|
Vorbemerkung
Die mediale Berichterstattung zur
Geburtenentwicklung richtet sich nicht nach der Faktenlage,
sondern nach politischen Interessen. Um diese deutlich zu machen
werden in dieser Bibliografie ab heute (02.07.2012) nach und
nach ausgewählte Medienberichte und Literatur zum Thema
chronologisch dokumentiert. Die Kommentare entsprechen jeweils
dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, falls nichts
anderes vermerkt ist.
Kommentierte Bibliografie (Teil 15: 2018)
Tabelle:
Die bislang veröffentlichten Geburtenzahlen für die
Bundesländer im Jahr 2016
(Stand: 29.03.2018; * GENESIS-Online-Datenbank; **
BIB. Abruf 19.01.2019) |
Bundesland |
Geburtenzahl
(vorläufig) |
Geburtenzahl
(endgültig) |
Geburtenrate
(TFR) |
Geburtenzahl
(Vorjahr) |
Alte Bundesländer |
Baden-Württemberg |
107.498 |
107.479 |
1,59 |
100.269 |
Bayern |
125.700 |
125.689
125.686* |
1,56 |
118.228 |
Berlin |
|
41.087
41.086* |
1,54 |
38.030 |
Bremen |
|
7.136* |
1,63** |
6.509 |
Hamburg |
|
21.480* |
1,55** |
19.768 |
Hessen |
60.700 |
60.731* |
1,58** |
56.889 |
Niedersachsen |
|
75.215* |
1,68** |
67.183 |
Nordrhein-Westfalen |
|
173.276
173.274* |
1,62 |
160.468 |
Rheinland-Pfalz |
|
37.518* |
1,60** |
34.946 |
Saarland |
|
8.215* |
1,49** |
7.511 |
Schleswig-Holstein |
|
25.420* |
1,61** |
23.549 |
Neue Bundesländer |
Brandenburg |
|
20.934 |
1,69 |
19.112 |
Mecklenburg-
Vorpommern |
|
13.443
13.442* |
1,56** |
13.298 |
Sachsen |
|
37.941
37.940* |
1,66** |
36.466 |
Sachsen-Anhalt |
18.093 |
18.092* |
1,62** |
17.415 |
Thüringen |
18.474 |
18.475 |
1,63** |
17.934 |
Deutschland (Gesamt) |
|
792.131 |
1,59 |
737.575 |
|
2018
KOPPETSCH, Cornelia
(2018): Land außer Sicht.
Aufgabe 2018: Wir freuen
uns, wenn einem Dorf ein Café eröffnet. Starke Politik gegen
schwache Strukturen ist das noch nicht,
in:
Freitag Nr.1 v.
04.01.
Deutschland ist zwar durch
"niedrige Geburtenraten" geprägt, aber nichtsdestotrotz steigt
die Geburtenrate und genau das ist in den nächsten Jahren eine
große Herausforderung.
Das ist jetzt schon besonders deutlich in Sachsen zu sehen,
wo die herrschende Politik aufgrund ihrer Unfähigkeit
abgestraft wurde und nun ein im Regierungsgeschäft
unerfahrener Politiker die Rolle des "Landesvaters" ausfüllen
muss, die eine ganze Nummer zu groß ist für dieses letzte
Aufgebot der CDU.
Sachsen-Anhalt
veröffentlicht in seinem Statistischen Bericht zur natürlichen
Bevölkerungsbewegung immer noch die Geburtenfolge innerhalb
von Ehen, obwohl seit 2009 die biologische Geburtenfolge
erfasst wird. Statistische Rückständigkeit und
Bevölkerungsvorausberechnungen, die Bevölkerungsentwicklungen
erst Jahre später nur nachvollziehen statt angemessen in
Rechnung zu stellen, treffen auf eine
Politik, die auf Schrumpfung und Alterung fixiert ist und
dadurch den Geburtenanstieg verschlafen hat. Aus der
nachfolgenden Tabelle ist die Differenz zwischen tatsächlicher
Geburtenentwicklung und prognostizierter Geburtenentwicklung
durch die Kultusministerkonferenz (KMK) ersichtlich:
Tabelle: Die
Entwicklung der Geburten in Sachsen-Anhalt 2009 - 2016 im
Vergleich zur
Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) |
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
Gesamtzahl |
17.144 |
17.300 |
16.837 |
16.888 |
16.797 |
17.046 |
17.415 |
18.093 |
Geburtenrate (TFR) |
1.371,4 |
1.411,6 |
1.423,5 |
1.448,6 |
1.462,4 |
1.500,9 |
1.538,6 |
|
KMK-Prognose |
|
17.323 |
16.816 |
16.669 |
16.218 |
15.744 |
15.232 |
14.691 |
Differenz |
|
- 23 |
+ 21 |
+ 219 |
+ 579 |
+ 1.302 |
+ 2.183 |
+ 3.402 |
|
Quelle:
Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt
(2016): Bevölkerung und Natürliche
Bevölkerungsbewegung 1990-2015;
Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz |
Die KMK ist für eine ausreichende
Versorgung mit Lehrern zuständig. Wie die Tabelle zeigt, klaffen
Realität und politische Prognoseunfähigkeit in steigendem Maße
auseinander. Obwohl - oder gerade weil - die Situation in
Ostdeutschland bereits angespannt ist, ist der Geburtenanstieg, der in
den nächsten Jahren anhalten wird, wenn eine Wirtschaftskrise nicht zu
verstärktem Geburtenaufschub führt, eine Herausforderung, die die
neuen Bundesländer kaum bewältigen können. Und sie werden durch
Politik und Medien nicht unterstützt, sondern allein gelassen mit
diesem Problem.
Fazit: Die Fixierung auf
Schrumpfung und Alterung führt dazu, dass die Chancen des
gegenwärtigen Geburtenanstiegs ungenutzt bleiben. Der lediglich
rhetorische Ruf nach Bildungsinvestitionen hat dazu geführt, dass die
bereits vorhandenen gravierenden Probleme im Bereich der
Kinderbetreuung und Grundschulversorgung nicht angegangen, sondern
ignoriert wurden. Mit Verweis auf die fernere Zukunft wird so die
Gegenwart verspielt.
MORGENSTERN, Tomas
(2017): Mit Fördergeld gegen den Verfall.
Brandenburg unterstützt mit
Millionensummen den Erhalt seines baulichen Denkmalerbes,
in:
Neues Deutschland v. 04.01.
Warum gibt
Brandenburg Millionen für "Kirchen und Religionsgemeinschaften" aus,
um deren Gebäude zu erhalten, während das Geld im Bildungssystem
besser angelegt wäre? Die deutschen Kirchen sind vermögend genug, um
ihre Gebäude selber zu erhalten!
Im Gegensatz zu anderen
ostdeutschen Ländern (z.B.
Sachsen) klafft die aktuelle Prognose der
Kultusministerkonferenz und die tatsächliche Geburtenentwicklung für
Brandenburg noch nicht so weit auseinander wie die nachfolgende
Tabelle zeigt:
Tabelle: Die
Entwicklung der Geburten in Brandenburg 2009 - 2015 im
Vergleich zur
Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK) |
Jahr |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014 |
2015 |
Gesamtzahl |
18.537 |
18.954 |
18.279 |
18.482 |
18.355 |
19.339 |
19.112 |
1. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
9.369 |
9.305 |
9.836 |
9.443 |
2. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
6.525 |
6.464 |
6.751 |
6.801 |
3. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
1.755 |
1.788 |
1.875 |
1.948 |
4. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
521 |
512 |
553 |
575 |
5. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
188 |
168 |
188 |
198 |
6. u.w. Kinder |
fehlt |
fehlt |
fehlt |
124 |
118 |
136 |
147 |
Geburtenrate (TFR) |
1.397,6 |
1.446,8 |
1.410,3
1.432,3* |
1.441,0
1.464,3* |
1.443,5
1467,7* |
1.550,3* |
1.533,5* |
KMK-Prognose |
|
18.954 |
18.279 |
18.600 |
18.300 |
17.900 |
17.500 |
Differenz |
|
0 |
0 |
- 118 |
+ 55 |
+ 1.439 |
+1.612 |
|
Quelle:
Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg, Statistische Berichte Eheschließungen,
Geborene und
Gestorbene in Brandenburg 2009 - 2015;
Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz
Anmerkung: * Geburtenrate auf Basis des Zensus 2011 |
In Brandenburg wurden 2016
zwischen Januar und November bereits 19.199 Kinder geboren (Prognose
KMK: 17.100). Zuerst wird man dieses Auseinanderklaffen bei der
Kinderbetreuung spüren und dann auch im Grundschulbereich. Lehrer,
die nicht rechtzeitig ausgebildet wurden, stehen nicht rechtzeitig
zur Verfügung. Zumal die Situation in anderen Bundesländern weit
angespannter ist.
Das Märchen über die Kinder der Babyboomer ("Echoeffekt") als Ursache
der steigenden Geburtenzahlen im Jahr 2015,
Exklusiv-Story von single-generation.de v. 07.01.
Immer wieder wird in den letzten Jahren behauptet, dass die Kinder
der Babyboomer für die steigenden Geburtenzahlen verantwortlich
wären. Es wird suggeriert, dass diese geburtenstarke Frauenjahrgänge
wären ("Echoeffekt"), die nun für steigende Geburtenzahlen sorgen
würden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn derzeit werden in
erster Linie die Kinder der geburtenschwachen
Frauenjahrgänge Mitte der 1980er Jahre
geboren. Aus dem nachfolgenden Schaubild ist zu ersehen, dass die
altersspezifischen Geburtenziffern (AGZ) der geburtenschwächsten
Frauenjahrgänge im Jahr 2015 am höchsten waren:
Wäre also der Echoeffekt
hauptverantwortlich für den Geburtenanstieg im Jahr 2015 gewesen,
dann müssten die Geburtenzahlen zurückgegangen sein statt zu
steigen.
"In
den Jahren 1981 bis 1991 gab es einen kleinen Babyboom in
Deutschland, damals stieg die Zahl der Geburten stark an",
erklärte uns z.B. Christina
BERNDT (SZ
01.7.2016) zu den Geburten des Jahres 2015. Sabine MENKENS (Welt
01.07.2016) hat uns das folgendermaßen erklärt:
"Beim Statistischen Bundesamt
hält man sich mit Deutungen über die Gründe für die wieder
ansteigenden Geburten (...) zurück. Zunächst einmal sei
festzuhalten, dass
es derzeit
einfach mehr Frauen im gebärfähigen Alter gebe – die Töchter
der Babyboomer nämlich, die Ende der 80er-Jahre geboren wurden und
jetzt selbst Mütter werden. 1964 wurde mit 1,36 Millionen Babys
der geburtenstärkste Jahrgang aller Zeiten gemessen, 1990 war mit
905.000 erneut ein sehr starker Jahrgang. Diese Kinder werden
jetzt nach und nach Eltern. Der Babyboom pflanzt sich quasi
wellenförmig fort."
Aus dem Schaubild ist dagegen
ersichtlich, dass der Echoeffekt erst in den nächsten Jahren
zunehmen wird, wenn die Kohortenstärke auf hohe altersspezifische
Geburtenziffern treffen. Trifft der Echoeffekt auf eine
steigende Kohortenfertilität (CFT) der Frauenjahrgänge,
dann verstärken sich diese Effekte noch. Wir sind auf einen solchen
Geburtenanstieg weder bei der Kinderbetreuung noch bei der
Grundschulversorgung vorbereitet. Die Fixierung von Politik,
Wissenschaft und Medien auf Schrumpfung und Alterung hat dafür
gesorgt, dass wir diesen Geburtenanstieg verschlafen haben.
In den nächsten Wochen werden
erste Ergebnisse zu der Geburtenentwicklung im Jahr 2017
veröffentlicht werden.
Erste Zahlen sind bereits in dieser Woche publiziert worden, z.B.
Kiel ist bei Geburten Spitzenreiter. Heike STÜBEN bezieht
sich dabei auf die Milupa-Geburtenliste:
"das Universitätsklinikum Kiel
hat 2017 um 6,6 Prozent auf 1500 Geburten zugelegt. Die Zahl der
Neugeborenen im Land ist allerdings noch höher als auf der Liste:
Denn bei der Abfrage, die Milupa am 2. Januar in den Kliniken
durchführte, werden Zwillinge und Mehrlinge immer nur als eine
Geburt gezählt. Hinzu kommt, dass eine unbekannte Zahl von
Entbindungen notgedrungen in Hamburg stattfand: Die werdenden
Mütter mussten in Schleswig-Holstein abgewiesen werden, weil es
immer wieder Engpässe bei Kinderkrankenschwestern, Ärzten und
Hebammen gibt." (Kieler Nachrichten Online v. 05.01.2018)
Deutschlandweit liegen für 2017
noch keine Zahlen vor. Die Amtsstatistik ist noch nicht einmal in
der Lage für 2016 Zahlen zum Geburtenanstieg zu liefern. Es liegt
zur Zeit lediglich eine Schätzung zu den Geburtenzahlen vor.
Die Bertelsmann-Stiftung hat
im Juli letzten Jahres auf Grundlage der Milupa-Geburtenliste eine
eigene Schätzung der Geburtenzahlen für 2016 vorgenommen. Diese
lagen noch unterhalb den vorläufigen Zahlen der Amtstatistiker.
Solange weder die Geburtenrate (TFR)
noch die altersspezifischen Geburtenziffern für 2016 vorliegen,
lassen sich auch die Zahlen für 2017 nicht angemessen einordnen,
obwohl das vielerorts wieder getan wird. Wir sollten uns vor
vorschnellen Einschätzungen der Geburtenentwicklung hüten.
Die Geburtenzahlen könnten weit länger auf dem gegenwärtigen Niveau
bleiben als Politik, Wissenschaft und Medien behaupten.
Ungeborene mögen keine Kinder bekommen, aber die Entwicklung der
potenziellen Mütter und die Kohortenfertilität können das
kompensieren oder sogar überkompensieren, sodass ein Einbruch der
Geburtenzahlen ausbleiben bzw. weit geringer ausfallen könnte als
immer wieder behauptet wurde. Das aber wird nur geschehen, wenn es
keine gravierende Wirtschaftskrise gibt, denn die wirtschaftliche
Entwicklung ist viel wichtiger für die weitere Geburtenentwicklung
als jene Faktoren, die immer wieder im Mittelpunkt der öffentlichen
Debatte stehen.
PRESSEPORTAL (2018): Aktuelle Milupa Geburtenliste zeigt: Geburtenrate
in Deutschland bleibt auch 2017 auf hohem Niveau,
in:
presseportal.de
v. 11.01.
Milupa meldet für das Jahr
2017 761.076 Geburten in deutschen Krankenhäusern. Das sind
424 Geburten mehr als im Jahr 2016.
Die Geburtenzahl von Milupa
für 2016 liegt ca. 32.000 Geburten unter den
vorläufigen Zahlen des Statistischen
Bundesamtes. Am Dienstag den 16.01. wird vom Statistischen
Bundesamt voraussichtlich eine erste Schätzung der
Geburtenzahl im Jahr 2017 veröffentlicht.
AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): Berlin wächst und wird
jünger,
in: Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg
v. 11.01.
Für Berlin werden 41.087 Geburten
für das Jahr 2016 gemeldet.
2015 waren 38.030 Kinder geboren worden. Die Prognose der
Kultusministerkonferenz, die für die Lehrerausbildung relevant ist,
lag für 2016 bei 30.200 Kindern, d.h. um über 10.800 Kindern unter
den tatsächlichen Geburtenzahlen.
Deutschland hat diesen Geburtenanstieg wegen seiner Fixierung auf
Schrumpfung und Alterung verschlafen. Das wird sich zuerst bei der
Kinderbetreuung rächen!
PAPON, Sylvain &
Catherine BEAUMEL (2018): Bilan démographique 2017.
Plus de 67millions d’habitants en
France au 1er janvier 2018,
in:
Insee Première v. 16.01.
Das Mütter-Vorbild Frankreich, das bei
Vereinbarungsverfechtern genauso beliebt ist wie bei Traditionalisten,
schwächelt bei der Geburtenentwicklung. Im Jahr 2017 wurden rund
767.000 Kinder geboren. Das waren ca. 17.000 weniger als im Vorjahr.
Die Geburtenrate ist von 1,92 auf 1,88 Kinder pro Frau gefallen. Seit
2013 sind die Geburtenzahlen zurückgegangen (Höchststand: 811.500).
Das Durchschnittsalter der französischen Mütter liegt bei 30,6 Jahren.
DESTATIS (2018): Bevölkerung in Deutschland zum Jahresende 2016 auf
82,5 Millionen Personen gewachsen,
Schätzung für 2017: Bevölkerungsstand von mindestens 82,8 Millionen
Menschen,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 16.01.
"2017 hat es im Vergleich
zu 2016 ungefähr gleich viele Geburten (770.000 bis 810.000
gegenüber etwa 790.000 im Jahr 2016) gegeben",
meldet das Statistische
Bundesamt zur Geburtenentwicklung.
Letztes Jahr lag die Schätzung für 2016 bei 730.000 -
770.000 Geburten. Bereits vor 5 Tagen lagen Zahlen für die Krankenhausgeburten 2017
vor, die nur knapp über denen des Vorjahres lagen.
STATA
MV (2018): Rückgang der Bevölkerung 2016,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Landesamt
Mecklenburg-Vorpommern v. 17.01.
"Im Zeitraum 01.01. bis
31.12.2016 wurden 13.443 Kinder lebend geboren. Das waren 145
Neugeborene oder 1,1 Prozent mehr als im Jahr 2015", meldet
das Statistische Landesamt von Mecklenburg-Vorpommern.
STALA
THÜRINGEN (2018): Geburtenrate im Jahr 2016 in Jena am
höchsten.
Kyffhäuserkreis mit der höchsten
Sterberate,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Landesamt Thüringen v. 30.01.
"Im Jahr 2016 kamen nach
endgültigen Ergebnissen in Thüringen 18.475 Kinder auf die
Welt. Absolut betrachtet wurden mit 2.177 Kindern die meisten
Babys in der Stadt Erfurt geboren. Setzt man die Zahl der
Geborenen jedoch ins Verhältnis zur Einwohnerzahl des
jeweiligen Kreises, und errechnet damit die so genannte
Geburtenrate, so hatte die Stadt Jena die Nase vorn. Wie das
Thüringer Landesamt für Statistik mitteilt, wurde in Jena im
Jahr 2016 mit 10,4 Kindern auf 1.000 Einwohner die höchste
Geburtenrate erzielt, gefolgt von der Stadt Erfurt mit 10,3
Kindern und der Stadt Weimar mit 10,2 Kindern.
Unter den Landkreisen hatten das Eichsfeld mit 9,9 lebend
geborenen Kindern auf 1.000 Einwohner, das Weimarer Land (9,0
Kinder je 1.000 Einwohner) und der Landkreis Sömmerda (8,9
Kinder je 1.000 Einwohner) die besten Werte bei der
Geburtenrate. Die wenigsten Kinder in Relation zur
Einwohnerzahl wurden bei den Landkreisen im Landkreis Greiz
(6,7 Kinder je 1.000 Einwohner), im Altenburger Land (6,8
Kinder je 1.000 Einwohner) und im Landkreis Sonneberg (7,4
Kinder je 1.000 Einwohner) geboren. Bei den kreisfreien
Städten hatte Suhl mit 7,6 Kindern auf 1.000 Einwohner die
geringste Geburtenrate, gefolgt von der Stadt Gera mit 8,3
Kindern und der Stadt Eisenach mit 8,5 Kindern auf 1.000
Einwohner",
meldet das Thüringer
Landesamt für Statistik. Bei der veröffentlichten
"Geburtenrate" handelt es sich lediglich um die
rohe
Geburtenziffer, die durch die Altersstruktur verfälscht
wird. Die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR), d.h. die
Geburten je gebärfähiger Frau, wird dagegen nicht mitgeteilt.
STATISTIK BAYERN (2018): Höchster Geburtenanstieg in Bayern seit
1990.
Im Vergleich zum Vorjahr
stiegen die Lebendgeburten um 6,3 Prozent an,
in:
Pressemitteilung des
Bayerischen Landesamt für
Statistik v. 01.02.
"Im Jahr 2016 kamen in
Bayern 125.689 Babys lebend zur Welt, davon 61.186 Mädchen
und 64.503 Jungen. Auf 100 weibliche kommen damit etwa 105
männliche Lebendgeborene. Nach Angaben des Bayerischen
Landesamts für Statistik waren das rund 6,3 Prozent mehr
Geburten (+7.461) als im Vorjahr 2015. Wie das Bayerische
Landesamt für Statistik weiter mitteilt, registrierten alle
Regierungsbezirke im Jahr 2016 Geburtenanstiege. Die
deutlichste Zunahme ergab sich für den Regierungsbezirk
Schwaben (+8,87 Prozent), gefolgt von Mittelfranken (+8,48
Prozent), Oberfranken (+7,15 Prozent), Unterfranken (+6,37
Prozent), Oberbayern (+5,37 Prozent), Niederbayern (+5,06
Prozent) und der Oberpfalz (+3,22 Prozent)",
meldet das Bayerische
Landesamt für Statistik, das bereits
im November vorläufige Geburtenzahlen für Bayern im Jahr
2016 gemeldet hatte.
IT NRW (2018): 2016 wurden in NRW acht Prozent mehr Kinder
geboren als 2015.
Zahl der Sterbefälle sank um
ein Prozent,
in:
Pressemitteilung
Information und Technik
Nordrhein-Westfalen v. 01.02.
"Im Jahr 2016 wurden in
Nordrhein-Westfalen 173.276 Kinder geboren; das waren 8,0
Prozent mehr als 2015 (damals: 160.468). Wie Information und
Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des
Landes mitteilt, war die Geburtenzahl damit so hoch wie seit
dem Jahr 2000 nicht mehr (damals: 175.144). Das
Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt ihres ersten
Kindes lag im Jahr 2016 bei 29,5 Jahren. 3.301 Frauen brachten
6.656 Mehrlingskinder zur Welt, darunter befanden sich 3.248
Zwillings-, 52 Drillingsgeburten und eine Vierlingsgeburt.
(...).
Bei der Betrachtung der Entwicklung der Geburtenzahlen in den
kreisfreien Städten und Kreisen des Landes zeigt sich, dass
2016 nur im Kreis Olpe (−3,1 Prozent) und in Leverkusen (−1,1
Prozent) weniger Kinder geboren wurden als ein Jahr zuvor. Die
höchsten Anstiege der Geburtenzahlen im Vergleich zum Vorjahr
gab es in den Städten Remscheid (+18,2 Prozent) und Mülheim an
der Ruhr (+18,0 Prozent)", meldet die amtliche Statistikstelle
des Landes Nordrhein-Westfalen.
STALA BW (2018): Im Schnitt 1,59 Kinder je Frau – Höchste Geburtenrate
seit über 40 Jahren.
Deutliche regionale Unterschiede in
Baden-Württemberg: Alb-Donau-Kreis mit höchster, Heidelberg mit
niedrigster Geburtenhäufigkeit,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Landesamt
Baden-Württemberg v. 15.02.
Die Geburtenrate (TFR) ist in
Baden-Württemberg von 1,36 (2011) auf 1,59 (2016) angestiegen.
DESTATIS (2018): Kinderlosenquoten nach beruflicher Stellung und
Bildung nähern sich an,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 07.03.
"Der endgültige Anteil
der kinderlosen Frauen nahm zwischen 2012 und 2016 nach
einem zuvor langanhaltenden Anstieg nur geringfügig von 20 %
auf 21 % zu. (...) Unter der endgültigen Kinderlosenquote
wird hier der Anteil der Frauen, die kein Kind geboren
haben, an allen Frauen der jeweiligen beruflichen Gruppe im
Alter zwischen 42 und 49 Jahren verstanden",
heißt es in der
Pressemitteilung. Der Begriff "endgültige Kinderlosenquote"
ist eine willkürliche Definition, die nicht begründet wird.
Der Begriff umfasst im Jahr 2012 die Frauenjahrgänge 1963 -
1970 und im Jahr 2016 die Frauenjahrgänge 1967 - 1974.
Von endgültiger
Kinderlosigkeit kann analog zur Definition der Geburtenrate (TFR/CFR)
nur bei einem Frauenjahrgang im Alter von 49 Jahren gesprochen
werden.
Die Website des Statistischen Bundesamts weist im
Gegensatz zur Pressemeldung für den Frauenjahrgang 1967 eine
"endgültige Kinderlosenquote" von 20,8 Prozent aus, wobei
diese als eine zusammengefasste Angabe aus den MZ 2008, 2012
und 2016 beschrieben wird. Im Jahr 2008 war der Frauenjahrgang
1967 erst 41 Jahre alt, während er 2016 49 Jahre alt war. Wie
diese Zusammenführung erfolgt, darüber schweigt sich das
Statistische Bundesamt aus.
Hätte man nur die Altersgruppe der 45 - 49jährigen Frauen
statt der 42 - 49jährigen Frauen betrachtet, dann gäbe es
keinen geringfügigen Anstieg bei der Kinderlosigkeit zu
vermelden (Quelle: Website des Statistischen Bundesamts
hier). Es zeigt sich also, dass der Vorwurf der
Willkürlichkeit berechtigt ist. Allein aufgrund
unterschiedlicher Darstellungsweisen von Ergebnissen, werden
unterschiedliche Entwicklungen bei der Kinderlosigkeit
suggeriert. Der Glaubwürdigkeit schadet dies eher, wenn man
die Gesetze der Ökonomie der Aufmerksamkeit so offensichtlich
zu bedienen versucht wie hier das Statistische Bundesamt.
"Während die
Kinderlosenquote bei den Nicht-Akademikerinnen 2012 und 2016
rund 20 % betrug, sank sie bei den Akademikerinnen von 28 %
auf 27 %",
heißt es lapidar in der
Pressemitteilung. Ausführlicher wird dagegen auf die
Unterschiede in einzelnen Berufsfeldern bzw. der Stellung im
Beruf eingegangen.
Fazit: Die Datenlage zur
Geburtenentwicklung in Deutschland ist immer noch
katastrophal. Neue Daten zur Kinderlosigkeit werden erst
wieder im Jahr 2020 erhoben. Weder für 2016 noch für 2017
liegen derzeit bundesweite endgültige Zahlen zu Geburtenzahl
und Geburtenrate vor. Bevölkerungsvorausberechnungen zeigen
ein völlig überholtes Bild von der Geburtenentwicklung. Das
hat gravierende Auswirkungen für Studien zum Bedarf von
Kinderbetreuung und Grundschullehrern. Das zeigt z.B. eine
gerade erschienene Studie zum Fachkräftemangel in Thüringen
bis 2030, in der die wirklichen Herausforderungen vollkommen
ausgeblendet sind! Politik, die sich an Entwicklungen der
Vergangenheit orientiert und sie einfach in die Zukunft
fortschreibt, muss zwangsläufig scheitern.
STATISTIK BAYERN (2018): Anstieg der Geburtenziffer in allen
Regierungsbezirken Bayerns.
Die zusammengefasste
Geburtenziffer lag im Jahr 2016 im Freistaat bei 1,56 Kindern je
Frau,
in:
Pressemitteilung des
Bayerischen Landesamt für Statistik v. 07.03.
"Im Jahr 2016 ist die Zahl der
Lebendgeburten deutlich angestiegen (+6,3 Prozent auf rund 125.700).
Dieser Anstieg wirkte sich positiv auf die zusammengefasste
Geburtenziffer (engl. total fertility rate; TFR) aus, die für Bayern
von 1,48 (2015) auf 1,56 Kindern je Frau im Jahr 2016 anstieg. Der
regionale Vergleich zeigt, dass für jeden bayerischen Regierungsbezirk
im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der zusammengefassten
Geburtenziffer verzeichnet werden konnte. Dabei wies Schwaben mit 1,65
Kindern je Frau den höchsten Wert auf. Auf Kreisebene variiert die
Geburtenziffer zwischen 1,20 in der kreisfreien Stadt Bayreuth und
1,81 in der kreisfreien Stadt Memmingen", meldet das Bayerische
Landesamt für Statistik.
IT NRW (2018):
Durchschnittliche Kinderzahl je Frau in NRW auch 2016 weiter
angestiegen,
in:
Pressemitteilung
Information und Technik
Nordrhein-Westfalen v. 07.03.
"Die durchschnittliche Kinderzahl
je Frau (das ist die zusammengefasste Geburtenziffer, die das
aktuelle Geburtenverhalten beschreibt) erreichte in
Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 mit 1,62 den höchsten Wert
seit dem Jahr 1972 (1,69). Wie Information und Technik
Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes
mitteilt, war dieser Wert bereits 2013 (1,41), 2014 (1,48) und
auch 2015 (1,52) jeweils im Vergleich zum Vorjahr
gestiegen.(...).
Die regionale Entwicklung der durchschnittlichen Kinderzahl je
Frau zeigt im Jahr 2016 für 51 kreisfreie Städte bzw. Kreise
höhere Werte als ein Jahr zuvor. Den stärksten Anstieg
gegenüber 2015 gab es 2016 in der kreisfreien Stadt Remscheid
(von 1,58 auf 1,82). Leichte Rückgänge verzeichneten nur der
Kreis Olpe (von 1,69 auf 1,63) und Leverkusen (von 1,63 auf
1,61). Der höchste Wert hinsichtlich der durchschnittlichen
Kinderzahl je Frau wurde 2016 im Kreis Minden-Lübbecke mit
1,86 erreicht, der niedrigste in Münster mit 1,35. Allgemein
lässt sich beobachten, dass die durchschnittliche Kinderzahl
je Frau bei der Mehrzahl der Kreise oberhalb des NRW-Wertes
lag.(...).
Die Frauen des Jahrgangs 1967 erreichten im Jahr 2016 das
Alter von 49 Jahren; sie brachten im Laufe ihres Lebens
durchschnittlich 1,5 Kinder je Frau zur Welt.
Insgesamt wurden im Jahr 2016 in Nordrhein-Westfalen mit
173.276 Babys 8,0 Prozent mehr Kinder geboren als 2015",
meldet Information und Technik Nordrhein-Westfalen.
SIEMS, Dorothea
(2018): Qualifiziert, weiblich, kinderlos.
Die Zahl der
Akademikerinnen ohne Nachwuchs wächst. IT-Kräfte,
Naturwissenschaftlerinnen und Staatsdienerinnen verzichten
besonders oft auf eine Familiengründung,
in:
Welt v. 08.03.
"Während die
Kinderlosenquote bei den Nicht-Akademikerinnen 2012 und 2016
rund 20 % betrug, sank sie bei den Akademikerinnen von 28 %
auf 27 %",
meldete gestern das
Statistische Bundesamt. Bei Dorothea SIEMS heißt es nun:
"Jede fünfte Frau
zwischen 42 und 49 Jahren ist hierzulande ohne Nachwuchs.
Besonders hoch ist dabei der Anteil der Akademikerinnen, von
denen sogar 27 Prozent zeitlebens keine Kinder haben.
Waren 2012 rund 660.000 Frauen dieser Altersgruppe
kinderlos, sind es mittlerweile schon 718.000".
Durch Weglassen der 28 %
kinderlosen Akademikerinnen im Jahr 2012 und die Nennung
absoluter Zahlen wird die bereits tendenziöse Pressemitteilung
des Statistischen Bundesamts noch einmal dramatisiert. SIEMS
schreibt zudem von "dauerhafter Kinderlosigkeit", wo lediglich
von Noch-Kinderlosen die Rede sein müsste. Gerade
Akademikerinnen und Wissenschaftlerinnen bekommen noch nach 42
Jahren erste Kinder. Das zeigt sich, wenn man die Altersgruppe
der 45 - 49-Jährigen betrachtet, denn dann ist gar kein
Anstieg der Kinderlosigkeit mehr zu verzeichnen.
Die Daten des Statistischen
Bundesamtes ergeben sowohl für die kinderlosen Frauen in
Deutschland insgesamt als auch für die Akademikerinnen KEINEN
ANSTIEG, sondern im Gegenteil einen Rückgang. Das kann jeder
selber überprüfen anhand der Daten auf der Website des
Statistischen Bundesamts.
Nimmt man die Tabellenbände
Daten zu Kinderlosigkeit, Geburten und Familien von
2012 (aktualisiert 2015, Tabelle 3.1, S.12) und von 2016
(Tabelle 3.1, S.45) zur Hand, dann ergibt sich für die
Altersgruppe der 45- bis 49-Jährigen sogar ein Rückgang der
Anzahl der Kinderlosen um ca. 34.000 Frauen von 635.000 (2012)
auf 601.000 (2016). Bei den 40- bis 49-Jährigen Frauen gab es
sogar einen Rückgang von 616.000 auf 499.000, also um rund
117.000 Frauen.
Auch bei den
Akademikerinnen gab es einen Rückgang in beiden Altersgruppen,
der aus der Tabelle 3.5 zu ersehen ist (2012: S 19.; 2016:
S.52)
Die Abgrenzungen des
Begriffs "Akademikerin" ist jedoch unterschiedlich zur
Definition in der Pressemeldung bei der der Begriff
"Akademikerin" enger gefasst wird. Nach Rückfrage mit dem
Statistischen Bundesamt entspricht dieser Definition die
Tabelle 3.7 (2012: S.33 ; 2016: S.68). 2012 wurden
Fachhochschulabschlüsse noch getrennt ausgewiesen, die 2016
nur noch zusammen ausgewiesen wurden. Aus der folgenden
Übersicht ist die Entwicklung bei diesem engen Begriff
ersichtlich:
Auch bei einem engen
Begriff von Akademikerin kommt man zwischen 2012 und 2016 auf
einen geringfügigen Rückgang und nicht auf einen Anstieg.
Wie also kommt SIEMS zu
ihren Zahlen? Offensichtlich wurden die Angaben in der Tabelle
der Pressemitteilung falsch gelesen. Nach Rücksprache mit dem
Statistischen Bundesamt ergibt sich folgende Lesart: In der
Tabelle 1 der Pressemitteilung befindet sich die Rubrik der
Erwerbstätigen mit akademischem Bildungsabschluss. Unter der
Überschrift "Gesamtzahl der Frauen" finden sich die Zahlen
660.000 (Jahr 2012) und 718.000 (Jahr 2016). Diese Zahlen
betreffen jedoch nicht die Kinderlosen, sondern die Gesamtzahl
der Mütter und Kinderlosen. Der Anteil der Akademikerinnen ist
von 28 % auf 27 % gefallen. Die Anzahl der kinderlosen
Akademikerinnen wären im Jahr 2012 nur 28 Prozent der 660.000
Frauen, d.h. rund 184.800 Frauen. Im Jahr 2017 wären es
dagegen 27 Prozent der 718.000 Frauen, d.h. rund 193.860.
Für die 42- bis 49-Jährigen
kinderlosen Akademikerinnen (enger Begriff) ergibt sich also
kein Anstieg um 58.000 Frauen wie es in der Welt heißt,
sondern ein Anstieg von nur 9.060 Frauen, wobei bereits
aufgrund von Rundungen bei den Prozentzahlen und anderen
Ungenauigkeiten sich die Unterschiede noch weiter reduzieren
könnten. Nimmt man hinzu, dass für die größere Altersgruppe
der 40- bis 49-Jährigen sogar ein Rückgang von 6.000 Frauen zu
verzeichnen ist, dann deutet dies darauf hin, dass die
jüngeren Akademikerinnen sogar zu einem geringeren Anteil
kinderlos bleiben werden.
Fazit: Durch die
Fehlinterpretation der Pressemitteilung des Statistischen
Bundesamts wird aus einem Rückgang der endgültigen
Kinderlosigkeit bei den Akademikerinnen ein Anstieg. Bereits
der Begriff "endgültige Kinderlosenquote" ist fragwürdig, wenn
dies mit dauerhafter Kinderlosigkeit gleich gesetzt wird. Erst
mit der Mikrozensuserhebung im Jahr 2020 wird das ganze Ausmaß
des Rückgangs der Kinderlosigkeit ersichtlich werden.
Anm.: In der
Online-Version des Artikels wurden die Angaben (Stand
15.31) mittlerweile auf Intervention von single-dasein.de
beim Statistischen Bundesamt korrigiert. Dort heißt es nun:
"Jede fünfte Frau im
Alter zwischen 42 und 49 Jahren ist hierzulande ohne
Nachwuchs. Besonders hoch ist dabei der Anteil der
Akademikerinnen, von denen sogar 27 Prozent zeitlebens keine
Kinder haben.
Waren 2012 rund 188.000 Frauen dieser Altersgruppe
kinderlos, sind es mittlerweile schon 194.000."
Statt der 58.000 Frauen
sind es also nur noch rund 6.000 Frauen.
SIEMS zitiert am Ende ihres
Artikels Aussagen von Martin BUJARD, die auf einen weiteren
Rückgang der Akademikerinnenkinderlosigkeit hindeuten:
"So hätten 29 Prozent der
1969 geborenen Akademikerinnen keinen Nachwuchs, während die
Mitte der 70er-Jahre geborenen Akademikerinnen nur noch zu
26 Prozent kinderlos seien."
Auch diese Aussagen sind
jedoch fragwürdig. In einem
Beitrag von BUJARD & DIABATE für die Zeitschrift Der
Gynäkologe (Heft 5/2016) heißt es:
"Tatsächlich
liegt die Kinderlosigkeit bei den 1960er-Frauenjahrgängen
bei 19,7 %, die höchste hat der 1969er-Jahrgang mit 22,1 %.
Bei Akademikerinnen ist die Kinderlosigkeit v. a. in
Westdeutschland hoch: Bei den in den 1960er-Jahren geborenen
Frauen mit Hochschulabschluss liegt die Kinderlosigkeit bei
29,1%. Ihr langjähriger Anstieg ist jedoch inzwischen
gestoppt" (2016, S.395)
Die 29 Prozent beziehen
sich also nicht auf Deutschland, sondern auf die westdeutschen
Akademikerinnen und nicht etwa auf den Jahrgang 1969, sondern
auf die "in den 1960er-Jahren geborenen Frauen", wobei die
Daten noch aus dem Mikrozensus 2012 und nicht aus dem
aktuellen Mikrozensus 2016 stammen. Noch 2012 hieß es bei
BUJARD in dem Aufsatz
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten?:
"Bei den Akademikerinnen
ist die Kinderlosigkeit von 25,4 Prozent 1982 über 29,6
Prozent 1991 auf den Höchstwert von 34,5 Prozent im Jahr
2000 gestiegen. Auf diesem hohen Niveau hat sich die
Kinderlosigkeit seitdem stabilisiert und mit einem Wert von
31,5 Prozent im Jahr 2011 nur minimal reduziert. Der Befund
ähnelt insofern dem der durchschnittlichen Geburtenzahl: Der
Anstieg der Kinderlosigkeit ist vorerst gestoppt." (2012,
S.20)"
Dies zeigt, dass Aussagen
zur Kinderlosigkeit von Akademikerinnen eine kurze
Halbwertszeit haben. Die Ergebnisse zur Entwicklung der
Kinderlosigkeit sind - im Gegensatz zur Meinung von SIEMS -
keine "traurige Nachricht zum Weltfrauentag", sondern zeigen,
dass sich auch im privaten Umfeld Fortschritte ergeben haben.
Vor allem im Vergleich mit den Nuller Jahren, können
heutzutage gewollt Kinderlose nicht mehr so leicht an den
Pranger gestellt werden.
Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die fatale Fixierung auf
die Kinderlosigkeit eher dazu führt, dass die wirklichen
Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte aus dem Blick
geraten sind.
AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018):
1,54 Kinder je Frau in Berlin,
in:
Pressemitteilung des Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg v. 08.03.
"Im Jahr 2016 wurden in Berlin 41
087 Kinder geboren. Daraus ergibt sich eine zusammengefasste
Geburtenziffer1 von 1,54 Kindern je Frau. Das ist der höchste Wert
seit der Wiedervereinigung. Im Vorjahr lag die Geburtenziffer noch bei
1,45 Kindern je Frau. Dies entspricht einem Zuwachs von 5 Prozent.
(...).
Im Durchschnitt war eine Mutter aus Berlin bei der Geburt ihres Kindes
31,4 Jahre alt. War es ihr erstes Kind, betrug ihr Alter im
Durchschnitt 30,2 Jahre", meldet das Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg.
AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018):
1,69 Kinder je Frau in Brandenburg,
in:
Pressemitteilung des Amt für Statistik
Berlin-Brandenburg v. 08.03.
"Im Jahr 2016 wurden in Brandenburg
20 934 Kinder geboren. Daraus ergibt sich eine
zusammengefasste Geburtenziffer1 von 1,69 Kindern je Frau. Das
ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Im Vorjahr
lag die Geburtenziffer noch bei 1,53 Kindern je Frau. Dies
entspricht einem Zuwachs von 10 Prozent. (...).
Unter den kreisfreien Städten und Landkreisen wiesen die
Frauen im Landkreis Prignitz mit 1,92 Kindern je Frau die
höchste Geburtenneigung auf. Die Landkreise
Oberspreewald-Lausitz (1,79) und Ostprignitz-Ruppin (1,78)
hatten die zweit- und dritthöchste Geburtenziffer im Land. Die
geringste Geburtenneigung wurde in den vier kreisfreien
Städten verzeichnet. Bemerkenswert ist dabei, dass in Potsdam
zwar die meisten Kinder geboren wurden, jedoch mit 1,50
Kindern je Frau die zweitniedrigste Geburtenziffer ausgewiesen
wurde. Die geringste Geburtenneigung wurde in Cottbus mit 1,46
Kindern je Frau festgestellt. Im Durchschnitt war eine Mutter
aus Brandenburg bei der Geburt ihres Kindes 30,6 Jahre alt.
War es ihr erstes Kind, betrug ihr Alter im Durchschnitt 28,9
Jahre. Unter den kreisfreien Städten und Kreisen war eine
Mutter bei der Geburt in Frankfurt (Oder) mit 29,1 Jahren am
jüngsten und mit 31,6 Jahren in Potsdam am ältesten.", meldet
das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
DESTATIS (2018):
Geburtenanstieg setzte sich 2016 fort,
in:
Pressemitteilung des Statistischen
Bundesamts v. 28.03.
"2016 wurden in Deutschland 792.131
Kinder geboren. Das waren 54.556 Babys oder 7 % mehr als 2015
(737.575). (Damit) stieg die Anzahl der Geborenen (...) das fünfte
Jahr in Folge und erreichte wieder das Niveau von 1996. In allen
Bundesländern kamen 2016 mehr Kinder zur Welt als im Vorjahr. In
den westdeutschen Flächenländern und in den Stadtstaaten stieg die
Geborenenzahl durchschnittlich um 8 %, während sie in den
ostdeutschen Flächenländern mit + 4 % etwas schwächer zunahm",
meldet das Statistische Bundesamt
zur Entwicklung der absoluten Geburtenzahlen.
Im Januar 2017 prognostizierte das Statistische Bundesamt noch
eine Geburtenzahl zwischen 730.000 und 770.000 Geburten für das Jahr
2016.
Im November 2017 wurde dann die vorläufige Schätzung auf 792.000
Geburten erhöht.
Zur
zusammengesetzten Geburtenziffer (TFR) heißt es:
"Die zusammengefasste
Geburtenziffer lag 2016 bei 1,59 Kindern je Frau. Das ist der
höchste seit 1973 gemessene Wert und deutlich höher als 2015 (1,50
Kinder je Frau). (...).
Mit der aktuellen Geburtenziffer von 1,59 Kindern je Frau rückte
Deutschland ins europäische Mittelfeld auf. Im EU-Durchschnitt
betrug 2016 die zusammengefasste Geburtenziffer nach Angaben des
Europäischen Statistikamtes (Eurostat) 1,60 Kinder je Frau. Die
höchste Geburtenhäufigkeit in der EU hatten Frauen in Frankreich
mit 1,92, die niedrigste in Spanien und Italien mit 1,34 Kindern
je Frau."
Wichtiger als diese Geburtenrate
ist die
Entwicklung der endgültigen Kinderzahl von Frauenjahrgängen (CFT).
Dazu wird gemeldet:
"Die Frage nach der Zahl der
Kinder, die Frauen im Laufe ihres Lebens tatsächlich bekommen
haben, kann für Frauenjahrgänge beantwortet werden, die das Ende
des gebärfähigen Alters erreicht haben, das statistisch mit 49
Jahren angesetzt wird. Im Jahr 2016 waren es die Frauen des
Jahrgangs 1967. Ihre endgültige durchschnittliche Kinderzahl
betrug 1,50 Kinder je Frau."
Der Frauenjahrgang 1967 hat damit
weniger Kinder geboren als die vorangegangenen Frauenjahrgänge. Beim
Frauenjahrgang 1966 waren es 1,52 Kinder pro Frau. Der Wendepunkt
wird von Bevölkerungswissenschaftlern seit längerem für die Frauen des
Geburtsjahrgangs 1968 prognostiziert. Das Statistische Bundesamt
weist in seiner Online-Datenbank aktuell für den Geburtsjahrgang
1968 bis zum Alter von 48 Jahren eine Kinderzahl von 1,491 aus. Dies
bedeutet den Tiefststand, denn der Frauenjahrgang 1969 kommt im
Alter von 47 Jahren bereits auf 1,494. Der Frauenjahrgang 1970 liegt
mit 46 Jahren bei 1,51 Kindern pro Frau.
Kein einziger Frauenjahrgang wird
damit eine Kinderzahl von 1,40 oder gar 1,30 erreichen wie dies
durch die zusammengefasste Geburtenziffer noch in den Nuller Jahren
suggeriert wurde und von nationalkonservativen
Bevölkerungswissenschaftlern zur Entfachung einer Hysterie genutzt
wurde. Die Kollateralschäden dieser Fixierung auf das Aussterben und
Schrumpfen hat dazu geführt, dass
der Geburtenanstieg in Deutschland verschlafen wurde. In den
nächsten Jahren werden dadurch Erzieher und Grundschullehrer fehlen.
Schon jetzt ist die Lage vielerorts verzweifelt. Dass sich nun die
Bundesländer gegenseitig ihre wenigen Lehrer abjagen macht die Sache
nicht besser.
Der Versuch des Statistischen
Bundesamtes den Geburtenanstieg klein zu reden und die Mithilfe von
Politik und Medien rächen sich nun. Frankreich ist an der Bewältigung seines Geburtenanstiegs
gescheitert, mit der Folge, dass die Geburtenrate in den letzten
Jahren gesunken ist. Das gleiche Schicksal droht auch
Deutschland, wenn die Medien den Geburtenanstieg weiter verharmlosen
- nur um rentenpolitisch umsteuern zu können. Der Soziologe Karl
Otto HONDRICH hat in seinem 2007 erschienenen Buch bezweifelt, dass
Frankreich das
Ideal einer nachhaltigen Gesellschaft ist.
Nicht die Bestandserhaltung der Bevölkerung, sondern die
Problemlösefähigkeit der Gesellschaft ist die entscheidende Größe,
die das Überleben einer Gesellschaft sichert.
Die aktuelle
Bevölkerungsvorausberechnung vom März 2017 ging noch von einer
Geburtenrate von 1,5 Kindern pro Frau aus, weshalb die Zahl der
Kinder für 2016 mit 747.000 Lebendgeborenen um rund 45.000 Kinder zu
niedrig lag. Für das Jahr 2017 wird mit 754.000 Kindern gerechnet.
Die Milupa-Geburtenliste weist für
2017 eine geringfügig
höhere Geburtenzahl wie für
2016 aus, d.h. die Kluft zwischen tatsächlicher und
prognostizierter Geburtenzahl könnte sich auf ca. 90.000 Kinder
allein für die Jahre 2016 und 2017 ausweiten.
Die aktualisierte
Bevölkerungsvorausberechnung wird in vielen Bereichen jedoch noch
nicht einmal verwendet, sondern immer noch wird die
völlig überholte
Bevölkerungsvorausberechnung vom April 2015 verwendet. Im
Bildungsbereich ist noch nicht einmal das der Fall. Die Folgen sind
für die weitere Entwicklung Deutschlands katastrophal. Eine schnelle
Aktualisierung ist unabdingbar. Das Statistische Bundesamt versucht
seit Jahren den Geburtenanstieg zu verharmlosen. Diese
Defensivtaktik führt dazu, dass der Geburtenanstieg in Deutschland
verschlafen wird. Hinzu kommt, dass sich die Veröffentlichung der
Geburtenzahlen stark verzögert. Dies scheint der Politik gerade
Recht zu sein, denn positive Entwicklungen bei den Geburten kommen
jene in die Quere, die den demografischen Wandel gerne als
Drohmittel benutzen möchten.
WIESE, Hans-Joachim (2018): Babyboom - dank besserer
Familienpolitik.
Uta Meier-Gräwe im Gespräch,
in:
DeutschlandRadio
v. 28.03.
Uta MEIER-GRÄWE schreibt den
jetzigen Geburtenanstieg dem "Perspektivenwechsel in der
Familienpolitik und auch in der Frauenpolitik seit etwa 2005" zu.
Dem widerspricht, dass der Ökonom Detlef GÜRTLER bereits im Jahr
2003 nachgewiesen hat, dass die in den 1970er Jahren geborenen
westdeutschen Frauen wieder mehr Kinder bekommen haben. Das
Elterngeld könnte dagegen den Geburtenaufschub verstärkt haben,
wodurch der Geburtenanstieg verzögert wurde. Zudem war es
kontraproduktiv, dass die Medien Kinderlose an den Pranger gestellt
haben. Dies verstärkte den unsinnigen Eindruck, dass Kinderlosigkeit
zur neuen Normalität geworden wäre. Die Kinderwunschforschung, die
diesen falschen Eindruck erst erweckt hat, hat sich inzwischen als
Irrweg herausgestellt. Erst nachdem sich die medial entfachte
Hysterie legte, stiegen die Geburten wieder an. Es ist also
kurzschlüssig, wenn nun der Geburtenanstieg als Erfolg der
Familienpolitik dargestellt wird. Es sind viele Faktoren gewesen,
die zur Verzögerung des Geburtenanstiegs führten, u.a. die Fixierung
auf die Kinderlosigkeit, während die Bedeutung des Rückgangs der
kinderreichen Familien ignoriert wurde. Die Forschung zu den
Ursachen der Geburtenentwicklung werden durch die immer noch
mangelhafte Datenlage erschwert. So werden Geburtenzahlen - anders
als Abtreibungszahlen- nicht einmal im jährlichen Abstand, ganz zu
schweigen wie Abtreibungen im vierteljährlichen Abstand in
Pressemitteilungen veröffentlicht. Die Fixierung auf das Aussterben,
die sich darin ausdrückt, ist wenig hilfreich. Wer sich über die
Indikatoren der Geburtenentwicklung informieren will, der muss sich
mühsam die Zahlen selber zusammensuchen. Da das Statistische
Bundesamt seine Veröffentlichungspraxis in dieser Weise - ohne
Aufschrei der Öffentlichkeit - durchziehen kann, wirft das auch ein
bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der Deutschen zum
demografischen Wandel aus: Er wird nicht als Chance, sondern als
Bedrohung wahrgenommen.
SÜDDEUTSCHE
ZEITUNG-Tagesthema:
Babyboom.
Jahrelang wurde vor der
Überalterung der Gesellschaft, vor Löchern in der Rentenkasse und
vor Fachkräftemangel gewarnt. Dabei hat sich der Trend umgekehrt.
In Deutschland kommen so viele Kinder wie seit Jahrzehnten nicht
mehr zur Welt. Was auf lange Sicht willkommen ist, schafft
kurzfristig Probleme: Wer betreut die Kinder? Sind Städte und
Gemeinden auf die neue Lage vorbereitet? |
ECKARDT,
Ann-Kathrin (2018): Die Rückkehr der Kinder.
Statistisch ist die Geburtenziffer
pro Frau in Deutschland so hoch wie seit fast einem halben
Jahrhundert nicht mehr. Das liegt natürlich an der Zuwanderung. Doch
es gibt wohl einen weiteren wichtigen Grund: die Reformen in der
Familienpolitik,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.03.
Wäre Ann-Kathrin
ECKARDT eine Schülerin, dann müsste ihr Lehrer ihr Thema
verfehlt unter den Aufsatz schreiben und die Note 6 vergeben. So
aber ist der Artikel nur Sinnbild deutscher Fixierung auf das
Aussterben. Die Frage, ob Städte und Gemeinden auf die neue Lage
vorbereitet sind, wird im Artikel nicht erörtert, was daran liegt,
dass der Geburtenanstieg als "kurzfristiges Problem" verharmlost
wird. Entsprechend wird das Problem fehlender Kinderbetreuung,
Erzieher und Lehrer lediglich als "nervenzehrende
Begleiterscheinungen des Kinderkriegens" für die Eltern abgetan und
nicht als politisches Problem behandelt.
Bei den Erklärungen des
Geburtenanstiegs zitiert ECKARDT zum einen aus der
gestrigen Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts und zum anderen Martin BUJARD vom
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:
"Zum einen entscheiden sich
zunehmend Frauen im Alter zwischen 30 und 37 für Nachwuchs, darunter
viele Akademikerinnen. Blieben von ihnen vor zehn Jahren noch 29
Prozent mit Anfang 40 kinderlos, so sind es heute nur noch 25
Prozent. »Was wir jetzt zeitverzögert zu spüren bekommen, ist der
Ausbau der Familienpolitik, vor allem der Kinderbetreuung«, sagt
Martin Bujard (...). Ehe die Bereitschaft steige, selbst Mutter zu
werden, hätten die Frauen erst im Freundes- und Bekanntenkreis
positive Erfahrungen sammeln müssen. Vor allem für jüngere Frauen
werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein immer wichtigeres
Ziel im Leben",
erklärt uns ECKARDT. Die
richtigen Schlüsse daraus zieht der Artikel indes nicht, denn sollte
der Geburtenanstieg dazu führen, dass die Kinderbetreuung und die
Grundschulen immer stärker hinter den Erfordernissen zurückbleiben,
dann werden sich die Frauen wieder überlegen, ob das Kinderkriegen
wirklich sein muss. Das Beispiel
Frankreich zeigt, wohin die Überforderung der Politik durch den
Geburtenanstieg führt.
Der europäische Vergleich soll
angeblich zeigen, dass in Deutschland noch mehr gemacht werden kann.
Verwiesen wird dabei auf die Niederlande (1,66), Dänemark (1,79),
Schweden (1,85) und vor allem Frankreich (1,92). Doch in Frankreich
sinkt die zusammengefasste Geburtenziffer seit Jahren (Darauf
verweist auch Nadia PANTEL im zweiten Artikel). 2017 wurden dort
nur noch 1,88 Kinder pro Frau geboren. Ob Emmanuel MACRON eine Wende
herbeiführen kann, ist ungewiss. ECKARDT ist lediglich eine Politik
für die Akademikerinnen wichtig, weshalb ihr "mehr hoch
qualifizierte Teilzeitplätze" eine Herzensangelegenheit sind. Im
Koalitionsvertrag findet sie lediglich das "vorgesehene
Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit" wichtig.
Das Problem, dass der Rückgang
der kinderreichen Familien hauptverantwortlich für die niedrige
Geburtenrate in Deutschland ist, wird lediglich am Rande behandelt.
Frankreich ist dabei das heimliche Vorbild, wenn eine stärkere
Staffelung des Kindergeldes gefordert wird. Ganz am Schluss heißt es
lapidar:
"Und natürlich muss der Staat für
eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch den Ausbau der
Krippen- und vor allem der Hortplätze schnell und flächendeckend
weiter vorantreiben. Wer 2013 einen Krippenplatz garantiert, darf
sich vier Jahre später nicht darüber wundern, dass tatsächlich sehr
viele Eltern einen Hortplatz beanspruchen."
Dieser Tunnelblick, der in erster
Linie die Interessen der gut situierten Akademikerinnen im Blick
hat, vernachlässigt die Tatsache, dass immer noch die
Nicht-Akademikerinnen das Geburtengeschehen in Deutschland prägen.
Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen, weshalb die
Bewältigung zu scheitern droht.
Das Beispiel Sachsen ist nur die Spitze des Eisbergs.
PANTEL, Nadia (2018): Schatten auf dem Paradies.
Trotz guter Betreuung vergeht
vielen Franzosen die Lust auf Kinder,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.03.
KRAFCZYK, Eva (2018): Babyboom der Generation Ü30.
In Deutschland kommen immer mehr
Babys zur Welt. Statistiker führen das auf zwei Gründe zurück,
in:
Sächsische Zeitung Online v. 29.03.
"Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen lag die
Zahl der Geburten mit mehr als 173 000 Babys besonders hoch, im
kleinen Saarland hingegen waren es nur 8 200 Neugeborene.
So viele Kinder gab es 2016 allein in Dresden. In der sächsischen
Landeshauptstadt, die seit Jahren den inoffiziellen Titel
»Deutschlands Geburtenhauptstadt« trägt, kamen 2016 insgesamt 8.542
Kinder zur Welt. Das ist Rekord. 2017 sank die Geburtenzahl wieder
etwas",
behauptet Eva KRAFCZYK. Das Statistische Landesamt hat für das Jahr
2015 lediglich 6.222 Geburten für die Stadt Dresden ausgewiesen,
während für Leipzig 6.595 Geburten ermittelt wurden. Von
Deutschlands Geburtenhauptstadt kann deshalb keine Rede sein. Im Januar meldete die Zeitung folgende vorläufige Geburtenzahlen
für das Jahr 2017:
"Die vorläufige Zahl der
Neugeborenen von Müttern, die ihren Hauptwohnsitz in Dresden haben,
ging um rund 100 zurück und liegt bei 6.341 Kindern."
Im Vergleich zum Statistischen
Landesamt würde das jedoch keinen Rückgang, sondern einen Anstieg um
rund 100 Kinder bedeuten.
Fazit: Vertrauenserweckende
Berichterstattung sieht anders aus!
NWZ (2018): Babyboom in Niedersachsen.
Erfreuliche Statistik: In den
Jahren von 1990 bis 2015 wurden nie mehr als 7000 Kinder zwischen
Harz und Nordsee geboren. Jetzt haben Statistiker einen Umschwung
festgestellt,
in:
Nordwest-Zeitung Online v. 29.03.
"In Niedersachsen sind 2016 so
viele Babys zur Welt gekommen wie seit 15 Jahren nicht mehr.
Landesweit wurden 75.215 Geburten verzeichnet, das waren 10,7
Prozent mehr als 2015, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in
Wiesbaden mitteilte. Der Anstieg zwischen Harz und Nordsee lag über
dem Bundesdurchschnitt von 7 Prozent.
Jede fünfte Mutter eines Neugeborenen in Niedersachsen hatte einen
ausländischem Pass, bundesweit etwa jede vierte. Auch im Nachbarland
Bremen gab es einen Baby-Boom. 2016 wurden hier 7.136 Kinder geboren
– in den Jahren von 1990 bis 2015 waren es nie über 7.000 gewesen",
meldet die Nordwest-Zeitung. Die
Zahlen stammen jedoch nicht aus der
gestrigen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts. Auch
die
Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder
bietet immer noch die Zahlen für 2015 an.
Die Zahl von 75.215 Geburten findet
sich im
Statistischen Monatsheft 3/2018, Seite 116 des Statistischen
Landesamts Niedersachsen und in der Online-Datenbank (Auswahl:
Lebendgeborene: Bundesländer, Jahre, Geschlecht) des Statistischen
Bundesamts.
DPA (2018): Mehr Geburten.
Statistik: Später Kinderwunsch und
Migration haben im Jahr 2016 zum anhaltenden Geburtenanstieg
beigetragen,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 29.03.
DW (2018): Höchste Geburtenrate
seit 1973.
Das fünfte Jahr in Folge mehr Babys
in Deutschland,
in:
Welt v. 29.03.
KAUFMANN, Stephan (2018): Deutschland im Babyglück.
Geburtenrate: Frauen bekommen so
viele Kinder wie seit 1973 nicht mehr. Wirtschaftliche Lage ist ein
wesentlicher Grund,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.03.
"Der Einfluss von Konjunktur und
Arbeitslosigkeit auf die Realisierung des Kinderwunsches ist in
vielen Studien belegt worden.
Zuletzt untersuchte die Soziologin Chiara Ludovica Comolli von der
Uni Stockholm diesen Zusammenhang für den Zeitraum 2000 bis zum
Höhepunkt der Euro-Krise im Jahr 2013. Für die meisten
europäischen Länder findet sie einen Rückgang der Geburtenraten ab
2008 – dem Jahr, in dem die globale Finanzkrise eskalierte.
Den stärksten Einfluss hatte die Krise auf sehr junge Frauen im
Alter zwischen 15 und 19 Jahren und auf Frauen in ihren späten
Dreißigern. Bemerkenswerterweise sanken die Geburtenraten besonders
stark dort, wo die Erwerbslosigkeit von Frauen deutlicher zulegte.
Das widerspricht der These, dass Frauen Zeiten von Arbeitslosigkeit
nutzen, um Kinder zu kriegen oder eine Familie zu gründen",
merkt Stephan KAUFMANN anlässlich
der gestrigen Pressemelung zu den Gründen von Geburtenanstiegen an.
BAUMANN, Daniel (2018): Ungeplante Kinder.
Kommentar,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.03.
Daniel BAUMANN bringt angesichts der Geburtenentwicklung die Sprache
auf die völlig veraltete Bevölkerungsvorausberechnung des
Statistischen Bundesamts:
"Die von der Behörde als
realistisch kommunizierten Szenarien entpuppen sich nun zunehmend
als fraglich. Denn selbst die optimistische Annahme, dass die
Geburtenrate bis 2028 auf 1,6 Kinder je Frau steigen könnte, wurde
nun schon 2016 erreicht (1,59 Kinder). Und der Wanderungssaldo
übertrifft sowieso alle Erwartungen. (...).
(Die) Bundesrepublik (ist) derzeit auf einem Pfad unterwegs, der
eher dazu führen würde, dass die Bevölkerung bis 2060 von 82,5 auf
etwa 78 Millionen Bürger schrumpft und nicht etwa auf nur 67
Millionen. Dieser vergleichsweise geringe Rückgang wäre
wirtschaftlich und sozialpolitisch locker zu verkraften."
Im Grunde hält BAUMANN jedoch
langfristige Bevölkerungsvorausberechnungen als keine gute
Entscheidungsgrundlage für die Politik, sondern fordert
"durch entschlossenes Handeln den
Sozialstaat den jeweiligen kurz- und mittelfristigen
Herausforderungen anzupassen. Aktuell heißt das: Zuwanderer
integrieren, Kitas und Schulen eröffnen."
Mit der Eröffnung neuer Kitas und
Schulen ist es jedoch keineswegs getan, denn es fehlt an Personal,
das die Einrichtungen auch betreiben könnten.
Fazit: Was die
Bevölkerungsvorausberechnungen betrifft, reicht es nicht,
langfristige Berechnungen abzulehnen. Stattdessen ist zu fordern,
dass Bevölkerungsvorausberechnungen sofort angepasst werden müssen,
wenn diese aus dem Ruder laufen. Praxis ist jedoch, dass nur
nachgeholt wird, was bereits eingetreten ist, während
Verhaltensänderungen zu spät Berücksichtigung finden. Für die
Personalmisere im Bildungsbereich ist der Innenminister und sein
Statistikamt hauptverantwortlich zusammen mit der Austeritätspolitik!
JOCH. (2018): Mehr Geburten.
Statistik: Später Kinderwunsch und
Migration haben im Jahr 2016 zum anhaltenden Geburtenanstieg
beigetragen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.03.
Die FAZ zitiert die
Familienministerin, die noch vor dem Sommer ein Gesetz für mehr
Kita-Qualität auf den Weg bringen will. Ob dieses Gesetz bei der
Bewältigung des Geburtenanstiegs helfen wird, muss sich noch zeigen.
Die Maßnahme kommt im Grunde Jahre zu spät!
HERMANN, Jonas
(2018): Kindersegen in Deutschland.
Die Geburtenzahl liegt wieder so
hoch wie Ende der neunziger Jahre - dafür sind vor allem Einwanderer
verantwortlich,
in: Neue Zürcher
Zeitung v. 07.04.
Gestern wurde für die Schweiz ein
Geburtenrückgang für das Jahr 2017 gemeldet. In Deutschland
dagegen wurden gerade die Zahlen für 2016 gemeldet, über die Jonas
HERMANN berichtet. Natürlich spielt die Rahmengeschichte im Berliner
Bezirk Prenzlauer Berg, um einen Widerspruch zwischen Anschauung und
statistischer Realität konstruieren zu können.
"Ohne die Massenmigration gäbe es
keinen Babyboom in Deutschland",
behauptet HERMANN, was jedoch
falsch ist,
denn selbst "Bio-Deutsche" bekommen mehr Kinder in Deutschland als vor
10 Jahren. HERMANN will mit Irrtümern aufräumen, produziert dabei
jedoch selber andere Irrtümer!
AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018): Wachstum Berlins fast nur
durch ausländische Bevölkerung,
in: Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg
v. 27.04.
"Ende Juni 2017 lebten in Berlin
3.592.100 Menschen, 41.100 mehr als noch vor einem Jahr. Die
ausländische Bevölkerung nahm um 41.000 und die deutsche um 100
Personen zu, teilt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit.
Damit gehen 99,8 Prozent des Bevölkerungswachstums in Berlin auf
Ausländerinnen und Ausländer zurück.
Dieses Wachstum um 1,2 Prozent ist der geringste jährliche
Bevölkerungsanstieg seit dem Zensus 2011. Dabei lässt sowohl das
Wachstum der ausländischen als auch der deutschen Bevölkerung nach.
Zuletzt wuchs die ausländische Bevölkerung um 7,1 Prozent. Die
deutsche Bevölkerung stieg im letzten Jahr kaum messbar um 0,003
Prozent an.
Im ersten Halbjahr 2017 wurden in Berlin 19.600 Kinder geboren.
18.100 Menschen starben. Somit ergibt sich für die erste
Jahreshälfte ein Geburtenüberschuss von 1.500 Personen. Fast 80.000
Personen zogen nach Berlin, während 63.600 Personen die Stadt
verließen. Daraus ergibt sich ein Wanderungsgewinn von 16.400
Menschen", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
AMT FÜR STATISTIK BERLIN-BRANDENBURG (2018):
Brandenburgs Bevölkerungszahl nähert sich der 2,5-Millionen-Marke,
in: Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg
v. 27.04.
"Ende Juni 2017 zählte
Brandenburg 2.497.958 Einwohner. Damit fehlen bis zur
2,5-Millionen-Marke nur noch 2.042 Personen, wie das Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg mitteilt.
Im Vergleich zum Juni 2016 nahm die Bevölkerung im Juni 2017 in
Brandenburg um über 10.000 Personen zu, ein Anstieg von 0,4 Prozent.
Dabei entfielen 93,4 Prozent des Wachstums auf die ausländische
Bevölkerung, die um 9.800 Personen zunahm. Die deutsche Bevölkerung
stieg um 700 Personen, was einem Anteil von 6,6 Prozent am Wachstum
entspricht.
Seit Jahresbeginn wurden in Brandenburg 10. 000 Kinder geboren,
während 16.700 Menschen starben. Damit weist das Land für die erste
Jahreshälfte ein Geburtendefizit von 6.700 Personen aus. Es zogen
36.500 Menschen nach Brandenburg, 26.500 kehrten dem Land den
Rücken. In der Summe ergibt sich ein Wanderungsgewinn von 10.000
Menschen", meldet das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
PÖTZSCH, Olga (2018):
Aktueller Geburtenanstieg und seine Potenziale,
in: Wirtschaft und
Statistik, Heft 3 v. 13.06.
Olga PÖTZSCH bietet lediglich die
übliche restriktive Bewertung des Geburtengeschehens. Dennoch ist
PÖTZSCH weit von jener Einschätzung abgewichen, die sie noch vor
kurzer Zeit geäußert hat. War bisher nur ein Geburtenanstieg bis zu
den Mitte der 1970er-Jahre geborenen Frauen zugegeben worden, wird
nun dagegen ein Geburtenanstieg auch für die in den 1980er Jahren
geborenen Frauen angenommen. Weiterhin werden die Kinderlosen als
Sündenböcke für die niedrige Geburtenrate dargestellt:
"Da (...) der Anteil
ausländischer Frauen mit tendenziell höherer Fertilität an den
Frauenkohorten gestiegen ist, wird sich die endgültige Kinderzahl
nach ihrem Tiefststand beim Jahrgang 1968 (1,49 Kinder je Frau)
erholen und bis zum Jahrgang 1974 voraussichtlich auf 1,57 Kinder je
Frau steigen. Diese Stabilisierungstendenzen reichen jedoch noch
nicht aus für einen weiteren kontinuierlichen Anstieg der
Kohortenfertilität über 1,6 Kinder je Frau hinaus. Dafür wäre es
erforderlich, dass die Kinderlosenquote deutlich unter 20 % sinken
beziehungsweise die durchschnittliche Kinderzahl je Mutter deutlich
über 2,0 steigen würde. Aus den bisher relativ kontinuierlichen
Verläufen in der Fertilität der deutschen Frauen lassen sich keine
Hinweise auf derartige Veränderungen ableiten",
meint PÖTZSCH. Angesichts der
Tatsache, dass
PÖTZSCH ihre Positionen in der Vergangenheit ständig räumen musste,
weil sie zu pessimistisch waren, lassen sich durchaus Indizien
finden, die ein
Anstieg auf 1,7 Kinder pro Frau möglich erscheinen lassen.
Angesichts des drohenden
Betreuungs- und Lehrermangels in Deutschland ist es geradezu
fahrlässig, wenn die Potenziale des Geburtenanstiegs derart
restriktiv beurteilt werden. Die
desaströse Lage in Sachsen
sollte eigentlich Grund genug sein, um endlich umzudenken.
ZEMAN, Kryštof (2018):
Zwei, eins, keins!
Kinderlosigkeit oder weniger
Geschwister: Seit mehreren Jahrzehnten nimmt die endgültige
Kinderzahl pro Frau ab. Welche Entwicklungen trieben den Geburtenrückgang an?
in: Demografische
Forschung aus erster Hand, Nr.2
Eine Studie will belegen, dass in
Deutschland die Kinderlosigkeit der treibende Faktor des
Geburtenrückgangs war, doch die Studie hält nicht, was sie
verspricht. Untersucht wird nicht der Geburtenrückgang, sondern nur
der Rückgang unter eine endgültige Kinderzahl von 1,75 Kinder pro
Frau. Damit wird bewusst der entscheidende Anteil des Rückgangs
kinderreicher Familien ausgeblendet. Dagegen zeigt eine
Untersuchung von BUJARD & SULAK, dass der Rückgang kinderreicher
Familie den weitaus größten Beitrag zum Geburtenrückgang in
Deutschland leistete.
Kryštof ZEMAN u.a. schrecken
nicht einmal vor einer krassen Falschdarstellung der Ergebnisse von
BUJARD & SULAK zurück. In ihrer Studie
Cohort fertility decline in low fertility countries: Decomposition
using parity progression ratios heißt es:
"In Austria, Germany, and
Switzerland, strong work–family conflict and the associated fall in
first-birth rates contributed to the fertility decline among the
younger cohorts analysed (Sobotka 2012; Kreyenfeld and Konietzka
2017). However, an analysis of fertility decline among women born in
1940–1965 reveals remarkable differences between the three countries.
In Western Germany, falling first-birth rates were the key factor,
whereas in Austria and Switzerland fertility decline was especially
driven by falling third and higher-order births, and, in Eastern
Germany (former GDR), falling second-birth rates played the main
role (Sobotka 2012; see also Bujard and Sulak 2016)." (S.658)
Dagegen heißt es bei BUJARD &
SULAK, die den Geburtenrückgang nicht nur zwischen Geburtsjahrgängen
1940 und 1965, sondern zwischen 1933 und 1968 betrachten:
"Der Effekt der zunehmenden
Kinderlosigkeit auf den gesamten CTFR-Rückgang Deutschlands beträgt
25,9 %, der der Abnahme des Kinderreichtums 68,0 % und der
Interaktionseffekt 6,1 %. (...) Zunächst war ausschließlich der
Rückgang kinderreicher Frauen verantwortlich, seit der Kohorte 1947
zu zwei Dritteln die zunehmende Kinderlosigkeit." (2016, S.487)
Durch die vorgängige
Gruppenbildung bei den betrachteten Frauenjahrgängen (Unterscheidung
1940 - 1955 bzw. 1955 - 1970 Geborene) werden die empirischen
Ergebnisse verfälscht. Dies liegt daran, dass der Geburtenrückgang
in den einzelnen untersuchten Ländern ganz unterschiedlich verlief
und nicht über einen Kamm geschert werden kann.
Auch die verwendete Definition
eines "Niedrigfertilitätslandes" ist willkürlich. Gerade das
österreichische Institut, dem die Forscher angehörigen, hat in den
Nuller Jahren mit wenig seriöser Medienberichterstattung geglänzt.
Es wurde über eine "Niedrigfertilitäsfalle" schwadroniert, die
von Frank SCHIRRMACHER in seinem grauenhaften Pamphlet Minimum
begierig aufgegriffen wurde.
"The demographic literature
manifests a strong interest in explaining fertility declines to very
low levels, discussing how persistent they are likely to be and
pondering their long-term consequences. We thus pay special
attention to analysing which parity progressions drive cohort
fertility decline to very low levels. For period total fertility (TFR),
the thresholds of very low fertility are well established. Very low
fertility is usually defined as a TFR below 1.5 (e.g., McDonald
2006), whereas »lowest-low fertility« or »ultra-low fertility« is
commonly defined as a TFR falling below 1.3 (Kohler, Billari, and
Ortega 2002; Jones, Straughan, and Chan 2008). However, demographers
have not yet adopted a common definition of very low cohort
fertility. Because of the tempo distortions negatively affecting
period fertility indicators, during the last four decades cohort
fertility in the low fertility countries has typically stayed at a
higher level than the conventional period fertility rates. Two
recent contributions, by Myrskylä, Goldstein, and Cheng (2013) and
Rindfuss, Choe, and Brauner-Otto (2016), adopt a completed cohort
fertility level of 1.75 children per woman as a threshold below
which cohort fertility becomes »very low«. We use the same threshold
and label completed cohort fertility below 1.75 as very low.7 Among
women born in 1950, cohort fertility fell below 1.75 children per
woman only in Germany (Pötzsch 2016). Later on, more than ten
countries saw their cohort fertility dropping below 1.75, especially
among women born in the early 1960s (Frejka, Jones, and Sardon 2010;
Myrskylä, Goldstein, and Cheng 2013)." (S.660f.)
An dem Rückblick zur
bevölkerungswissenschaftlichen Debatte ist ersichtlich, dass der
Willkür von Definitionen keine Grenzen gesetzt sind und sie eher
einer Profession geschuldet sind, die um öffentliche Aufmerksamkeit
mit der Ökonomie als Leitwissenschaft des Neoliberalismus
konkurriert. Westdeutschland wird sozusagen zum Negativbild dieser
nationalkonservativen Forschungstradition stilisiert.
Die Forschergruppe um Hans-Peter KOHLER hat in den Nuller Jahren die unseriöse Debatte
um Niedrigsfertilitätsländer angestossen. Das neoliberale Flagschiff
The Economist hievte KOHLER rechtzeitig vor der
SCHIRRMACHER-Medienkampagne mit dem Fertility-Bust auf das
Cover. Es passte zum damaligen Zeitgeist des Jahres 2006, in dem das Endspiel um das Aussterben des
Abendlandes stattfand. Die damals suggerierte Abwärtsspirale,
wonach Kinderarme noch mehr Kinderarme zeugen und die
Industrievölker von Generation zu Generation die Erde in ein
kosmisches Altersheim verwandeln, fieberte seinem unseligenHöhepunkt
entgegen.
Wie es kam, dass irgendwann
niemand mehr von der Abwärtsspirale sprach, das wäre die eigentlich
interessante Frage. Die Forschung um Niedrigfertilität ist im Grunde
ein Überbleibsel aus den unseligen Nuller Jahren.
Fazit: Demografen befassen sich
immer noch mit dem Geburtenrückgang, statt sich mit den Folgen des
Geburtenanstiegs zu befassen. Dies wird sich spätestens dann rächen,
wenn der Ausbau der Kinderbetreuung in
Deutschland nicht mehr mit dem Geburtenanstieg mithalten kann.
In Deutschland beginnt diese Debatte erst ganz langsam, denn
wir haben den Geburtenanstieg verschlafen und dessen Folgen noch
längst nicht ganz begriffen!
EUROSTAT (2018): EU-Bevölkerung zum 1. Januar 2018 auf knapp 513
Millionen gestiegen.
Erste Bevölkerungsschätzungen:
Anstieg ist migrationsbedingt,
in:
Pressemitteilung des statistischen
Amt der Europäischen Union v. 10.07.
EUROSTAT meldet u.a. die
Geburtenzahlen des Jahres 2017. Für Deutschland werden 785.000
Lebendgeborene geschätzt.
DESTATIS (2018): Mehr Sterbefälle und weniger Geburten im Jahr 2017,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 13.07.
"Im Jahr 2017 wurden in
Deutschland 785.000 Kinder lebend geboren. (Das) (...) waren (...)
7.000 Neugeborene oder 0,9 % weniger als im Jahr 2016 (792 000)",
meldet das Statistische
Bundesamt. EUROSTAT hat die Geburtenzahlen bereits
vor drei Tagen veröffentlicht.
Im Januar schätzte das Statistische Bundesamt die Zahl der
Geburten auf
770.000 bis 810.000
Lebendgeborene. Milupa meldete einige Tage zuvor für das Jahr 2017 761.076 Geburten in
deutschen Krankenhäusern. Das waren 424 Geburten mehr als im Jahr
2016.
Die Zahl der Lebendgeborenen
liegt mit über 6.000 Geburten über der aktualisierten Variante 2A
der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen
Bundesamts, die erst am 27. März letzten Jahres veröffentlicht
wurde. Die Bevölkerungsvorausberechnung gibt für 2017 nur 54.800
Lebendgeborne an. Die ursprüngliche Variante 2 (Kontinuität mit stärkerer Zuwanderung)
vom April 2015 rechnete sogar nur mit 702.000 Lebendgeborenen im
Jahr 2017. Schon bei der Veröffentlichung der
Bevölkerungsvorausberechnung kritisierten single-dasein.de
und single-generation.de:
"Die
Fortschreibung von 1,4 Kindern pro Frau bis 2030 oder gar 2060,
könnte zukünftig ganz unerwartet ebenfalls zu einer Verringerung der
Treffsicherheit von Bevölkerungsvorausberechnungen führen."
Bereits keine zwei Jahre später
wurde die Geburtenrate mit 1,5 Kindern pro Frau fortgeschrieben.
Auch diese Annahme erweist sich inzwischen als zu niedrig.
Ein Rückgang der Geburtenzahlen
muss keinen Rückgang der Geburtenrate bedeuten, auch wenn Medien
diesen Unterschied gerne unterschlagen. Der Rückgang könnte auch
durch einen Rückgang der Anzahl potenzieller Mütter - insbesondere
aus dem Ausland zugewanderter Frauen - verursacht sein.
Für Bayern zeigt sich für die
Monate Januar bis November folgende Veränderungen bei den
Geborenenzahlen in den Jahren 2016 und 2017:
Tabelle:
Entwicklung der Lebendgeborenen im Vergleich der
Monate Januar bis November 2016 und 2017 in Bayern |
|
Jan. |
Feb. |
März |
April |
Mai |
Juni |
Juli |
August |
Sept. |
Okt. |
Nov. |
2016 |
10.656 |
9.544 |
9.906 |
9.685 |
10.163 |
10.609 |
11.356 |
11.702 |
11.218 |
10.740 |
9.455 |
2017 |
9.800 |
9.608 |
10.199 |
9.754 |
11.194 |
10.831 |
11.439 |
11.400 |
11.095 |
10.573 |
9.797 |
Diff. |
-856 |
+64 |
+293 |
+69 |
+1.031 |
+222 |
+83 |
-302 |
-123 |
-167 |
+342 |
|
Quelle:
Statistische Ämter des Bundes und der Länder,
Bevölkerung in Bayern (Seitenabruf: 13.07.2018);
eigene
Berechnungen |
In Bayern wurden in den ersten 11
Monaten des Jahres 2017 658 Geburten mehr registriert als in den
ersten 11 Monaten des Jahres 2016. Die Zahlen für Dezember 2017 sind
bislang nicht veröffentlicht.
Für Deutschland zeigt sich für
die Monate Januar bis November folgende Veränderungen bei den
Geborenenzahlen in den Jahren 2016 und 2017:
Tabelle:
Entwicklung der Lebendgeborenen im Vergleich der Monate
Januar bis November 2016 und 2017 |
|
Jan. |
Feb. |
März |
April |
Mai |
Juni |
Juli |
August |
Sept. |
Okt. |
Nov. |
2016 |
66.597 |
59.840 |
62.926 |
59.777 |
63.990 |
67.429 |
72.443 |
72.294 |
70.651 |
65.809 |
60.953 |
2017 |
62.703 |
60.968 |
63.177 |
61.063 |
67.814 |
65.958 |
71.431 |
71.166 |
68.806 |
65.180 |
59.138 |
Diff. |
-3.894 |
+1.128 |
+251 |
+1.286 |
+3.824 |
-1.471 |
-1.012 |
-1.128 |
-1.845 |
-629 |
+1.815 |
|
Quelle:
Statistische Ämter des Bundes und der Länder,
Bevölkerung in Deutschland insgesamt
(Seitenabruf: 13.07.2018); eigene Berechnungen |
In Deutschland wurden in den
ersten 11 Monaten des Jahres 2017 5.305 Geburten weniger registriert
als in den ersten 11 Monaten des Jahres 2016.
Eine Zerlegung der Geburten in
ihre einzelnen Komponenten für die Jahre 2012 bis 2016 bietet der
Artikel Aktueller Geburtenanstieg und seine Potenziale von Olga
PÖTZSCH, der vor einem Monat erschienen ist.
Aus der Tabelle 1, S.75, ist ersichtlich, dass der minimale Anstieg
der potenziellen Mütter deutscher Frauen im Vergleich zum Anstieg
der Geburtenrate kaum Einfluss auf die Geburtenzahl hatte.
Im Jahr 2016 waren der Anzahl und
der Alterstruktur der potenziellen deutschen Mütter lediglich 2.136
Geburten geschuldet, während auf das Konto des Anstiegs der
Geburtenhäufigkeit bei den deutschen Frauen 15.603 Geburten gingen.
Im Januar wurde deshalb angesichts der Pressemeldungen auf dieser
Website von dem Märchen über die Kinder der Babyboomer ("Echoeffekt")
gesprochen. Der Artikel von PÖTZSCH bestätigt nun diese Einschätzung
noch einmal. Für 2015 war von einem geringeren Echoeffekt als für
die Jahre danach ausgegangen worden. Tatsächlich werden von PÖTZSCH
für das Jahr 2015 nur 1.367 Geburten auf das Konto der potenziellen
Mütter angerechnet, während gut der 3fache Anstieg der
Geburtenzahlen auf die erhöhte Geburtenhäufigkeit zurückzuführen
ist. 2016 waren es dann schon die 7fache Zahl der Geburten.
Hierzu muss erklärt werden, dass
der Echoeffekt die Konsequenz der Anzahl deutscher Mütter ist, die
in Deutschland geboren wurden.
Im nationalkonservativen Sprachgebrauch wird dabei auch von den
Ungeborenen gesprochen, die keine Kinder bekommen können.
Aufgrund der Zuwanderung ist jedoch die Anzahl der potenziellen
Mütter wesentlich höher als der reine Echoeffekt. So war die Anzahl
der potenziellen Mütter im Jahr 2015 aufgrund der Zuwanderung gut
9mal höher als beim reinen Echoeffekt. 2016 war diese Entwicklung
schon nicht mehr so einflussreich.
Welche Einflussfaktoren im Jahr
2017 für die Entwicklung der Geburtenzahlen entscheidend waren,
lässt sich erst analysieren, wenn die altersspezifischen
Geburtenziffern für die Frauenjahrgänge vorliegen. Bis dahin sollte
sich mit Spekulationen zurückgehalten werden.
SCHMOLL, Heike
(2018): Totgeschwiegener Lehrermangel.
Die Länder tun zu wenig, um
Lehrernachwuchs für sich zu gewinnen,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 21.07.
"Im Jahr 2016 war in einigen
Ländern mehr als die Hälfte der Lehrkräfte über 50 Jahre alt Der
zuletzt auf 8,4 % gestiegene Anteil von Seiteneinsteigerinnen und
Seiteneinsteigern an allen Neueinstellungen zeugt schon jetzt von
Personalengpässen einiger Länder Steigende Geburten- und
Zuwanderungszahlen, vielfältiger zusammengesetzte Klassen sowie
nicht erfüllte Ganztagsbetreuungsansprüche werden das Problem
ausreichend qualifizierten Nachwuchses weiter verschärfen" (S.7),
heißt es im aktuellen
Bildungsbericht 2018. Im Bildungsbericht wird die
aktualisierte Variante 2 A der 13. koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung zur Bestimmung des zukünftigen
Lehrermangels herangezogen. Diese
Bevölkerungsvorausberechnung ist längst wieder durch die Realität
der Geburtenentwicklung überholt worden. Der Lehrermangel wird
also wesentlich gravierender sein als der Bildungsbericht dies
fahrlässigerweise unterstellt.
"Nach der aktualisierten
Bevölkerungsvorausberechnung werden die Geburtenzahlen nach einem
Hoch in den Jahren 2019 und 2020 aufgrund des Echoeffekts
voraussichtlich langsam, aber kontinuierlich zurückgehen: Es kommt
aufgrund der rückläufigen Anzahl potenzieller Mütter aus den
geburtenschwachen Jahrgängen zu einem Geburtenrückgang (...). So
umfasste im Jahr 1994 die Gruppe der Frauen im Alter zwischen 18 und
40 Jahren noch rund 13,0 Millionen, 2016 waren es rund 10,6
Millionen, 2020 werden es laut der Prognose gut 10,0 Millionen und
2035 voraussichtlich nur noch rund 9,2 Millionen sein. Diese
Entwicklung wird für Ost- als auch für Westdeutschland angenommen.
In den Stadtstaaten hingegen bleibt die Zahl potenzieller Mütter
perspektivisch eher stabil und wird sich durch zunehmende
Urbanisierung unter Umständen sogar leicht erhöhen." (S.24)
Diese Analyse ist kurzschlüssig,
weil die altersspezifischen Geburtenziffern unberücksichtigt
bleiben. Aufgrund des Anstiegs des Erstgeburtsalters spielen die
jüngeren Frauenjahrgänge im Gegensatz zu den älteren
Frauenjahrgängen eine weit geringere Rolle für das
Geburtengeschehen. Ein Rückgang von 600.000 potenziellen Müttern
könnte durch einen Anstieg der Geburtenrate schnell überkompensiert
werden. Auf Seite 254 des Bildungsbericht sind die unterstellten
Geburtenzahlen für die Jahre bis 2035 ersichtlich, die eine
Geburtenrate von 1,5 unterstellen, obwohl die Geburtenrate bereits
im Jahr 2016 bei 1,59 lag.
Zudem fehlt eine Analyse des
Geburtengeschehens nach Migrationshintergrund. Eine solche Analyse
legte das Statistische Bundesamt jedoch bereits
im letzten Monat
vor (vgl. Grafik 3, S.77). Der Beitrag von POETZSCH liefert jedoch
nur eine vergangenheitsfixierte Analyse, während Zahlen zur
voraussichtlichen Entwicklung der potenziellen Mütter für die
nächsten Jahre vermieden werden. Zudem ist die Argumentation wie
üblich defensiv, d.h. die tatsächlichen Potenziale des gegenwärtigen
Geburtenanstiegs werden nur mangelhaft aufgezeigt.
Was aber passiert, wenn der Geburtenanstieg kein kurzzeitiges
Übergangsphänomen ist wie der Bildungsbericht nun wieder behauptet?
Die Konsequenzen einer solch defensiven Argumentation wären
gravierend für die Betreuungs- und Lehrsituation in Deutschland. Man
kann den Bildungsbericht deshalb auch als Versuch sehen, die
wirklichen Probleme zu verdrängen wie Heike SCHMOLL das tut.
"Unterrichtsausfall, häufige
Lehrerwechsel oder unterqualifizierter Unterricht gehören zu den
größten Elternärgernissen - sie haben schon Landtagswahlen
entschieden",
meint SCHMOLL. Tatsächlich könnte
es insbesondere in Sachsen zu einem Desaster kommen.
"Sachsen hat in Baden-Württemberg
arbeitslose Lehrer abgeworben und kehrte mit reicher Beute heim",
behauptet SCHMOLL. Bei der taz las sich das ganz
anders.
Fazit:
Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen und der
Bildungsbericht 2018 führt diese unselige Tradition der
Verdrängung fort, obwohl der Lehrermangel bereits heute deutlich zu
Tage tritt. Statt Maßnahmen zur Bekämpfung einzuleiten wird darauf
vertraut, dass die Geburtenzahlen schnell rückläufig sind und das
Problem des Lehrermangels deshalb bequem ausgesessen werden kann.
Diese fatale Kurzsichtigkeit könnte im schlimmsten Fall die
Geburtenentwicklung beeinträchtigen, im besten Fall könnte es zu
politischen Niederlagen der regierenden Parteien in den besonders
hart betroffenen Bundesländern führen.
GESTERKAMP, Thomas
(2018):
Falsche Prognosen mit Folgen.
Es gibt wieder mehr Kinder in
Deutschland, frühere Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung müssen
revidiert werden. Die Schulen sind darauf nicht vorbereitet,
in: Neues
Deutschland v. 04.08.
"Anfang Mai ging die
Kultusministerkonferenz (KMK) mit einer überraschenden Botschaft an
die Öffentlichkeit: Die deutschen Schulen müssen sich in Zukunft auf
mehr Kinder und Jugendliche einstellen. Ihre Zahl werde bis 2030 auf
11,2 Millionen steigen. (...).
Vor fünf Jahren hatte die KMK noch ganz anderes verlautbart, sie
hatte einen Rückgang auf 9,7 Millionen Schüler im Jahr 2025
prognostiziert. (...).
Die falsche Schätzung der Kultusminister von 2013 fügte sich bestens
ein in das düstere
Bild, das interessierte Kreise vor allem der Versicherungswirtschaft
schon seit der Jahrtausendwende zeichnen",
verkündet uns der schlecht
informierte Journalist Thomas GESTERKAMP nun erst, da es sich nicht
mehr leugnen lässt! Gut informierte Journalisten, die ihrer
Aufklärungspflicht nachgekommen wären, hätten spätestens seit
Juli letzten Jahres auf das Problem aufmerksam machen müssen.
Damals machten Klaus KLEMM & Dirk ZORN auf den Lehrermangel aufgrund
steigender Geburtenzahlen aufmerksam. Auf dieser Website wurde
bereits viel länger auf die Tatsache hingewiesen, dass die
Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes bei der
Geburtenentwicklung nur das nachholten, was längst eingetreten war,
statt die Verhaltensänderungen abzubilden.
Schon die im April
2015 veröffentlichte 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung
war bereits bei ihrer Veröffentlichung überholt. Das gilt auch
für die aktuelle Variante 2 A vom letzten
Jahr, auf die sich der aktuelle Bildungsbericht 2018 bezieht. Im
Winterthema von single-generation.de wurde ausführlich
auf die veralteten Prognosen der KMK aus dem Jahr 2013 eingegangen
und aufgezeigt, wie weit die Kluft zwischen Prognose und Realität
innerhalb von nur 4 bis 5 Jahren bei der Geburtenentwicklung immer
größer geworden ist.
Trotz seiner Kritik geht
GESTERKAMP der defensiven Argumentation des Statistischen Bundesamts
auf den Leim, wenn er schreibt:
"Die wachsenden Geburtenzahlen
beruhen neben anderen Ursachen darauf, dass derzeit die Kinder der
Babyboomer der 1960er Jahre im gebärfähigen Alter sind."
Dieser Aspekt wird vom
Statistischen Bundesamt und von der KMK nur deshalb hervorgehoben,
weil damit der Geburtenanstieg zu einem kurzzeitigen Phänomen
verharmlost werden kann, das durch Aussitzen zu lösen ist. Auf
single-generation.de wurde nachgewiesen, dass der so genannte
Echo-Effekt im Jahr 2015 im Vergleich
mit anderen Aspekten eher gering ausfiel.
Das lässt sich auch aus einer aktuellen
Analyse von Olga POETZSCH ersehen.
"Bemerkbar macht sich auch der
Wertewandel in der Generation Y, der Jahrgänge ab 1980, die in
Befragungen neben der beruflichen Karriere auch private Lebensziele
hoch bewerten und sich häufiger die Gründung einer Familie
wünschen",
meint GESTERKAMP. Das ist die
Interpretation derjenigen, die in der Familienpolitik die Ursache
für den Geburtenanstieg sehen wollen. Tatsächlich geht der
Geburtenanstieg bereits auf die in der ersten Hälfte der 1970er
Jahre geborenen Frauen zurück. Den
Geburtenanstieg hat der Ökonom Detlef GÜRTLER für Westdeutschland
bereits 2003 nachgewiesen,
d.h. bevor die Familienpolitik den Kitaausbau und das Elterngeld auf
die politische Agenda setzte. Die politische Debatte in Deutschland
hinkte also der Realität hinterher und sorgte mit
Forschungsartefakten zu Kinderwünschen und Kinderlosigkeit zu einer
kontraproduktiven Inszenierung des Aussterbens der Deutschen.
Man könnte also im Gegenteil sagen, dass die Politik durch die
Leugnung eines Wertewandels bei den in den 1970er Jahren geborenen
Frauen, einen früher möglichen Babyboom verhindert hat.
Es dauerte gut 10 Jahre bis die Amtsstatistiker ihre Position
revidieren mussten, denn der angebliche Tempoeffekt, den Jürgen
DORBRITZ noch 2004 proklamierte, und der damals kein Babyboom sein
durfte, stellt sich nun als Anstieg der endgültigen Kinderzahl
heraus. Die Einführung des
Elterngelds im Jahr 2007 sorgte gar für einen Einbruch der
Geburtenzahlen, weil das Elterngeld für späte Mütter gedacht war.
Einen Geburtenanstieg bei den in den 1980er Jahren geborenen Frauen
leugneten die Amtsstatistiker noch bis vor kurzem.
Fazit: Es ist zu begrüßen,
dass endlich die Debatte um die Fehlprognosen zur
Geburtenentwicklung endlich in den Mainstreammedien angekommen ist,
auch wenn die Klagen - wie bei GESTERKAMP - reichlich spät kommen.
Guter Journalismus hätte bereits vor mehreren Jahren den
Geburtenanstieg thematisieren müssen.
Deutschland hat den Geburtenanstieg verschlafen - auch dank
schlechtem Journalismus!
ITNRW (2018): Zahl der Geburten in NRW auch 2017 auf hohem Niveau.
Im Jahr 2017 wurden in
Nordrhein-Westfalen 171 984 Kinder geboren,
in:
Pressemitteilung Information und Technik Nordrhein-Westfalen v.
09.08.
"Im Jahr 2017 wurden in
Nordrhein-Westfalen 171.984 Kinder geboren. Wie Information und
Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes
mitteilt, wurden damit zwar 1.292 bzw. 0,7 Prozent weniger Kinder
geboren als im Jahr 2016 (damals: 173.276), aber es war die
zweithöchste Zahl seit dem Jahr 2000 (damals: 175.144). Gegenüber
dem bisherigen historischen Tiefstand im Jahr 2011 (143.097) hat
sich die Zahl der Lebendgeborenen um 20,2 Prozent erhöht.
Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt des ersten
Kindes lag im Jahr 2017 mit 29,7 Jahren um 0,2 Jahre höher als ein
Jahr zuvor. Im Vergleich zu Frauen, die im Jahr 2008 ihr erstes Kind
bekommen haben, waren Frauen im Jahr 2017 bei der Geburt ihres
ersten Kindes nahezu ein Jahr älter (damals: 28,8 Jahre). Rund zwei
Prozent aller Mütter brachten Mehrlinge zur Welt. Unter den 3.284
Mehrlingsgeburten befanden sich 3.226 Zwillings- und 57
Drillingsgeburten sowie eine Mehrlingsgeburt mit vier oder mehr
Kindern.
(...). Die regionale Betrachtung der Geburtenzahlen zeigt, dass in
32 kreisfreien Städten und Kreisen und in der Städteregion Aachen
die Zahl der Geborenen im Vergleich zu 2016 gesunken und in 20
kreisfreien Städten und Kreisen gestiegen ist. Den höchsten
prozentualen Geburtenanstieg gab es im Kreis Olpe (+10,4 Prozent),
während in Remscheid (-8,2 Prozent) der höchste Rückgang der
Geburtenzahl zu verzeichnen war", heißt es in der Meldung.
SCHMOLL, Heike
(2018): Das ungeliebte Lehrerdasein.
Leidartikel:
Reputationsverlust und falsche Planung führen zur Lehrermisere,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.08.
"Mit einem Lehrerdebakel
bisher unbekannten Ausmaßes beginnt in diesen Wochen das
neue Schuljahr. 10.000 Stellen sind gar nicht besetzt,
30.000 mit nicht ausgebildeten Lehrern, also
Seiteneinsteigern oder Studenten. (...).
Längst geht der Lehrermangel nicht mehr auf die früher
üblichen Schweinezyklen und die in der Regel falschen
Schülerprognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) zurück.
Doch spätestens 2015 hätte die KMK merken müssen, dass alle
ihre Zahlen angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen
nicht zu halten sind. Stattdessen meinten einzelne
Kultusminister, ihre Planlosigkeit mit dem vielsagenden Satz
»Wir fahren auf Sicht« illustrieren zu müssen. Beim
Lehrermangel geht es um ein strukturelles Problem, das
einerseits durch sprunghaft gestiegene Schülerzahlen und
andererseits durch eine Vielzahl neuer Aufgaben unweigerlich
kommen musste",
meint Heike SCHMOLL. Daran
irritiert vor allem, dass vom Geburtenanstieg nicht die Rede
ist. Das wundert kaum, denn schließlich gehörte die FAZ
nicht zu den Zeitungen, die an den
interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen etwas
auszusetzen hatte, denn die Bedrohung des Rentensystems durch
den demografischen Wandel war der FAZ viel zu wichtig.
Einzig die taz machte
nach der Veröffentlichung der damaligen Bevölkerungsprognose
auf die Schulmisere aufmerksam.
KLEIN,
Susanne (2018): Zeit des Ausbadens.
Politiker und Verbände
streiten über den Lehrermangel,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.08.
Kaum möglich, aber wahr: Volker KAUDER hat
für die Union endlich den Lehrermangel entdeckt! Offenbar war
bei der Union die ganze Zeit niemand zuhause.
"Experten machen
Bildungspolitiker für die Misere verantwortlich, diese
hätten jahrelang in ihren Personalplanungen den wahren
Bedarf ignoriert. Der Vorwurf trifft offenbar zu. Selbst der
Präsident der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter aus
Thüringen (Linke), räumte in der vergangenen Woche ein: »Es
sei keine vorausschauende Politik« gemacht worden, »deswegen
müssen die Länder das jetzt ausbaden«. Unter den
Versäumnissen haben neben den Förder- und Berufsschulen,
hauptsächlich die Grundschulen zu leiden",
erklärt uns Susanne KLEIN.
Wo waren eigentlich unsere neoliberale Mainstreammedien, die
unseren Politikern hätten Beine machen müssen? Hätten unsere
Medien bei dem Thema nicht beide Augen zugedrückt, dann hätte
es nicht so weit kommen müssen. Doch die interessengeleiteten
Bevölkerungsprognosen, die der KMK dazu dienten die Probleme
auszusitzen, passten unseren neoliberalen Mainstreammedien
eben zu gut ins Konzept als dass man auf die Kollateralschäden
aufmerksam gemacht hätte.
ANGER,
Heike & Barbara GILLMANN
(2018): Viel zu wenig Erzieher für die Kita-Kinder.
Seit 2015 haben sich die
Betreuungsschlüssel nicht mehr verbessert, zeigt eine
Bertelsmann-Studie. Dramatisch ist das Gefälle zwischen Ost und
West,
in:
Handelsblatt v. 29.08.
Anlässlich einer telegenen
Werbetour der bislang eher unauffälligen, aber mit viel
Vorschußlorbeeren bedachten Familienministerin, die sich gerne
in Vorzeige-Kitas zeigt, um von den hausgemachten Problemen
abzulenken, berichten ANGER & GILLMANN über eine
Studie der neoliberalen Privatstiftung Bertelsmann, die
den Finanzrahmen des geplanten "Gute-Kita-Gesetz" kritisiert.
Tatsächlich sind die Zahlen der Stiftung angesichts der
tatsächlichen Geburtenentwicklung in Deutschland längst
überholt.
Das angebliche
Qualitätsgesetz wird den interessengeleiteten
Bevölkerungsprognosen der letzten Jahre zum Opfer fallen, denn
die Mittel werden nicht einmal den Bedarf für den notwendigen
Ausbau der Kinderbetreuung decken können. Nichts davon lesen
wir bei ANGER & GILLMANN.
FÜLLER, Christian
(2018): Schulversager.
Die Kultusminister haben über
viele Jahre Zehntausende Lehrer zu wenig eingestellt. Das ist
ein Riesenskandal. Wie soll die Lücke gefüllt werden? Schule
wird durch Seiteneinsteiger endgültig zum Laientheater,
in: Welt
v. 29.08.
"Wenn (...) in mehreren
Bundesländern die Lehrerversorgung de facto zusammenbrecht,
geschieht in der Hauptstadt - nichts: kein Mucks, niemand
entschuldigt sich oder tritt gar zurück. Das ist schlecht
so. Hat schon jemand von einer »Sondersitzung Lehrermangel«
der Kultusministerkonferenz gehört?"
fragt Christian FÜLLER, der
die Entwicklungen seit dem Jahr 2001 beschreibt. Seitdem sei
der Lehrermangel mehr und mehr nur noch verwaltet worden:
"So baute sich Jahr für
Jahr jene Lücke auf, die spätestens im Jahr 2015 zu einer
Schlucht anwuchs. Da strebten 325.000 schulpflichtige Kinder
als Flüchtlinge nach Deutschland - und machten alle Pläne zu
Makulatur. Die überraschende Kinderlust der Deutschen kam
hinzu."
Überraschend ist am
Geburtenanstieg in Deutschland nichts, sondern er wurde
schlichtweg ignoriert: zuallererst von den Amtsstatistikern
und dann auch von der KMK, weil man das Problem aussitzen
wollte. Und auch die Mainstreammedien hatten keinerlei
Interesse am Thema, was FÜLLER zu vergessen erwähnt. Wo war
z.B. die Welt im Jahr 2015. Hatte da jemand etwa mehr
Lehrer gefordert?
MUNZINGER, Paul
(2018): Keiner da.
Sechs Jahre nach der Geburt
werden Kinder in der Regel eingeschult. Eigentlich also
ausreichend Zeit, um für genügend Lehrer zu sorgen. Warum im
Moment trotzdem so viele Stellen unbesetzt sind,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 31.08.
Warum haben die
Mainstreammedien nicht bereits vor 6 Jahren über das Problem
aufgeklärt? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Nun
müssen unsere Medien Rechtfertigungen für die Versäumnisse
liefern, bei denen die Rolle der Medien ausgespart bleibt. Die
Verantwortlichen berufen sich nun auf das "Mantra des
Personalabbaus im öffentlichen Dienst", zu deutsch: die
neoliberale Ideologie des schlanken Staates, die uns die SZ
jahrzehntelang als richtig einbläute.
"1976 hat Klemm ein Buch
veröffentlicht, dessen Titel heute verrückt klingt: »Volle
Klassen, Lehrerschwemme«. Mitte der 60er-Jahre waren die
Geburtenzahlen in Westdeutschland eingebrochen, von 1,3
Millionen auf 800.000 zehn Jahre später. Die Folge des
»Pillenknicks«: Ein Überangebot an Lehrern",
behauptet Paul MUNZINGER.
Daran ist schon falsch, dass MUNZIGER nicht die westdeutschen
Zahlen präsentiert, denn in Westdeutschland umfasste der
Jahrgang 1964 kaum mehr als eine Million Neugeborene und 10
Jahre später waren es rund 626.000 Babys. Wundert es einem da,
dass die Glaubwürdigkeit unserer Presse ruiniert ist, wenn
Falschdarstellungen schon alltäglich sind?
"Nach Jahren des
Rückgangs kommen seit 2012 wieder mehr Kinder zur Welt. Doch
das der Zuwachs sich verstetigen würde, sei damals nicht
abzusehen gewesen. Für einen Trend brauche es drei Pfeile,
die in die gleiche Richtung weisen - 2012, 2013 und 2014
also. Die Zahlen für 2014 lagen aber erst 2015 vor",
erklärt uns MUNZINGER.
Daran ist schon falsch, dass man dies erst 2015 wissen konnte,
denn die KMK korrigierte ihre Schülerzahlen nicht bereits 2015
als die neue
Bevölkerungsvorausberechnung veröffentlicht wurde und auch
nicht letztes Jahr als die aktualisierte Variante 2 A
veröffentlicht wurde, sondern erst dieses Jahr, nachdem die
Bevölkerungsvorausberechnungen längst schon wieder veraltet
und überholt sind. In den Medien erfolgte kein Aufschrei,
sondern der Geburtenanstieg wird bis heute verniedlicht. Man
will das Problem aussitzen, weil bereits 2025 wieder ein
Geburtenrückgang einsetzen soll. Was aber, wenn das nicht der
Fall ist?
Fazit: Unsere
Mainstreammedien haben es versäumt rechtzeitig aufzuklären,
weil die interessengeleiteten Bevölkerungsvoraussetzungen ganz
in ihrem Interesse waren. Es ging darum die neoliberale
Rentenpolitik durchsetzen zu können. Der Rest ist lediglich
Kollateralschaden!
FRIESER,
Michael (2018): Auf Kosten der künftigen Generationen?
Die Gegenwart: Der
demographische Wandel ist keine Floskel. Die Alterung der
Bevölkerung wirkt sich auf viele Bereiche von Gesellschaft und
Staat aus. Das ist jedoch kein Grund zu verzagen. Denn wer stets
nur negative Szenarien darstellt, der gestaltet nicht die
Zukunft. Ergreifen wir die Chancen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.
Michael FRIESER, Unionsbeauftragter für den
demographischen Wandel, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, das
ihm die Alarmisten wie Herwig BIRG, Meinhard MIEGEL und Frank
SCHIRRMACHER eingebrockt haben:
"Vor mehr als zehn Jahren
beherrschten Untergangsprognosen die Diskussion. Grund war
der absehbare Bevölkerungsrückgang infolge geringer
Geburtenzahlen. Man wählte drastische Bilder des
Aussterbens. Ein Jahrzehnt später gelten die Vorhersagen als
überholt, Deutschland werde sich auch demographisch
abschaffen. Steigende Geburtenzahlen und
Bevölkerungswachstum sollen belegen, dass es sich um
unbegründete Panik handelt."
Politik, Wissenschaft und
Medien haben den Begriff "demografischer Wandel" missbraucht,
um mit ihrem neoliberalen Mantra der Alternativlosigkeit
Politik gegen den Sozialstaat zu betreiben. Das rächt sich
nun, weshalb FRIESER nun mehr Aufwand betreiben muss, um die
verlorenen gegangene Glaubwürdigkeit ("Erklärungskraft")
wiederherzustellen:
"So übertrieben frühere
Kassandrarufe waren, so falsch sind die derzeitigen
Jubelmeldungen. Richtig daran ist, dass Politiker oftmals
den Fehler gemacht haben, sich auf den so vertraut
klingenden Begriff des demographischen Wandels
zurückzuziehen, anstatt die komplexen Zusammenhänge von
Strukturpolitik und Bevölkerungsentwicklungen zu erklären.
Das hat dazu geführt, dass kaum jemand diesen (...) Begriff
mit Inhalt füllen kann".
Der Politikwissenschaftler
Christian RADEMACHER hat das zu Recht bereits vor fünf Jahren
als
Demographismus bezeichnet und kritisiert, dass es sich
beim demografischen Wandel mehr um Ideologie als um Wissen
handelt. Auch FRIESER geht es nicht um Aufklärung, sondern um
einen Angriff auf den Sozialstaat:
"Der Koalitionsvertrag
von Union und SPD hat dieses Thema aufgegriffen und auf
vielen Feldern Abhilfe versprochen, etwa bei der Sicherung
von Fachkräften und der Entwicklung des ländlichen Raums. Im
Bereich der Sozialsysteme und insbesondere der gesetzlichen
Rentenversicherung musste ein Kompromiss gemacht werden, dem
(...) zu widersprechen ist."
FRIESER verteidigt also
lediglich die politische Sicht der Union auf das, was mit dem
Begriff des demografischen Wandels gemeint sein soll. Statt
über Ursachenzusammenhänge zu schreiben, will FRIESER
stattdessen an die Inhaltsleere des Begrifs anknüpfen, um das
neoliberale Mantra der Alternativlosigkeit weiterhin betreiben
zu können. FRIESER wiederholt nur die bekannten verzerrenden
Darstellungen zur Demografie, die auf dieser Website zur
Genüge widerlegt wurden, z.B. in Sachen Babyboomer,
Geburtenrückgang und
Lebenserwartung. Bei der Rentenproblematik wird wie üblich
der
Altenquotient (der sinnbildlich für die "Altenlast" stehen
soll) als Problem beschworen, der zwar den demografischen
Aspekt, nicht aber die
viel
relevanteren nicht-demografischen Aspekte in den
Mittelpunkt rückt.
Am schlimmsten jedoch ist
die Naturalisierung durch die Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme wie sie FRIESER betreibt, wenn er
von "negativen natürlichen Entwicklungen spricht", die er den
unnatürlichen Entwicklungen des Wanderungsgeschehens
gegenübergestellt. Damit zeigt er eine geistige Nähe zur AfD,
die mit ihrem nationalkonservativen Flügel salon- und
regierungsfähig gemacht werden soll. Was außen vor bleibt:
Wanderungsströme werden politisch kanalisiert, z.B. wenn es um
die viel beschworene Fachkräftesicherung geht. Die neoliberale
Weltordnung, die auf die Stärkung der großstädtischen
globalistischen Zentren abzielt und durch die Standortpolitik
in Deutschland zusätzlich befeuert wurde, ist
mitverantwortlich für die Entleerung ländlicher Räume und die
Aufblähung der städtischen Ballungsgebiete mit allen ihren
politischen Nebenwirkungen. Nichts davon lesen wir bei FRIESER.
Fazit: FRIESER will nicht
aufklären über die Ursachen der Probleme, die mit dem Begriff
"demographischer Wandel" nur umschrieben, aber nicht erklärt
werden können. Statt Ursachenerklärung wird am neoliberalen
Mantra und dem Angriff auf den Sozialstaat festgehalten. Die
Erklärungskraft des Begriffs wird von FRIESER nicht belegt,
sondern in gewohnter Weise vorausgesetzt, obwohl er doch
selber behauptet, dass dies falsch sei. FRIESER hat sein Thema
verfehlt!
STATISTIK BAYERN (2018): Die zusammengefasste Geburtenziffer
2017 verblieb auf Vorjahresniveau.
Die zusammengefasste
Geburtenziffer lag im Jahr 2017 im Freistaat bei 1,55 Kindern je
Frau,
in:
Pressemitteilung des
Bayerischen Landesamt für
Statistik v. 17.10.
"(D)ie zusammengefasste
Geburtenziffer in Bayern (belief sich) für das Jahr 2017 auf
1,55 Kindern je Frau. Somit entsprach die Geburtenziffer für
Bayern etwa dem Vorjahresniveau (2016: 1,56 Kinder je Frau).
Die zusammengefasste Geburtenziffer ist ein Maß zur
Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens und gibt an, wie
viele Kinder eine Frau durchschnittlich in ihrem Leben
bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre, wie das
aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten
Kalenderjahr. Sie wird als TFR (englisch für total fertility
rate) bezeichnet.
Nach Regierungsbezirken getrennt betrachtet, wies Schwaben mit
1,63 (2016: 1,65) Kindern je Frau den höchsten Wert auf,
gefolgt von Unterfranken mit 1,56 (2016: 1,54), Mittelfranken
mit 1,56 (2016: 1,58), Niederbayern mit 1,55 (2016: 1,54),
Oberbayern mit 1,53 (2016: 1,55), Oberfranken mit 1,51 (2016:
1,49) und der Ober-pfalz mit 1,50 (2016: 1,48).
Auf Kreisebene zeigte der Landkreis Aichach-Friedberg mit 1,85
Kindern je Frau (2016: 1,76) den höchsten Wert für das Jahr
2017 in Bayern auf, gefolgt von der kreisfreien Stadt Hof mit
1,81 Kindern je Frau (2016: 1,50) und dem Landkreis Wunsiedel
im Fichtelgebirge mit 1,80 Kindern je Frau (2016: 1,66). Den
geringsten Wert auf Kreisebene verzeichnete die kreisfreie
Stadt Passau mit 1,06 (2016: 1,127) Kindern je Frau. Wird die
zusammengefasste Geburtenziffer getrennt für Frauen mit
deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit betrachtet,
ergab sich für das Jahr 2017 in Bayern folgendes Bild: Bei
Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit betrug die
zusammengefasste Geburtenziffer 1,46 Kinder je Frau (2016:
1,46); bei Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1,97
Kinder je Frau (2016: 2,04)", meldet das Bayerische Landesamt
für Statistik.
STATISTIK HESSEN (2018): 60.988 Geburten im Jahr 2017 in Hessen.
Höchste Geburtenrate im
Landkreis Kassel mit durchschnittlich 1,74 Kindern je Frau,
in:
Pressemitteilung des
Hessischen Statistischen
Landesamts v. 18.10.
"Im Jahr 2017 wurden in Hessen
60.988 Kinder geboren. Das waren (...) 260 oder 0,4 Prozent
mehr als im Jahr 2016 und der Höchststand der letzten 20
Jahre.
Die durchschnittliche Kinderzahl der 15 bis unter 50-jährigen
Frauen lag bei 1,58. Sie war geringfügig niedriger als im
Vorjahr (2016: 1,59). Eine höhere durchschnittliche Kinderzahl
je Frau als 2016 und 2017 gab es seit 1972 (1,63) nicht mehr.
Das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt ihres
ersten Kindes lag 2017 bei 29,5 Jahren (2016: 29,4 Jahre).
1208 Frauen brachten Mehrlinge zur Welt (davon 1.177
Zwillings-, 29 Drillings- und 2 Vierlingsgeburten).
Die höchste Geburtenrate hatte der Landkreis Kassel mit
durchschnittlich 1,74 Kindern je Frau, gefolgt von den
Landkreisen Waldeck-Frankenberg und Offenbach mit jeweils
1,73. Die niedrigsten Geburtenziffern wiesen der Landkreis
Marburg-Biedenkopf (1,35) und die kreisfreie Stadt Frankfurt
am Main (1,43) aus.
Die absolute Zahl der Geburten lag zwischen 775 im
Odenwaldkreis und 9.065 in Frankfurt am Main", meldet das
Hessische Statistische Landesamt.
STATISTIKBERLIN
(2018): Eheschließungen, Geborene und Gestorbene in Berlin 2017.
Statistischer Bericht A II 1 – j
/ 17,
in:
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 25.10.
In Berlin ist die Geburtenrate im Jahr 2017 auf 1,47 Kinder pro Frau
gesunken (2016:
1,54).
STATISTIKBRANDENBURG
(2018): Eheschließungen, Geborene und Gestorbene im Land Brandenburg
2017.
Statistischer Bericht A II 1 – j
/ 17,
in:
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg v. 25.10.
In Brandenburg ist die Geburtenrate im Jahr 2017 auf 1,63 Kinder pro
Frau (15- 44-Jährige) bzw. 1,64 (15- 49-Jährige) gesunken (2016:
1,69).
MÜLLER, Hans
Christian
(2018): Babyboom(chen).
Grafik des Tages: Auch wenn die
Werte längst nicht mit denen der 60er-Jahre vergleichbar sind: In
Deutschland steigt die Zahl der Geburten wieder kräftig an. Und das,
obwohl inzwischen viel mehr Frauen einen Job angenommen haben. Dem
Land ist es gelungen, die Kinderbetreuung in kurzer Zeit massiv
auszubauen: In nur einem Jahrzehnt hat sich die Zahl der U3-Plätze
verdoppelt. Doch das reicht noch lange nicht aus,
in:
Handelsblatt v. 26.10.
Nächste Woche, am letzten Oktobertag, will das
Statistische Bundesamt die Geburtenzahlen für 2017
verkünden. Weil die Geburtenzahlen 2017 zurückgegangen
sind, präsentiert das Handelsblatt nun eine
Hochrechnung der ersten vier Monate 2018, um den
Anstieg der Geburten weiter fortschreiben zu können.
Solche Hochrechnungen sind gefährlich wie die
Familienministerin Ursula von der LEYEN während ihrer
Amtszeit feststellen musste.
Im Juli meldete das
Statistische Bundesamt vorläufige Geburtenzahlen von
rund 785.000 Lebendgeborene für 2017. Im Jahr 2016
waren es dagegen noch
792.131. Für 2018 geht das Handelsblatt nun von
791.700 Lebendgeborenen aus.
Es geht dabei in erster Linie um einen Deutungskampf.
Die Interpretation des Handelsblatt:
"Wirtschaftsboom und neue Zuversicht".
Aber ist es mit der
Zuversicht wirklich noch so weit her? Erste Meldungen
der Statistischen Landesämter zeigen, dass nicht nur
die Geburtenzahlen zurückgegangen sind, sondern auch
die Geburtenrate zumindest in einigen Bundesländern
zurückgegangen ist.
In Bayern ging die Geburtenrate von 1,56 auf 1,55
minimal zurück. Auch in
Hessen war der
Rückgang nur geringfügig (1,58 statt 1,59 Kinder pro
Frau). Berlin und
Brandenburg
meldeten jedoch gestern sogar stärkere Rückgänge.
Der Ausbau der
Kinderbetreuung ist nur eines von vielen Problemen,
das den potenziellen Müttern und den Müttern in
Deutschland zu schaffen macht,
weil die Politik den Geburtenanstieg zu lange
ignoriert hat und es nun an allen Ecken und Enden
fehlt: Kreißsäle haben geschlossen, Erzieher fehlen
und an Lehrern mangelt es gravierend. Die politische
Unsicherheit in Deutschland, die von den Medien
kräftig geschürt wurde, trägt auch nicht zur neuen
Zuversicht bei.
Fazit: Wenn
Deutschland nicht endlich die drängenden Probleme
durch den Anstieg der Geburten angeht, dann könnte es
bald vorbei sein mit dem Traum vom Babyboom.
DESTATIS (2018): Geburtenziffer 2017 leicht gesunken,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 31.10.
"Die Zahl der
geborenen Kinder war im Jahr 2017 mit rund 785.000
Babys um etwa 7.000 niedriger als im Jahr 2016.
Dieser Rückgang geht auf die leicht gesunkene
durchschnittliche Kinderzahl je Frau zurück. (I)m
Jahr 2017 (betrug) die zusammengefasste
Geburtenziffer 1,57 Kinder je Frau. Im Jahr zuvor
hatte sie den Wert von 1,59 erreicht.
Die zusammengefasste Geburtenziffer wird zur
Beschreibung des aktuellen Geburtenverhaltens
herangezogen. Sie gibt an, wie viele Kinder eine
Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn ihr
Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen
zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten
Jahr. Alle Angaben beziehen sich auf lebend geborene
Kinder.
Bei den Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit lag
2017 die Geburtenziffer mit 1,45 Kindern je Frau nur
leicht unter dem Niveau von 2016 (1,46 Kinder je
Frau). Bei den Frauen mit ausländischer
Staatsangehörigkeit sank sie von 2,28 auf 2,15
Kinder je Frau.
In den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) war
2017 die zusammengefasste Geburtenziffer mit 1,61
Kindern je Frau höher als im Westen Deutschlands
(ohne Berlin) mit 1,58. Das Land mit der höchsten
zusammengefassten Geburtenziffer von 1,64 Kindern je
Frau war Brandenburg. Die niedrigste Geburtenziffer
von 1,48 Kindern je Frau wies Berlin auf.
Das durchschnittliche Alter der Mütter bei Geburt
des Kindes war 2017 mit 31 Jahren und 2 Monaten um
zwei Monate höher als im Jahr 2016. Mütter waren
beim ersten Kind 2017 durchschnittlich 29 Jahre und
10 Monate alt. Beim zweiten Kind waren die Mütter
knapp 32 Jahre alt, beim dritten Kind knapp 33
Jahre. Nach wie vor sind die Mütter bei Geburt ihres
Kindes in den ostdeutschen Bundesländern jünger als
im Westen Deutschlands. Beim ersten Kind betrug der
Altersunterschied 11 Monate (knapp 29 Jahre in
Ostdeutschland gegenüber knapp 30 Jahre in
Westdeutschland).
Die Frage nach der
Zahl der Kinder, die Frauen im Laufe ihres Lebens
tatsächlich bekommen haben, kann für
Frauenjahrgänge beantwortet werden, die das Ende des
gebärfähigen Alters erreicht haben, das statistisch
mit 49 Jahren angesetzt wird. Im Jahr 2017 haben die
Frauen des Jahrgangs 1968 das Ende der gebärfähigen
Phase erreicht. Dieser Jahrgang hat bisher mit
durchschnittlich 1,49 Kindern je Frau die geringste
bisher gemessene Kinderzahl zur Welt gebracht. Bei
Frauen der folgenden jüngeren Jahrgänge bis
voraussichtlich Ende der 1970er Jahre wird die
endgültige durchschnittliche Kinderzahl höher als
beim Jahrgang 1968 sein. Bei diesen Jahrgängen ist
das Ende der gebärfähigen Phase noch nicht erreicht.
Dennoch ist bei ihnen die bereits erreichte
Kinderzahl je Frau zum Teil schon jetzt höher als
beim Jahrgang 1968 beziehungsweise ist es aufgrund
der bisherigen Entwicklung absehbar, dass sie höher
ausfallen wird",
meldet das
Statistische Bundesamt. Bereits
Mitte Juli hatte die
Statistikbehörde vorläufige Zahlen zur
Geburtenentwicklung für das Jahr 2017 veröffentlicht.
Das Handelsblatt spekulierte bereits
vor einigen Tagen über
die Geburtenzahl 2018, um den "Einbruch" der Geburten
im Jahr 2017 in einem positiveren Licht erscheinen zu
lassen. Die Statistik der Geburten der
DESTATIS-Datenbank beziffert die Geburtenzahl 2017 mit
784.901 Lebendgeborenen.
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