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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Die Entwicklung der Geburtenzahlen in Deutschland

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Geburtenentwicklung (Teil 15)

 
       
     
       
   
     
 

Vorbemerkung

Die mediale Berichterstattung zur Geburtenentwicklung richtet sich nicht nach der Faktenlage, sondern nach politischen Interessen. Um diese deutlich zu machen werden in dieser Bibliografie ab heute (02.07.2012) nach und nach ausgewählte Medienberichte und Literatur zum Thema chronologisch dokumentiert. Die Kommentare entsprechen jeweils dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, falls nichts anderes vermerkt ist.

Kommentierte Bibliografie (Teil 15: 2018)

Tabelle: Die bislang veröffentlichten Geburtenzahlen für die Bundesländer im Jahr 2016
(Stand: 29.03.2018; * GENESIS-Online-Datenbank; ** BIB. Abruf 19.01.2019)
Bundesland Geburtenzahl
(vorläufig)
Geburtenzahl
(endgültig)
Geburtenrate
(TFR)
Geburtenzahl
(Vorjahr)
Alte Bundesländer Baden-Württemberg 107.498 107.479

1,59

100.269
Bayern 125.700 125.689
125.686*
1,56 118.228
Berlin   41.087
41.086*
1,54 38.030
Bremen   7.136* 1,63** 6.509
Hamburg   21.480* 1,55** 19.768
Hessen 60.700 60.731* 1,58** 56.889
Niedersachsen   75.215* 1,68** 67.183
Nordrhein-Westfalen   173.276
173.274*
1,62 160.468
Rheinland-Pfalz   37.518* 1,60** 34.946
Saarland   8.215* 1,49** 7.511
Schleswig-Holstein   25.420* 1,61** 23.549
Neue Bundesländer Brandenburg   20.934 1,69 19.112
Mecklenburg-
Vorpommern
  13.443
13.442*
1,56** 13.298
Sachsen   37.941
37.940*
1,66** 36.466
Sachsen-Anhalt 18.093 18.092* 1,62** 17.415
Thüringen 18.474 18.475 1,63** 17.934
Deutschland (Gesamt)   792.131 1,59 737.575

2018

KOPPETSCH, Cornelia (2018): Land außer Sicht.
Aufgabe 2018: Wir freuen uns, wenn einem Dorf ein Café eröffnet. Starke Politik gegen schwache Strukturen ist das noch nicht,
in:
Freitag Nr.1 v. 04.01.

Deutschland ist zwar durch "niedrige Geburtenraten" geprägt, aber nichtsdestotrotz steigt die Geburtenrate und genau das ist in den nächsten Jahren eine große Herausforderung. Das ist jetzt schon besonders deutlich in Sachsen zu sehen, wo die herrschende Politik aufgrund ihrer Unfähigkeit abgestraft wurde und nun ein im Regierungsgeschäft unerfahrener Politiker die Rolle des "Landesvaters" ausfüllen muss, die eine ganze Nummer zu groß ist für dieses letzte Aufgebot der CDU.

Sachsen-Anhalt veröffentlicht in seinem Statistischen Bericht zur natürlichen Bevölkerungsbewegung immer noch die Geburtenfolge innerhalb von Ehen, obwohl seit 2009 die biologische Geburtenfolge erfasst wird. Statistische Rückständigkeit und Bevölkerungsvorausberechnungen, die Bevölkerungsentwicklungen erst Jahre später nur nachvollziehen statt angemessen in Rechnung zu stellen, treffen auf eine Politik, die auf Schrumpfung und Alterung fixiert ist und dadurch den Geburtenanstieg verschlafen hat. Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Differenz zwischen tatsächlicher Geburtenentwicklung und prognostizierter Geburtenentwicklung durch die Kultusministerkonferenz (KMK) ersichtlich:

Tabelle: Die Entwicklung der Geburten in Sachsen-Anhalt 2009 - 2016 im Vergleich zur
Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK)
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Gesamtzahl 17.144 17.300 16.837 16.888 16.797 17.046 17.415 18.093
Geburtenrate (TFR) 1.371,4 1.411,6 1.423,5 1.448,6 1.462,4 1.500,9 1.538,6  
KMK-Prognose   17.323 16.816 16.669 16.218 15.744 15.232 14.691
Differenz   - 23 + 21 + 219 + 579 + 1.302 + 2.183 + 3.402
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt (2016): Bevölkerung und Natürliche
Bevölkerungsbewegung 1990-2015;
Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz

Die KMK ist für eine ausreichende Versorgung mit Lehrern zuständig. Wie die Tabelle zeigt, klaffen Realität und politische Prognoseunfähigkeit in steigendem Maße auseinander. Obwohl - oder gerade weil  - die Situation in Ostdeutschland bereits angespannt ist, ist der Geburtenanstieg, der in den nächsten Jahren anhalten wird, wenn eine Wirtschaftskrise nicht zu verstärktem Geburtenaufschub führt, eine Herausforderung, die die neuen Bundesländer kaum bewältigen können. Und sie werden durch Politik und Medien nicht unterstützt, sondern allein gelassen mit diesem Problem.

Fazit: Die Fixierung auf Schrumpfung und Alterung führt dazu, dass die Chancen des gegenwärtigen Geburtenanstiegs ungenutzt bleiben. Der lediglich rhetorische Ruf nach Bildungsinvestitionen hat dazu geführt, dass die bereits vorhandenen gravierenden Probleme im Bereich der Kinderbetreuung und Grundschulversorgung nicht angegangen, sondern ignoriert wurden. Mit Verweis auf die fernere Zukunft wird so die Gegenwart verspielt.

MORGENSTERN, Tomas (2017): Mit Fördergeld gegen den Verfall.
Brandenburg unterstützt mit Millionensummen den Erhalt seines baulichen Denkmalerbes,
in:
Neues Deutschland v. 04.01.

Warum gibt Brandenburg Millionen für "Kirchen und Religionsgemeinschaften" aus, um deren Gebäude zu erhalten, während das Geld im Bildungssystem besser angelegt wäre? Die deutschen Kirchen sind vermögend genug, um ihre Gebäude selber zu erhalten!

Im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Ländern (z.B. Sachsen) klafft die aktuelle Prognose der Kultusministerkonferenz und die tatsächliche Geburtenentwicklung für Brandenburg noch nicht so weit auseinander wie die nachfolgende Tabelle zeigt:

Tabelle: Die Entwicklung der Geburten in Brandenburg 2009 - 2015 im Vergleich zur
Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK)
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gesamtzahl 18.537 18.954 18.279 18.482 18.355 19.339 19.112
1. Kinder fehlt fehlt fehlt 9.369 9.305 9.836 9.443
2. Kinder fehlt fehlt fehlt 6.525 6.464 6.751 6.801
3. Kinder fehlt fehlt fehlt 1.755 1.788 1.875 1.948
4. Kinder fehlt fehlt fehlt 521 512 553 575
5. Kinder fehlt fehlt fehlt 188 168 188 198
6. u.w. Kinder fehlt fehlt fehlt 124 118 136 147
Geburtenrate (TFR) 1.397,6 1.446,8 1.410,3
1.432,3*
1.441,0
1.464,3*
1.443,5
1467,7*
1.550,3* 1.533,5*
KMK-Prognose   18.954 18.279 18.600 18.300 17.900 17.500
Differenz   0 0 - 118 + 55 + 1.439 +1.612
Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Statistische Berichte Eheschließungen, Geborene und
Gestorbene in Brandenburg 2009 - 2015;
Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz
Anmerkung: * Geburtenrate auf Basis des Zensus 2011

In Brandenburg wurden 2016 zwischen Januar und November bereits 19.199 Kinder geboren (Prognose KMK: 17.100). Zuerst wird man dieses Auseinanderklaffen bei der Kinderbetreuung spüren und dann auch im Grundschulbereich. Lehrer, die nicht rechtzeitig ausgebildet wurden, stehen nicht rechtzeitig zur Verfügung. Zumal die Situation in anderen Bundesländern weit angespannter ist.

Das Märchen über die Kinder der Babyboomer ("Echoeffekt") als Ursache der steigenden Geburtenzahlen im Jahr 2015,
Exklusiv-Story von single-generation.de v. 07.01.

Immer wieder wird in den letzten Jahren behauptet, dass die Kinder der Babyboomer für die steigenden Geburtenzahlen verantwortlich wären. Es wird suggeriert, dass diese geburtenstarke Frauenjahrgänge wären ("Echoeffekt"), die nun für steigende Geburtenzahlen sorgen würden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn derzeit werden in erster Linie die Kinder der geburtenschwachen Frauenjahrgänge Mitte der 1980er Jahre geboren. Aus dem nachfolgenden Schaubild ist zu ersehen, dass die altersspezifischen Geburtenziffern (AGZ) der geburtenschwächsten Frauenjahrgänge im Jahr 2015 am höchsten waren:

Schaubild: Die altersspezifischen Geburtenziffern (AGZ) der Frauenjahrgänge
1970-1997 im Vergleich zu ihrer eigenen Kohortenstärke
Quelle: DESTATIS-Fachserie Natürliche Bevölkerungsbewegung 2015; Zusammenfassende
Übersichten Eheschließungen, Geborene, Gestorbene 1946 - 2015

Wäre also der Echoeffekt hauptverantwortlich für den Geburtenanstieg im Jahr 2015 gewesen, dann müssten die Geburtenzahlen zurückgegangen sein statt zu steigen.

"In den Jahren 1981 bis 1991 gab es einen kleinen Babyboom in Deutschland, damals stieg die Zahl der Geburten stark an",

erklärte uns z.B. Christina BERNDT (SZ 01.7.2016) zu den Geburten des Jahres 2015. Sabine MENKENS (Welt 01.07.2016) hat uns das folgendermaßen erklärt:

"Beim Statistischen Bundesamt hält man sich mit Deutungen über die Gründe für die wieder ansteigenden Geburten (...) zurück. Zunächst einmal sei festzuhalten, dass es derzeit einfach mehr Frauen im gebärfähigen Alter gebe – die Töchter der Babyboomer nämlich, die Ende der 80er-Jahre geboren wurden und jetzt selbst Mütter werden. 1964 wurde mit 1,36 Millionen Babys der geburtenstärkste Jahrgang aller Zeiten gemessen, 1990 war mit 905.000 erneut ein sehr starker Jahrgang. Diese Kinder werden jetzt nach und nach Eltern. Der Babyboom pflanzt sich quasi wellenförmig fort."

Aus dem Schaubild ist dagegen ersichtlich, dass der Echoeffekt erst in den nächsten Jahren zunehmen wird, wenn die Kohortenstärke auf hohe altersspezifische Geburtenziffern treffen. Trifft der Echoeffekt auf eine steigende Kohortenfertilität (CFT) der Frauenjahrgänge, dann verstärken sich diese Effekte noch. Wir sind auf einen solchen Geburtenanstieg weder bei der Kinderbetreuung noch bei der Grundschulversorgung vorbereitet. Die Fixierung von Politik, Wissenschaft und Medien auf Schrumpfung und Alterung hat dafür gesorgt, dass wir diesen Geburtenanstieg verschlafen haben.

In den nächsten Wochen werden erste Ergebnisse zu der Geburtenentwicklung im Jahr 2017 veröffentlicht werden. Erste Zahlen sind bereits in dieser Woche publiziert worden, z.B. Kiel ist bei Geburten Spitzenreiter. Heike STÜBEN bezieht sich dabei auf die Milupa-Geburtenliste:

"das Universitätsklinikum Kiel hat 2017 um 6,6 Prozent auf 1500 Geburten zugelegt. Die Zahl der Neugeborenen im Land ist allerdings noch höher als auf der Liste: Denn bei der Abfrage, die Milupa am 2. Januar in den Kliniken durchführte, werden Zwillinge und Mehrlinge immer nur als eine Geburt gezählt. Hinzu kommt, dass eine unbekannte Zahl von Entbindungen notgedrungen in Hamburg stattfand: Die werdenden Mütter mussten in Schleswig-Holstein abgewiesen werden, weil es immer wieder Engpässe bei Kinderkrankenschwestern, Ärzten und Hebammen gibt." (Kieler Nachrichten Online v. 05.01.2018)

Deutschlandweit liegen für 2017 noch keine Zahlen vor. Die Amtsstatistik ist noch nicht einmal in der Lage für 2016 Zahlen zum Geburtenanstieg zu liefern. Es liegt zur Zeit lediglich eine Schätzung zu den Geburtenzahlen vor.

Die Bertelsmann-Stiftung hat im Juli letzten Jahres auf Grundlage der Milupa-Geburtenliste eine eigene Schätzung der Geburtenzahlen für 2016 vorgenommen. Diese lagen noch unterhalb den vorläufigen Zahlen der Amtstatistiker.

Solange weder die Geburtenrate (TFR) noch die altersspezifischen Geburtenziffern für 2016 vorliegen, lassen sich auch die Zahlen für 2017 nicht angemessen einordnen, obwohl das vielerorts wieder getan wird. Wir sollten uns vor vorschnellen Einschätzungen der Geburtenentwicklung hüten. Die Geburtenzahlen könnten weit länger auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben als Politik, Wissenschaft und Medien behaupten. Ungeborene mögen keine Kinder bekommen, aber die Entwicklung der potenziellen Mütter und die Kohortenfertilität können das kompensieren oder sogar überkompensieren, sodass ein Einbruch der Geburtenzahlen ausbleiben bzw. weit geringer ausfallen könnte als immer wieder behauptet wurde. Das aber wird nur geschehen, wenn es keine gravierende Wirtschaftskrise gibt, denn die wirtschaftliche Entwicklung ist viel wichtiger für die weitere Geburtenentwicklung als jene Faktoren, die immer wieder im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stehen.

PRESSEPORTAL (2018): Aktuelle Milupa Geburtenliste zeigt: Geburtenrate in Deutschland bleibt auch 2017 auf hohem Niveau,
in: presseportal.de
v. 11.01.

Milupa meldet für das Jahr 2017 761.076 Geburten in deutschen Krankenhäusern. Das sind 424 Geburten mehr als im Jahr 2016.

Die Geburtenzahl von Milupa für 2016 liegt ca. 32.000 Geburten unter den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Am Dienstag den 16.01. wird vom Statistischen Bundesamt voraussichtlich eine erste Schätzung der Geburtenzahl im Jahr 2017 veröffentlicht.

AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): Berlin wächst und wird jünger,
in: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
v. 11.01.

Für Berlin werden 41.087 Geburten für das Jahr 2016 gemeldet. 2015 waren 38.030 Kinder geboren worden. Die Prognose der Kultusministerkonferenz, die für die Lehrerausbildung relevant ist, lag für 2016 bei 30.200 Kindern, d.h. um über 10.800 Kindern unter den tatsächlichen Geburtenzahlen. Deutschland hat diesen Geburtenanstieg wegen seiner Fixierung auf Schrumpfung und Alterung verschlafen. Das wird sich zuerst bei der Kinderbetreuung rächen!

PAPON, Sylvain & Catherine BEAUMEL (2018): Bilan démographique 2017.
Plus de 67millions d’habitants en France au 1er janvier 2018,
in:
Insee Première v. 16.01.

Das Mütter-Vorbild Frankreich, das bei Vereinbarungsverfechtern genauso beliebt ist wie bei Traditionalisten, schwächelt bei der Geburtenentwicklung. Im Jahr 2017 wurden rund 767.000 Kinder geboren. Das waren ca. 17.000 weniger als im Vorjahr. Die Geburtenrate ist von 1,92 auf 1,88 Kinder pro Frau gefallen. Seit 2013 sind die Geburtenzahlen zurückgegangen (Höchststand: 811.500). Das Durchschnittsalter der französischen Mütter liegt bei 30,6 Jahren.

DESTATIS (2018): Bevölkerung in Deutschland zum Jahresende 2016 auf 82,5 Millionen Personen gewachsen,
Schätzung für 2017: Bevölkerungsstand von mindestens 82,8 Millionen Menschen,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 16.01.

"2017 hat es im Vergleich zu 2016 ungefähr gleich viele Geburten (770.000 bis 810.000 gegenüber etwa 790.000 im Jahr 2016) gegeben",

meldet das Statistische Bundesamt zur Geburtenentwicklung. Letztes Jahr lag die Schätzung für 2016 bei 730.000 - 770.000 Geburten. Bereits vor 5 Tagen lagen Zahlen für die Krankenhausgeburten 2017 vor, die nur knapp über denen des Vorjahres lagen.

STATA MV (2018): Rückgang der Bevölkerung 2016,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Landesamt Mecklenburg-Vorpommern v. 17.01.

"Im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2016 wurden 13.443 Kinder lebend geboren. Das waren 145 Neugeborene oder 1,1 Prozent mehr als im Jahr 2015", meldet das Statistische Landesamt von Mecklenburg-Vorpommern.

STALA THÜRINGEN (2018): Geburtenrate im Jahr 2016 in Jena am höchsten.
Kyffhäuserkreis mit der höchsten Sterberate,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Landesamt Thüringen v. 30.01.

"Im Jahr 2016 kamen nach endgültigen Ergebnissen in Thüringen 18.475 Kinder auf die Welt. Absolut betrachtet wurden mit 2.177 Kindern die meisten Babys in der Stadt Erfurt geboren. Setzt man die Zahl der Geborenen jedoch ins Verhältnis zur Einwohnerzahl des jeweiligen Kreises, und errechnet damit die so genannte Geburtenrate, so hatte die Stadt Jena die Nase vorn. Wie das Thüringer Landesamt für Statistik mitteilt, wurde in Jena im Jahr 2016 mit 10,4 Kindern auf 1.000 Einwohner die höchste Geburtenrate erzielt, gefolgt von der Stadt Erfurt mit 10,3 Kindern und der Stadt Weimar mit 10,2 Kindern.
Unter den Landkreisen hatten das Eichsfeld mit 9,9 lebend geborenen Kindern auf 1.000 Einwohner, das Weimarer Land (9,0 Kinder je 1.000 Einwohner) und der Landkreis Sömmerda (8,9 Kinder je 1.000 Einwohner) die besten Werte bei der Geburtenrate. Die wenigsten Kinder in Relation zur Einwohnerzahl wurden bei den Landkreisen im Landkreis Greiz (6,7 Kinder je 1.000 Einwohner), im Altenburger Land (6,8 Kinder je 1.000 Einwohner) und im Landkreis Sonneberg (7,4 Kinder je 1.000 Einwohner) geboren. Bei den kreisfreien Städten hatte Suhl mit 7,6 Kindern auf 1.000 Einwohner die geringste Geburtenrate, gefolgt von der Stadt Gera mit 8,3 Kindern und der Stadt Eisenach mit 8,5 Kindern auf 1.000 Einwohner",

meldet das Thüringer Landesamt für Statistik. Bei der veröffentlichten "Geburtenrate" handelt es sich lediglich um die rohe Geburtenziffer, die durch die Altersstruktur verfälscht wird. Die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR), d.h. die Geburten je gebärfähiger Frau, wird dagegen nicht mitgeteilt.  

STATISTIK BAYERN (2018): Höchster Geburtenanstieg in Bayern seit 1990.
Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Lebendgeburten um 6,3 Prozent an,
in:
Pressemitteilung des Bayerischen Landesamt für Statistik v. 01.02.

"Im Jahr 2016 kamen in Bayern 125.689 Babys lebend zur Welt, davon 61.186 Mädchen und 64.503 Jungen. Auf 100 weibliche kommen damit etwa 105 männliche Lebendgeborene. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik waren das rund 6,3 Prozent mehr Geburten (+7.461) als im Vorjahr 2015. Wie das Bayerische Landesamt für Statistik weiter mitteilt, registrierten alle Regierungsbezirke im Jahr 2016 Geburtenanstiege. Die deutlichste Zunahme ergab sich für den Regierungsbezirk Schwaben (+8,87 Prozent), gefolgt von Mittelfranken (+8,48 Prozent), Oberfranken (+7,15 Prozent), Unterfranken (+6,37 Prozent), Oberbayern (+5,37 Prozent), Niederbayern (+5,06 Prozent) und der Oberpfalz (+3,22 Prozent)",

meldet das Bayerische Landesamt für Statistik, das bereits im November vorläufige Geburtenzahlen für Bayern im Jahr 2016 gemeldet hatte.

IT NRW (2018): 2016 wurden in NRW acht Prozent mehr Kinder geboren als 2015.
Zahl der Sterbefälle sank um ein Prozent,
in:
Pressemitteilung Information und Technik Nordrhein-Westfalen v. 01.02.

"Im Jahr 2016 wurden in Nordrhein-Westfalen 173.276 Kinder geboren; das waren 8,0 Prozent mehr als 2015 (damals: 160.468). Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, war die Geburtenzahl damit so hoch wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr (damals: 175.144). Das Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes lag im Jahr 2016 bei 29,5 Jahren. 3.301 Frauen brachten 6.656 Mehrlingskinder zur Welt, darunter befanden sich 3.248 Zwillings-, 52 Drillingsgeburten und eine Vierlingsgeburt. (...).
Bei der Betrachtung der Entwicklung der Geburtenzahlen in den kreisfreien Städten und Kreisen des Landes zeigt sich, dass 2016 nur im Kreis Olpe (−3,1 Prozent) und in Leverkusen (−1,1 Prozent) weniger Kinder geboren wurden als ein Jahr zuvor. Die höchsten Anstiege der Geburtenzahlen im Vergleich zum Vorjahr gab es in den Städten Remscheid (+18,2 Prozent) und Mülheim an der Ruhr (+18,0 Prozent)", meldet die amtliche Statistikstelle des Landes Nordrhein-Westfalen.

STALA BW (2018): Im Schnitt 1,59 Kinder je Frau – Höchste Geburtenrate seit über 40 Jahren.
Deutliche regionale Unterschiede in Baden-Württemberg: Alb-Donau-Kreis mit höchster, Heidelberg mit niedrigster Geburtenhäufigkeit,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Landesamt Baden-Württemberg v. 15.02.

Die Geburtenrate (TFR) ist in Baden-Württemberg von 1,36 (2011) auf 1,59 (2016) angestiegen.

DESTATIS (2018): Kinderlosenquoten nach beruflicher Stellung und Bildung nähern sich an,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 07.03.

"Der endgültige Anteil der kinderlosen Frauen nahm zwischen 2012 und 2016 nach einem zuvor langanhaltenden Anstieg nur geringfügig von 20 % auf 21 % zu. (...) Unter der endgültigen Kinderlosenquote wird hier der Anteil der Frauen, die kein Kind geboren haben, an allen Frauen der jeweiligen beruflichen Gruppe im Alter zwischen 42 und 49 Jahren verstanden",

heißt es in der Pressemitteilung. Der Begriff "endgültige Kinderlosenquote" ist eine willkürliche Definition, die nicht begründet wird. Der Begriff umfasst im Jahr 2012 die Frauenjahrgänge 1963 - 1970 und im Jahr 2016 die Frauenjahrgänge 1967 - 1974.

Von endgültiger Kinderlosigkeit kann analog zur Definition der Geburtenrate (TFR/CFR) nur bei einem Frauenjahrgang im Alter von 49 Jahren gesprochen werden. Die Website des Statistischen Bundesamts weist im Gegensatz zur Pressemeldung für den Frauenjahrgang 1967 eine "endgültige Kinderlosenquote" von 20,8 Prozent aus, wobei diese als eine zusammengefasste Angabe aus den MZ 2008, 2012 und 2016 beschrieben wird. Im Jahr 2008 war der Frauenjahrgang 1967 erst 41 Jahre alt, während er 2016 49 Jahre alt war. Wie diese Zusammenführung erfolgt, darüber schweigt sich das Statistische Bundesamt aus.

Hätte man nur die Altersgruppe der 45 - 49jährigen Frauen statt der 42 - 49jährigen Frauen betrachtet, dann gäbe es keinen geringfügigen Anstieg bei der Kinderlosigkeit zu vermelden (Quelle: Website des Statistischen Bundesamts hier). Es zeigt sich also, dass der Vorwurf der Willkürlichkeit berechtigt ist. Allein aufgrund unterschiedlicher Darstellungsweisen von Ergebnissen, werden unterschiedliche Entwicklungen bei der Kinderlosigkeit suggeriert. Der Glaubwürdigkeit schadet dies eher, wenn man die Gesetze der Ökonomie der Aufmerksamkeit so offensichtlich zu bedienen versucht wie hier das Statistische Bundesamt.    

"Während die Kinderlosenquote bei den Nicht-Akademikerinnen 2012 und 2016 rund 20 % betrug, sank sie bei den Akademikerinnen von 28 % auf 27 %",

heißt es lapidar in der Pressemitteilung. Ausführlicher wird dagegen auf die Unterschiede in einzelnen Berufsfeldern bzw. der Stellung im Beruf eingegangen.

Fazit: Die Datenlage zur Geburtenentwicklung in Deutschland ist immer noch katastrophal. Neue Daten zur Kinderlosigkeit werden erst wieder im Jahr 2020 erhoben. Weder für 2016 noch für 2017 liegen derzeit bundesweite endgültige Zahlen zu Geburtenzahl und Geburtenrate vor. Bevölkerungsvorausberechnungen zeigen ein völlig überholtes Bild von der Geburtenentwicklung. Das hat gravierende Auswirkungen für Studien zum Bedarf von Kinderbetreuung und Grundschullehrern. Das zeigt z.B. eine gerade erschienene Studie zum Fachkräftemangel in Thüringen bis 2030, in der die wirklichen Herausforderungen vollkommen ausgeblendet sind! Politik, die sich an Entwicklungen der Vergangenheit orientiert und sie einfach in die Zukunft fortschreibt, muss zwangsläufig scheitern.

STATISTIK BAYERN (2018): Anstieg der Geburtenziffer in allen Regierungsbezirken Bayerns.
Die zusammengefasste Geburtenziffer lag im Jahr 2016 im Freistaat bei 1,56 Kindern je Frau,
in:
Pressemitteilung des Bayerischen Landesamt für Statistik v. 07.03.

"Im Jahr 2016 ist die Zahl der Lebendgeburten deutlich angestiegen (+6,3 Prozent auf rund 125.700). Dieser Anstieg wirkte sich positiv auf die zusammengefasste Geburtenziffer (engl. total fertility rate; TFR) aus, die für Bayern von 1,48 (2015) auf 1,56 Kindern je Frau im Jahr 2016 anstieg. Der regionale Vergleich zeigt, dass für jeden bayerischen Regierungsbezirk im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der zusammengefassten Geburtenziffer verzeichnet werden konnte. Dabei wies Schwaben mit 1,65 Kindern je Frau den höchsten Wert auf. Auf Kreisebene variiert die Geburtenziffer zwischen 1,20 in der kreisfreien Stadt Bayreuth und 1,81 in der kreisfreien Stadt Memmingen", meldet das Bayerische Landesamt für Statistik.

IT NRW (2018): Durchschnittliche Kinderzahl je Frau in NRW auch 2016 weiter angestiegen,
in: Pressemitteilung Information und Technik Nordrhein-Westfalen v. 07.03.

"Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau (das ist die zusammengefasste Geburtenziffer, die das aktuelle Geburtenverhalten beschreibt) erreichte in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 mit 1,62 den höchsten Wert seit dem Jahr 1972 (1,69). Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, war dieser Wert bereits 2013 (1,41), 2014 (1,48) und auch 2015 (1,52) jeweils im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.(...).
Die regionale Entwicklung der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau zeigt im Jahr 2016 für 51 kreisfreie Städte bzw. Kreise höhere Werte als ein Jahr zuvor. Den stärksten Anstieg gegenüber 2015 gab es 2016 in der kreisfreien Stadt Remscheid (von 1,58 auf 1,82). Leichte Rückgänge verzeichneten nur der Kreis Olpe (von 1,69 auf 1,63) und Leverkusen (von 1,63 auf 1,61). Der höchste Wert hinsichtlich der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau wurde 2016 im Kreis Minden-Lübbecke mit 1,86 erreicht, der niedrigste in Münster mit 1,35. Allgemein lässt sich beobachten, dass die durchschnittliche Kinderzahl je Frau bei der Mehrzahl der Kreise oberhalb des NRW-Wertes lag.(...).
Die Frauen des Jahrgangs 1967 erreichten im Jahr 2016 das Alter von 49 Jahren; sie brachten im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 1,5 Kinder je Frau zur Welt.
Insgesamt wurden im Jahr 2016 in Nordrhein-Westfalen mit 173.276 Babys 8,0 Prozent mehr Kinder geboren als 2015", meldet Information und Technik Nordrhein-Westfalen.

SIEMS, Dorothea (2018): Qualifiziert, weiblich, kinderlos.
Die Zahl der Akademikerinnen ohne Nachwuchs wächst. IT-Kräfte, Naturwissenschaftlerinnen und Staatsdienerinnen verzichten besonders oft auf eine Familiengründung,
in:
Welt v. 08.03.

"Während die Kinderlosenquote bei den Nicht-Akademikerinnen 2012 und 2016 rund 20 % betrug, sank sie bei den Akademikerinnen von 28 % auf 27 %",

meldete gestern das Statistische Bundesamt. Bei Dorothea SIEMS heißt es nun:

"Jede fünfte Frau zwischen 42 und 49 Jahren ist hierzulande ohne Nachwuchs. Besonders hoch ist dabei der Anteil der Akademikerinnen, von denen sogar 27 Prozent zeitlebens keine Kinder haben.
Waren 2012 rund 660.000 Frauen dieser Altersgruppe kinderlos, sind es mittlerweile schon 718.000".

Durch Weglassen der 28 % kinderlosen Akademikerinnen im Jahr 2012 und die Nennung absoluter Zahlen wird die bereits tendenziöse Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts noch einmal dramatisiert. SIEMS schreibt zudem von "dauerhafter Kinderlosigkeit", wo lediglich von Noch-Kinderlosen die Rede sein müsste. Gerade Akademikerinnen und Wissenschaftlerinnen bekommen noch nach 42 Jahren erste Kinder. Das zeigt sich, wenn man die Altersgruppe der 45 - 49-Jährigen betrachtet, denn dann ist gar kein Anstieg der Kinderlosigkeit mehr zu verzeichnen.

Die Daten des Statistischen Bundesamtes ergeben sowohl für die kinderlosen Frauen in Deutschland insgesamt als auch für die Akademikerinnen KEINEN ANSTIEG, sondern im Gegenteil einen Rückgang. Das kann jeder selber überprüfen anhand der Daten auf der Website des Statistischen Bundesamts.

Nimmt man die Tabellenbände Daten zu Kinderlosigkeit, Geburten und Familien von 2012 (aktualisiert 2015, Tabelle 3.1, S.12) und von 2016 (Tabelle 3.1, S.45) zur Hand, dann ergibt sich für die Altersgruppe der 45- bis 49-Jährigen sogar ein Rückgang der Anzahl der Kinderlosen um ca. 34.000 Frauen von 635.000 (2012) auf 601.000 (2016). Bei den 40- bis 49-Jährigen Frauen gab es sogar einen Rückgang von 616.000 auf 499.000, also um rund 117.000 Frauen.

Auch bei den Akademikerinnen gab es einen Rückgang in beiden Altersgruppen, der aus der Tabelle 3.5 zu ersehen ist (2012: S 19.; 2016: S.52)

Tabelle: Rückgang der Anzahl kinderloser Akademikerinnen (weiter Begriff) in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen zwischen 2012 und 2016
Anzahl kinderloser Akademikerinnen 2012 2016 Differenz
40- bis 44-Jährige 245.000 149.000 - 96.000
45- bis 49-Jährige 245.000 165.000 - 80.000
40- bis 49-Jährige 490.000 314.000 -176.000
Quelle: Tabellenbände Daten zu Kinderlosigkeit, Geburten und Familien von 2012 (aktualisiert 2015, Tabelle 3.5, S.19) und von 2016 (Tabelle 3.5, S.52)

Die Abgrenzungen des Begriffs "Akademikerin" ist jedoch unterschiedlich zur Definition in der Pressemeldung bei der der Begriff "Akademikerin" enger gefasst wird. Nach Rückfrage mit dem Statistischen Bundesamt entspricht dieser Definition die Tabelle 3.7 (2012: S.33 ; 2016: S.68). 2012 wurden Fachhochschulabschlüsse noch getrennt ausgewiesen, die 2016 nur noch zusammen ausgewiesen wurden. Aus der folgenden Übersicht ist die Entwicklung bei diesem engen Begriff ersichtlich:

Tabelle: Rückgang der Anzahl kinderloser Akademikerinnen (enger Begriff) in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen zwischen 2012 und 2016
Anzahl kinderloser Akademikerinnen 2012 2016 Differenz
40- bis 44-Jährige 130.000 121.000 - 9.000
45- bis 49-Jährige 124.000 127.000 + 3.000
40- bis 49-Jährige 254.000 248.000 - 6.000
Quelle: Tabellenbände Daten zu Kinderlosigkeit, Geburten und Familien von 2012 (aktualisiert 2015, Tabelle 3.5, S.19) und von 2016 (Tabelle 3.5, S.52)

Auch bei einem engen Begriff von Akademikerin kommt man zwischen 2012 und 2016 auf einen geringfügigen Rückgang und nicht auf einen Anstieg.

Wie also kommt SIEMS zu ihren Zahlen? Offensichtlich wurden die Angaben in der Tabelle der Pressemitteilung falsch gelesen. Nach Rücksprache mit dem Statistischen Bundesamt ergibt sich folgende Lesart: In der Tabelle 1 der Pressemitteilung befindet sich die Rubrik der Erwerbstätigen mit akademischem Bildungsabschluss. Unter der Überschrift "Gesamtzahl der Frauen" finden sich die Zahlen 660.000 (Jahr 2012) und 718.000 (Jahr 2016). Diese Zahlen betreffen jedoch nicht die Kinderlosen, sondern die Gesamtzahl der Mütter und Kinderlosen. Der Anteil der Akademikerinnen ist von 28 % auf 27 % gefallen. Die Anzahl der kinderlosen Akademikerinnen wären im Jahr 2012 nur 28 Prozent der 660.000 Frauen, d.h. rund 184.800 Frauen. Im Jahr 2017 wären es dagegen 27 Prozent der 718.000 Frauen, d.h. rund 193.860.

Für die 42- bis 49-Jährigen kinderlosen Akademikerinnen (enger Begriff) ergibt sich also kein Anstieg um 58.000 Frauen wie es in der Welt heißt, sondern ein Anstieg von nur 9.060 Frauen, wobei bereits aufgrund von Rundungen bei den Prozentzahlen und anderen Ungenauigkeiten sich die Unterschiede noch weiter reduzieren könnten. Nimmt man hinzu, dass für die größere Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen sogar ein Rückgang von 6.000 Frauen zu verzeichnen ist, dann deutet dies darauf hin, dass die jüngeren Akademikerinnen sogar zu einem geringeren Anteil kinderlos bleiben werden.

Fazit: Durch die Fehlinterpretation der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts wird aus einem Rückgang der endgültigen Kinderlosigkeit bei den Akademikerinnen ein Anstieg. Bereits der Begriff "endgültige Kinderlosenquote" ist fragwürdig, wenn dies mit dauerhafter Kinderlosigkeit gleich gesetzt wird. Erst mit der Mikrozensuserhebung im Jahr 2020 wird das ganze Ausmaß des Rückgangs der Kinderlosigkeit ersichtlich werden.

Anm.: In der Online-Version des Artikels wurden die Angaben (Stand 15.31) mittlerweile auf Intervention von single-dasein.de beim Statistischen Bundesamt korrigiert. Dort heißt es nun:

"Jede fünfte Frau im Alter zwischen 42 und 49 Jahren ist hierzulande ohne Nachwuchs. Besonders hoch ist dabei der Anteil der Akademikerinnen, von denen sogar 27 Prozent zeitlebens keine Kinder haben.
Waren 2012 rund 188.000 Frauen dieser Altersgruppe kinderlos, sind es mittlerweile schon 194.000." 

Statt der 58.000 Frauen sind es also nur noch rund 6.000 Frauen.

SIEMS zitiert am Ende ihres Artikels Aussagen von Martin BUJARD, die auf einen weiteren Rückgang der Akademikerinnenkinderlosigkeit hindeuten:

"So hätten 29 Prozent der 1969 geborenen Akademikerinnen keinen Nachwuchs, während die Mitte der 70er-Jahre geborenen Akademikerinnen nur noch zu 26 Prozent kinderlos seien."

Auch diese Aussagen sind jedoch fragwürdig. In einem Beitrag von BUJARD & DIABATE für die Zeitschrift Der Gynäkologe (Heft 5/2016) heißt es:

"Tatsächlich liegt die Kinderlosigkeit bei den 1960er-Frauenjahrgängen bei 19,7 %, die höchste hat der 1969er-Jahrgang mit 22,1 %. Bei Akademikerinnen ist die Kinderlosigkeit v. a. in Westdeutschland hoch: Bei den in den 1960er-Jahren geborenen Frauen mit Hochschulabschluss liegt die Kinderlosigkeit bei 29,1%. Ihr langjähriger Anstieg ist jedoch inzwischen gestoppt" (2016, S.395)

Die 29 Prozent beziehen sich also nicht auf Deutschland, sondern auf die westdeutschen Akademikerinnen und nicht etwa auf den Jahrgang 1969, sondern auf die "in den 1960er-Jahren geborenen Frauen", wobei die Daten noch aus dem Mikrozensus 2012 und nicht aus dem aktuellen Mikrozensus 2016 stammen. Noch 2012 hieß es bei BUJARD in dem Aufsatz Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten?:

"Bei den Akademikerinnen ist die Kinderlosigkeit von 25,4 Prozent 1982 über 29,6 Prozent 1991 auf den Höchstwert von 34,5 Prozent im Jahr 2000 gestiegen. Auf diesem hohen Niveau hat sich die Kinderlosigkeit seitdem stabilisiert und mit einem Wert von 31,5 Prozent im Jahr 2011 nur minimal reduziert. Der Befund ähnelt insofern dem der durchschnittlichen Geburtenzahl: Der Anstieg der Kinderlosigkeit ist vorerst gestoppt." (2012, S.20)"

Dies zeigt, dass Aussagen zur Kinderlosigkeit von Akademikerinnen eine kurze Halbwertszeit haben. Die Ergebnisse zur Entwicklung der Kinderlosigkeit sind - im Gegensatz zur Meinung von SIEMS - keine "traurige Nachricht zum Weltfrauentag", sondern zeigen, dass sich auch im privaten Umfeld Fortschritte ergeben haben. Vor allem im Vergleich mit den Nuller Jahren, können heutzutage gewollt Kinderlose nicht mehr so leicht an den Pranger gestellt werden. Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die fatale Fixierung auf die Kinderlosigkeit eher dazu führt, dass die wirklichen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte aus dem Blick geraten sind.

AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): 1,54 Kinder je Frau in Berlin,
in:
Pressemitteilung des Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 08.03.

"Im Jahr 2016 wurden in Berlin 41 087 Kinder geboren. Daraus ergibt sich eine zusammengefasste Geburtenziffer1 von 1,54 Kindern je Frau. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Im Vorjahr lag die Geburtenziffer noch bei 1,45 Kindern je Frau. Dies entspricht einem Zuwachs von 5 Prozent. (...).
Im Durchschnitt war eine Mutter aus Berlin bei der Geburt ihres Kindes 31,4 Jahre alt. War es ihr erstes Kind, betrug ihr Alter im Durchschnitt 30,2 Jahre", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): 1,69 Kinder je Frau in Brandenburg,
in:
Pressemitteilung des Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 08.03.

"Im Jahr 2016 wurden in Brandenburg 20 934 Kinder geboren. Daraus ergibt sich eine zusammengefasste Geburtenziffer1 von 1,69 Kindern je Frau. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Im Vorjahr lag die Geburtenziffer noch bei 1,53 Kindern je Frau. Dies entspricht einem Zuwachs von 10 Prozent. (...).
Unter den kreisfreien Städten und Landkreisen wiesen die Frauen im Landkreis Prignitz mit 1,92 Kindern je Frau die höchste Geburtenneigung auf. Die Landkreise Oberspreewald-Lausitz (1,79) und Ostprignitz-Ruppin (1,78) hatten die zweit- und dritthöchste Geburtenziffer im Land. Die geringste Geburtenneigung wurde in den vier kreisfreien Städten verzeichnet. Bemerkenswert ist dabei, dass in Potsdam zwar die meisten Kinder geboren wurden, jedoch mit 1,50 Kindern je Frau die zweitniedrigste Geburtenziffer ausgewiesen wurde. Die geringste Geburtenneigung wurde in Cottbus mit 1,46 Kindern je Frau festgestellt. Im Durchschnitt war eine Mutter aus Brandenburg bei der Geburt ihres Kindes 30,6 Jahre alt. War es ihr erstes Kind, betrug ihr Alter im Durchschnitt 28,9 Jahre. Unter den kreisfreien Städten und Kreisen war eine Mutter bei der Geburt in Frankfurt (Oder) mit 29,1 Jahren am jüngsten und mit 31,6 Jahren in Potsdam am ältesten.", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

DESTATIS (2018): Geburtenanstieg setzte sich 2016 fort,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 28.03.

"2016 wurden in Deutschland 792.131 Kinder geboren. Das waren 54.556 Babys oder 7 % mehr als 2015 (737.575). (Damit) stieg die Anzahl der Geborenen (...) das fünfte Jahr in Folge und erreichte wieder das Niveau von 1996. In allen Bundesländern kamen 2016 mehr Kinder zur Welt als im Vorjahr. In den westdeutschen Flächenländern und in den Stadtstaaten stieg die Geborenenzahl durchschnittlich um 8 %, während sie in den ostdeutschen Flächenländern mit + 4 % etwas schwächer zunahm",

meldet das Statistische Bundesamt zur Entwicklung der absoluten Geburtenzahlen. Im Januar 2017 prognostizierte das Statistische Bundesamt noch eine Geburtenzahl zwischen 730.000 und 770.000 Geburten für das Jahr 2016. Im November 2017 wurde dann die vorläufige Schätzung auf 792.000 Geburten erhöht.

Zur zusammengesetzten Geburtenziffer (TFR) heißt es:

"Die zusammengefasste Geburtenziffer lag 2016 bei 1,59 Kindern je Frau. Das ist der höchste seit 1973 gemessene Wert und deutlich höher als 2015 (1,50 Kinder je Frau). (...).
Mit der aktuellen Geburtenziffer von 1,59 Kindern je Frau rückte Deutschland ins europäische Mittelfeld auf. Im EU-Durchschnitt betrug 2016 die zusammengefasste Geburtenziffer nach Angaben des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) 1,60 Kinder je Frau. Die höchste Geburtenhäufigkeit in der EU hatten Frauen in Frankreich mit 1,92, die niedrigste in Spanien und Italien mit 1,34 Kindern je Frau."

Wichtiger als diese Geburtenrate ist die Entwicklung der endgültigen Kinderzahl von Frauenjahrgängen (CFT). Dazu wird gemeldet:

"Die Frage nach der Zahl der Kinder, die Frauen im Laufe ihres Lebens tatsächlich bekommen haben, kann für Frauenjahrgänge beantwortet werden, die das Ende des gebärfähigen Alters erreicht haben, das statistisch mit 49 Jahren angesetzt wird. Im Jahr 2016 waren es die Frauen des Jahrgangs 1967. Ihre endgültige durchschnittliche Kinderzahl betrug 1,50 Kinder je Frau."

Der Frauenjahrgang 1967 hat damit weniger Kinder geboren als die vorangegangenen Frauenjahrgänge. Beim Frauenjahrgang 1966 waren es 1,52 Kinder pro Frau. Der Wendepunkt wird von Bevölkerungswissenschaftlern seit längerem für die Frauen des Geburtsjahrgangs 1968 prognostiziert. Das Statistische Bundesamt weist in seiner Online-Datenbank aktuell für den Geburtsjahrgang 1968 bis zum Alter von 48 Jahren eine Kinderzahl von 1,491 aus. Dies bedeutet den Tiefststand, denn der Frauenjahrgang 1969 kommt im Alter von 47 Jahren bereits auf 1,494. Der Frauenjahrgang 1970 liegt mit 46 Jahren bei 1,51 Kindern pro Frau.

Kein einziger Frauenjahrgang wird damit eine Kinderzahl von 1,40 oder gar 1,30 erreichen wie dies durch die zusammengefasste Geburtenziffer noch in den Nuller Jahren suggeriert wurde und von nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftlern zur Entfachung einer Hysterie genutzt wurde. Die Kollateralschäden dieser Fixierung auf das Aussterben und Schrumpfen hat dazu geführt, dass der Geburtenanstieg in Deutschland verschlafen wurde. In den nächsten Jahren werden dadurch Erzieher und Grundschullehrer fehlen. Schon jetzt ist die Lage vielerorts verzweifelt. Dass sich nun die Bundesländer gegenseitig ihre wenigen Lehrer abjagen macht die Sache nicht besser.

Der Versuch des Statistischen Bundesamtes den Geburtenanstieg klein zu reden und die Mithilfe von Politik und Medien rächen sich nun. Frankreich ist an der Bewältigung seines Geburtenanstiegs gescheitert, mit der Folge, dass die Geburtenrate in den letzten Jahren gesunken ist. Das gleiche Schicksal droht auch Deutschland, wenn die Medien den Geburtenanstieg weiter verharmlosen - nur um rentenpolitisch umsteuern zu können. Der Soziologe Karl Otto HONDRICH hat in seinem 2007 erschienenen Buch bezweifelt, dass Frankreich das Ideal einer nachhaltigen Gesellschaft ist. Nicht die Bestandserhaltung der Bevölkerung, sondern die Problemlösefähigkeit der Gesellschaft ist die entscheidende Größe, die das Überleben einer Gesellschaft sichert.

Die aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung vom März 2017 ging noch von einer Geburtenrate von 1,5 Kindern pro Frau aus, weshalb die Zahl der Kinder für 2016 mit 747.000 Lebendgeborenen um rund 45.000 Kinder zu niedrig lag. Für das Jahr 2017 wird mit 754.000 Kindern gerechnet. Die Milupa-Geburtenliste weist für 2017 eine geringfügig höhere Geburtenzahl wie für 2016 aus, d.h. die Kluft zwischen tatsächlicher und prognostizierter Geburtenzahl könnte sich auf ca. 90.000 Kinder allein für die Jahre 2016 und 2017 ausweiten.

Die aktualisierte Bevölkerungsvorausberechnung wird in vielen Bereichen jedoch noch nicht einmal verwendet, sondern immer noch wird die völlig überholte Bevölkerungsvorausberechnung vom April 2015 verwendet. Im Bildungsbereich ist noch nicht einmal das der Fall. Die Folgen sind für die weitere Entwicklung Deutschlands katastrophal. Eine schnelle Aktualisierung ist unabdingbar. Das Statistische Bundesamt versucht seit Jahren den Geburtenanstieg zu verharmlosen. Diese Defensivtaktik führt dazu, dass der Geburtenanstieg in Deutschland verschlafen wird. Hinzu kommt, dass sich die Veröffentlichung der Geburtenzahlen stark verzögert. Dies scheint der Politik gerade Recht zu sein, denn positive Entwicklungen bei den Geburten kommen jene in die Quere, die den demografischen Wandel gerne als Drohmittel benutzen möchten.

WIESE, Hans-Joachim (2018): Babyboom - dank besserer Familienpolitik.
Uta Meier-Gräwe im Gespräch,
in: DeutschlandRadio
v. 28.03.

Uta MEIER-GRÄWE schreibt den jetzigen Geburtenanstieg dem "Perspektivenwechsel in der Familienpolitik und auch in der Frauenpolitik seit etwa 2005" zu. Dem widerspricht, dass der Ökonom Detlef GÜRTLER bereits im Jahr 2003 nachgewiesen hat, dass die in den 1970er Jahren geborenen westdeutschen Frauen wieder mehr Kinder bekommen haben. Das Elterngeld könnte dagegen den Geburtenaufschub verstärkt haben, wodurch der Geburtenanstieg verzögert wurde. Zudem war es kontraproduktiv, dass die Medien Kinderlose an den Pranger gestellt haben. Dies verstärkte den unsinnigen Eindruck, dass Kinderlosigkeit zur neuen Normalität geworden wäre. Die Kinderwunschforschung, die diesen falschen Eindruck erst erweckt hat, hat sich inzwischen als Irrweg herausgestellt. Erst nachdem sich die medial entfachte Hysterie legte, stiegen die Geburten wieder an. Es ist also kurzschlüssig, wenn nun der Geburtenanstieg als Erfolg der Familienpolitik dargestellt wird. Es sind viele Faktoren gewesen, die zur Verzögerung des Geburtenanstiegs führten, u.a. die Fixierung auf die Kinderlosigkeit, während die Bedeutung des Rückgangs der kinderreichen Familien ignoriert wurde. Die Forschung zu den Ursachen der Geburtenentwicklung werden durch die immer noch mangelhafte Datenlage erschwert. So werden Geburtenzahlen - anders als Abtreibungszahlen- nicht einmal im jährlichen Abstand, ganz zu schweigen wie Abtreibungen im vierteljährlichen Abstand in Pressemitteilungen veröffentlicht. Die Fixierung auf das Aussterben, die sich darin ausdrückt, ist wenig hilfreich. Wer sich über die Indikatoren der Geburtenentwicklung informieren will, der muss sich mühsam die Zahlen selber zusammensuchen. Da das Statistische Bundesamt seine Veröffentlichungspraxis in dieser Weise - ohne Aufschrei der Öffentlichkeit - durchziehen kann, wirft das auch ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der Deutschen zum demografischen Wandel aus: Er wird nicht als Chance, sondern als Bedrohung wahrgenommen.     

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema: Babyboom.
Jahrelang wurde vor der Überalterung der Gesellschaft, vor Löchern in der Rentenkasse und vor Fachkräftemangel gewarnt. Dabei hat sich der Trend umgekehrt. In Deutschland kommen so viele Kinder wie seit Jahrzehnten nicht mehr zur Welt. Was auf lange Sicht willkommen ist, schafft kurzfristig Probleme: Wer betreut die Kinder? Sind Städte und Gemeinden auf die neue Lage vorbereitet?

ECKARDT, Ann-Kathrin (2018): Die Rückkehr der Kinder.
Statistisch ist die Geburtenziffer pro Frau in Deutschland so hoch wie seit fast einem halben Jahrhundert nicht mehr. Das liegt natürlich an der Zuwanderung. Doch es gibt wohl einen weiteren wichtigen Grund: die Reformen in der Familienpolitik,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.03.

Wäre Ann-Kathrin ECKARDT eine Schülerin, dann müsste ihr Lehrer ihr Thema verfehlt unter den Aufsatz schreiben und die Note 6 vergeben. So aber ist der Artikel nur Sinnbild deutscher Fixierung auf das Aussterben. Die Frage, ob Städte und Gemeinden auf die neue Lage vorbereitet sind, wird im Artikel nicht erörtert, was daran liegt, dass der Geburtenanstieg als "kurzfristiges Problem" verharmlost wird. Entsprechend wird das Problem fehlender Kinderbetreuung, Erzieher und Lehrer lediglich als "nervenzehrende Begleiterscheinungen des Kinderkriegens" für die Eltern abgetan und nicht als politisches Problem behandelt.

Bei den Erklärungen des Geburtenanstiegs zitiert ECKARDT zum einen aus der gestrigen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts und zum anderen Martin BUJARD vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:

"Zum einen entscheiden sich zunehmend Frauen im Alter zwischen 30 und 37 für Nachwuchs, darunter viele Akademikerinnen. Blieben von ihnen vor zehn Jahren noch 29 Prozent mit Anfang 40 kinderlos, so sind es heute nur noch 25 Prozent. »Was wir jetzt zeitverzögert zu spüren bekommen, ist der Ausbau der Familienpolitik, vor allem der Kinderbetreuung«, sagt Martin Bujard (...). Ehe die Bereitschaft steige, selbst Mutter zu werden, hätten die Frauen erst im Freundes- und Bekanntenkreis positive Erfahrungen sammeln müssen. Vor allem für jüngere Frauen werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein immer wichtigeres Ziel im Leben",

erklärt uns ECKARDT. Die richtigen Schlüsse daraus zieht der Artikel indes nicht, denn sollte der Geburtenanstieg dazu führen, dass die Kinderbetreuung und die Grundschulen immer stärker hinter den Erfordernissen zurückbleiben, dann werden sich die Frauen wieder überlegen, ob das Kinderkriegen wirklich sein muss. Das Beispiel Frankreich zeigt, wohin die Überforderung der Politik durch den Geburtenanstieg führt.

Der europäische Vergleich soll angeblich zeigen, dass in Deutschland noch mehr gemacht werden kann. Verwiesen wird dabei auf die Niederlande (1,66), Dänemark (1,79), Schweden (1,85) und vor allem Frankreich (1,92). Doch in Frankreich sinkt die zusammengefasste Geburtenziffer seit Jahren (Darauf verweist auch Nadia PANTEL im zweiten Artikel). 2017 wurden dort nur noch 1,88 Kinder pro Frau geboren. Ob Emmanuel MACRON eine Wende herbeiführen kann, ist ungewiss. ECKARDT ist lediglich eine Politik für die Akademikerinnen wichtig, weshalb ihr "mehr hoch qualifizierte Teilzeitplätze" eine Herzensangelegenheit sind. Im Koalitionsvertrag findet sie lediglich das "vorgesehene Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit" wichtig.

Das Problem, dass der Rückgang der kinderreichen Familien hauptverantwortlich für die niedrige Geburtenrate in Deutschland ist, wird lediglich am Rande behandelt. Frankreich ist dabei das heimliche Vorbild, wenn eine stärkere Staffelung des Kindergeldes gefordert wird. Ganz am Schluss heißt es lapidar:

"Und natürlich muss der Staat für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch den Ausbau der Krippen- und vor allem der Hortplätze schnell und flächendeckend weiter vorantreiben. Wer 2013 einen Krippenplatz garantiert, darf sich vier Jahre später nicht darüber wundern, dass tatsächlich sehr viele Eltern einen Hortplatz beanspruchen."

Dieser Tunnelblick, der in erster Linie die Interessen der gut situierten Akademikerinnen im Blick hat, vernachlässigt die Tatsache, dass immer noch die Nicht-Akademikerinnen das Geburtengeschehen in Deutschland prägen. Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen, weshalb die Bewältigung zu scheitern droht. Das Beispiel Sachsen ist nur die Spitze des Eisbergs.

PANTEL, Nadia (2018): Schatten auf dem Paradies.
Trotz guter Betreuung vergeht vielen Franzosen die Lust auf Kinder,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.03.

KRAFCZYK, Eva (2018): Babyboom der Generation Ü30.
In Deutschland kommen immer mehr Babys zur Welt. Statistiker führen das auf zwei Gründe zurück,
in:
Sächsische Zeitung Online v. 29.03.

"Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen lag die Zahl der Geburten mit mehr als 173 000 Babys besonders hoch, im kleinen Saarland hingegen waren es nur 8 200 Neugeborene.
So viele Kinder gab es 2016 allein in Dresden. In der sächsischen Landeshauptstadt, die seit Jahren den inoffiziellen Titel »Deutschlands Geburtenhauptstadt« trägt, kamen 2016 insgesamt 8.542 Kinder zur Welt. Das ist Rekord. 2017 sank die Geburtenzahl wieder etwas",

behauptet Eva KRAFCZYK. Das Statistische Landesamt hat für das Jahr 2015 lediglich 6.222 Geburten für die Stadt Dresden ausgewiesen, während für Leipzig 6.595 Geburten ermittelt wurden. Von Deutschlands Geburtenhauptstadt kann deshalb keine Rede sein. Im Januar meldete die Zeitung folgende vorläufige Geburtenzahlen für das Jahr 2017:

"Die vorläufige Zahl der Neugeborenen von Müttern, die ihren Hauptwohnsitz in Dresden haben, ging um rund 100 zurück und liegt bei 6.341 Kindern."

Im Vergleich zum Statistischen Landesamt würde das jedoch keinen Rückgang, sondern einen Anstieg um rund 100 Kinder bedeuten.

Fazit: Vertrauenserweckende Berichterstattung sieht anders aus! 

NWZ (2018): Babyboom in Niedersachsen.
Erfreuliche Statistik: In den Jahren von 1990 bis 2015 wurden nie mehr als 7000 Kinder zwischen Harz und Nordsee geboren. Jetzt haben Statistiker einen Umschwung festgestellt,
in:
Nordwest-Zeitung Online v. 29.03.

"In Niedersachsen sind 2016 so viele Babys zur Welt gekommen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Landesweit wurden 75.215 Geburten verzeichnet, das waren 10,7 Prozent mehr als 2015, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Der Anstieg zwischen Harz und Nordsee lag über dem Bundesdurchschnitt von 7 Prozent.
Jede fünfte Mutter eines Neugeborenen in Niedersachsen hatte einen ausländischem Pass, bundesweit etwa jede vierte. Auch im Nachbarland Bremen gab es einen Baby-Boom. 2016 wurden hier 7.136 Kinder geboren – in den Jahren von 1990 bis 2015 waren es nie über 7.000 gewesen",

meldet die Nordwest-Zeitung. Die Zahlen stammen jedoch nicht aus der gestrigen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts. Auch die Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bietet immer noch die Zahlen für 2015 an.

Die Zahl von 75.215 Geburten findet sich im Statistischen Monatsheft 3/2018, Seite 116 des Statistischen Landesamts Niedersachsen und in der Online-Datenbank (Auswahl: Lebendgeborene: Bundesländer, Jahre, Geschlecht) des Statistischen Bundesamts.

DPA (2018): Mehr Geburten.
Statistik: Später Kinderwunsch und Migration haben im Jahr 2016 zum anhaltenden Geburtenanstieg beigetragen,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 29.03.

DW (2018): Höchste Geburtenrate seit 1973.
Das fünfte Jahr in Folge mehr Babys in Deutschland,
in:
Welt v. 29.03.

KAUFMANN, Stephan (2018): Deutschland im Babyglück.
Geburtenrate: Frauen bekommen so viele Kinder wie seit 1973 nicht mehr. Wirtschaftliche Lage ist ein wesentlicher Grund,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.03.

"Der Einfluss von Konjunktur und Arbeitslosigkeit auf die Realisierung des Kinderwunsches ist in vielen Studien belegt worden. Zuletzt untersuchte die Soziologin Chiara Ludovica Comolli von der Uni Stockholm diesen Zusammenhang für den Zeitraum 2000 bis zum Höhepunkt der Euro-Krise im Jahr 2013. Für die meisten europäischen Länder findet sie einen Rückgang der Geburtenraten ab 2008 – dem Jahr, in dem die globale Finanzkrise eskalierte.
Den stärksten Einfluss hatte die Krise auf sehr junge Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren und auf Frauen in ihren späten Dreißigern. Bemerkenswerterweise sanken die Geburtenraten besonders stark dort, wo die Erwerbslosigkeit von Frauen deutlicher zulegte. Das widerspricht der These, dass Frauen Zeiten von Arbeitslosigkeit nutzen, um Kinder zu kriegen oder eine Familie zu gründen",

merkt Stephan KAUFMANN anlässlich der gestrigen Pressemelung zu den Gründen von Geburtenanstiegen an.

BAUMANN, Daniel (2018): Ungeplante Kinder.
Kommentar,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.03.

Daniel BAUMANN bringt angesichts der Geburtenentwicklung die Sprache auf die völlig veraltete Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts:

"Die von der Behörde als realistisch kommunizierten Szenarien entpuppen sich nun zunehmend als fraglich. Denn selbst die optimistische Annahme, dass die Geburtenrate bis 2028 auf 1,6 Kinder je Frau steigen könnte, wurde nun schon 2016 erreicht (1,59 Kinder). Und der Wanderungssaldo übertrifft sowieso alle Erwartungen. (...).
(Die) Bundesrepublik (ist) derzeit auf einem Pfad unterwegs, der eher dazu führen würde, dass die Bevölkerung bis 2060 von 82,5 auf etwa 78 Millionen Bürger schrumpft und nicht etwa auf nur 67 Millionen. Dieser vergleichsweise geringe Rückgang wäre wirtschaftlich und sozialpolitisch locker zu verkraften."

Im Grunde hält BAUMANN jedoch langfristige Bevölkerungsvorausberechnungen als keine gute Entscheidungsgrundlage für die Politik, sondern fordert

"durch entschlossenes Handeln den Sozialstaat den jeweiligen kurz- und mittelfristigen Herausforderungen anzupassen. Aktuell heißt das: Zuwanderer integrieren, Kitas und Schulen eröffnen."

Mit der Eröffnung neuer Kitas und Schulen ist es jedoch keineswegs getan, denn es fehlt an Personal, das die Einrichtungen auch betreiben könnten.

Fazit: Was die Bevölkerungsvorausberechnungen betrifft, reicht es nicht, langfristige Berechnungen abzulehnen. Stattdessen ist zu fordern, dass Bevölkerungsvorausberechnungen sofort angepasst werden müssen, wenn diese aus dem Ruder laufen. Praxis ist jedoch, dass nur nachgeholt wird, was bereits eingetreten ist, während Verhaltensänderungen zu spät Berücksichtigung finden. Für die Personalmisere im Bildungsbereich ist der Innenminister und sein Statistikamt hauptverantwortlich zusammen mit der Austeritätspolitik!     

JOCH. (2018): Mehr Geburten.
Statistik: Später Kinderwunsch und Migration haben im Jahr 2016 zum anhaltenden Geburtenanstieg beigetragen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.03.

Die FAZ zitiert die Familienministerin, die noch vor dem Sommer ein Gesetz für mehr Kita-Qualität auf den Weg bringen will. Ob dieses Gesetz bei der Bewältigung des Geburtenanstiegs helfen wird, muss sich noch zeigen. Die Maßnahme kommt im Grunde Jahre zu spät!

HERMANN, Jonas (2018): Kindersegen in Deutschland.
Die Geburtenzahl liegt wieder so hoch wie Ende der neunziger Jahre - dafür sind vor allem Einwanderer verantwortlich,
in: Neue Zürcher Zeitung v. 07.04.

Gestern wurde für die Schweiz ein Geburtenrückgang für das Jahr 2017 gemeldet. In Deutschland dagegen wurden gerade die Zahlen für 2016 gemeldet, über die Jonas HERMANN berichtet. Natürlich spielt die Rahmengeschichte im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, um einen Widerspruch zwischen Anschauung und statistischer Realität konstruieren zu können.

"Ohne die Massenmigration gäbe es keinen Babyboom in Deutschland",

behauptet HERMANN, was jedoch falsch ist, denn selbst "Bio-Deutsche" bekommen mehr Kinder in Deutschland als vor 10 Jahren. HERMANN will mit Irrtümern aufräumen, produziert dabei jedoch selber andere Irrtümer!

AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): Wachstum Berlins fast nur durch ausländische Bevölkerung,
in: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
v. 27.04.

"Ende Juni 2017 lebten in Berlin 3.592.100 Menschen, 41.100 mehr als noch vor einem Jahr. Die ausländische Bevölkerung nahm um 41.000 und die deutsche um 100 Personen zu, teilt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit. Damit gehen 99,8 Prozent des Bevölkerungswachstums in Berlin auf Ausländerinnen und Ausländer zurück.
Dieses Wachstum um 1,2 Prozent ist der geringste jährliche Bevölkerungsanstieg seit dem Zensus 2011. Dabei lässt sowohl das Wachstum der ausländischen als auch der deutschen Bevölkerung nach. Zuletzt wuchs die ausländische Bevölkerung um 7,1 Prozent. Die deutsche Bevölkerung stieg im letzten Jahr kaum messbar um 0,003 Prozent an.
Im ersten Halbjahr 2017 wurden in Berlin 19.600 Kinder geboren. 18.100 Menschen starben. Somit ergibt sich für die erste Jahreshälfte ein Geburtenüberschuss von 1.500 Personen. Fast 80.000 Personen zogen nach Berlin, während 63.600 Personen die Stadt verließen. Daraus ergibt sich ein Wanderungsgewinn von 16.400 Menschen", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): Brandenburgs Bevölkerungszahl nähert sich der 2,5-Millionen-Marke,
in: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
v. 27.04.

 "Ende Juni 2017 zählte Brandenburg 2.497.958 Einwohner. Damit fehlen bis zur 2,5-Millionen-Marke nur noch 2.042 Personen, wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilt.
Im Vergleich zum Juni 2016 nahm die Bevölkerung im Juni 2017 in Brandenburg um über 10.000 Personen zu, ein Anstieg von 0,4 Prozent. Dabei entfielen 93,4 Prozent des Wachstums auf die ausländische Bevölkerung, die um 9.800 Personen zunahm. Die deutsche Bevölkerung stieg um 700 Personen, was einem Anteil von 6,6 Prozent am Wachstum entspricht.
Seit Jahresbeginn wurden in Brandenburg 10. 000 Kinder geboren, während 16.700 Menschen starben. Damit weist das Land für die erste Jahreshälfte ein Geburtendefizit von 6.700 Personen aus. Es zogen 36.500 Menschen nach Brandenburg, 26.500 kehrten dem Land den Rücken. In der Summe ergibt sich ein Wanderungsgewinn von 10.000 Menschen", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

PÖTZSCH, Olga (2018): Aktueller Geburtenanstieg und seine Potenziale,
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 3 v. 13.06.

Olga PÖTZSCH bietet lediglich die übliche restriktive Bewertung des Geburtengeschehens. Dennoch ist PÖTZSCH weit von jener Einschätzung abgewichen, die sie noch vor kurzer Zeit geäußert hat. War bisher nur ein Geburtenanstieg bis zu den Mitte der 1970er-Jahre geborenen Frauen zugegeben worden, wird nun dagegen ein Geburtenanstieg auch für die in den 1980er Jahren geborenen Frauen angenommen. Weiterhin werden die Kinderlosen als Sündenböcke für die niedrige Geburtenrate dargestellt:

"Da (...) der Anteil ausländischer Frauen mit tendenziell höherer Fertilität an den Frauenkohorten gestiegen ist, wird sich die endgültige Kinderzahl nach ihrem Tiefststand beim Jahrgang 1968 (1,49 Kinder je Frau) erholen und bis zum Jahrgang 1974 voraussichtlich auf 1,57 Kinder je Frau steigen. Diese Stabilisierungstendenzen reichen jedoch noch nicht aus für einen weiteren kontinuierlichen Anstieg der Kohortenfertilität über 1,6 Kinder je Frau hinaus. Dafür wäre es erforderlich, dass die Kinderlosenquote deutlich unter 20 % sinken beziehungsweise die durchschnittliche Kinderzahl je Mutter deutlich über 2,0 steigen würde. Aus den bisher relativ kontinuierlichen Verläufen in der Fertilität der deutschen Frauen lassen sich keine Hinweise auf derartige Veränderungen ableiten",

meint PÖTZSCH. Angesichts der Tatsache, dass PÖTZSCH ihre Positionen in der Vergangenheit ständig räumen musste, weil sie zu pessimistisch waren, lassen sich durchaus Indizien finden, die ein Anstieg auf 1,7 Kinder pro Frau möglich erscheinen lassen.

Angesichts des drohenden Betreuungs- und Lehrermangels in Deutschland ist es geradezu fahrlässig, wenn die Potenziale des Geburtenanstiegs derart restriktiv beurteilt werden. Die desaströse Lage in Sachsen sollte eigentlich Grund genug sein, um endlich umzudenken.

ZEMAN, Kryštof (2018): Zwei, eins, keins!
Kinderlosigkeit oder weniger Geschwister: Seit mehreren Jahrzehnten nimmt die endgültige Kinderzahl pro Frau ab. Welche Entwicklungen trieben den Geburtenrückgang an?
in: Demografische Forschung aus erster Hand, Nr.2

Eine Studie will belegen, dass in Deutschland die Kinderlosigkeit der treibende Faktor des Geburtenrückgangs war, doch die Studie hält nicht, was sie verspricht. Untersucht wird nicht der Geburtenrückgang, sondern nur der Rückgang unter eine endgültige Kinderzahl von 1,75 Kinder pro Frau. Damit wird bewusst der entscheidende Anteil des Rückgangs kinderreicher Familien ausgeblendet. Dagegen zeigt eine Untersuchung von BUJARD & SULAK, dass der Rückgang kinderreicher Familie den weitaus größten Beitrag zum Geburtenrückgang in Deutschland leistete.

Kryštof ZEMAN u.a. schrecken nicht einmal vor einer krassen Falschdarstellung der Ergebnisse von BUJARD & SULAK zurück. In ihrer Studie Cohort fertility decline in low fertility countries: Decomposition using parity progression ratios heißt es:

"In Austria, Germany, and Switzerland, strong work–family conflict and the associated fall in first-birth rates contributed to the fertility decline among the younger cohorts analysed (Sobotka 2012; Kreyenfeld and Konietzka 2017). However, an analysis of fertility decline among women born in 1940–1965 reveals remarkable differences between the three countries. In Western Germany, falling first-birth rates were the key factor, whereas in Austria and Switzerland fertility decline was especially driven by falling third and higher-order births, and, in Eastern Germany (former GDR), falling second-birth rates played the main role (Sobotka 2012; see also Bujard and Sulak 2016)." (S.658)

Dagegen heißt es bei BUJARD & SULAK, die den Geburtenrückgang nicht nur zwischen Geburtsjahrgängen 1940 und 1965, sondern zwischen 1933 und 1968 betrachten:

"Der Effekt der zunehmenden Kinderlosigkeit auf den gesamten CTFR-Rückgang Deutschlands beträgt 25,9 %, der der Abnahme des Kinderreichtums 68,0 % und der Interaktionseffekt 6,1 %. (...) Zunächst war ausschließlich der Rückgang kinderreicher Frauen verantwortlich, seit der Kohorte 1947 zu zwei Dritteln die zunehmende Kinderlosigkeit." (2016, S.487)

Durch die vorgängige Gruppenbildung bei den betrachteten Frauenjahrgängen (Unterscheidung 1940 - 1955 bzw. 1955 - 1970 Geborene) werden die empirischen Ergebnisse verfälscht. Dies liegt daran, dass der Geburtenrückgang in den einzelnen untersuchten Ländern ganz unterschiedlich verlief und nicht über einen Kamm geschert werden kann.

Auch die verwendete Definition eines "Niedrigfertilitätslandes" ist willkürlich. Gerade das österreichische Institut, dem die Forscher angehörigen, hat in den Nuller Jahren mit wenig seriöser Medienberichterstattung geglänzt. Es wurde über eine "Niedrigfertilitäsfalle" schwadroniert, die von Frank SCHIRRMACHER in seinem grauenhaften Pamphlet Minimum begierig aufgegriffen wurde.

"The demographic literature manifests a strong interest in explaining fertility declines to very low levels, discussing how persistent they are likely to be and pondering their long-term consequences. We thus pay special attention to analysing which parity progressions drive cohort fertility decline to very low levels. For period total fertility (TFR), the thresholds of very low fertility are well established. Very low fertility is usually defined as a TFR below 1.5 (e.g., McDonald 2006), whereas »lowest-low fertility« or »ultra-low fertility« is commonly defined as a TFR falling below 1.3 (Kohler, Billari, and Ortega 2002; Jones, Straughan, and Chan 2008). However, demographers have not yet adopted a common definition of very low cohort fertility. Because of the tempo distortions negatively affecting period fertility indicators, during the last four decades cohort fertility in the low fertility countries has typically stayed at a higher level than the conventional period fertility rates. Two recent contributions, by Myrskylä, Goldstein, and Cheng (2013) and Rindfuss, Choe, and Brauner-Otto (2016), adopt a completed cohort fertility level of 1.75 children per woman as a threshold below which cohort fertility becomes »very low«. We use the same threshold and label completed cohort fertility below 1.75 as very low.7 Among women born in 1950, cohort fertility fell below 1.75 children per woman only in Germany (Pötzsch 2016). Later on, more than ten countries saw their cohort fertility dropping below 1.75, especially among women born in the early 1960s (Frejka, Jones, and Sardon 2010; Myrskylä, Goldstein, and Cheng 2013)." (S.660f.)

An dem Rückblick zur bevölkerungswissenschaftlichen Debatte ist ersichtlich, dass der Willkür von Definitionen keine Grenzen gesetzt sind und sie eher einer Profession geschuldet sind, die um öffentliche Aufmerksamkeit mit der Ökonomie als Leitwissenschaft des Neoliberalismus konkurriert. Westdeutschland wird sozusagen zum Negativbild dieser nationalkonservativen Forschungstradition stilisiert.

Die Forschergruppe um Hans-Peter KOHLER hat in den Nuller Jahren die unseriöse Debatte um Niedrigsfertilitätsländer angestossen. Das neoliberale Flagschiff The Economist hievte KOHLER rechtzeitig vor der SCHIRRMACHER-Medienkampagne mit dem Fertility-Bust auf das Cover. Es passte zum damaligen Zeitgeist des Jahres 2006, in dem das Endspiel um das Aussterben des Abendlandes stattfand. Die damals suggerierte Abwärtsspirale, wonach Kinderarme noch mehr Kinderarme zeugen und die Industrievölker von Generation zu Generation die Erde in ein kosmisches Altersheim verwandeln, fieberte seinem unseligenHöhepunkt entgegen.

Wie es kam, dass irgendwann niemand mehr von der Abwärtsspirale sprach, das wäre die eigentlich interessante Frage. Die Forschung um Niedrigfertilität ist im Grunde ein Überbleibsel aus den unseligen Nuller Jahren.

Fazit: Demografen befassen sich immer noch mit dem Geburtenrückgang, statt sich mit den Folgen des Geburtenanstiegs zu befassen. Dies wird sich spätestens dann rächen, wenn der Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland nicht mehr mit dem Geburtenanstieg mithalten kann. In Deutschland beginnt diese Debatte erst ganz langsam, denn wir haben den Geburtenanstieg verschlafen und dessen Folgen noch längst nicht ganz begriffen!

EUROSTAT (2018): EU-Bevölkerung zum 1. Januar 2018 auf knapp 513 Millionen gestiegen.
Erste Bevölkerungsschätzungen: Anstieg ist migrationsbedingt,
in:
Pressemitteilung des statistischen Amt der Europäischen Union v. 10.07.

EUROSTAT meldet u.a. die Geburtenzahlen des Jahres 2017. Für Deutschland werden 785.000 Lebendgeborene geschätzt.

DESTATIS (2018): Mehr Sterbefälle und weniger Geburten im Jahr 2017,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 13.07.

"Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 785.000 Kinder lebend geboren. (Das) (...) waren (...) 7.000 Neugeborene oder 0,9 % weniger als im Jahr 2016 (792 000)",

meldet das Statistische Bundesamt. EUROSTAT hat die Geburtenzahlen bereits vor drei Tagen veröffentlicht. Im Januar schätzte das Statistische Bundesamt die Zahl der Geburten auf 770.000 bis 810.000 Lebendgeborene. Milupa meldete einige Tage zuvor für das Jahr 2017 761.076 Geburten in deutschen Krankenhäusern. Das waren 424 Geburten mehr als im Jahr 2016.

Die Zahl der Lebendgeborenen liegt mit über 6.000 Geburten über der aktualisierten Variante 2A der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts, die erst am 27. März letzten Jahres veröffentlicht wurde. Die Bevölkerungsvorausberechnung gibt für 2017 nur 54.800 Lebendgeborne an. Die ursprüngliche Variante 2 (Kontinuität mit stärkerer Zuwanderung) vom April 2015 rechnete sogar nur mit 702.000 Lebendgeborenen im Jahr 2017. Schon bei der Veröffentlichung der Bevölkerungsvorausberechnung kritisierten single-dasein.de und single-generation.de:

"Die Fortschreibung von 1,4 Kindern pro Frau bis 2030 oder gar 2060, könnte zukünftig ganz unerwartet ebenfalls zu einer Verringerung der Treffsicherheit von Bevölkerungsvorausberechnungen führen."

Bereits keine zwei Jahre später wurde die Geburtenrate mit 1,5 Kindern pro Frau fortgeschrieben. Auch diese Annahme erweist sich inzwischen als zu niedrig.

Ein Rückgang der Geburtenzahlen muss keinen Rückgang der Geburtenrate bedeuten, auch wenn Medien diesen Unterschied gerne unterschlagen. Der Rückgang könnte auch durch einen Rückgang der Anzahl potenzieller Mütter - insbesondere aus dem Ausland zugewanderter Frauen - verursacht sein.

Für Bayern zeigt sich für die Monate Januar bis November folgende Veränderungen bei den Geborenenzahlen in den Jahren 2016 und 2017:

Tabelle: Entwicklung der Lebendgeborenen im Vergleich der Monate Januar bis November 2016 und 2017 in Bayern
  Jan. Feb. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov.
2016 10.656 9.544 9.906 9.685 10.163 10.609 11.356 11.702 11.218 10.740 9.455
2017 9.800 9.608 10.199 9.754 11.194 10.831 11.439 11.400 11.095 10.573 9.797
Diff. -856 +64 +293 +69 +1.031 +222 +83 -302 -123 -167 +342
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bevölkerung in Bayern (Seitenabruf: 13.07.2018); eigene
Berechnungen

In Bayern wurden in den ersten 11 Monaten des Jahres 2017 658 Geburten mehr registriert als in den ersten 11 Monaten des Jahres 2016. Die Zahlen für Dezember 2017 sind bislang nicht veröffentlicht.

Für Deutschland zeigt sich für die Monate Januar bis November folgende Veränderungen bei den Geborenenzahlen in den Jahren 2016 und 2017:

Tabelle: Entwicklung der Lebendgeborenen im Vergleich der Monate Januar bis November 2016 und 2017
  Jan. Feb. März April Mai Juni Juli August Sept. Okt. Nov.
2016 66.597 59.840 62.926 59.777 63.990 67.429 72.443 72.294 70.651 65.809 60.953
2017 62.703 60.968 63.177 61.063 67.814 65.958 71.431 71.166 68.806 65.180 59.138
Diff. -3.894 +1.128 +251 +1.286 +3.824 -1.471 -1.012 -1.128 -1.845 -629 +1.815
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bevölkerung in Deutschland insgesamt
(Seitenabruf: 13.07.2018); eigene Berechnungen

In Deutschland wurden in den ersten 11 Monaten des Jahres 2017 5.305 Geburten weniger registriert als in den ersten 11 Monaten des Jahres 2016.

Eine Zerlegung der Geburten in ihre einzelnen Komponenten für die Jahre 2012 bis 2016 bietet der Artikel Aktueller Geburtenanstieg und seine Potenziale von Olga PÖTZSCH, der vor einem Monat erschienen ist. Aus der Tabelle 1, S.75, ist ersichtlich, dass der minimale Anstieg der potenziellen Mütter deutscher Frauen im Vergleich zum Anstieg der Geburtenrate kaum Einfluss auf die Geburtenzahl hatte.

Im Jahr 2016 waren der Anzahl und der Alterstruktur der potenziellen deutschen Mütter lediglich 2.136 Geburten geschuldet, während auf das Konto des Anstiegs der Geburtenhäufigkeit bei den deutschen Frauen 15.603 Geburten gingen. Im Januar wurde deshalb angesichts der Pressemeldungen auf dieser Website von dem Märchen über die Kinder der Babyboomer ("Echoeffekt") gesprochen. Der Artikel von PÖTZSCH bestätigt nun diese Einschätzung noch einmal. Für 2015 war von einem geringeren Echoeffekt als für die Jahre danach ausgegangen worden. Tatsächlich werden von PÖTZSCH für das Jahr 2015 nur 1.367 Geburten auf das Konto der potenziellen Mütter angerechnet, während gut der 3fache Anstieg der Geburtenzahlen auf die erhöhte Geburtenhäufigkeit zurückzuführen ist. 2016 waren es dann schon die 7fache Zahl der Geburten.

Hierzu muss erklärt werden, dass der Echoeffekt die Konsequenz der Anzahl deutscher Mütter ist, die in Deutschland geboren wurden. Im nationalkonservativen Sprachgebrauch wird dabei auch von den Ungeborenen gesprochen, die keine Kinder bekommen können. Aufgrund der Zuwanderung ist jedoch die Anzahl der potenziellen Mütter wesentlich höher als der reine Echoeffekt. So war die Anzahl der potenziellen Mütter im Jahr 2015 aufgrund der Zuwanderung gut 9mal höher als beim reinen Echoeffekt. 2016 war diese Entwicklung schon nicht mehr so einflussreich.

Welche Einflussfaktoren im Jahr 2017 für die Entwicklung der Geburtenzahlen entscheidend waren, lässt sich erst analysieren, wenn die altersspezifischen Geburtenziffern für die Frauenjahrgänge vorliegen. Bis dahin sollte sich mit Spekulationen zurückgehalten werden.  

SCHMOLL, Heike (2018): Totgeschwiegener Lehrermangel.
Die Länder tun zu wenig, um Lehrernachwuchs für sich zu gewinnen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.07.

"Im Jahr 2016 war in einigen Ländern mehr als die Hälfte der Lehrkräfte über 50 Jahre alt Der zuletzt auf 8,4 % gestiegene Anteil von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern an allen Neueinstellungen zeugt schon jetzt von Personalengpässen einiger Länder Steigende Geburten- und Zuwanderungszahlen, vielfältiger zusammengesetzte Klassen sowie nicht erfüllte Ganztagsbetreuungsansprüche werden das Problem ausreichend qualifizierten Nachwuchses weiter verschärfen" (S.7),

heißt es im aktuellen Bildungsbericht 2018. Im Bildungsbericht wird die aktualisierte Variante 2 A der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung zur Bestimmung des zukünftigen Lehrermangels herangezogen. Diese Bevölkerungsvorausberechnung ist längst wieder durch die Realität der Geburtenentwicklung überholt worden. Der Lehrermangel wird also wesentlich gravierender sein als der Bildungsbericht dies fahrlässigerweise unterstellt.

"Nach der aktualisierten Bevölkerungsvorausberechnung werden die Geburtenzahlen nach einem Hoch in den Jahren 2019 und 2020 aufgrund des Echoeffekts voraussichtlich langsam, aber kontinuierlich zurückgehen: Es kommt aufgrund der rückläufigen Anzahl potenzieller Mütter aus den geburtenschwachen Jahrgängen zu einem Geburtenrückgang (...). So umfasste im Jahr 1994 die Gruppe der Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren noch rund 13,0 Millionen, 2016 waren es rund 10,6 Millionen, 2020 werden es laut der Prognose gut 10,0 Millionen und 2035 voraussichtlich nur noch rund 9,2 Millionen sein. Diese Entwicklung wird für Ost- als auch für Westdeutschland angenommen. In den Stadtstaaten hingegen bleibt die Zahl potenzieller Mütter perspektivisch eher stabil und wird sich durch zunehmende Urbanisierung unter Umständen sogar leicht erhöhen." (S.24)

Diese Analyse ist kurzschlüssig, weil die altersspezifischen Geburtenziffern unberücksichtigt bleiben. Aufgrund des Anstiegs des Erstgeburtsalters spielen die jüngeren Frauenjahrgänge im Gegensatz zu den älteren Frauenjahrgängen eine weit geringere Rolle für das Geburtengeschehen. Ein Rückgang von 600.000 potenziellen Müttern könnte durch einen Anstieg der Geburtenrate schnell überkompensiert werden. Auf Seite 254 des Bildungsbericht sind die unterstellten Geburtenzahlen für die Jahre bis 2035 ersichtlich, die eine Geburtenrate von 1,5 unterstellen, obwohl die Geburtenrate bereits im Jahr 2016 bei 1,59 lag.

Zudem fehlt eine Analyse des Geburtengeschehens nach Migrationshintergrund. Eine solche Analyse legte das Statistische Bundesamt jedoch bereits im letzten Monat vor (vgl. Grafik 3, S.77). Der Beitrag von POETZSCH liefert jedoch nur eine vergangenheitsfixierte Analyse, während Zahlen zur voraussichtlichen Entwicklung der potenziellen Mütter für die nächsten Jahre vermieden werden. Zudem ist die Argumentation wie üblich defensiv, d.h. die tatsächlichen Potenziale des gegenwärtigen Geburtenanstiegs werden nur mangelhaft aufgezeigt. Was aber passiert, wenn der Geburtenanstieg kein kurzzeitiges Übergangsphänomen ist wie der Bildungsbericht nun wieder behauptet? Die Konsequenzen einer solch defensiven Argumentation wären gravierend für die Betreuungs- und Lehrsituation in Deutschland. Man kann den Bildungsbericht deshalb auch als Versuch sehen, die wirklichen Probleme zu verdrängen wie Heike SCHMOLL das tut.

"Unterrichtsausfall, häufige Lehrerwechsel oder unterqualifizierter Unterricht gehören zu den größten Elternärgernissen - sie haben schon Landtagswahlen entschieden",

meint SCHMOLL. Tatsächlich könnte es insbesondere in Sachsen zu einem Desaster kommen.

"Sachsen hat in Baden-Württemberg arbeitslose Lehrer abgeworben und kehrte mit reicher Beute heim",

behauptet SCHMOLL. Bei der taz las sich das ganz anders.

Fazit: Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen und der Bildungsbericht 2018 führt diese unselige Tradition der Verdrängung fort, obwohl der Lehrermangel bereits heute deutlich zu Tage tritt. Statt Maßnahmen zur Bekämpfung einzuleiten wird darauf vertraut, dass die Geburtenzahlen schnell rückläufig sind und das Problem des Lehrermangels deshalb bequem ausgesessen werden kann. Diese fatale Kurzsichtigkeit könnte im schlimmsten Fall die Geburtenentwicklung beeinträchtigen, im besten Fall könnte es zu politischen Niederlagen der regierenden Parteien in den besonders hart betroffenen Bundesländern führen.

GESTERKAMP, Thomas (2018): Falsche Prognosen mit Folgen.
Es gibt wieder mehr Kinder in Deutschland, frühere Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung müssen revidiert werden. Die Schulen sind darauf nicht vorbereitet,
in: Neues Deutschland v. 04.08.

"Anfang Mai ging die Kultusministerkonferenz (KMK) mit einer überraschenden Botschaft an die Öffentlichkeit: Die deutschen Schulen müssen sich in Zukunft auf mehr Kinder und Jugendliche einstellen. Ihre Zahl werde bis 2030 auf 11,2 Millionen steigen. (...).
Vor fünf Jahren hatte die KMK noch ganz anderes verlautbart, sie hatte einen Rückgang auf 9,7 Millionen Schüler im Jahr 2025 prognostiziert. (...).
Die falsche Schätzung der Kultusminister von 2013 fügte sich bestens ein in das düstere Bild, das interessierte Kreise vor allem der Versicherungswirtschaft schon seit der Jahrtausendwende zeichnen",

verkündet uns der schlecht informierte Journalist Thomas GESTERKAMP nun erst, da es sich nicht mehr leugnen lässt! Gut informierte Journalisten, die ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen wären, hätten spätestens seit Juli letzten Jahres auf das Problem aufmerksam machen müssen. Damals machten Klaus KLEMM & Dirk ZORN auf den Lehrermangel aufgrund steigender Geburtenzahlen aufmerksam. Auf dieser Website wurde bereits viel länger auf die Tatsache hingewiesen, dass die Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes bei der Geburtenentwicklung nur das nachholten, was längst eingetreten war, statt die Verhaltensänderungen abzubilden. Schon die im April 2015 veröffentlichte 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung war bereits bei ihrer Veröffentlichung überholt. Das gilt auch für die aktuelle Variante 2 A vom letzten Jahr, auf die sich der aktuelle Bildungsbericht 2018 bezieht. Im Winterthema von single-generation.de wurde ausführlich auf die veralteten Prognosen der KMK aus dem Jahr 2013 eingegangen und aufgezeigt, wie weit die Kluft zwischen Prognose und Realität innerhalb von nur 4 bis 5 Jahren bei der Geburtenentwicklung immer größer geworden ist.

Trotz seiner Kritik geht GESTERKAMP der defensiven Argumentation des Statistischen Bundesamts auf den Leim, wenn er schreibt:

"Die wachsenden Geburtenzahlen beruhen neben anderen Ursachen darauf, dass derzeit die Kinder der Babyboomer der 1960er Jahre im gebärfähigen Alter sind."

Dieser Aspekt wird vom Statistischen Bundesamt und von der KMK nur deshalb hervorgehoben, weil damit der Geburtenanstieg zu einem kurzzeitigen Phänomen verharmlost werden kann, das durch Aussitzen zu lösen ist. Auf single-generation.de wurde nachgewiesen, dass der so genannte Echo-Effekt im Jahr 2015 im Vergleich mit anderen Aspekten eher gering ausfiel. Das lässt sich auch aus einer aktuellen Analyse von Olga POETZSCH ersehen.

"Bemerkbar macht sich auch der Wertewandel in der Generation Y, der Jahrgänge ab 1980, die in Befragungen neben der beruflichen Karriere auch private Lebensziele hoch bewerten und sich häufiger die Gründung einer Familie wünschen",

meint GESTERKAMP. Das ist die Interpretation derjenigen, die in der Familienpolitik die Ursache für den Geburtenanstieg sehen wollen. Tatsächlich geht der Geburtenanstieg bereits auf die in der ersten Hälfte der 1970er Jahre geborenen Frauen zurück. Den Geburtenanstieg hat der Ökonom Detlef GÜRTLER für Westdeutschland bereits 2003 nachgewiesen, d.h. bevor die Familienpolitik den Kitaausbau und das Elterngeld auf die politische Agenda setzte. Die politische Debatte in Deutschland hinkte also der Realität hinterher und sorgte mit Forschungsartefakten zu Kinderwünschen und Kinderlosigkeit zu einer kontraproduktiven  Inszenierung des Aussterbens der Deutschen. Man könnte also im Gegenteil sagen, dass die Politik durch die Leugnung eines Wertewandels bei den in den 1970er Jahren geborenen Frauen, einen früher möglichen Babyboom verhindert hat. Es dauerte gut 10 Jahre bis die Amtsstatistiker ihre Position revidieren mussten, denn der angebliche Tempoeffekt, den Jürgen DORBRITZ noch 2004 proklamierte, und der damals kein Babyboom sein durfte, stellt sich nun als Anstieg der endgültigen Kinderzahl heraus. Die Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 sorgte gar für einen Einbruch der Geburtenzahlen, weil das Elterngeld für späte Mütter gedacht war. Einen Geburtenanstieg bei den in den 1980er Jahren geborenen Frauen leugneten die Amtsstatistiker noch bis vor kurzem.

Fazit: Es ist zu begrüßen, dass endlich die Debatte um die Fehlprognosen zur Geburtenentwicklung endlich in den Mainstreammedien angekommen ist, auch wenn die Klagen - wie bei GESTERKAMP - reichlich spät kommen. Guter Journalismus hätte bereits vor mehreren Jahren den Geburtenanstieg thematisieren müssen. Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen - auch dank schlechtem Journalismus!

ITNRW (2018): Zahl der Geburten in NRW auch 2017 auf hohem Niveau.
Im Jahr 2017 wurden in Nordrhein-Westfalen 171 984 Kinder geboren,
in:
Pressemitteilung Information und Technik Nordrhein-Westfalen v. 09.08.

"Im Jahr 2017 wurden in Nordrhein-Westfalen 171.984 Kinder geboren. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, wurden damit zwar 1.292 bzw. 0,7 Prozent weniger Kinder geboren als im Jahr 2016 (damals: 173.276), aber es war die zweithöchste Zahl seit dem Jahr 2000 (damals: 175.144). Gegenüber dem bisherigen historischen Tiefstand im Jahr 2011 (143.097) hat sich die Zahl der Lebendgeborenen um 20,2 Prozent erhöht.
Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes lag im Jahr 2017 mit 29,7 Jahren um 0,2 Jahre höher als ein Jahr zuvor. Im Vergleich zu Frauen, die im Jahr 2008 ihr erstes Kind bekommen haben, waren Frauen im Jahr 2017 bei der Geburt ihres ersten Kindes nahezu ein Jahr älter (damals: 28,8 Jahre). Rund zwei Prozent aller Mütter brachten Mehrlinge zur Welt. Unter den 3.284 Mehrlingsgeburten befanden sich 3.226 Zwillings- und 57 Drillingsgeburten sowie eine Mehrlingsgeburt mit vier oder mehr Kindern.
(...). Die regionale Betrachtung der Geburtenzahlen zeigt, dass in 32 kreisfreien Städten und Kreisen und in der Städteregion Aachen die Zahl der Geborenen im Vergleich zu 2016 gesunken und in 20 kreisfreien Städten und Kreisen gestiegen ist. Den höchsten prozentualen Geburtenanstieg gab es im Kreis Olpe (+10,4 Prozent), während in Remscheid (-8,2 Prozent) der höchste Rückgang der Geburtenzahl zu verzeichnen war", heißt es in der Meldung.

SCHMOLL, Heike (2018): Das ungeliebte Lehrerdasein.
Leidartikel: Reputationsverlust und falsche Planung führen zur Lehrermisere,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.08.

"Mit einem Lehrerdebakel bisher unbekannten Ausmaßes beginnt in diesen Wochen das neue Schuljahr. 10.000 Stellen sind gar nicht besetzt, 30.000 mit nicht ausgebildeten Lehrern, also Seiteneinsteigern oder Studenten. (...).
Längst geht der Lehrermangel nicht mehr auf die früher üblichen Schweinezyklen und die in der Regel falschen Schülerprognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) zurück. Doch spätestens 2015 hätte die KMK merken müssen, dass alle ihre Zahlen angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen nicht zu halten sind. Stattdessen meinten einzelne Kultusminister, ihre Planlosigkeit mit dem vielsagenden Satz »Wir fahren auf Sicht« illustrieren zu müssen. Beim Lehrermangel geht es um ein strukturelles Problem, das einerseits durch sprunghaft gestiegene Schülerzahlen und andererseits durch eine Vielzahl neuer Aufgaben unweigerlich kommen musste",

meint Heike SCHMOLL. Daran irritiert vor allem, dass vom Geburtenanstieg nicht die Rede ist. Das wundert kaum, denn schließlich gehörte die FAZ nicht zu den Zeitungen, die an den interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen etwas auszusetzen hatte, denn die Bedrohung des Rentensystems durch den demografischen Wandel war der FAZ viel zu wichtig. Einzig die taz machte nach der Veröffentlichung der damaligen Bevölkerungsprognose auf die Schulmisere aufmerksam.

KLEIN, Susanne (2018): Zeit des Ausbadens.
Politiker und Verbände streiten über den Lehrermangel,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.08.

Kaum möglich, aber wahr: Volker KAUDER hat für die Union endlich den Lehrermangel entdeckt! Offenbar war bei der Union die ganze Zeit niemand zuhause.

"Experten machen Bildungspolitiker für die Misere verantwortlich, diese hätten jahrelang in ihren Personalplanungen den wahren Bedarf ignoriert. Der Vorwurf trifft offenbar zu. Selbst der Präsident der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter aus Thüringen (Linke), räumte in der vergangenen Woche ein: »Es sei keine vorausschauende Politik« gemacht worden, »deswegen müssen die Länder das jetzt ausbaden«. Unter den Versäumnissen haben neben den Förder- und Berufsschulen, hauptsächlich die Grundschulen zu leiden",

erklärt uns Susanne KLEIN. Wo waren eigentlich unsere neoliberale Mainstreammedien, die unseren Politikern hätten Beine machen müssen? Hätten unsere Medien bei dem Thema nicht beide Augen zugedrückt, dann hätte es nicht so weit kommen müssen. Doch die interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen, die der KMK dazu dienten die Probleme auszusitzen, passten unseren neoliberalen Mainstreammedien eben zu gut ins Konzept als dass man auf die Kollateralschäden aufmerksam gemacht hätte.

ANGER, Heike & Barbara GILLMANN (2018): Viel zu wenig Erzieher für die Kita-Kinder.
Seit 2015 haben sich die Betreuungsschlüssel nicht mehr verbessert, zeigt eine Bertelsmann-Studie. Dramatisch ist das Gefälle zwischen Ost und West,
in: Handelsblatt v. 29.08.

Anlässlich einer telegenen Werbetour der bislang eher unauffälligen, aber mit viel Vorschußlorbeeren bedachten Familienministerin, die sich gerne in Vorzeige-Kitas zeigt, um von den hausgemachten Problemen abzulenken, berichten ANGER & GILLMANN über eine Studie der neoliberalen Privatstiftung Bertelsmann, die den Finanzrahmen des geplanten "Gute-Kita-Gesetz" kritisiert. Tatsächlich sind die Zahlen der Stiftung angesichts der tatsächlichen Geburtenentwicklung in Deutschland längst überholt.

Das angebliche Qualitätsgesetz wird den interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen der letzten Jahre zum Opfer fallen, denn die Mittel werden nicht einmal den Bedarf für den notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung decken können. Nichts davon lesen wir bei ANGER & GILLMANN.

FÜLLER, Christian (2018): Schulversager.
Die Kultusminister haben über viele Jahre Zehntausende Lehrer zu wenig eingestellt. Das ist ein Riesenskandal. Wie soll die Lücke gefüllt werden? Schule wird durch Seiteneinsteiger endgültig zum Laientheater,
in: Welt v. 29.08.

"Wenn (...) in mehreren Bundesländern die Lehrerversorgung de facto zusammenbrecht, geschieht in der Hauptstadt - nichts: kein Mucks, niemand entschuldigt sich oder tritt gar zurück. Das ist schlecht so. Hat schon jemand von einer »Sondersitzung Lehrermangel« der Kultusministerkonferenz gehört?"

fragt Christian FÜLLER, der die Entwicklungen seit dem Jahr 2001 beschreibt. Seitdem sei der Lehrermangel mehr und mehr nur noch verwaltet worden:

"So baute sich Jahr für Jahr jene Lücke auf, die spätestens im Jahr 2015 zu einer Schlucht anwuchs. Da strebten 325.000 schulpflichtige Kinder als Flüchtlinge nach Deutschland - und machten alle Pläne zu Makulatur. Die überraschende Kinderlust der Deutschen kam hinzu."

Überraschend ist am Geburtenanstieg in Deutschland nichts, sondern er wurde schlichtweg ignoriert: zuallererst von den Amtsstatistikern und dann auch von der KMK, weil man das Problem aussitzen wollte. Und auch die Mainstreammedien hatten keinerlei Interesse am Thema, was FÜLLER zu vergessen erwähnt. Wo war z.B. die Welt im Jahr 2015. Hatte da jemand etwa mehr Lehrer gefordert?  

MUNZINGER, Paul (2018): Keiner da.
Sechs Jahre nach der Geburt werden Kinder in der Regel eingeschult. Eigentlich also ausreichend Zeit, um für genügend Lehrer zu sorgen. Warum im Moment trotzdem so viele Stellen unbesetzt sind,
in: Süddeutsche Zeitung v. 31.08.

Warum haben die Mainstreammedien nicht bereits vor 6 Jahren über das Problem aufgeklärt? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Nun müssen unsere Medien Rechtfertigungen für die Versäumnisse liefern, bei denen die Rolle der Medien ausgespart bleibt. Die Verantwortlichen berufen sich nun auf das "Mantra des Personalabbaus im öffentlichen Dienst", zu deutsch: die neoliberale Ideologie des schlanken Staates, die uns die SZ jahrzehntelang als richtig einbläute.

"1976 hat Klemm ein Buch veröffentlicht, dessen Titel heute verrückt klingt: »Volle Klassen, Lehrerschwemme«. Mitte der 60er-Jahre waren die Geburtenzahlen in Westdeutschland eingebrochen, von 1,3 Millionen auf 800.000 zehn Jahre später. Die Folge des  »Pillenknicks«: Ein Überangebot an Lehrern",

behauptet Paul MUNZINGER. Daran ist schon falsch, dass MUNZIGER nicht die westdeutschen Zahlen präsentiert, denn in Westdeutschland umfasste der Jahrgang 1964 kaum mehr als eine Million Neugeborene und 10 Jahre später waren es rund 626.000 Babys. Wundert es einem da, dass die Glaubwürdigkeit unserer Presse ruiniert ist, wenn Falschdarstellungen schon alltäglich sind?

"Nach Jahren des Rückgangs kommen seit 2012 wieder mehr Kinder zur Welt. Doch das der Zuwachs sich verstetigen würde, sei damals nicht abzusehen gewesen. Für einen Trend brauche es drei Pfeile, die in die gleiche Richtung weisen - 2012, 2013 und 2014 also. Die Zahlen für 2014 lagen aber erst 2015 vor",

erklärt uns MUNZINGER. Daran ist schon falsch, dass man dies erst 2015 wissen konnte, denn die KMK korrigierte ihre Schülerzahlen nicht bereits 2015 als die neue Bevölkerungsvorausberechnung veröffentlicht wurde und auch nicht letztes Jahr als die aktualisierte Variante 2 A veröffentlicht wurde, sondern erst dieses Jahr, nachdem die Bevölkerungsvorausberechnungen längst schon wieder veraltet und überholt sind. In den Medien erfolgte kein Aufschrei, sondern der Geburtenanstieg wird bis heute verniedlicht. Man will das Problem aussitzen, weil bereits 2025 wieder ein Geburtenrückgang einsetzen soll. Was aber, wenn das nicht der Fall ist?

Fazit: Unsere Mainstreammedien haben es versäumt rechtzeitig aufzuklären, weil die interessengeleiteten Bevölkerungsvoraussetzungen ganz in ihrem Interesse waren. Es ging darum die neoliberale Rentenpolitik durchsetzen zu können. Der Rest ist lediglich Kollateralschaden!  

FRIESER, Michael (2018): Auf Kosten der künftigen Generationen?
Die Gegenwart: Der demographische Wandel ist keine Floskel. Die Alterung der Bevölkerung wirkt sich auf viele Bereiche von Gesellschaft und Staat aus. Das ist jedoch kein Grund zu verzagen. Denn wer stets nur negative Szenarien darstellt, der gestaltet nicht die Zukunft. Ergreifen wir die Chancen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.

Michael FRIESER, Unionsbeauftragter für den demographischen Wandel, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, das ihm die Alarmisten wie Herwig BIRG, Meinhard MIEGEL und Frank SCHIRRMACHER eingebrockt haben:

"Vor mehr als zehn Jahren beherrschten Untergangsprognosen die Diskussion. Grund war der absehbare Bevölkerungsrückgang infolge geringer Geburtenzahlen. Man wählte drastische Bilder des Aussterbens. Ein Jahrzehnt später gelten die Vorhersagen als überholt, Deutschland werde sich auch demographisch abschaffen. Steigende Geburtenzahlen und Bevölkerungswachstum sollen belegen, dass es sich um unbegründete Panik handelt."

Politik, Wissenschaft und Medien haben den Begriff "demografischer Wandel" missbraucht, um mit ihrem neoliberalen Mantra der Alternativlosigkeit Politik gegen den Sozialstaat zu betreiben. Das rächt sich nun, weshalb FRIESER nun mehr Aufwand betreiben muss, um die verlorenen gegangene Glaubwürdigkeit ("Erklärungskraft") wiederherzustellen:

"So übertrieben frühere Kassandrarufe waren, so falsch sind die derzeitigen Jubelmeldungen. Richtig daran ist, dass Politiker oftmals den Fehler gemacht haben, sich auf den so vertraut klingenden Begriff des demographischen Wandels zurückzuziehen, anstatt die komplexen Zusammenhänge von Strukturpolitik und Bevölkerungsentwicklungen zu erklären. Das hat dazu geführt, dass kaum jemand diesen (...) Begriff mit Inhalt füllen kann".

Der Politikwissenschaftler Christian RADEMACHER hat das zu Recht bereits vor fünf Jahren als Demographismus bezeichnet und kritisiert, dass es sich beim demografischen Wandel mehr um Ideologie als um Wissen handelt. Auch FRIESER geht es nicht um Aufklärung, sondern um einen Angriff auf den Sozialstaat:

"Der Koalitionsvertrag von Union und SPD hat dieses Thema aufgegriffen und auf vielen Feldern Abhilfe versprochen, etwa bei der Sicherung von Fachkräften und der Entwicklung des ländlichen Raums. Im Bereich der Sozialsysteme und insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung musste ein Kompromiss gemacht werden, dem (...) zu widersprechen ist."

FRIESER verteidigt also lediglich die politische Sicht der Union auf das, was mit dem Begriff des demografischen Wandels gemeint sein soll. Statt über Ursachenzusammenhänge zu schreiben, will FRIESER stattdessen an die Inhaltsleere des Begrifs anknüpfen, um das neoliberale Mantra der Alternativlosigkeit weiterhin betreiben zu können. FRIESER wiederholt nur die bekannten verzerrenden Darstellungen zur Demografie, die auf dieser Website zur Genüge widerlegt wurden, z.B. in Sachen Babyboomer, Geburtenrückgang und Lebenserwartung. Bei der Rentenproblematik wird wie üblich der Altenquotient (der sinnbildlich für die "Altenlast" stehen soll) als Problem beschworen, der zwar den demografischen Aspekt, nicht aber die viel relevanteren nicht-demografischen Aspekte in den Mittelpunkt rückt.

Am schlimmsten jedoch ist die Naturalisierung durch die Demografisierung gesellschaftlicher Probleme wie sie FRIESER betreibt, wenn er von "negativen natürlichen Entwicklungen spricht", die er den unnatürlichen Entwicklungen des Wanderungsgeschehens gegenübergestellt. Damit zeigt er eine geistige Nähe zur AfD, die mit ihrem nationalkonservativen Flügel salon- und regierungsfähig gemacht werden soll. Was außen vor bleibt: Wanderungsströme werden politisch kanalisiert, z.B. wenn es um die viel beschworene Fachkräftesicherung geht. Die neoliberale Weltordnung, die auf die Stärkung der großstädtischen globalistischen Zentren abzielt und durch die Standortpolitik in Deutschland zusätzlich befeuert wurde, ist mitverantwortlich für die Entleerung ländlicher Räume und die Aufblähung der städtischen Ballungsgebiete mit allen ihren politischen Nebenwirkungen. Nichts davon lesen wir bei FRIESER.

Fazit: FRIESER will nicht aufklären über die Ursachen der Probleme, die mit dem Begriff "demographischer Wandel" nur umschrieben, aber nicht erklärt werden können. Statt Ursachenerklärung wird am neoliberalen Mantra und dem Angriff auf den Sozialstaat festgehalten. Die Erklärungskraft des Begriffs wird von FRIESER nicht belegt, sondern in gewohnter Weise vorausgesetzt, obwohl er doch selber behauptet, dass dies falsch sei. FRIESER hat sein Thema verfehlt!

STATISTIK BAYERN (2018): Die zusammengefasste Geburtenziffer 2017 verblieb auf Vorjahresniveau.
Die zusammengefasste Geburtenziffer lag im Jahr 2017 im Freistaat bei 1,55 Kindern je Frau,
in:
Pressemitteilung des Bayerischen Landesamt für Statistik v. 17.10.

"(D)ie zusammengefasste Geburtenziffer in Bayern (belief sich) für das Jahr 2017 auf 1,55 Kindern je Frau. Somit entsprach die Geburtenziffer für Bayern etwa dem Vorjahresniveau (2016: 1,56 Kinder je Frau). Die zusammengefasste Geburtenziffer ist ein Maß zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens und gibt an, wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich in ihrem Leben bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre, wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Kalenderjahr. Sie wird als TFR (englisch für total fertility rate) bezeichnet.
Nach Regierungsbezirken getrennt betrachtet, wies Schwaben mit 1,63 (2016: 1,65) Kindern je Frau den höchsten Wert auf, gefolgt von Unterfranken mit 1,56 (2016: 1,54), Mittelfranken mit 1,56 (2016: 1,58), Niederbayern mit 1,55 (2016: 1,54), Oberbayern mit 1,53 (2016: 1,55), Oberfranken mit 1,51 (2016: 1,49) und der Ober-pfalz mit 1,50 (2016: 1,48).
Auf Kreisebene zeigte der Landkreis Aichach-Friedberg mit 1,85 Kindern je Frau (2016: 1,76) den höchsten Wert für das Jahr 2017 in Bayern auf, gefolgt von der kreisfreien Stadt Hof mit 1,81 Kindern je Frau (2016: 1,50) und dem Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge mit 1,80 Kindern je Frau (2016: 1,66). Den geringsten Wert auf Kreisebene verzeichnete die kreisfreie Stadt Passau mit 1,06 (2016: 1,127) Kindern je Frau. Wird die zusammengefasste Geburtenziffer getrennt für Frauen mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit betrachtet, ergab sich für das Jahr 2017 in Bayern folgendes Bild: Bei Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit betrug die zusammengefasste Geburtenziffer 1,46 Kinder je Frau (2016: 1,46); bei Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1,97 Kinder je Frau (2016: 2,04)", meldet das Bayerische Landesamt für Statistik.

STATISTIK HESSEN (2018): 60.988 Geburten im Jahr 2017 in Hessen.
Höchste Geburtenrate im Landkreis Kassel mit durchschnittlich 1,74 Kindern je Frau,
in:
Pressemitteilung des Hessischen Statistischen Landesamts v. 18.10.

"Im Jahr 2017 wurden in Hessen 60.988 Kinder geboren. Das waren (...) 260 oder 0,4 Prozent mehr als im Jahr 2016 und der Höchststand der letzten 20 Jahre.
Die durchschnittliche Kinderzahl der 15 bis unter 50-jährigen Frauen lag bei 1,58. Sie war geringfügig niedriger als im Vorjahr (2016: 1,59). Eine höhere durchschnittliche Kinderzahl je Frau als 2016 und 2017 gab es seit 1972 (1,63) nicht mehr.
Das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes lag 2017 bei 29,5 Jahren (2016: 29,4 Jahre). 1208 Frauen brachten Mehrlinge zur Welt (davon 1.177 Zwillings-, 29 Drillings- und 2 Vierlingsgeburten).
Die höchste Geburtenrate hatte der Landkreis Kassel mit durchschnittlich 1,74 Kindern je Frau, gefolgt von den Landkreisen Waldeck-Frankenberg und Offenbach mit jeweils 1,73. Die niedrigsten Geburtenziffern wiesen der Landkreis Marburg-Biedenkopf (1,35) und die kreisfreie Stadt Frankfurt am Main (1,43) aus.
Die absolute Zahl der Geburten lag zwischen 775 im Odenwaldkreis und 9.065 in Frankfurt am Main", meldet das Hessische Statistische Landesamt.

STATISTIKBERLIN (2018): Eheschließungen, Geborene und Gestorbene in Berlin 2017.
Statistischer Bericht A II 1 – j / 17,
in: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 25.10.

In Berlin ist die Geburtenrate im Jahr 2017 auf 1,47 Kinder pro Frau gesunken (2016: 1,54).

STATISTIKBRANDENBURG (2018): Eheschließungen, Geborene und Gestorbene im Land Brandenburg 2017.
Statistischer Bericht A II 1 – j / 17,
in: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 25.10.

In Brandenburg ist die Geburtenrate im Jahr 2017 auf 1,63 Kinder pro Frau (15- 44-Jährige) bzw. 1,64 (15- 49-Jährige) gesunken (2016: 1,69).

MÜLLER, Hans Christian (2018): Babyboom(chen).
Grafik des Tages: Auch wenn die Werte längst nicht mit denen der 60er-Jahre vergleichbar sind: In Deutschland steigt die Zahl der Geburten wieder kräftig an. Und das, obwohl inzwischen viel mehr Frauen einen Job angenommen haben. Dem Land ist es gelungen, die Kinderbetreuung in kurzer Zeit massiv auszubauen: In nur einem Jahrzehnt hat sich die Zahl der U3-Plätze verdoppelt. Doch das reicht noch lange nicht aus,
in: Handelsblatt v. 26.10.

Nächste Woche, am letzten Oktobertag, will das Statistische Bundesamt die Geburtenzahlen für 2017 verkünden. Weil die Geburtenzahlen 2017 zurückgegangen sind, präsentiert das Handelsblatt nun eine Hochrechnung der ersten vier Monate 2018, um den Anstieg der Geburten weiter fortschreiben zu können. Solche Hochrechnungen sind gefährlich wie die Familienministerin Ursula von der LEYEN während ihrer Amtszeit feststellen musste.

Im Juli meldete das Statistische Bundesamt vorläufige Geburtenzahlen von rund 785.000 Lebendgeborene für 2017. Im Jahr 2016 waren es dagegen noch 792.131. Für 2018 geht das Handelsblatt nun von 791.700 Lebendgeborenen aus. Es geht dabei in erster Linie um einen Deutungskampf. Die Interpretation des Handelsblatt: "Wirtschaftsboom und neue Zuversicht".

Aber ist es mit der Zuversicht wirklich noch so weit her? Erste Meldungen der Statistischen Landesämter zeigen, dass nicht nur die Geburtenzahlen zurückgegangen sind, sondern auch die Geburtenrate zumindest in einigen Bundesländern zurückgegangen ist. In Bayern ging die Geburtenrate von 1,56 auf 1,55 minimal zurück. Auch in Hessen war der Rückgang nur geringfügig (1,58 statt 1,59 Kinder pro Frau). Berlin und Brandenburg meldeten jedoch gestern sogar stärkere Rückgänge.

Der Ausbau der Kinderbetreuung ist nur eines von vielen Problemen, das den potenziellen Müttern und den Müttern in Deutschland zu schaffen macht, weil die Politik den Geburtenanstieg zu lange ignoriert hat und es nun an allen Ecken und Enden fehlt: Kreißsäle haben geschlossen, Erzieher fehlen und an Lehrern mangelt es gravierend. Die politische Unsicherheit in Deutschland, die von den Medien kräftig geschürt wurde, trägt auch nicht zur neuen Zuversicht bei.

Fazit: Wenn Deutschland nicht endlich die drängenden Probleme durch den Anstieg der Geburten angeht, dann könnte es bald vorbei sein mit dem Traum vom Babyboom.     

DESTATIS (2018): Geburtenziffer 2017 leicht gesunken,
in: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 31.10.

"Die Zahl der geborenen Kinder war im Jahr 2017 mit rund 785.000 Babys um etwa 7.000 niedriger als im Jahr 2016. Dieser Rückgang geht auf die leicht gesunkene durchschnittliche Kinderzahl je Frau zurück. (I)m Jahr 2017 (betrug) die zusammengefasste Geburtenziffer 1,57 Kinder je Frau. Im Jahr zuvor hatte sie den Wert von 1,59 erreicht.
Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Jahr. Alle Angaben beziehen sich auf lebend geborene Kinder.
Bei den Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit lag 2017 die Geburtenziffer mit 1,45 Kindern je Frau nur leicht unter dem Niveau von 2016 (1,46 Kinder je Frau). Bei den Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sank sie von 2,28 auf 2,15 Kinder je Frau.
In den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) war 2017 die zusammengefasste Geburtenziffer mit 1,61 Kindern je Frau höher als im Westen Deutschlands (ohne Berlin) mit 1,58. Das Land mit der höchsten zusammengefassten Geburtenziffer von 1,64 Kindern je Frau war Brandenburg. Die niedrigste Geburtenziffer von 1,48 Kindern je Frau wies Berlin auf.
Das durchschnittliche Alter der Mütter bei Geburt des Kindes war 2017 mit 31 Jahren und 2 Monaten um zwei Monate höher als im Jahr 2016. Mütter waren beim ersten Kind 2017 durchschnittlich 29 Jahre und 10 Monate alt. Beim zweiten Kind waren die Mütter knapp 32 Jahre alt, beim dritten Kind knapp 33 Jahre. Nach wie vor sind die Mütter bei Geburt ihres Kindes in den ostdeutschen Bundesländern jünger als im Westen Deutschlands. Beim ersten Kind betrug der Altersunterschied 11 Monate (knapp 29 Jahre in Ostdeutschland gegenüber knapp 30 Jahre in Westdeutschland).
Die Frage nach der Zahl der Kinder, die Frauen im Laufe ihres Lebens tatsächlich bekommen haben, kann für Frauenjahrgänge beantwortet werden, die das Ende des gebärfähigen Alters erreicht haben, das statistisch mit 49 Jahren angesetzt wird. Im Jahr 2017 haben die Frauen des Jahrgangs 1968 das Ende der gebärfähigen Phase erreicht. Dieser Jahrgang hat bisher mit durchschnittlich 1,49 Kindern je Frau die geringste bisher gemessene Kinderzahl zur Welt gebracht. Bei Frauen der folgenden jüngeren Jahrgänge bis voraussichtlich Ende der 1970er Jahre wird die endgültige durchschnittliche Kinderzahl höher als beim Jahrgang 1968 sein. Bei diesen Jahrgängen ist das Ende der gebärfähigen Phase noch nicht erreicht. Dennoch ist bei ihnen die bereits erreichte Kinderzahl je Frau zum Teil schon jetzt höher als beim Jahrgang 1968 beziehungsweise ist es aufgrund der bisherigen Entwicklung absehbar, dass sie höher ausfallen wird",

meldet das Statistische Bundesamt. Bereits Mitte Juli hatte die Statistikbehörde vorläufige Zahlen zur Geburtenentwicklung für das Jahr 2017 veröffentlicht. Das Handelsblatt spekulierte bereits vor einigen Tagen über die Geburtenzahl 2018, um den "Einbruch" der Geburten im Jahr 2017 in einem positiveren Licht erscheinen zu lassen. Die Statistik der Geburten der DESTATIS-Datenbank beziffert die Geburtenzahl 2017 mit 784.901 Lebendgeborenen. 

 
     
 
       
     
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 19. Dezember 2015
Update: 10. Februar 2019