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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Die Entwicklung der Geburtenzahlen in Deutschland

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Geburtenentwicklung (Teil 10)

 
       
     
       
   
     
 

Vorbemerkung

Die mediale Berichterstattung zur Geburtenentwicklung richtet sich nicht nach der Faktenlage, sondern nach politischen Interessen. Um diese deutlich zu machen werden in dieser Bibliografie ab heute (02.07.2012) nach und nach ausgewählte Medienberichte und Literatur zum Thema chronologisch dokumentiert. Die Kommentare entsprechen jeweils dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, falls nichts anderes vermerkt ist.

Kommentierte Bibliografie (Teil 10: 2013)

2013

RASCHE, Uta (2013): "Nirgendwo sonst stehen Eltern so unter Druck".
Die niedrige Geburtenrate in Deutschland hänge auch mit den hohen Ansprüchen zusammen, die Eltern an ihre Kinder stellen, sagt der Bevölkerungsforscher Norbert Schneider. Damit wachse das Risiko des Scheiterns. Ein Interview,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 09.01.

DESTATIS (2013): 2012 erneuter Bevölkerungsanstieg erwartet,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 14.01.

"Für das Jahr 2012 wird mit 660.000 bis 680.000 lebend geborenen Kindern und 860 000 bis 880 000 Sterbefällen gerechnet", meldet das Statistische Bundesamt.

SPIEGEL-Titelgeschichte: Das Sorgenkind.
Deutschlands gescheiterte Familienpolitik

DETTMER, Markus/HÜLSEN, Isabell/MÜLLER, Peter/NEUBACHER, Alexander/SAUGA, Michael/TIETZ, Janko (2013): Der 200-Milliarden-Irrtum.
Kaum ein Land Europas gibt so viel für Familien aus wie Deutschland, doch die Geburtenzahl sinkt. Eine Regierungsstudie zeigt: Der Großteil des Geldes wird verschwendet. Stattdessen müsste in Kinderbetreuung und Bildung investiert werden,
in: Spiegel Nr. 6
v. 04.02.

"Die Zahl der Entbindungen ist auf ein Rekordtief gesunken. Knapp 663.000 waren es 2011, zehn Jahre zuvor waren es noch 72.000 Babys mehr",

begründet der Spiegel die Kritik an der Bevölkerungspolitik. Die Nennung der Zahlen ist willkürlich und hätte auch ganz anders sein können, wäre das Ziel des Artikels gewesen, die Wirksamkeit der deutschen Bevölkerungspolitik zu belegen...

PÖTZSCH, Olga (2013): Wie wirkt sich der Geburtenaufschub auf die Kohortenfertilität in West und Ost aus?
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 2

Gemäß Olga PÖTZSCH werden die Ergebnisse des Mikrozensus 2012 und das heißt, der Entwicklung der Kinderlosigkeit in den vergangenen 4 Jahren, erst im Herbst - also voraussichtlich in der heißen Phase des Bundeswahlkampfes - veröffentlicht und können damit - wie bereits im Jahr 2005 - zu Wahlkampfzwecken missbraucht werden. Dies könnte auf zwei Arten geschehen: entweder durch gezielte Teilveröffentlichung von Fakten, die genehm sind bzw. durch Nichtveröffentlichung von Fakten, die der familienpolitischen Intention widersprechen.

Im Jahr 2005 wurde bekanntlich behauptet, dass Akademikerinnen, die Mitte der 1960er Jahren geboren wurden, zu über 40 % lebenslang kinderlos bleiben werden. Tatsächlich lag der Anteil bei ca. 30 % (Stand 2008).

Angesichts der Entwicklung der Geburtenraten stellt sich die Frage, welchen unsäglichen Einfluss die politische Debatte auf die Geburtenentwicklung hat. Denn offenbar sorgt der andauernde Richtungsstreit um die Familienpolitik keineswegs für Lust auf Kinder. In der "familienpolitischen Kampfpause" von 2007-2010 wurden kurzzeitig Kinderwünsche früher realisiert als in den vorangegangenen Frauenjahrgängen:

"Die maximale Abweichung im »Tiefpunkt« und der Rückstand in der kumulierten Kohortenfertilität am Ende des gebärfähigen Alters haben sich von Kohorte zu Kohorte vergrößert.

Bei den frühen 1970er-Jahrgängen wird diese Entwicklung allerdings unterbrochen. Die absolute maximale Abweichung zur Referenzkohorte war bei den Kohorten 1970 bis 1975 – entgegen dem bisherigen Trend – geringer als bei den älteren, Ende der 1960er-Jahre geborenen Frauen. Bei der Kohorte 1973 steigt die kumulierte Fertilität im Alter zwischen 34 und 37 Jahren (das heißt in den Kalenderjahren 2007 bis 2010) besonders schnell. Nach der Kohorte 1975 vergrößert sich die maximale Abweichung wieder deutlich. Bei der Kohorte 1980 ist sie beinahe doppelt so groß wie bei den Kohorten von Ende der 1950er-Jahre, die durchschnittlich 1,6 Kinder je Frau zur Welt gebracht haben."

Seit der Debatte um das Betreuungsgeld, dem Hickhack um den Kitaausbau wächst die Verunsicherung wieder. Der diesjährige Bundeswahlkampf dürfte zusätzlich Öl ins Feuer gießen, was frühere Bundestagswahlkämpfe belegen. Insbesondere die Bestrafung von Kinderlosen, d.h. von potentiellen Eltern, die von Nationalkonservativen aller Parteien gefordert wird, ist kontraproduktiv. Denn damit werden falsche Signale an die potentiellen Eltern ausgesandt, die eine bessere Betreuungsinfrastruktur und eine Politik der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie erwarten.

Angesichts der gegenwärtigen familienpolitischen Blockadepolitik wäre ein weiterer Aufschub des Kinderkriegens nur logisch.

RASCHE, Uta (2013): "Wir malen keine Horrorszenarien".
Krippenplätze in Deutschland: Die Landkreise können den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz erfüllen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung des Deutschen Landkreistags,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung Online v. 22.02.

Bislang herrschte allenthalben Alarmismus in Sachen Krippenplätze. Nun plötzlich die argumentative Kehrtwende. Warum? Die Antwort gibt RASCHE am Ende:

"Der Deutsche Städtetag erwartet in Großstädten einen Betreuungsbedarf von 40 bis 50 Prozent. Er geht weiterhin davon aus, dass nicht alle seine Mitglieder den Rechtsanspruch erfüllen können. Er hat sogar Rechtsgutachten darüber erstellen lassen, ob Städte von Eltern wegen eines fehlenden Platzes verklagt werden könnten. Dabei kam heraus, dass dann, wenn die Städte nachweisen, sich um den Ausbau bemüht, aber kein Personal gefunden zu haben, kein Schadensersatz fällig wird".

Der gesetzliche Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz soll also unterlaufen werden. Dazu diente in der bisherigen familienpolitischen Argumentation das von der CSU durchgesetzte, aber weiterhin umstrittene Betreuungsgeld.

KOPPETSCH, Cornelia (2013): Die Wiederkehr der Konformität. Streifzüge durch die gefährdete Mitte, Campus Verlag

MPIDR (2013): Endgültige Geburtenraten werden steigen.
Neue Vorausberechnung: Die Zeit sinkender Kinderzahlen pro Frau in entwickelten Ländern geht zu Ende. Auch in Deutschland wird die Rate wieder wachsen,
in:
Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für demografische Forschung v. 21.03.

"Langfristig niedrige Annahmen der Periodenfertilität, wie etwa 1,4 für die mittlere Variante der deutschen Vorausberechnungen erscheinen wenig realistisch"

wird in der Pressemitteilung Joshua GOLDSTEIN vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung zitiert. Erst vor kurzem hatte eine Auftragsstudie Alterssicherung, Arbeitsmarktdynamik und neue Reformen der neoliberalen Bertelsmannstiftung drastische weitere Rentenreformen mit der Begründung gefordert, dass die Deutschen bis 2060 nur 1,4 Kinder pro Frau bekommen werden.

Im Gegensatz zum Statistischen Bundesamt, das lediglich von einer kurzzeitigen Trendumkehr bei den Anfang der 1970er Jahre geborenen Westfrauen ausgeht, gehen die Forscher des Max-Planck-Institut von einer generellen Trendumkehr bei den in den 1970er Jahre geborenen deutschen Frauen aus:

"»Mit den Frauen, die in den 1970ern geboren wurden, kommt die Trendwende«, sagt Joshua Goldstein. Im Osten markiert der Jahrgang 1971 das Ende des Rückgangs: Dessen Frauen werden endgültig 1,51 Kinder geboren haben. Danach steigen die Werte, und die 1979 geborenen Frauen werden bereits 1,58 Kinder zur Welt gebracht haben. Im Westen erreicht die Talsohle schon der 1968er-Jahrgang mit endgültig 1,46 Kindern. Die nur elf Jahre jüngeren Frauen des Jahrgangs 1979 werden hingegen auf 1,57 gekommen sein, wenn sie 50 Jahre alt sind."

Die unterschiedlichen Einschätzungen beruhen insbesondere darauf, dass das Statistische Bundesamt die Geburtenentwicklung insbesondere an den Westfrauen und der Referenzkohorte 1946 festmacht, während die Max-Planck-Forscher die Kohortenfertilität nach einer anderen Methode prognostizieren.

Dahinter steht auch die Frage, ob sich die ostdeutsche Geburtenentwicklung der Westdeutschen annähert oder nicht und wie sich der Geburtenaufschub im Verhältnis zum Nachholen von Geburten verhält.

Das Prinzip der amtlichen Stellen beruht auf Intransparenz, d.h. Vergleichbarkeit mit früheren Prognosen wird vermieden bzw. durch Bezug auf jeweils andere Geburtskohorten verhindert. Dabei wäre der Vergleich mit früheren Prognosen durchaus erkenntnisbringend.

Vergleicht man z.B. die Prognosen von Jürgen DORBRITZ aus dem Jahr 2004 mit den Zahlen von Olga PÖTZSCH, dann ergibt sich, dass der Nachholeffekt bei den  Frauen der Geburtsjahrgänge 1967ff. unterschätzt wurde. So schätzte DORBRITZ die endgültige Kinderzahl des westdeutschen Frauenjahrgangs 1968 auf 1,439. Diese wurde jedoch bereits im Alter von 40 Jahren fast erreicht: 1,436 gemäß PÖTZSCH. Beim Jahrgang 1967 hatten die über 40 jährigen Frauen bis zum Alter von 44 Jahren noch 30 Geburten pro 1000 Frauen nachgeholt, d.h. der Jahrgang 1968 könnte demnach auf ca. 1,466 kommen. Dies entspricht in etwa der Prognose des Max-Planck-Instituts von 1,46.

Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Unterschätzung der endgültigen Kinderzahlen der jüngeren Frauen durch die amtlichen Stellen (Statistisches Bundesamt, Institut für Bevölkerungsforschung) ein generelles Faktum ist.

Da Gewissheit über die weitere Geburtenentwicklung erst in den nächsten Jahrzehnten herrschen wird, werden Neoliberale weiterhin Kaffeesatzleserei - Bevölkerungsvorausberechnung genannt - betreiben, die uns alternativlose Reformen vorgaukeln wollen.

WURZBACHER, Ralf (2013): "Und solche Leute beraten die Politiker…".
Bertelsmann-Stiftung frisierte Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung – und wurde dabei erwischt. Gespräch mit Gerd Bosbach,
in:
junge Welt v. 22.03.

EUROSTAT (2013): Im Jahr 2012 entfielen auf jede Person im Alter von 65 Jahren oder älter 4 Personen im erwerbsfähigen Alter.
Bericht zur Demografie: 40% der Kinder wurden 2011 außerehelich geboren,
in: Pressemitteilung Europäisches Statistikamt v. 26.03.

WIERTH, Alke (2013): Von Kindern kalt erwischt.
Schulplatznot: In Berlin steigt die Kinderzahl schneller als erwartet. In manchen Bezirken platzen die Grundschulen schon aus allen Nähten. Schnelle Hilfe ist aber nicht in Sicht,
in:
TAZ Berlin v. 28.03.

"Die Senatsbildungsverwaltung musste ihre Prognose über die Schülerzahlentwicklung von 2012 auf 2013 allein für Grundschüler um gut 19.000 nach oben korrigieren. Insgesamt wird die Schülerzahl in Berlin nach der neuen Prognose bis 2020 um gut 12 Prozent steigen: von 289.152 auf 325.630. Noch vor einem Jahr hatte die Verwaltung einen Anstieg in diesem Zeitraum auf nur 300.000 erwartet. (...). Der unerwartete Anstieg der Schülerzahlen sei der »außerordentlich positiven Bevölkerungsentwicklung seit der Erstellung der letzten Prognose im Jahr 2008« zu verdanken, heißt es aus der Senatsbildungsverwaltung.",

berichtet Alke WIERTH. Während neoliberale Kaffeesatzleser von gleich bleibenden Geburtenzahlen bis 2060 ausgehen, sieht die Realität schon heute ganz anders aus. Die Bevölkerungsvorausberechnungen der letzten Jahrzehnte waren das Papier nicht wert, auf denen sie geschrieben standen. Inzwischen kritisiert auch Joshua GOLDSTEIN, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, die Prognosepraxis in Deutschland.

BREUER, Ingeborg (2013): Neue Ergebnisse der Demografie.
Deutschlands Bevölkerung nimmt wieder zu: Hunderttausende strömen als Arbeitssuchende in die Bundesrepublik. Zudem prognostizieren Wissenschaftler eine steigende Geburtenrate. Während Optimisten hoffen, den demografischen Wandel stoppen zu können, bleiben Statistiker realistisch,
in: DeutschlandRadio v. 18.04.

Ingeborg BREUER berichtet über die Kontroverse um die Geburtenentwicklung in Deutschland. Während Olga PÖTZSCH vom Statistischen Bundesamt keine Trendwende bei der Geburtenrate erkennen will, geht Michaela KREYENFELD vom Rostocker Max-Planck-Institut dagegen von steigenden Geburtenraten in Deutschland aus. Bettina SOMMER vom Statistischen Bundesamt geht davon aus, dass auch eine veränderte Zuwanderung und Geburtenrate den demografischen Wandel bis 2060 nicht gravierend beeinflussen wird.

Verschwiegen wird dagegen, dass diese "Kaffeesatzleserei" (Gerd BOSBACH) auf Daten beruht, die mit dem Zensus - dessen Ergebnisse politisch motiviert immer noch verschwiegen werden - als vollkommen überholt gelten müssen. Bevölkerungsvorausberechnungen sind zudem meist nach kurzer Zeit überholt.

Wie wir z.B. von neoliberalen Think Tanks wie der Bertelsmann-Stiftung, die sich ihr willfähriges wissenschaftliches Personal sucht, hinsichtlich der Alterung in Deutschland manipuliert werden, das berichtet Gerd BOSBACH in einem Interview.

Unabhängig von den tatsächlichen Entwicklungen, stellt sich die Frage, inwiefern der demografische Wandel folgenreich für die weitere politische, ökonomische und soziale Entwicklung in Deutschland ist. Horrorszenarien, wie sie z.B. von Franz-Xaver KAUFMANN ("Schrumpfende Gesellschaft") vertreten werden, steht die Einschätzung entgegen, dass der Geburtenrückgang ein Glücksfall für Deutschland ist.

KALARICKAL, Jasmin (2013): "Die Kohortenfertilität nimmt zu".
Demografie: Eine neue Prognose sagt, dass Frauen in Deutschland wieder mehr Kinder kriegen. Das sei ein echter Wendepunkt, meint die Demografin Michaela Kreyenfeld,
in: TAZ v. 29.04.

Jasmin KALARICKAL interviewt Michaela KREYENFELD zu einer Prognose des Max-Planck-Institut für demografische Forschung, die bereits am 21. März dieses Jahres veröffentlicht wurde:

"Wieso sitzen wir einer verzerrten statistischen Interpretation auf?
Statt der Geburtenziffer für jedes Jahr - 2011, 2012 und so weiter - kann man die Kinderzahl von Frauen nach ihren Geburtsjahrgängen - 1970, 1972 und so weiter - berechnen. Das Fachwort dafür heißt »Kohortenfertilität
«, die Fruchtbarkeit pro Jahrgang. Bei Frauen, die jetzt zwischen 45 und 50 sind, können wir mit Sicherheit sagen, wie viele Kinder sie bekommen haben, weil sie am Ende ihrer Reproduktionsphase sind. Für die Jahrgänge um 1965 waren es durchschnittlich 1,5 bis 1,6 Kinder. Das sind höhere Werte, als es die jährliche Geburtenziffer vorgibt."

Für regelmäßige Leser dieser Website ist das alles andere als eine Neuigkeit, neu ist lediglich, dass nun auch die Medien über das Problem der zu niedrig ausgewiesenen Geburtenrate der jüngeren Geburtsjahrgänge berichten - wenngleich noch mehr als zögerlich.

Ging es bislang um die Geburten der Mitte der 1960er Jahren geborenen Frauen, so geraten nun die in den 1970er Jahren geborenen Frauen in den Blickpunkt:

"Was ist mit den Jahrgängen ab den 70er Jahren? Für die jüngeren Jahrgänge muss prognostiziert werden, weil sie noch ein paar Jahre vor sich haben, in denen sie Kinder bekommen können. Je nach Methode gibt es einen leichten Anstieg oder ein Verharren auf demselben Niveau. Bei einer konservativen Schätzung kann man annehmen, dass die Frauen, die jetzt 40 sind, genauso viele Kinder kriegen wie diejenigen, die das Jahr zuvor 40 waren. Wenn man aber den Tempoeffekt berücksichtigt - also die Annahme, dass Frauen immer später Kinder bekommen -, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Kinderzahlen in Deutschland leicht steigen werden." 

Mit "konservativer Schätzung" ist die Sichtweise des Statistischen Bundesamtes gemeint. Olga PÖTZSCH weigert sich weiterhin von einem Wendepunkt in der Geburtenentwicklung zu sprechen. Dieses Spielchen kennt man bereits von der Debatte um den Frauenjahrgang 1965, dem lange Zeit eine Kinderlosigkeit von einem Drittel zugeschrieben worden ist. Erst mit einer Änderung der Erhebungsmodalitäten des Mikrozensus 2008 musste der Anteil der Kinderlosen drastisch nach unten korrigiert werden.

Der jetzt erst diskutierte Anstieg der Geburten bei den in den 1970er Jahren geborenen Frauen ist bereits seit 2003 bekannt. Erst im Jahr 2004 - die Agenda 2010 musste erst durch eine als alternativlos dargestellte Bevölkerungsvorausberechnung durchgepeitscht werden - gab das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zu, dass es diesen Anstieg gibt: Nur Tempoeffekte, kein Babyboom wehrte Jürgen DORBRITZ damals ab.

Das politische Ziel Elterngeld stand nun auf der Agenda und einen Anstieg der Geburtenrate durfte es auf keinen Fall geben. Die Popliteratur nahm die unfruchtbare Jugend von heute ins Visier und auf dieser Website wurde die neue Front im Demografiekrieg konstatiert.

Es hat also 10 Jahre gedauert, bis der Geburtenanstieg ernsthaft in den Medien diskutiert wird. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ist mit seiner aktuellen Broschüre (Keine) Lust auf Kinder? zum Thema weiterhin auf Abwehrkurs - schließlich ist Bundestagswahlkampf.

Fallende absolute Geburtenzahlen werden in den Medien gerne instrumentalisiert, aber sie widersprechen nicht unbedingt dem Anstieg der Geburtenrate:

"Die Zahl der Frauen, die Kinder bekommen, sinkt eher. Also selbst wenn die endgültige Geburtenrate steigt, heißt das nicht, dass die absolute Anzahl an Kindern steigt."

Wir werden also noch einige Zeit einen politisch motivierten Deutungskampf um die Geburtenrate erleben.

DESTATIS (2013): Zensus 2011: 80,2 Millionen Einwohner lebten am 9. Mai 2011 in Deutschland.
Rund 1,5 Millionen Einwohner weniger als bislang angenommen,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 31.05.

Das Ergebnis des Zensus 2011 ist der Tendenz nach wenig überraschend. Entscheidend sind aber die Details - insbesondere das was heute auf der Bundespressekonferenz verschwiegen wurde: Die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren ist unterdurchschnittlich zurückgegangen, während die Anzahl der gebärfähigen Frauen überdurchschnittlich zurückgegangen sein könnte (Darauf deutet zumindest der überdurchschnittliche Rückgang der 18-49 Jährigen hin (siehe Tabellenband zur Bundespressekonferenz, Tabelle 3.1). Dies müsste dann  zwangsläufig zur Korrektur der Geburtenrate (TFR) nach oben führen.

Da das Statistische Bundesamt die Tabellen für den Altersgruppenvergleich Zensus/Mikrozensus 2011 nicht nach Geschlechtern getrennt aufführt, lassen sich die genauen Daten nur durch eigene Berechnungen ermitteln. Warum liefert das Statistische Bundesamt diese Daten nicht, obwohl sie doch familienpolitisch von Interesse sind? Passen die Daten nicht zur gegenwärtigen familienpolitischen Strategie der Bundesregierung?

EISENACH, Tanja (2013): Niedrigere Einwohnerzahl, höhere Geburtenrate in Deutschland.
Der Zensus, seine Ergebnisse und die Folgen,
in: Pressemitteilung der Universität Bamberg v. 31.05.

Die SZ klärte vor einiger Zeit ihr Online-Publikum darüber auf, dass die gefühlte Geburtenrate viel höher sei als die tatsächliche. Der Zensus 2011 stellt nun richtig: die gefühlte Geburtenrate liegt näher an der tatsächlichen Geburtenrate als die von unseren Bevölkerungswissenschaftlern bislang verbreitete Geburtenrate. Das sieht nun auch die Bevölkerungswissenschaftlerin Henriette ENGELHARDT-WÖLFLER von der Universität Bamberg so:

"Beachtenswerte Konsequenzen hält der Zensus auch für die Messung des Niveaus der Fertilität bereit, die neben Mortalität und Migration das Hauptinteressensgebiet der Bevölkerungswissenschaft darstellt: Betrachtet man die dafür relevanteste Altersgruppe, also Frauen, die zwischen 1961 und 1981 geboren wurden, dann hätte sich ihre Gesamtzahl laut Fortschreibung auf knapp 23,2 Millionen Personen belaufen müssen. Tatsächlich erbrachte der Zensus ein Ergebnis von ca. 22,6 Millionen und damit eine Differenz von knapp 600.000 Frauen in dieser Altersgruppe. Dazu Henriette Engelhardt-Wölfler: »Wenn die Geburtenzahlen stimmen, und davon können wir ausgehen, weil diese in den Krankenhäusern und Geburtshäusern registriert werden, dann würde dieses Ergebnis bedeuten, dass die Geburtenrate höher liegt als bislang angenommen.«"

Dass diese Konsequenzen - wie auf single-generation.de bereits bemängelt - in der Bundespressekonferenz verschwiegen wurden, sollte zu denken geben.

Die Ergebnisse des Zensus 2011 haben zudem gravierende Auswirkungen auf den Bedarf an Kinderbetreuung:

"Die Höhe der Geburtenrate bzw. die der Geburten hat wiederum Auswirkungen auf die Bedarfs- und Infrastrukturkalkulationen bei Kindergärten und -tagesstätten, Krippen und Schulen, wie Engelhardt-Wölfler zu berichten weiß: »Am Beispiel Bambergs lässt sich das schön zeigen. Der Zensus zählt 9.900 Personen, die zwischen 1994 und 2011 geboren sind, was laut Fortschreibung eine Differenz von plus 300 ergibt. Damit erhöht sich natürlich der Bedarf an Kindergärten, -tagesstätten, Krippen und Schulen.«"

Es ist seit langem bekannt, dass in Deutschland die Geburtenrate unterschätzt wird. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und das Statistische Bundesamt verweigern sich (noch) beharrlich der Anerkennung dieser Realität, wie das gerade erschienene Heft 3 von Bevölkerungsforschung Aktuell belegt. Dort wird noch einmal der Standpunkt aus einer Sendung des DeutschlandRadio bekräftigt.

Man darf wohl vor den Bundestagswahlen nicht mit einer Revidierung dieser Sichtweise rechnen. Einzig die jetzt wohl unvermeidliche Debatte über die Fehlprognosen hinsichtlich des unterschätzten Bedarfs an Kinderbetreuungseinrichtungen könnte hier den notwendigen Druck erzeugen.

KOPPETSCH, Cornelia (2013): Binde mich!
Die Kernfamilie schlägt zurück: Wie die coolen Singles der 80er ins Abseits gedrängt wurden,
in:
TAZ v. 14.06.

"Noch in den 1980er Jahren galten Singles als Speerspitze des Fortschritts. Sie prägten das Lebensgefühl einer ganzen Generation der »Babyboomer« - also der zwischen 1958 und 1969 Geborenen",

erklärt uns die "Babyboomerin" Cornelia KOPPETSCH. Man fragt sich höchstens, warum die Soziologie so lange geschlafen hat, dass diese Erkenntnis sich erst jetzt langsam verbreitet?

Haben uns Soziologen nicht noch in den 1990er Jahren die Singles als Speerspitze des Fortschritts verkauft, obwohl sich schon Ende der 1980er Jahre die Mentalitäten gewandelt haben? Die Individualisierungsthese von Ulrich BECK und ihre Rezeption in Wissenschaft und Medien wurde auf dieser Website als Ausdruck dieses Mentalitätswandels beschrieben. Dem Klischee von der "Single-Gesellschaft" war von Anfang an eine negative Bedeutung eingeschrieben.

Biografische Illusionen: Singles aus der Baby-Boom-Generation ist ein Kapitel im Buch Die Wiederkehr der Konformität von KOPPETSCH überschrieben. In der taz werden zwei Frauenbiografien - eine westdeutsche Aufsteigerin und eine Ostdeutsche - exemplarisch für den Niedergang der "Single-Kultur" vorgestellt. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet Frauen für diese "biografischen Illusionen" besonders anfällig gewesen sind. Auf dieser Website wurde das anhand der Aufsteigerin Katja KULLMANN dargestellt (mehr auch hier). Frauen konnten noch länger als Männer dem Mythos des Singles als Pionier des flexiblen Kapitalismus nachhängen.

"Doch ab Ende der 1990er Jahre mussten sich die Ideale von Individualismus und Selbstverwirklichung plötzlich auf einem entfesselten kapitalistischen Markt bewähren. (...). Diejenigen, die am Gestus des Politischen festhalten, rücken ins Abseits. Die Angehörigen dieser Generation spalteten sich nun häufiger in »Gewinner«, die den Absprung in die gesicherten Lebensumstände rechtzeitig geschafft haben und nun über ein festes Einkommen, Beruf und meist auch Familie verfügen. Das Vorweisen einer solch »intakten« Familie wird für sie oft zum wichtigen Statusmerkmal innerhalb des eigenen Milieus, aber auch zur Abgrenzung von den prekären Lebenslagen. Dem gegenüber stehen »Verlierer« (...), die in unkonventionellen Lebensformen verblieben sind. Sie bekommen nun die Folgen des Verzichts auf biografische Festlegungen und kollektive Einbindungen in aller Härte zu spüren."

Ein bisschen einfach macht es sich KOPPETSCH schon, wenn sie den Niedergang der Single-Kultur als Ergebnis des entfesselten Marktes beschreibt. Entscheidend haben vielmehr die politischen Weichenstellungen (Hartz IV, Bevölkerungspolitik, "Umbau" des Sozialstaats) zum Niedergang der Single-Kultur beigetragen. Dies wurde detailliert auf single-dasein.de und single-generation.de u. a. anhand der Themen des Monats beschrieben. Dort lässt sich nachlesen, wie Singles politisch ins Abseits gedrängt wurden.

Wer sich als Single darüber Illusionen gemacht hat, der ist auch einer verschnarchten Soziologie aufgesessen.

MONATH, Hans (2013): Schröder: Geburtenrate können wir nicht heben.
Koalition legt Bewertung der Familienpolitik vor,
in:
Tagesspiegel v. 21.06.

BOLLMANN, Ralph (2013): Jedes Jahr 200 Milliarden Euro für die Familien.
Die Deutschen sollen mehr Kinder kriegen. Das war das Ziel der Familienpolitik. Doch davon redet jetzt keiner mehr. Stattdessen wird noch mehr Geld verteilt,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.06.

HANK, Rainer & Bettina WEIGUNY (2013): Für mehr Geburten zu sorgen ist nicht die Sache des Staates.
In private Entscheidungen dürfe sich die Politik nicht einmischen, sagt die Staatsrechtlerin Ute Sacksofsky. Finanzielle Nachteile soll sie aber ausgleichen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.06.

DESTATIS (2013): 2012: Mehr Geburten, Sterbefälle und Eheschließungen,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 04.07.

"Im Jahr 2012 sind in Deutschland 674.000 Kinder lebend geboren worden. (Das)(...) waren (...) 11.000 Kinder mehr als im Jahr 2011 (+ 1,6 %)", meldet das Statistische Bundesamt.

BUJARD, Martin & Norbert F. SCHNEIDER (2013): Das "Gedöns" und die Geschlechter.
Familienpolitik: Deutschland braucht mehr Gleichberechtigung – sonst bleiben die Geburtenraten niedrig,

in:
Die ZEIT Nr.30 v. 18.07.

DORBRITZ, Jürgen & Robert NADERI (2013): Trendwende beim Kinderwunsch?
in: Bevölkerungsforschung aktuell, Nr.4, August

Las man in den vergangenen Jahren Berichte über den  Kinderwunsch der Deutschen aus dem Institut für Bevölkerungsforschung, dann waren das immer Hiobsbotschaften. Kritik an der Kinderwunschforschung war ein Tabu. Auf dieser Website und auf single-dasein.de wurde die Kinderwunschforschung immer wieder kritisiert (hier, hier und hier). Nun gibt es neue Töne in Sachen Kinderwunsch:

"Eine der zentralen Schlussfolgerungen des Workshops war es daher, auf längerfristige Zeithorizonte und auf die Zusammenfassung vieler Altersgruppen zu verzichten. Den Kinderwunsch mit einer der zusammengefassten Geburtenziffer adäquaten Altersgruppe von 15 bis 49 Jahren abzubilden, ist daher nicht sinnvoll. Gleichfalls führt es zu eingeschränkten Ergebnissen, wenn 20-Jährige, die ihre Lebensumstände in 15 oder 20 Jahren nur schwer abschätzen können, auf die Frage antworten, wie viele Kinder sie später einmal haben wollen."

Selbst diese Revision greift jedoch viel zu kurz. Wie sinnvoll ist es z.B. Kinderlose, Mütter von einem, zwei oder noch mehr Kinder, in Befragungen zum Kinderwunsch zusammenzufassen, wie das in Umfragen immer noch geschieht?

Mitte der Nuller Jahre machte die Rede von einer "Kultur der Kinderlosigkeit" die Runde und ein Anstieg der Geburtenrate wurde für Niedrigstfertilitätsländer wie Deutschland für unmöglich gehalten. Jetzt gibt das BIB Entwarnung:

"Aufgrund der Vielzahl der Messungen, die in eine Richtung zeigen, ist von einem Wiederanstieg des Kinderwunsches auszugehen. Man hatte es um das Jahr 2000 lediglich mit einer relativ kurzen Phase niedriger Kinderwünsche zu tun. Es scheint sich eine Trendwende bezüglich des »Ideals der freiwilligen Kinderlosigkeit« (Peuckert 2012: 217) abzuzeichnen.
Der zweite hervorzuhebende Sachverhalt ergibt sich aus diesem Trend. Bislang herrschte Unklarheit darüber, ob ein einmal gesunkener Kinderwunsch kurzfristig wieder ansteigen kann oder ob er zu einer wenig veränderbaren Obergröße für das Fertilitätsniveau wird. Letztere Gefahr scheint nicht zu bestehen, da der Kinderwunsch in einem kurzen Zeitraum von etwa 10 Jahren erheblich angewachsen ist."

Erstaunlich, dass von einer "relativ kurzen Phase niedriger Kinderwünsche" um das Jahr 2000 gesprochen wird. Stattdessen belegt die Tabelle 2, dass die Debatte um eine Kultur der Kinderlosigkeit erst mit Daten der BIB-Surveys PPAS 2003 und GGS 2005 entfacht wurde. Hauptakteur war ausgerechnet Jürgen DORBRITZ, der davon nun nichts mehr wissen will!

Haben wir es hier wieder mit Wahlkampf zu tun? Schließlich war die Kultur der Kinderlosigkeit das Thema des Familienwahlkampfes 2005. Zeichnet sich hier bereits der Trend des diesjährigen Familienwahlkampfes ab? Die Publikation der Zahlen zur Kinderlosigkeit in Deutschland aus dem Mikrozensus 2012 steht immer noch aus. Lässt sich aus dem Artikel also herauslesen, dass die Kinderlosigkeit zwischen 2008 und 2012 weiter zurückgegangen ist?

DESTATIS (2013): 80,5 Millionen Einwohner am Jahresende 2012 –Bevölkerungszunahme durch hohe Zuwanderung,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 27.08.

"Die Zahl der Gestorbenen übersteigt die Zahl der Geborenen immer mehr. Das dadurch rasant wachsende Geburtendefizit kann nicht von der Nettozuwanderung kompensiert werden. Die Bevölkerungszahl in Deutschland, die bereits seit 2003 rückläufig ist, wird demzufolge weiter abnehmen. Bei der Fortsetzung der aktuellen demografischen Entwicklung wird die Einwohnerzahl von circa 82 Millionen am Ende des Jahres 2008 auf etwa 65 (Untergrenze der »mittleren« Bevölkerung) beziehungsweise 70 Millionen (Obergrenze der »mittleren« Bevölkerung) im Jahr 2060 abnehmen",

hieß es in der Einführung zur 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung vom November 2009. Im Juli 2012 hieß es dann in einer Pressemeldung:

"Zum Jahresende 2011 stieg nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) die Einwohnerzahl Deutschlands im Vergleich zum Vorjahr um 92 000 Personen (+ 0,1 %) auf mehr als 81,8 Millionen. Dies ist die erste, wenn auch nur leichte Zunahme der Bevölkerung in Deutschland seit 2002. Hauptursache war die deutlich gestiegene Zuwanderung in 2011"

2012 ist die Bevölkerung erneut gestiegen - eine Entwicklung, die nicht vorgesehen ist.

Und es kommt noch schlimmer! Da der Zensus 2011 eine um 1,5 Millionen geringere Zahl von Einwohnern sowie Verschiebungen im Bevölkerungsaufbau erbrachte, muss sowohl die Geburtenrate als auch die rohe Geburtenziffer nach oben korrigiert werden. Die aktuelle 12. Bevölkerungsvorausberechnung muss also so schnell wie möglich ersetzt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch die Umstellung der Berechnungen auf die Basis des Zensus 2011. Dafür lässt sich das Statistische Bundesamt jedoch Zeit. Könnte man sonst keinen populistischen Familienwahlkampf führen?   

BUJARD, Martin (2013): Die fünf Ziele des Elterngelds im Spannungsfeld von Politik, Medien und Wissenschaft,
in:
Zeitschrift für Familienforschung, Heft 2, September, S.132-153

Martin BUJARD destilliert anhand parlamentarischer Dokumente, einer oberflächlichen Medienanalyse und einer Auswahl wissenschaftlicher Texte die Zielhierarchie von Politik, Medien und Wissenschaft hinsichtlich der beabsichtigten Ziele des Eltergeldes heraus, um daraus eine Kommunikationsstrategie für die Politikberatung abzuleiten. Folgende fünf Ziele werden dabei herausgearbeitet:

1) Einkommen sichern
2) Zeit/Schonraum gewähren
3) Mütterwerbstätigkeit fördern
4) Gleichstellung
5) Geburtenrate erhöhen

Den Beginn der Medienanalyse grenzt BUJARD folgendermaßen ein:

"Die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt hat auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Bonn am 5.9.2004 den Vorschlag eines einkommensabhängigen Elterngelds in aller Deutlichkeit in die mediale Öffentlichkeit und gleichzeitig ins Zentrum der politischen Arena gebracht (Bannas 2004; Kamann 2004). Inhaltsanalysen mehrer überregionaler Zeitungen wie Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung belegen, dass diese Kabinettsklausur als Startschuss für die öffentliche Debatte fungiert, denn der Begriff »Elterngeld« ist erstmals zu diesem Zeitpunkt im Titel bzw. überhaupt in den Archiven dieser Medien erwähnt. Knapp zwei Jahre später, am 20.6.2006, wurde der Gesetzentwurf der Fraktionen SPD sowie CDU, CSU eingebracht und am 25.8.2006 der Gesetzentwurf der Bundesregierung (...). Am 29.9. 2006 wurde das BEEG (Anm.: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) im Bundestag verabschiedet und am 3.11.2006 im Bundesrat."

Die Medienanalyse beschränkt BUJARD auf die FAZ, FAS und faz.net:

"Bei der Inhaltsanalyse werden beide Methoden Valenzanalyse und Frequenzanalyse kombiniert (...). Grundlage ist die Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) inklusive Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und Internetberichterstattung (FAZ.NET) von 2004 bis 2012. Die FAZ ist eine der am meisten verbreiteten und renommiertesten Tageszeitungen in Deutschland und lässt sich dem konservativen Spektrum zuordnen. Die Auswahl nur einer Zeitung folgt pragmatischen Gründen und dabei der Annahme, dass sie keine journalistische Einseitigkeit im Kontext des Elterngelds aufweist. (...). Einbezogen wurden sämtliche Beiträge in FAZ, FAS und FAZ.NET, bei denen das Wort »Elterngeld« im Titel oder Untertitel enthalten ist - insgesamt 176 Artikel von frühestens am 5.9.2004 bis Ende 2012. Zeitlich gesehen handelt es sich um eine Vollerhebung aller für das Eltergeld potenziell besonders relevanten Artikel (Überschrift-Kriterium)."

Überprüft man dies, dann kommt man allein im FAZ-Archiv (Beiträge in FAZ und FAS) auf 185 Treffer im genannten Zeitraum. Dabei fehlen alle FAZ.NET-Artikel. Es muss also noch weitere einschränkende Kriterien geben, die BUJARD nicht nennt.

Die Annahme, dass die FAZ/FAS keine "journalistische Einseitigkeit im Kontext des Eltergeldes aufweist" widerlegt bereits die Anlassanalyse:

"Bemerkenswert für den politisch-medialen Prozess in Deutschland ist, dass das Elterngeld nur selten durch Verbände auf die Agenda gesetzt wurde. Die wenigen derartigen Artikel sind auf Presseerklärungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) oder Gremien der Katholischen Kirche zurückzuführen - auch wenn es eine Vielzahl an Familienverbänden gibt, die das Elterngeld mit Presseerklärungen begleiten. Diese geringe Medienpräsenz belegt die schwach ausgeprägte familienpolitische Interessenvertretung durch Verbände, der strukturelle Ursachen wie eine geringe Organisationsfähigkeit und Schwierigkeiten der Mobilisierung von Familien zugrunde liegen (...). Dazu können mediale Selektionskriterien eine Rolle spielen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der auffälligste Verband in der medialen Diskussion um das Elterngeld die BDA ist, nicht die Interessen von Familien, sondern die von Arbeitgebern vertritt."

Dass in einer wirtschaftsnahen Zeitung wie der FAZ der BDA auffällig vertreten ist, ist kaum verwunderlich und ist eher den "medialen Selektionskriterien" geschuldet. Darauf verweist auch die starke Präsenz der katholischen Kirche. Hätte BUJARD z.B. die taz analysiert, dann hätten die Evangelische Kirche und der Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter (VAMV) sicherlich eine größere Rolle gespielt. Dass BUJARD das Defizit der Beschränkung auf die FAZ selber sieht, belegt eine Fußnote, in der für zukünftige Analysen der Vergleich von Kommentaren verschiedener Zeitungen empfohlen wird.

Die Analyse parlamentarischer Dokumente ergibt für das Elterngeld eine Zielhierarchie, bei der die Steigerung der Geburtenrate die niedrigste Priorität und die Steigerung des Einkommens in der Familiengründungsphase die höchste Priorität hat.

Dagegen steht in der öffentlichen Debatte die Steigerung der Geburtenrate an erster Stelle, was Zeitungszitate von Politikern zeigen. Das Abrücken der Politiker vom Ziel "Steigerung der Geburtenrate" passiert erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes als sich andeutet, dass das Elterngeld nicht nachhaltig zu einer Erhöhung der Geburtenrate (TFR) beigetragen hat. Das lässt sich z.B. beim Wechsel im Bundesfamilienministerium von Ursula von der LEYEN zu Kristina SCHRÖDER (geb. KÖHLER) ablesen.

Für die Wissenschaft findet BUJARD keine Zielhierarchie, sondern das Überwiegen von Drittmittelaufträgen, d.h. der Finanzierung von Evaluationsstudien im Auftrag der Bundesregierungen.

Inwiefern die Wissenschaft Anlass zur öffentlichen Debatte um das Elterngeld gibt, beschreibt BUJARD folgendermaßen:

"Wissenschaftliche Anlässe machen 19 % der Elterngeldartikel aus, 8,6 % beruhen auf Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes und 10,4 % auf wissenschaftlichen Studien. Beide Anlässe sind kontinuierlich über die Zeit verteilt, wobei es eine leichte Häufung im Sommer 2008 gibt, nachdem zum ersten Mal Zahlen der Elterngeldstatistik für den kompletten Zeitraum von 14 Monaten für die Anfang 2007 geborenen Kinder vorliegen. Die meisten wissenschaftlichen Anlässe sind mit dem Themen Väterbeteiligung und Geburtenentwicklung verbunden."

Auch hier stellt sich die Frage nach medialen Selektionseffekten, die sich aus der Nähe von Zeitungen zu speziellen Lobbygruppen ergeben, die wiederum wissenschaftliche Studien in Auftrag geben. Eine Analyse anderer Zeitungen hätte hier sicherlich andere Verteilungen erbracht.

Aufschlussreich ist auch die Analyse zu Verschiebungen der Bewertungen des Elterngeldes im Zeitraum nach der Reform:

"Hat sich die Valenz der Berichterstattung zum Elterngeld im Zeitverlauf geändert) Um dieser Frage nachzugehen, wurden drei Zeiträume separat betrachtet: Der Zeitraum vor Einführung des BEEG (Z_2004-06), der unmittelbar danach (Z_2007-09) und die letzten drei Jahre (Z_2010-12). "

BUJARD kommt zum Schluss, dass das "Elterngeld inzwischen wieder etwas stärker umstritten ist." Um das Elterngeld rhetorisch abzusichern, empfiehlt BUJARD deshalb:

"Je mehr Ziele mit dem Elterngeld verbunden werden, desto positiver ist die Bewertung. Die Schlussfolgerungen für die Politikberatung liegen auf der Hand: Es ist wenig hilfreich, ein Ziel, dessen Wirkung gerade Konjunktur hat, zu betonen. Insbesondere wenn dessen Wirkungsbefund nicht kausal ist und zu einem späteren Zeitpunkt anders aussehen könnte - so geschehen bei dem im September 2008 verkündeten vermeintlichen Anstieg der Geburtenrate. Vielmehr könnte eine Kommunikationsstrategie zu einer positiven Valenz führen, die konsequent den Fünfklang der Ziele betont." (S.149)

Für die Zukunft sieht BUJARD in der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit ein Problem des Eltergeldes:

"Die offene Flanke des Elterngelds liegt eher bei der Verteilungswirkung. So nachvollziehbar die lebenslaufbezogene Argumentation ist, bleibt es eine Herausforderung, die höheren Leistungen für Mittelschichtfamilien, akademische Berufsfelder und ältere Eltern gegenüber anderen, weniger privilegierten Gruppen zu kommunizieren. Dass dieser potenzielle Kritikpunkt in den letzten Jahren relativ zurückgegangen ist, mag erstaunlich sein; eine Erklärung wäre mit Bezug auf die Parteipolitik die, dass bei Christdemokraten eher Geburtenentwicklung, Müttererwerbstätigkeit und Betreuungsgeld im Fokus standen und in der SPD die Gleichstellungsaspekte und die Modernisierung der Familienpolitik den Diskurs dominiert haben. Die Verteilungsfrage ist allerdings ein wichtiger Aspekt für eine mögliche weitere Reform des Elterngelds." (S.150)

BUJARD, Martin & Jasmin PASSET (2013): Wirkungen des Elterngelds auf Einkommen und Fertilität,
in:
Zeitschrift für Familienforschung, Heft 2, September, S.212-237

Besonders umstritten ist in der öffentlichen Debatte der Beitrag des Elterngeldes zur Steigerung der Geburtenrate. Dazu analysieren Martin BUJARD & Jasmin PASSET zum einen mit Hilfe von  Längsschnittdaten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) die Veränderung des Übergangs vom ersten zum zweiten Kind im Zeitraum 2003-2006 (vor der Reform) und zwischen 2007-2008 (nach der Reform) und zum anderen vergleichen sie die altersspezifischen Geburtenraten (ASFR) von Akademikerinnen mit anderen Bildungsgruppen.

Statistisch signifikant erweist sich nach den SOEP-Daten jedoch nur die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Geburt eines zweiten Kindes nach der Reform für 36- bis 45-jährige Frauen. Mit Hilfe der Mikrozensen 2003 - 2011 zeigen die Autoren auf, dass es sich bei den Spätgebärenden insbesondere um westdeutsche Akademikerinnen handelt.

Dabei ist zu beachten, dass BUJARD & PASSET eine im internationalen Vergleich (aber in Deutschland übliche) enge Definition von Akademikerin verwenden:

"- Frauen ohne beruflichen Abschluss (ISCED 1 und 2, Anteil 13,9 %)
- Frauen mit beruflichem Abschluss (oder Hochschulreife), beispielsweise Lehrausbildung oder Fachschulabschluss, jedoch ohne akademischen Abschluss (ISCED 3, 4 und 5 B, Anteil 69,5 %)
- Frauen mit (Fach-)Hochschulabschluss (ISCED 5 A und 6, Anteil 16,6 %)

Bei dieser dreistufigen Differenzierung wird bewusst die engere Akademikerinnen-Definition verwendet, da das durchschnittliche Geburtenverhalten von Frauen mit Abschlüssen nach ISCED 5 B (Fachschulabschluss) dem der Frauen mit ISCED 3- und 4-Abschlüssen eher ähnelt als den Frauen mit Hochschulabschluss. Dabei sei betont, dass die hier verwendete Defintion von Akademikerinnen von der in internationalen Studien (OECD 2011) abweicht, da dort ISCED 5 B den Akademikerinnen zugeordnet wird." (S.228f.)

BUJARD & PASSET sehen einen Anstieg der Geburtenrate bei Akademikerinnen im Vergleich zu Nichtakademikerinnen:

"Der Anstieg der Geburten bei Akademikerinnen ab 30 und besonders ab 35 Jahre hat erheblich dazu beigetragen, dass die geschätzte TFR bei den Akademikerinnen bis 2011 das Niveau der mittleren Bildungsgruppe erreicht hat". (S.229)

Diese Analyse verdeckt die enormen Schwankungen, denen die Geburtenrate von Akademikerinnen vor und nach der Reform unterlegen hat. So betrug die Schwankungsbreite vor der Reform 1,22 bis 1,34. Nach der Reform ergibt sich folgendes Bild:

2007: 1,27
2008: 1,37
2009: 1,32
2010: 1,37
2011: 1,41

Außer Acht bleiben dabei Einflüsse wie Arbeitsmarktsituation, Ausbau der Kinderbetreuung, Reformen des Eltergeldes nach 2007 (z.B. volle Anrechnung für Hartz IV-Empfängerinnen) usw.

Ein Erfolg des Elterngeldes kann nur verbuchen, wer eine qualitative Bevölkerungspolitik zugunsten von Akademikerinnen befürwortet. Was aber, wenn die geschätzte ASFR gar kein adäquater Indikator für eine nachhaltige Geburtenentwicklung ist? Erst die Entwicklung der Kohortenfertilität (CFR) gibt darüber Aufschluss. Hier zeigt sich jedoch, dass diese bereits vor der Reform des Elterngeldes für die um 1970 Geborenen gestiegen ist.

In erster Linie hat das Elterngeld den Stellenwert einer Symbolpolitik, denn sie steht für die Durchsetzung einer qualitativen Bevölkerungspolitik zugunsten von Akademikerinnen und einen Abschied von sozialer Gerechtigkeit in der Familienpolitik. Die Beiträge von BUJARD und BUJARD & PASSET muss man als den Versuch einer rhetorischen Absicherung dieser Maßnahme betrachten.

Ausgeblendet wurde in der Analyse von BUJARD & PASSET insbesondere die Entwicklung der Kinderlosigkeit von Akademikerinnen, die im Brennpunkt der öffentlichen Debatte um das Elterngeld stand. Hier zeigt jedoch die Veröffentlichung zur Geburtenentwicklung 2012, dass sich - bei gering steigender Kinderlosigkeit zwischen 2008 und 2012 - auch hier eine Verschiebung zwischen Akademikerinnen und Nicht-Akademikerinnen vollzogen hat.

LOIS, Daniel (2013): Zur Erklärung von sozialer Ansteckung beim Übergang zur Elternschaft.
Ein Test vermittelnder Mechanismen,
in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 3, September, S.397-422

In den Nuller Jahren erlebte die Niedrig-Fertlitäts-Falle einen Medienhype. Das Phänomen wurde durch Frank SCHIRRMACHERs Buch Minimum popularisiert und kumulierte in der Rede von einer Kultur der Kinderlosigkeit. Angeblich gab es ab einem bestimmten TFR-Niveau, nämlich 1,3, aus der Niedrig-Fertilitäts-Falle keinen Ausweg mehr. In Zeiten steigender TFR-Geburtenraten ist das widerlegt und muss nun revidiert werden. Hans-Peter KOHLER war ein Pionier dieser "Niedrig-Fertilitäts-Falle"-These. Tatsächlich haben solche makrosoziologischen Erklärungen ein Problem, das Daniel LOIS folgendermaßen beschreibt:    

"Ein Beispiel für eine makrosoziologische Studie ist der Beitrag von Kohler (2000), der die langfristige Fluktuation von nationalen Nettoreproduktionsraten in 13 Ländern zwischen 1930 und 1995 untersucht und darin latente Gleichgewichtszustände wie ein »high-fertility-regime« oder ein »low-fertility-regime« findet. Der Autor geht davon aus, dass für die Herausbildung derartiger Fertilitäts-Regime nicht allein die Veränderung sozio-ökonomischer Anreize verantwortlich gemacht werden kann. Vielmehr wird angenommen, dass insbesondere der Prozess eines abnehmenden Fertilitätsniveaus durch soziale Vergleichsprozesse und ein wechselseitiges Nachahmungsverhalten beschleunigt worden ist (...). Infolge der makrosoziologischen Perspektive derartiger Studien kann allerdings über die konkrete Funktionsweise von Ansteckungsprozessen auf der Individualebene wenig ausgesagt werden." (2013, S.404)

Der Begriff der "sozialen Ansteckung" soll nun solche Prozesse der Selbstverstärkung mikrosoziologisch erhellen:

"Neben sozialem Druck und sozialer Unterstützung wird in der jüngeren Forschung ein dritter Mechanismus diskutiert, der sich als soziale Ansteckung (»social contagion«) bezeichnen lässt. Hierunter kann vereinfacht der Prozess verstanden werden, in dem ein Akteur (Ego) eine neue Handlungsweise oder Einstellung von einem anderen Akteur (Alter) übernimmt, mit dem er interagiert (...). Im vorliegenden Fall ist hiermit gemeint, dass die Familiengründung als neue Handlungsalternative in sozialen Netzwerken »diffundiert« und es im Zuge eines wechselseitigen Nachahmungsverhaltens zu »Geburtswellen« innerhalb von Freundschafts- oder Verwandtschaftsnetzwerken kommt." (2013, S.398)

Das Hauptproblem besteht jedoch in der Erklärung von Trendwenden im Geburtengeschehen und dafür ist der Indikator "zusammengefasste Geburtenziffer" vollkommen ungeeignet. Ausgangspunkt kann nur die endgültige Kinderzahl von Frauenjahrgängen sein, d.h. die Kohortenfertilität. Diese ist bis zum Geburtsjahrgang 1968 gefallen und steigt für die nachfolgenden Frauenjahrgänge wieder. Nur eine genaue Analyse dieses veränderten Geburtenverhaltens kann Aufschlüsse über mögliche Ursachen ergeben. Neben der Rolle von sozialen Einflüssen sind hier mediale Einflüsse relevant, denn diese können sowohl verstärkend als auch im Gegenteil kontraproduktiv sein. Auf dieser Website wird von Letzterem ausgegangen.   

HAUN, Daniel (2013): Werden wir wirklich zu alt?
Dossier: Vier Irrtümer über den Demografiewandel und eine Bitte an den Bundestag,
in:
ZEITWISSEN, Oktober/November

Dass die Geburtenrate der Frauen höher liegt als die 1,4 Geburten pro gebärfähiger Frau, ist auf dieser Webseite schon häufig kritisiert worden. Daniel HAUN erwähnt zudem nicht, dass die Zahl der gebärfähigen Frauen aufgrund der Zensusdaten ebenfalls stärker zurückgegangen ist als in der Bevölkerungsfortschreibung angenommen, d.h. die Geburtenrate wird dadurch höher ausfallen.

HAUN sieht das Problem der geringen Geburtenrate nicht erst bei den jungen Frauen, sondern bei der Generation ihrer Mütter. Zudem wird mit Hinweis auf eine Studie von Rainer HUFNAGEL-PERSON darauf verwiesen, dass Akademikerinnen seit Mitte der 1990er Jahre mehr Kinder als andere Frauen bekommen - nur später. HAUN sieht (mittlerweile) politisch korrekt den Aufschub der Mutterschaft kritischer als einen fehlenden Kinderwunsch:

"Während bisher Personen ohne Kinderwunsch, ungeachtet der Tatsache, dass sie nicht reduzieren können, in ein Gesamtmodell integriert wurden, haben wir diese separat betrachtet. Eine Gruppe, die bisher in der Literatur kaum Beachtung fand, sind die Personen mit einem unsicheren Kinderwunsch. Diese haben wir als Subsample in unsere Analysen integriert.
Insgesamt gesehen bestätigen unsere Analysen bisherige Forschungsergebnisse, die besagen, dass der Kinderwunsch über die Zeit hinweg eher instabil ist. (...). Ein relativ hoher Anteil, nämlich gut ein Drittel aller betrachteten Personen, verändert seine realistisch erwartete Kinderzahl innerhalb nur eines Jahres.

(Petra Buhr & Anne-Kristin Kuhnt "Die kurzfristige Stabilität des Kinderwunsches in Ost- und Westdeutschland: eine Analyse mit den ersten beiden Wellen des deutschen Beziehungs- und Familienpanels"
, 2013, S.294)

Es ist merkwürdig, dass mediale Fakten gerade dann als Irrtümer ausgewiesen werden, wenn sie ihre politische Schuldigkeit getan haben. Aber das ist natürlich das Kennzeichen politischer Propaganda.

BUJARD, Martin (2013): Familienpolitik braucht einen langen Atem.
Effekte auf die Geburtenrate sind langfristig und benötigen eine kohärente Politik,
in:
Demografische Forschung aus erster Hand, Nr.3 v. 09.10.

DESTATIS (2013): Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland 2012, Statistisches Bundesamt: Wiesbaden, Begleitheft zur Pressekonferenz am 07.11.

Erstmals ignoriert das Statistische Bundesamt in einer Publikation die Kohortenfertilität (CFR) und die Tempoeffekte nicht. Bisher wurde strikt geleugnet, dass die Geburtenrate (TFR) für die zukünftige Geburtenentwicklung in Deutschland nicht aussagekräftig ist:

"Die in den 1930er Jahren geborenen Frauen brachten in beiden Teilen Deutschlands im Durchschnitt etwa gleich viele Kinder zur Welt: die endgültige Kinderzahl der Frauen dieser Kohorten lag bei über zwei Kindern je Frau. Innerhalb der nächsten 30 Jahre ging die Kohortenfertilität im früheren Bundesgebiet um etwa 25 % zurück. Besonders schnell sank sie zwischen den Jahrgängen 1934 (2,2 Kinder je Frau) und 1943 (1,8). Dieser Rückgang spiegelte den Übergang vom stark ausgeprägten familienorientierten Geburtenverhalten in den Zeiten des sogenannten Babybooms (Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre) zu neuen Lebensverläufen wider, die sich infolge des sozialen Wandels um das Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre herausgebildet haben. Danach hat sich der Rückgang fortgesetzt, er verlief aber langsamer. Die Frauen der Kohorte 1963, die im Jahr 2012 das 50. Lebensjahr erreichten, haben im früheren Bundesgebiet durchschnittlich nur noch 1,5 Kinder zur Welt gebracht" (2013, S.17),

heißt es nun. Im Jahr 2003 forderte die frühere ZEIT-Redakteurin und vor kurzem als Kieler Oberbürgermeisterin zurückgetretene Susanne GASCHKE: Kein Nachwuchs, keine Rente. Sie begründete dies mit falschen Zahlen zur Geburtenrate der 68er und nachfolgender Generationen. Das Statistische Bundesamt bestätigt nun die damalige Analyse von single-generation.de und Detlef GÜRTLER.

Wir erinnern uns: Weil angeblich die Nach-68er im besonderen Maße zum Geburtenrückgang unter das Bestandserhaltungsniveau beigetragen hätten, so die Argumentation, müssen die jüngeren Jahrgänge umso länger arbeiten und Rentenkürzungen in Kauf nehmen. Faktisch waren dagegen bereits die 68er für den größten Rückgang der Geburtenrate verantwortlich.

Es ist an der Zeit die Lebenslügen dieser Republik zur Kenntnis zu nehmen. In Deutschland wurde jahrelang Sozialabbau mit Hilfe angeblicher demografischer Sachzwänge begründet, die unhaltbar sind. Dabei ist erst die Spitze des Eisbergs sichtbar.

DESTATIS (2013): Jede fünfte Frau zwischen 40 und 44 Jahren ist kinderlos,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 07.11.

Erst nach dem Bundestagswahlkampf 2005 und nach der Durchsetzung der Agenda 2010 wurden vereinzelt Stimmen laut, dass die Kinderlosigkeit mit ca. 33 % bei den 1965 geborenen Frauen und 40 % bei den westdeutschen Akademikerinnen zu hoch geschätzt ist. Die zweite Mikrozensus-Erhebung der Kinderlosigkeit in Deutschland zeigt, dass Anfang des Jahrtausends krasse Fehleinschätzungen im Umlauf waren. Für die  1970er Geburtsjahrgänge wurden sogar Kinderlosenzahlen von 40 % prognostiziert. Akademikerinnen sollten gar zu 50 % kinderlos bleiben. Die Tendenzen zeigen dagegen, dass die Anfang der 1970er Jahre geborenen Frauenjahrgänge eher zu einem niedrigeren Anteil kinderlos bleiben werden, was bereits im Jahr 2003 erkennbar war.

Auf dieser Webseite werden die Fakten in nächster Zeit genau analysiert werden, da die Interpretationen des Statistischen Bundesamtes bevölkerungspolitisch motiviert sind, d.h. Trendwenden werden erst dann verkündet, wenn sie sich nicht mehr leugnen lassen.

Mit 1,38 Kindern pro gebärfähiger Frau lag die Geburtenrate (TFR) 2012 höher als 2011 (1,36). Da diese Geburtenrate jedoch auf veralteten Volkszählungsdaten basiert, muss die Geburtenrate nach oben korrigiert werden, was jedoch - unverständlicherweise - erst mit dem Mikrozensus 2013 geschehen wird.

KÖLNER STADT-ANZEIGER-Tagesthema: Später zur Familie.
In Deutschland setzt sich der Trend fort, dass Frauen mit der Mutterschaft warten. Laut Statistik sind sie beim ersten Nachwuchs 29 Jahre alt

STOLZENBACH, Kathy (2013): Gebildet, westdeutsch, kinderlos.
Frauen gründen immer später eine Familie - Geburtenrate bleibt dennoch zunächst stabil,
in:
Kölner Stadt-Anzeiger v. 08.11.

TICHOMIROWA, Katja (2013): Einseitiges Bild,
in:
Frankfurter Rundschau v. 08.11.

HEIDENREICH, Ulrike (2013): Plädoyer für eine Kindergrundsicherung,
in: Süddeutsche Zeitung v. 08.11.

ÖCHSNER, Thomas (2013): Jede fünfte Frau bleibt kinderlos.
Besonders Akademikerinnen bekommen weniger Babys. Statistiker erwarten weiteren Rückgang der Geburtenrate,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 08.11.

In der angeblichen Qualitätszeitung kann man nicht einmal richtig abschreiben:

"Die Behörde rechnet zunächst mit einer weiter stabilen Geburtenrate. Von 2020 an befürchtet sie aber einen Rückgang (...). Für eine stabile Geburtenzahl wäre dann eine höhere jährliche Geburtenrate von mindestens 1,6 notwendig, sagte Egeler",

heißt es bei Thomas ÖCHSNER anlässlich einer Pressekonferenz Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland des Statistischen Bundesamtes. Tatsächlich muss es heißen, dass bei einer stabilen GeburtenRATE die GeburtenZAHLEN weiter zurückgehen werden, wenn die ZAHL der potentiellen Mütter sinkt. Ob die GeburtenRATE stabil bleibt, zurückgeht oder sogar steigt, darüber sagt die Behörde in den zitierten Sätzen gar nichts aus. Die Headline "Statistiker erwarten weiteren Rückgang der Geburtenrate" ist also grob irreführend. Richtig müsste es heißen, dass die Statistiker bei gleich bleibender Geburtenrate einen Rückgang der Geburtenzahlen erwarten. Das ist aber das genaue Gegenteil dessen, was uns die SZ vermeldet!

Qualität ist eben Glücksache und kein Ergebnis von Journalismus!

SIEMS, Dorothea (2013): Studiert und kinderlos.
Noch nie blieben in Deutschland so viele Frauen ohne Nachwuchs,
in:
Welt v. 08.11.

Dorothea SIEMS kann zumindest abschreiben:

"Weil die meisten Frauen ihre Kinder im Alter zwischen 25 und 35 bekommen, ist für die künftige Entwicklung der Geburtenzahlen entscheidend, wie sich diese Altersgruppe in den nächsten Jahren verhält. Bis 2020 bleibt die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen relativ konstant. Deshalb rechnen die Statistiker für diesen Zeitraum mit weitgehend stabilen Geburtenzahlen. Danach jedoch schrumpft diese Altersgruppe rapide, weshalb nach diesem Zeitpunkt deutlich weniger Kinder zu erwarten sind als heute. Nur bei einem deutlichen Anstieg der Geburtenrate auf 1,6 ließe sich der absehbare Einbruch der Geburtenzahlen nach 2020 noch verhindern",

Sobald SIEMS jedoch in den Kommentarmodus schaltet, werden die Fakten ignoriert:

"Ab 2020, so warnt das Statistische Bundesamt, droht in Deutschland ein Absturz der Geburtenraten. Denn seit Jahrzehnten schon leisten sich die Bürger hierzulande wenig Kinder. Somit sind viele Frauen, die demnächst Nachwuchs bekommen könnten, nie geboren worden."

SIEMS ignoriert dann den Unterschied zwischen  GeburtenRATE und GeburtenZAHLEN genauso wie Thomas ÖCHSNER in der SZ.

EPD (2013): Zahl der Kinderlosen steigt,
in: TAZ v. 08.11.

"In Deutschland bleibt jede fünfte Frau kinderlos. Das geht aus Daten zur Geburtenentwicklung und zur Kinderlosigkeit hervor, die das Statistische Bundesamt vorstellte. Nach dem Mikrozensus von 2012 haben 22 Prozent der Frauen zwischen 40 und 44 Jahren kein Kind. Die Kinderlosigkeit ist in den alten Ländern mit 23 Prozent deutlich ausgeprägter als im Osten (15 Prozent). Sie nimmt laut Statistik aber auch in den neuen Ländern zu, bei Akademikerinnen stärker als bei Frauen ohne Hochschulabschluss"

läßt die taz durch den Evangelischen Pressedienst (epd) verkünden. Dadurch wird verschwiegen, dass sich die Kinderlosenzahlen in den für die zukünftige Geburtenentwicklung relevanten Altersgruppen verschoben haben:

"Drei von zehn westdeutschen Akademikerinnen im Alter zwischen 45 und 49 Jahren haben kein Kind geboren. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung ist allerdings zu erwarten, dass Akademikerinnen der etwas jüngeren Jahrgänge (1968 bis 1972) zu weniger als 30 % kinderlos bleiben werden. Sie hatten die 30 %-Marke bereits im Jahr 2012 erreicht. Bei gleichem Geburtenverhalten wie bei den fünf Jahre älteren Frauen würde ihre Kinderlosenquote in den nächsten Jahren voraussichtlich noch um weitere zwei Prozentpunkte sinken.

Bei den Frauen ohne einen akademischen Bildungsabschluss, die rund 80 % eines Jahrgangs stellen, ist dagegen mit einem weiteren Anstieg des Anteils der Frauen ohne Kind zu rechnen. Dies gilt auch für die Frauen in den neuen Ländern." (2013, S.9)

heißt es in der Publikation Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland des Statistischen Bundesamtes. Die unsägliche Medienkampagne mit dem Motto, dass die Falschen die Kinder bekommen, war also außerordentlich erfolgreich, mit der Konsequenz, dass die Kinderlosigkeit gestiegen ist, weil Akademikerinnen für die Geburtenrate (noch) nicht annähernd so relevant sind, wie es die Medienelite gerne hätten.

Wer eine höhere Geburtenrate möchte, der muss akzeptieren, dass auch die "Falschen" Kinder bekommen. Oder es gilt den Geburtenrückgang zu akzeptieren, was nicht das Schlechteste wäre.

Es gilt somit Schluss zu machen mit der Heuchelei in Sachen Geburtenrückgang und den Kult um die Geburtenrate (TFR).

RHEINISCHE POST-Tagesthema: Leben ohne Kind

KRINGS, Dorothee (2013): Warum Paare kinderlos bleiben.
Analyse: Jede fünfte Frau in Deutschland zwischen 40 und 44 Jahren hat kein Kind. Doch steht dahinter oft keine bewusste Entscheidung, sondern Lebenswege ergeben sich so – und darin spiegeln sich die sozialen Verhältnisse,
in:
Rheinische Post v. 09.11.

Jetzt schlägt wieder die Stunde der Heuchler. Angeblich spiegelt die wachsende Kinderlosigkeit die sozialen Verhältnisse wider. Wenn man dies ernst nehmen würde, dann müssten sich nicht Frauen für ihre Kinderlosigkeit rechtfertigen wie im untenstehenden Artikel, sondern die Wirtschaft, die Bildungseinrichtungen und die Politik. Warum, so müssten sich ihre Repräsentanten fragen lassen, wurde eine Politik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht bereits Mitte der 1980er Jahre betrieben, als sich abzeichnete, dass das traditionelle Familienbild in der jüngeren Generation an Allgemeinverbindlichkeit verloren hat?

Offenbar waren die Wirtschaft, die Bildungseinrichtungen und die Politik damals nicht an einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie interessiert. Jetzt den Rückgang der Geburtenzahlen zu beklagen ist deshalb heuchlerisch. Hätte man vor 30 Jahren in Wirtschaft, Politik und Bildung umgesteuert, statt an der traditionellen Familie als Leitbild festzuhalten, dann könnte man heutzutage darauf verzichten Kinderlose an den Pranger zu stellen 

Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern wir es momentan überhaupt mit einer steigenden Kinderlosigkeit zu tun haben. Angeblich haben wir derzeit den höchsten Stand der Kinderlosigkeit in Deutschland. Dabei wurde der Anteil der Kinderlosen erstmals 2008 erfasst (sieht man von einer Vorerhebung im Jahr 2006 ab). Wie hoch die Kinderlosigkeit in Deutschland in der Vergangenheit war, das wissen wir überhaupt nicht. Vor 10 Jahren wurden noch Kinderlosenanteile von einem Drittel (bei Akademikerinnen sogar von 40 und 50 %) in Umlauf gebracht, weil Eltern in Kinderlose umdefiniert wurden. Alles schon wieder vergessen?

Unberücksichtigt bleiben auch die sozialstrukturellen Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Kinderlosen, sowie der Rückgang der Kinderlosenanteile in speziellen Altersgruppen und Milieus.

Nicht zuletzt täuscht die Geburtenrate (TFR) darüber hinweg, dass bislang noch kein einziger Frauenjahrgang nur 1,4 Kinder pro gebärfähiger Frau erreicht hat, sondern der niedrigste Wert lag bei 1,5 (CFR).

Erstmals ignoriert das Statistische Bundesamt in einer Publikation die Kohortenfertilität (CFR) und die Tempoeffekte nicht. Bisher wurde strikt geleugnet, dass die Geburtenrate (TFR) für die zukünftige Geburtenentwicklung in Deutschland nicht aussagekräftig ist:

"Die in den 1930er Jahren geborenen Frauen brachten in beiden Teilen Deutschlands im Durchschnitt etwa gleich viele Kinder zur Welt: die endgültige Kinderzahl der Frauen dieser Kohorten lag bei über zwei Kindern je Frau. Innerhalb der nächsten 30 Jahre ging die Kohortenfertilität im früheren Bundesgebiet um etwa 25 % zurück. Besonders schnell sank sie zwischen den Jahrgängen 1934 (2,2 Kinder je Frau) und 1943 (1,8). Dieser Rückgang spiegelte den Übergang vom stark ausgeprägten familienorientierten Geburtenverhalten in den Zeiten des sogenannten Babybooms (Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre) zu neuen Lebensverläufen wider, die sich infolge des sozialen Wandels um das Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre herausgebildet haben. Danach hat sich der Rückgang fortgesetzt, er verlief aber langsamer. Die Frauen der Kohorte 1963, die im Jahr 2012 das 50. Lebensjahr erreichten, haben im früheren Bundesgebiet durchschnittlich nur noch 1,5 Kinder zur Welt gebracht" (2013, S.17),

heißt es nun. Im Jahr 2003 forderte die frühere ZEIT-Redakteurin und vor kurzem als Kieler Oberbürgermeisterin zurückgetretene Susanne GASCHKE: Kein Nachwuchs, keine Rente. Sie begründete dies mit falschen Zahlen zur Geburtenrate der 68er und nachfolgender Generationen. Das Statistische Bundesamt bestätigt nun die damalige Analyse von single-generation.de und Detlef GÜRTLER.

Wir erinnern uns: Weil angeblich die Nach-68er im besonderen Maße zum Geburtenrückgang unter das Bestandserhaltungsniveau beigetragen hätten, so die Argumentation, müssen die jüngeren Jahrgänge umso länger arbeiten und Rentenkürzungen in Kauf nehmen. Faktisch waren dagegen bereits die 68er für den größten Rückgang der Geburtenrate verantwortlich.

Es ist an der Zeit die Lebenslügen dieser Republik zur Kenntnis zu nehmen. In Deutschland wurde jahrelang Sozialabbau mit Hilfe angeblicher demografischer Sachzwänge begründet, die unhaltbar sind. Dabei ist erst die Spitze des Eisbergs sichtbar.

ISRINGHAUS, Jörg (2013): "Ich mag Kinder, aber es müssen nicht meine eigenen sein".
Kinderlosigkeit – Zwei Frauen erzählen,
in:
Rheinische Post v. 09.11.

Statt journalistisch aufbereitete Artikel zu lesen, sollte man sich die Internet-Foren zum Thema, z.B. dem der FAZ, ansehen. Dort lassen sich die Klischeevorstellungen, die von unseren Medien jahrzehntelang in Umlauf gebracht wurden, in ihren tatsächlichen Wirkungen studieren.

EUROSTAT (2013):EU28 Bevölkerung von 505,7 Millionen am 1. Januar 2013.
Europäische Demografie: Mehr als 5 Millionen Geburten in der EU28 im Jahr 2012,
in: Pressemitteilung Europäisches Statistikamt v. 20.11.

DESTATIS (2013): Zuwanderung nach Deutschland steigt im 1. Halbjahr 2013 um 11 %,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 21.11.

Wie schnell Bevölkerungsvorausberechnungen veraltet sind, das lässt sich an der 12. Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2009 demonstrieren, die vor genau 4 Jahren erstellt wurde. Danach war man von einem permanenten Bevölkerungsrückgang in Deutschland ausgegangen.

 
Jahr Bevölkerungsstand (gemäß Statistischer Jahrbücher) Bevölkerungsstand (gemäß Homepage DESTATIS)
2009 81 802 81 802
2010 81 752 81 752
2011 81 844 80 328
2012 82 040* 80 524
* Fortschreibung ohne Zensuskorrektur (eigene Berechnung)

Das Statistische Bundesamt hat auf seine Fehlprognosen schnell reagiert und inzwischen auf seiner Homepage für die Jahre 2011 und 2012 die niedrigeren Bevölkerungszahlen, die sich aus dem Zensus 2011 ergeben haben, publiziert. Merkwürdigerweise gilt das für die Geburtenrate jedoch nicht.

Es ist ersichtlich, dass die Bevölkerung seit 2010 gewachsen ist (während die Homepage ein Wachstum erst ab 2011 suggeriert, denn ein Hinweis auf die Zensus-Korrektur fehlt), also kaum, dass die Bevölkerungsvorausberechnung publiziert war. Nichtsdestotrotz werden uns andauernd Vorausberechnungen für die Jahre 2030 oder gar 2060 präsentiert. Was sind solche Berechnungen wert, außer dass damit politisch Missbrauch getrieben wird?

Zusätzlich zu denken geben sollte, dass ca. 1,5 Millionen Deutsche weniger per Zensus 2011 die vergangenen Jahre nicht aufgefallen sind.

 
     
 
       
     
       
   

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Update: 20. Januar 2019