind in erster Linie
Menschen vor der Familiengründung und in zweiter Linie
Menschen, deren Kinder nicht mehr im Familienhaushalt leben.
Dagegen sind Alleinlebende, die ihr Single-Dasein als
Alternative zu Ehe und Familie betrachten eine Minderheit
der Alleinlebenden. Diese
lebenszyklischen Interessengegensätze der Alleinlebenden
werden dann noch einmal durch die krassen
Einkommensunterschiede innerhalb der statistischen Gruppe
der Einpersonenhaushalte torpediert. Nur
auf diese Einkommensunterschiede hebt jedoch HERBON ab.
Nun dürfte auch dem letzten Leser klar geworden sein, warum
dieser Artikel zwar in der familienfreundlichen
Süddeutschen Zeitung erschienen ist, in dieser Form
jedoch nie für single-generation.de geschrieben
worden wäre.
NEON-Titelgeschichte:
Haben wir die Liebe verlernt?
Wie Single-Börsen und Flirt-Partys zu unserer letzten Hoffnung werden |
VORBEK, Lilli
(2004): Allein zu Hause.
Schafft
man es auch alleine, wenn der richtige Partner auf sich warten
lässt? Es geht, glaubt unsere Autorin. Auch wenn's manchmal
hart ist. Aber besser fast glücklich alleine sein als
unglücklich zu zweit,
in: Neon, Mai
Lilli VORBEK
unterscheidet zwischen Menschen, die für das Single-Dasein
geschaffen sind ("Sheriffs") und jenen, die zu weich dafür
sind ("Weiber"). Das Single-Dasein stillt den unbändigen
Erfahrungshunger, während das Paar-Dasein etwas für den
ruhige Lebensabend ist.
Am besten legt man beim Lesen eine CD von Christiane
RÖSINGER und den Lassie-Singers
auf, denn VORBEK schreibt über die "Pärchenlüge" der
Langzeitpärchen und ihre abschreckenden Pärchenabende. Die
Autorin ist definitiv eine kompromisslose Romantikerin, die
lieber allein
als einsam zu zweit ist. Wenn der
Märchenprinz wider Erwarten ausbleibt, dann ist es Zeit für
ein
Buch von Jean-Claude KAUFMANN.
STAUN, Harald (2004): Der Papst der Einsamkeit.
Wem die Jugend eine Marter
ist, dem ist das Alter eine Erlösung: Morrissey ist wieder da.
Und besser denn je,
in: Spiegel Online v. 02.05.
Der Rolling Stone
verspricht das einzige Interview mit Morrisey und bringt ein
wenig informatives 16-seitiges Special über den ehemaligen
Sänger und Songwriter der Popband The Smiths, die in
den 80er Jahren das Lebensgefühl von Gymnasiasten und
Postadoleszenten getroffen haben und auch heute wieder für
Postadoleszente in der Quarterlife Crisis aktuell sind.
Nun ist die erste Single
des neuen Soloalbums da und das neue Abum erscheint Mitte
des Monats. Anlass für Harald STAUN eine Loblied auf
Morrissey zu singen:
"Es
ist ein Segen, daß Morrissey sein Selbstmitglied
mittlerweile ein wenig sparsamer dosiert; daß sich aber
seine Verzweifelung in einen gesunden Zynismus verwandetl
hat und seine Unsicherheit in Souveränität: das bedeutet
viel, viel mehr. Es beinhaltet ein Versprechen, das in der
Geschichte des Pop noch nie so deutlich formuliert worden
ist: Das Leben wird besser, wenn man älter wird."
SCHMITT, Peter-Philipps (2004): Einsam bis in den Tod.
Immer
mehr Menschen werden "zwangsbeigesetzt", weil sich keine
Angehörigen finden,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.05.
Die FAZ berichtet
über vereinsamte Tote ohne Angehörige, die den Kommunen teuer
kommen. Ein Hamburger Pastor sieht darin ein typisches Problem
der anonymen Großstadt.
Im Rahmen einer
Freizeit-Serie hat KRAHLISCH einen eher unüblichen, aber
nichtsdestoweniger wichtigen Zugang zum Single-Dasein
gefunden:
"Im
Jahr 2003 sind 116 000 Leute nach
Berlin
gezogen. »Die Zahl der Zuzüge ist insgesamt zwar leicht
rückläufig, bei den 20- bis 30-Jährigen stellen wir aber
einen Zuwachs fest«, sagt Jürgen Pfaffhausen vom
Statistischen Landesamt. Die meisten kommen wegen eines
Jobs oder um hier zu studieren. Egal, ob man allein kommt,
als Paar oder als Familie - die erste Zeit ist meist ein
wenig einsam. Der Freundeskreis ist in der alten Stadt
geblieben, neue Freunde muss man erst mal finden. Als
Student ist das noch relativ einfach, denn auch viele
Mit-Studenten sind neu in der Stadt und sehr
kontaktfreudig. Wenn man dagegen berufstätig ist, wird es
schon schwieriger. Man ist umgeben von Paaren, Familien,
von Menschen, die bereits einen festen Freundeskreis
haben."
Freunde finden, statt
Partnersuche, ist das primäre Problem in der mobilen
Gesellschaft, wie sie die
Hartz-Reformen
besonders für Alleinstehende vorsieht. Für Berlin hilft da
auch das Internet weiter:
"Seit
fünf Jahren gibt es
www.new-in-town.de, und es sieht
so aus, als ob ihre Erfinder eine Marktlücke gefüllt
haben. Deutschlandweit sind 150 000 Nutzer registriert.
»Bei uns gibt es kein ,Er sucht sie' oder umgekehrt. Es
werden auch keine Fotos veröffentlicht. Bei uns geht es
darum, möglichst einfach und unkompliziert passende
Freizeitpartner zu finden. Egal ob für Kino, Sport oder
einen Kneipenbesuch«, sagt Jochen Nehr, Projektleiter der
Seite, die von einer Wiesbadener EDV-Firma betrieben wird.
Die Idee hatte ein Kollege von Nehr, der oft mehrere
Wochen am Stück reisen musste. »Es hat ihn so geärgert,
niemanden zu kennen und die Abende im Hotelzimmer
zuzubringen, dass er sich das Konzept überlegte«, sagt
Jochen Nehr."
Der US-amerikanische
Journalist Ethan WATTERS hat die Wichtigkeit von
Freundschaften in seinem Buch Urban tribes
beschrieben.
HANDEL,
Stephan (2004): Letzte Vorgänge.
Eine
Frau stirbt, und niemand ist da, der sie beerdigt - immer
öfter müssen die Behörden handeln, wenn der Tag des Todes
kommt,
in: Süddeutsche Zeitung v. 25.06.
"Am Ende ihres Lebens
war eine Fremde bei Elisabeth B., sonst niemand - der Mann
schon lange tot, keine Kinder, keine Verwandten",
schildert HANDEL das
Schicksal einer Alleinstehenden am Ende ihrer Tage, um
anschließend auf die Lage in München und in anderen
deutschen Städten einzugehen:
"Etwa
800 Fälle kommen pro Jahr herein, in gut 400 davon sind
die Ahnen-Fahnder erfolgreich und finden Nachgeborene. In
Hamburg dagegen gab es vor sechs Jahren 380 »Bestattungen
von Amts wegen«. Im vergangenen Jahr waren es mehr als
zweimal so viele. In Köln und Berlin haben sich die Zahlen
ebenfalls verdoppelt".
GUDE,
Hubert (2004): Falscher Flirt.
Ein Insider berichtet, wie ein Hamburger
Dienste-Provider mit professionellen Chat-Moderatoren
SMS-Kunden systematisch abzockt,
in: Focus Nr.30 v. 19.07.
Hubert GUDE berichtet wie
Lonely Hearts mit SMS-Flirts abgezockt werden.
Bezeichnenderweise werden die
Praktiken politisch korrekt anhand einer "einsamen"
Karrierefrau erläutert,
während am Ende des Artikels geschrieben wird, dass es sich
bei den Betrogenen überwiegend um Männer handelt.
STEIN, Hannes
(2004): Eine ganz schlechte Angewohnheit.
Denken
ist schädlich und unsozial und zertrümmert Karrierechancen,
in: Welt v. 31.07.
Der Sachbuchredakteur der
Welt hat das Buch Endlich Nichtdenker!
geschrieben und die Welt druckt deshalb Passagen aus
der Einleitung ab.
In der modernen Welt der
Außenlenkung
sind eigene Gedanken (Eigensinn, Schrulligkeit,
erhöhte Selbstaufmerksamkeit)
kontraproduktiv, vermittelt uns Hannes STEIN, und den
Singles schreibt er ins Stammbuch, dass Denken einsam und
unsozial macht:
"Wer
grübelt (...) schließt sich von der Mehrheit aus; er wird
bald feststellen, dass er mit vielen Leuten kein
Gesprächsthema mehr findet. Kneipenbesuche geraten zur
Tortur - man stellt fest, dass man mit all diesen Leuten,
die da unbeschwert trinken und grölen, nichts mehr gemein
hat (nicht einmal dann, wenn sie einst die besten Freunde
waren). Dies aber kann der Mitwelt auf Dauer nicht
verborgen bleiben. Sie schaut den Denker mit scheelen
Augen an. Fortan gilt er als Spielverderber, der mit
seinen intellektuellen Sprüchen jede Party kaputt macht.
Vor allem gilt er als elitär, und das völlig zu recht
(...). Er zitiert aus Büchern, die außer ihm kein Mensch
kennt; er brütet merkwürdige Ansichten aus, die er in
unpassenden Momenten äußert; er ist taub für den letzten
Schrei, mit dem der Zeitgeist ihn zur Ordnung ruft. Muss
er sich da wundern, dass die anderen ihn schneiden?
Wer denkt, verurteilt sich damit selbst zur schlimmsten
Form der Einsamkeit (...). Ganz gewiss sind jene, die
keine Freunde haben, denen sie sich öffnen können - wenn
man es hart ausdrücken will - Kannibalen ihrer eigenen
Herzen. Mitten in der Menge bleibt der Denker ein
intellektueller Einzeller, eine Monade. Es gibt für ihn
nur eine Möglichkeit, wie er wieder am gesellschaftlichen
Leben teilnehmen kann: Er muss mit seiner unsozialen
Gewohnheit brechen."
Noch schlimmer - wir
ahnen es schon - ist nur noch die Karrierefrau dran:
"Es
wird schwieriger, Sexualpartner zu finden. Das gilt
vor allem für den weiblichen Teil der Bevölkerung, denn
Männer haben begründete Angst vor Frauen, die ihnen
überlegen sein könnten. Besonders schwer haben es schöne
Frauen; sie sind von der eisernen Aura der
Unerreichbarkeit umschlossen wie von einem
Keuschheitsgürtel. Schöne, kluge Frauen haben somit die
besten Chancen, als verbitterte Jungfern zu enden. Aber
auch denkende Männer leiden unter einem sexuellen
Handicap. Sie stellen sich schrecklich stoffelig an,
träumen davon, ihre Angebetete ins Bett zu reden,
und wenn sie endlich handgreiflich werden, dann im
falschen Moment. Ihnen fehlt das Spielerische,
Gewissenlose, Südländische."
FRAUNE, Burkhard (2004):
Einsam mitten in der Stadt.
Die Letzte Zeit des
Lebens: Vergessen und isoliert. Viele Menschen sterben
unbemerkt. Ihr Zahl wird steigen, fürchten Rechtsmediziner und
Sozialforscher,
in:
Rheinischer Merkur Nr.33 v. 12.08.
WOELLER, Marcus (2004): Das Cool in der Malerei.
Sich aufregen kostet nur
Energie, also: kühlen Kopf bewahren und durch. Das Werk von
Edward Hopper steht am Anfang einer Kunstgeschichte des Cool.
Handlung findet sich in seinen Bildern kaum, dafür erhob er
die Ereignislosigkeit zum Sujet. Tate Modern in London zeigt
eine Retrospektive des Malers
in: TAZ
v. 13.08.
Edward HOPPER wurde bislang
als Maler der urbanen Einsamkeit interpretiert, neuerdings
gilt das jedoch als cool...
WAGNER, Elisabeth
(2004): Die Freundin der Siegerin.
Einige
gute Gründe, allein zu sein. Ein Protokoll,
in: Berliner Zeitung v. 28.08.
Elisabeth WAGNER
protokolliert das Leben einer Alleinlebenden: "Übrigens, ich
heiße Anna, ich bin Schauspielerin, 32 Jahre alt, und ich
lebe allein.
Ich habe aufgehört zu zählen oder darüber mit meinen
Freunden zu reden. Die Männer, die ich kennen lerne, stelle
ich selten noch jemandem vor. Es ist doch so, sobald wir
einen Termin gefunden haben und meine Freunde ihm begegnen
könnten, ist es meistens auch schon wieder vorbei. Es hat
lange gedauert, bis ich glauben konnte, dass sich die Dinge
tatsächlich wiederholen. Denn im Grunde mag ich keine
Affären, und immer, wenn etwas beginnt, sehr viel seltener
als Sie sich das jetzt ausmalen, versuche ich mir
vorzustellen, wohin es führen könnte. Viele meiner
Freundinnen bekommen jetzt Kinder. Sie legen mir ihre Babys
in den Arm und fragen: »Na, wie fühlt es sich an?« Ich
sollte weinen, zusammenbrechen und meine Einsamkeit
bekennen, möglich, sie wären zufrieden mit mir und würden
aufhören, mich anzusehen wie eine schiffbrüchige Kranke.
Aber so einfach ist es nicht. Ich kann mich nämlich
anstrengen wie ich will, ich spüre das Unglück nicht."
JOURNAL
FRANKFURT-Titelgeschichte:
Nie mehr Single.
Aktion: Wir bringen Sie in die Partnerschaft |
TOMIC, Boris (2004): "Woher kommt eigentlich der Trend zur
Einsamkeit?"
Prof. Dr.
Stefan Hradil von der Uni Mainz klärt uns auf,
in: Journal Frankfurt Nr.22 v. 22.10.
Stefan HRADIL ignoriert
die Fragestellung vollständig und spricht dagegen über den
Wertewandel, der seit Mitte der 1960er Jahre zur Durchsetzung
des Single-Lebensstils führte. Seit den 1990ern bläst den
Singles jedoch immer stärker der Wind des
Sozialpopulismus entgegen.
Unerwähnt bleibt bei HRADIL jedoch, dass die geburtenstarken
Trägerschichten des Single-Lebensstils mittlerweile das
Familiengründungsalter erreicht haben und nunmehr nur noch
geburtenschwache Jahrgänge für einen geringeren Nachschub an
Singles sorgen.
NEON-Titelgeschichte:
Welche Stadt passt zu dir?
Ausgehen und Arbeiten: neun lebenswerte Umzugsziele von Berlin bis
Freiburg |
SCHRÖDER,
Vera (2004): Köln.
Für Einsame,
in: Neon, November
 |
Köln: Liebesschlösser an der Rheinbrücke, Foto: Bernd
Kittlaus 2016 |
DRIBBUSCH, Barbara (2004): Wenn die Eltern plötzlich älter
werden.
Sich von den eigenen Erzeugern absetzen,
an ihnen herumnörgeln - das war gestern. Denn wenn Mutter und
Vater einsam und gebrechlich werden, dann vertauschen sich die
Rollen. Dann müssen wir uns kümmern. Drücken? Gilt nicht! Neue
Ratgeber helfen, diese neue Situation zu bewältigen,
in: TAZ v. 06.12.
Die
multilokale Mehrgenerationen-Familie
erfordert neue Verkehrsformen zwischen den Generationen.
DRIBBUSCH liefert eine Einführung in die Problematik. Außerdem
gibt es ein paar
konkrete Beispiele mit Lösungen.
WICHERT, Silke &
Ulf POSCHARDT (2004): Stille Nacht.
An Festtagen ist es besonders schlimm: Wenn
Alleinsein nicht selbst gewählt ist, wird es zur Qual,
in: Welt am Sonntag v. 26.12.
POSCHARDT, Ulf
(2004): "Einsamkeit wird vererbt".
Gespräch
mit John Cacioppo,
in: Welt am Sonntag v. 26.12.
|
|