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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Das Rentensystem und seine Gefährdung durch nicht-demografische Faktoren

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatten, die Sprengwirkung für das System der Rentenversicherung haben (Teil 5)

 
       
       
     
   
     
 

Einführung

Die Rente wird seit Jahrzehnten wegen des demografischen Wandels vor dem Kollaps gesehen. Der Geburtenrückgang und der Anstieg der Lebenserwartung gelten als jene Faktoren, die das Rentensystem bedrohen. Es sind jedoch in der Regel die unbeachteten Nebenfolgen von Entwicklungen, die wirkliche Sprengkraft besitzen. Auf dieser Website wird davon ausgegangen, dass es gerade die nicht-demografischen Faktoren sind, die wirklich bedrohlich sein können. Man könnte das Problem mit Demografiepanik bezeichnen und die Nuller Jahre mit ihrer Hysterie war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in den 1920er Jahren bevorsteht.

Die kommende Demografiepanik speist sich aus drei Quellen, deren Auswirkungen teilweise bereits seit den 1990er Jahren beobachtet werden können und die durch selbstverstärkende Effekte befeuert werden: Renditegier, Angst vor Altersarmut und die Eigengesetzlichkeiten der Mechanismen im Rentensystem. Zu dieser die Demografiepanik begünstigenden Faktoren kommen weitere nicht-demografische Faktoren hinzu, die als Rahmenbedingungen die Demografiepanik weiter befeuern können: der Wandel des Arbeitsmarktes, die Entwicklung der Kapital- und Immobilienmärkte, der Wandel des Parteiensystems und nicht zuletzt die Entstehung der neuen Klassengesellschaft (mehr hier).

In dieser Bibliographie sollen deshalb jene öffentlichen Debatten dokumentiert werden, in denen jene nicht-demografischen Aspekte zur Sprache kommen, die die gesetzliche Rentenversicherung gefährden.     

Kommentierte Bibliografie (Teil 5 - 2018)

2018

ZSCHÄPITZ, Holger (2018): Analysten versprechen eine heile Welt.
Experten erwarten 2018 Rekorde bei Aktien. Dax könnte am Jahresende bei über 14.000 Punkten liegen. Nur einer hält dagegen,
in:
Welt v. 03.01.

ÖCHSNER, Thomas (2018): Rendite mit der Rente.
Zusätzliche und freiwillige Beiträge in die Rentenkasse können sich lohnen - jetzt und in den nächsten Jahren besonders,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.01.

Thomas ÖCHSNER berichtet über die Möglichkeiten, mit denen "Gutverdiener und Erben" die Rentenkassen ausplündern können:

"Immer mehr Gutverdiener nutzten die Rentenversicherung (...) quasi wie eine Geldanlage sie zahlen den Höchstbeitrag von etwa 1209 Euro monatlich ein. (...).
Diesen Höchstbeitrag leisteten sich 2014 noch 3.803 Personen. 2015 waren es bereits 5.045, ein Anstieg um 33 Prozent. Zahlen für 2016 liegen laut DRV noch nicht vor. Die Zahl der Einzahler dürfte jedoch weiter steigen, auch wegen der anhaltend niedrigen Zinsen".

Das Problem dieser Art von Plünderung der Rentenkasse wird sich erst in den nächsten beiden Jahrzehnten zeigen, wenn die Gutverdiener die lebenslange Rente ausbezahlt bekommen oder an ihre Hinterbliebenen ausgezahlt werden müssen. Diese Bereicherung ist eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Die andere Form wird von Philipp KROHN heute in der FAZ propagiert, denn die Entgeltumwandlung bei der betrieblichen Altersvorsorge schwächte die gesetzliche Rentenkasse ebenfalls.

Fazit: Entgeltumwandlung und freiwillige Einzahlungen sorgen dafür, dass die gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft mehr Probleme bekommt als dies aufgrund des demografischen Wandels nötig wäre.   

KREFTING, Marco (2018): "Ein Volk von Zahlenblinden".
Weil sich viele Deutsche mit dem Rechnen so schwer tun, sind sie leicht zu manipulieren,
in:
Frankfurter Rundschau v. 05.01.

Marco KREFTING macht Werbung für mehr Mathematik- und Statistikkenntnisse. Dies ist sicherlich richtig, aber nur die halbe Wahrheit: Mathematik ist nur das Handwerkszeug und keineswegs ausreichend, um Manipulationen zu erkennen. Das wird bereits dadurch ersichtlich, weil in Deutschland sich z.B. zwei Statistikprofessoren, die ihr Handwerkszeug beherrschen - Gerd BOSBACH und Walter KRÄMER - in der Debatte um den demografischen Wandel auf zwei ideologischen Grabenseiten positioniert haben. Während BOSBACH die Interessen nicht nur der besserverdienenden Arbeitnehmer vertritt, hat sich KRÄMER auf die Seite der Demagogen geschlagen. Bevölkerungsvorausberechnungen ermöglichen z.B. mehr als eine einzige mathematisch korrekte Aussage (mehr hier) und der demografische Wandel ist nur ein Aspekt der Zukunft, die in erster Linie durch nicht-demografische Aspekte (z.B. Produktivitätsentwicklung, Arbeitsmarktentwicklung, Verhaltensänderungen und politische Entscheidungen) geprägt wird.

Fazit: Es bedarf mehr als reines Mathematikverständnis, um öffentliche Debatten richtig einschätzen zu können.

KELLER, Dieter & Andre BOCHOW (2018): "Besser als vorausgesagt wurde".
Gundula Roßbach im Gespräch,
in:
Südwestpresse v. 12.01.

THISSEN, Stefan (2018): Rentenfinanzen: Unerwartetes Plus.
Zum Jahresende lagen 33,4 Milliarden Euro auf den Konten der Rentenversicherung – über eine halbe Milliarde mehr als erwartet,
in:
Freitag Nr.3 v. 18.01.

KROHN, Philipp (2018): Wer wenig verdient, sorgt wenig vor.
Wer im Rentenalter seinen Lebensstandard halten will, sollte dafür auch privat vorsorgen, das verlangen die Reformen seit 2001. Doch wie viel Spielraum zur Eigenverantwortung haben Geringverdiener?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.01.

MOHR, Daniel (2018): Selbst ist der Anleger.
Die Vermögensfrage: Rentenpolitik ist für die Rentner da. Unter diesem Leitbild steht auch wieder das Sondierungspapier von Union und SPD. Die jungen Sparer sollten sich davon aber nicht beirren lassen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.01.

Daniel MOHR redet als Verfechter der Kapitaldeckung die gesetzliche Rente schlecht und versucht die Jungen mit Renditeversprechen zu ködern. Linke werden damit verdummt, dass der Kauf von Aktien(fonds) eine "Beteiligung (...) am Produktivkapital" sei. Die Niederlande und Schweden würden alles richtig machen. Erst die Geschichte wird zeigen, ob die Auslieferung an Kapitalmärkte der richtige Weg ist, um dem "demografischen Wandel" zu begegnen. Bislang ist eher das Gegenteil zu beobachten. Wenn es schief geht, dann ist für Marktradikale wie MOHR sowieso die "Überregulierung" und der "Kleinanlegerschutz" schuld. 

KAFSACK, Hendrik (2018): Steuerzahler müssen für EU-Pensionen geradestehen.
Fonds für Sonderpensionen der EU-Abgeordneten droht 2026 die Insolvenz,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.01.

THELEN, Peter (2018): Der heimliche Griff in unsere Taschen.
Trotz sinkender Beitragssätze sprudeln die Einnahmen der Sozialkassen. Acht Milliarden Euro mehr winken allein den Krankenkassen. Grund sind steigende Beitragsbemessungsgrenzen. Experten fordern nun Korrekturen,
in:
Handelsblatt v. 25.01.

Peter THELEN betätigt sich als Lobbyist der oberen Mittelschicht. Die Beitragsbemessungsgrenzen in der Rentenversicherung sind nicht zu niedrig, sondern gehören abgeschafft. Teile der oberen Mittelschicht haben sich nämlich längst aus der Finanzierung des Sozialstaats verabschiedet. In der Schweiz finanzieren die Reichen durch das Fehlen der Beitragsbemessungsgrenze die Renten der Armen in der AHV mit, obwohl sie bei der Rentenhöhe nicht davon profitieren. 

FERBER, Michael (2018): Unsicherheit über Finanzen im Alter.
Längeres Leben, niedrige Zinsen und "Gig Economy" zwingen zum Umdenken,
in: Neue Zürcher Zeitung
v. 31.01.

KROHN, Philipp (2018): Anlegern fehlt der lange Atem.
Kurzfristige persönliche Erfahrung prägt das eigene Anlageverhalten. Aber ist sie ein zuverlässiger Ratgeber? Fragen für eine Generation der Selbstentscheider,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.02.

Philipp KROHN verkauft uns wieder einmal für dumm mit seinen höchstens theoretisch erreichbaren Renditechancen auf dem Aktienmarkt:

"Zwischen Ende 2007 und März 2009 verlor der Index fast 50 Prozent seines Werts. Wer aber auf dem Tiefpunkt einstieg, konnte sich seither über einen Kursgewinn von knapp 220 Prozent freuen".

Dumm nur, dass Tiefpunkte erst in der Rückschau überhaupt erkennbar werden. Wer sein Aktienkapital aufgrund von unvorhergesehenen Ereignissen dringend benötigt, dem dürfte es ziemlich egal sein, ob man hypothetisch riesige Renditen erreichen könnte. Wer das Pech hat, dass Börsencrashs sich nicht um Geldprobleme kümmern, der wird für KROHN höchstens Hohn übrig haben. Aktien sind nur etwas für Menschen, die Geld zum Verbrennen übrig haben, aber keinesfalls für Geringverdiener, die sich bereits für größere Anschaffungen verschulden müssen!

NARAT, Ingo (2018): Die Hoffnung des Crash-Propheten.
Fonds unter der Lupe: Max Otte versucht ein Comeback. Der umstrittene Geldverwalter erwartet eine neue Krise und bereitet sich in seinem Fonds entsprechend vor. Seine Aktienbestände fängt er bereits an zu senken,
in:
Handelsblatt v. 13.02.

SIEDENBIEDEL, Christian (2018): So viel verlieren die Besitzer bekannter Aktienfonds.
Die Börsenkorrektur hat auch in Deutschlands Investmentfonds ihre Spuren hinterlassen. Die Wertverluste bekannter Aktienfonds reichen von 3 bis mehr als 7 Prozent in einer Woche. Wer hat sich dabei noch ganz gut geschlagen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.02.

MOHR, Daniel (2018): So viele Aktionäre wie seit 2003 nicht mehr.
Die neuesten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts zeigen eine wieder stärkere Hinwendung zur Aktie. Doch das große Geld fließt woanders hin,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.02.

Daniel MOHR ergänzt die Zahlen des DIA durch Zahlen der Finanzdienstleister Lobbyverbände GDV und BVI sowie der Bundesbank. Obwohl er davon ausgeht, dass die Zahlen des DIA die Verbreitung aufgrund mangelnden Wissens der Privatanleger unterschätzt, ist ihm das in Aktien angelegte Vermögen entschieden zu wenig. Im Kommentar Die Profis enttäuschen, beklagt er die Zurückhaltung der Lebensversicherer. Diesen wirft er Fehlentscheidungen vor. Das kann man so interpretieren, dass die Lebensversicherer endlich von Garantien Abschied nehmen sollen. Abwicklungsgesellschaften sind eine Möglichkeit um diese unprofitablen Policen abzustoßen, deren Image Philipp KROHN gerade aufpoliert. An der FAZ liegt es also nicht, dass die Deutschen Aktienmuffel sind, denn diese rührt unermüdlich die Werbetrommel für den Finanzkapitalismus. Dabei gibt es durchaus Gründe für die Aktienabstinenz. Das gilt insbesondere für Geringverdiener, die ihr Geld nicht einfach zum Fenster hinauswerfen können.

SEIBEL, Carsten (2018): Selbst die Vorsichtigen trauen sich jetzt an die Börse.
Erstmals seit der Finanzkrise gibt es mehr als zehn Millionen Aktionäre. Sie haben seit dem Platzen der New Economy-Blase dazugelernt,
in: Welt
v. 20.02.

"Der typische deutsche Aktionär lebt in den westlichen Bundesländern, ist über 50 Jahre alt, hat ein überdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro und ein hohes Bildungsniveau",

behauptet Carsten SEIBEL. In Wirklichkeit ist das keineswegs der typische deutsche Aktionär, denn die einzelnen Dimensionen Alter, Gebiet, Einkommen und Bildung stehen jede für sich. Über den Zusammenhang der Dimensionen sagt die Studie lediglich aus:

"Die soziodemographischen Merkmale sind nicht unabhängig voneinander, sondern überlappen sich zum Teil." (2018, S.7)

Daraus kann keinesfalls geschlossen werden, dass reiche Rentner die typischen Aktionäre sind.

Dem neoliberalen DAI geht es darum Geringverdiener zum Aktiensparen zu verleiten, obwohl diese davon kaum profitieren können. Deshalb fordert das DAI staatliche Subventionen, von denen in erster Linie die Finanzdienstleister und die Gutverdiener profitieren würden.

LEISINGER, Christof (2018): Ein starker Kursrückschlag kommt selten allein.
Wie die Erfahrung zeigt, kann Übermut zum Crash führen - übersehen die Anleger einmal mehr die Zeichen der Zeit?
in: Neue Zürcher Zeitung
v. 20.02.

Im Gegensatz zu den deutschen Aktieneuphorikern, warnt die NZZ davor, dass es sich bei dem Kurseinbruch vor kurzem nur um eine Art von kleinem Vorbeben gehandelt haben könnte. Von daher könnte sich das Trauma der deutschen Aktiensparer, immer wieder zum falschen Zeitpunkt eingestiegen zu sein, erneut wieder holen - allen Aktieneuphorikern, die den Höchststand an deutschen Aktienbesitzern jetzt bejubeln. 

ZSCHÄPITZ, Holger (2018): Rente mit 70? Das wird nicht reichen.
Neue Studie offenbart, dass die Lücke trotz längerer Arbeitszeit immer noch besteht,
in: Welt
v. 20.02.

Holger ZSCHÄPITZ verbreitet willig die PR der Fondsgesellschaft Fidelity, die bei Martin WERDING eine Werbebroschüre für mehr Fondssparen in Auftrag gegeben hat. Der Artikel zielt auf die Gutverdiener, weshalb das Fallbeispiel einer Versicherungskauffrau nur erwähnt, aber nicht näher ausgeführt wird. Im Mittelpunkt steht ein Ingenieur und ein Geschäftsführer, von deren "Rentenlücke" die Fondsgesellschaft besonders profitieren kann.

Die Rentenlücke ist ein Konstrukt der Finanzdienstleister, die sich aus zwei Quellen speist: zum einen Annahmen zur weiteren Entwicklung der gesetzlichen Rente und zum anderen Annahmen zur Höhe des Alterseinkommen. Das wird mit dem dehnbaren Begriff der "Lebensstandardsicherung" bezeichnet, ein Steilpass, den die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 mit der Teilprivatisierung der Lebensstandardsicherung ermöglicht hat. Seitdem verbreiten die Helfer der Finanzdienstleister Horrorszenarien zur Rentenlücke, wobei ihnen die Gewerkschaften und Sozialverbände mit der Debatte um Altersarmut auch noch Hilfestellung leisten.

Berechnet wird die Rentenlücke für einen 1975 Geborenen, der heute 43 Jahre alt ist.

"Als lebensstandardsichernd setzen die Autoren 85 Prozent des letzten, in der Erwerbsphase erzielten Nettoeinkommens".

Das soll angeblich ein Optimum an Lebenszufriedenheit versprechen. Angesichts der Gesellschaft der Singularitäten, die gegenwärtig gerne beschworen wird, erscheint eine solche allgemeingültige Annahme eher absurd. Ein Vergleich mit einer PR des gleichen Autors für dieselbe Fondsgesellschaft aus dem Jahr 2013 zeigt eine gewisse Willkür der Annahmen:

"Nach einer aktuellen Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum droht den Deutschen im Rentenalter eine markant größere Vorsorgelücke. Danach fehlen einem Standardrentner im Alter monatlich rund 650 Euro, um den eigenen Lebensstandard zu sichern. Das sind 350 Euro mehr als bisher angenommen. Bisher galt es in der Politik aber auch in der Versicherungsbranche als ausgemacht, dass zur Alterssicherung rund 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens ausreichen. In der Praxis sei der Bedarf aber deutlich größer, erklärt Martin Werding, Professor für Sozialpolitik an der Ruhr-Universität und Autor der Studie. Im Schnitt müssen Bürger bei Eintritt ins Rentenalter rund 87 Prozent vom letzten Netto erzielen."

Obwohl sich die Lage der Rentenversicherung seit dem Jahr 2013 verbessert hat, wächst die Rentenlücke von PR zu PR weiter!

"Bei der privaten Vorsorge unterstellen die Autoren eine jährliche Anlagerendite von real drei Prozent, also einer Verzinsung des Sparkapitals nach Abzug der Inflation."

Sollte diese Rendite nicht erreicht werden, dann geht das zu Lasten des Sparers, der dann eben noch mehr sparen muss.

Als weitere Annahme, die den Finanzdienstleistern geradezu in die Arme spielt, wird angenommen, dass für die 1975 Geborenen das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter angehoben wird, wobei jedoch die Annahmen verschwiegen werden.

Fazit: "rein mathematisch" mögen die Ergebnisse nicht zu beanstanden sein, dagegen sind die Annahmen, die entscheidend die Höhe der Rentenlücke definieren, keineswegs frei von Interessen. Martin WERDING ist als Epigone von Hans-Werner SINN kein Freund des derzeitigen Rentensystems, von daher kommt die gesetzliche Rente schlecht weg, wodurch zwangsweise die Kapitaldeckung profitiert. Das steht im Einklang mit dem derzeit herrschenden Neoliberalismus. Da die Zukunft keine lineare Fortschreibung der Vergangenheit bzw. Gegenwart ist, könnten die Berechnungen bis zum Renteneintritt der 1975 Geborenen schnell Makulatur werden. Einzig die Finanzdienstleister profitieren von der PR, alles andere ist unsicher.

ECKERT, Daniel (2018): Achthundert Euro für jeden Bundesbürger?
Ein Staatsfonds könnte die Lösung sein für Altersarmut, steigende Einkommens- und Vermögensunterschiede. Alaska macht vor, wie es geht,
in:
Welt v. 23.02.

Timm BÖNKE tourt bereits seit Jahren mit seiner Idee eines Staatsfonds durch die Republik. Die neoliberale Privatstiftung Bertelsmann sponsert ihn dabei kräftig. Bereits im März 2017 publizierte sie sie Broschüre Ein Staatsfonds für Deutschland? Grundüberlegungen und internationale Vorbilder. Nun wird in der Broschüre Soziale Dividende. Utopie oder realistische Politikoption Alaska zum Vorbild stilisiert, obwohl die Bedingungen in Alaska in keiner Weise mit jenen in Deutschland zu vergleichen sind. Darauf wird von ECKERT erst im letzten Drittel hingewiesen:

"Alaska hat, ebenso wie andere ölreiche Staaten den Vorteil, dass sich die Gewinne aus dem Verkauf von Rohstoffen leicht abschöpfen und reinvestieren lassen. (...). Diese einfache Option (...) hat Deutschland nicht".

Hinzu kommt, dass Alaska lediglich 700.000 Einwohner hat, d.h. ein Staatsfonds müsste mit Summen operieren, die Begehrlichkeiten wecken. Für BÖNKE ist das auch nicht wirklich ein Modell zur Bekämpfung der Altersarmut, ihm geht es um "zukünftige Generationen", wer immer das sein soll. Wie üblich werden uns von Neoliberalen traumhafte Renditen versprochen, das war bei der Teilprivatisierung des Rentensystems Anfang des Jahrtausends nicht anders!

RÜRUP, Bert (2018): Politik in Zeiten alternder Wähler.
Leidartikel: Rentenreformen halten allenfalls zwei Legislaturperioden,
in:
Handelsblatt v. 02.03.

Bert RÜRUP verteidigt die Rentenpolitik gegen kleinbürgerliche Ökonomen wie Hans-Werner SINN:

"Ökonomen sind Experten für Effizienzfragen. Geht es um Verteilungsfragen, haben viele von ihnen zwar eine dezidierte Meinung, die nicht auf Analyse und Forschung basiert, sondern auf ideologiegeleiteten Werturteilen. Fast alle Politikfelder lassen sich auf Verteilungsfragen reduzieren: Wer zahlt wie hohe Steuern oder Abgaben, wofür gibt der Staat Geld aus? Die politischen Antworten auf solche Verteilungsfragen hängen vom ökonomischen und demografischen Umfeld ab und basieren auf Gerechtigkeitsvorstellungen. Ändern sich diese Bedingungen (...), können auch die politischen Antworten nicht die gleichen sein",

meint RÜRUP. Das Problem ist jedoch, dass weder das ökonomische, noch das demografische Umfeld auf längere Zeit prognostiziert werden kann, obwohl das gerne von Ökonomen behauptet wird. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt dies - auch auf andere Weise als dies von RÜRUP gemeint ist.

"Norbert Blüm war der erste Sozialminister, der sich Ende der 1980er Jahre den Problemen der Rentenversicherung infolge der Bevölkerungsalterung stellte.
Laut damaligen Prognosen hätte sich der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 auf 36 bis 41 Prozent mehr als verdoppelt. Um den Anstieg auf 27 Prozent zu begrenzen, beschloss eine informelle Koalition aus Union, FDP und SPD am Vormittag des 9. Novembers 1989 das Rentenreformgesetz 1992",

erzählt uns RÜRUP. Tatsächlich gab es Anfang des Jahrtausends laute Aufschreie der Neoliberalen, weil der Beitragssatz auf 22 Prozent bis 2030 begrenzt werden soll. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent, d.h. weit unter dem befürchteten Anstieg, der seit den 1990er Jahren zu hysterischen Debatten geführt hatte. Entscheidender ist jedoch ein anderer Aspekt:

"Die (...) Leistungsrücknahmen wurden kaschiert, indem zuvor die Erwerbsbiografie des Standardrentners von 40 auf 45 Jahre verlängert und so das ausgewiesene Rentenniveau um gut sechs Prozentpunkte angehoben wurde."

Eine Wiederholung dieser Praxis wird seit Jahren von Neoliberalen von Bundesbank bis Axel BÖRSCH-SUPAN gefordert. Die Erwerbsbiografie des Standardrentners soll von 45 auf 47 Jahre verlängert werden, um die weitere Absenkung des Rentenniveaus zu verschleiern. Dieses Spielchen wird in Zukunft öfters gespielt werden.

RÜRUP geht davon aus, dass die Leistungsausweitungen seit 2014 schnell wieder dem "Diktat leerer Kassen geopfert werden" können, denn:

"In einer Demokratie besteht Rentenpolitik durchweg im Nachsteuern entsprechend geänderter Rahmenbedingungen und Gerechtigkeitsvorstellungen. Das ist allemal besser, als die Rentenpolitik einem wohlwollenden Diktator zu überlassen, und sei dieser ein noch so kluger Ökonom."

Diese Sicht verschleiert jedoch ebenfalls, denn sie lässt die Interessenpolitik außer Acht. Welche politische Entscheidungen Rahmenbedingungen und Gerechtigkeitsvorstellungen erfordern, das ist keine Frage objektiver Fakten, sondern eine Frage politischer Machtverhältnisse. Das Altern der Wähler ist dabei kein entscheidender Faktor. Im Aufsatz Ungleichheit, Sozialstaat und demokratische Repräsentation. Marktkorrigierende Politik durch den Medianwähler? stellt Ursula DALLINGER in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Sozialreform die gängigen Vorstellungen Neoliberaler in Frage. Der Medianwähler wird auch von RÜRUP als Indikator für eine Reaktion der Politik verantwortlich gemacht. Das steigende Alter des Medianwählers ist in dieser Sicht verantwortlich, dass verstärkte Umverteilung zugunsten der Rentner betrieben wird. Diese Sicht wird jedoch infrage gestellt:

"Wie responsiv Regierungen tatsächlich gegenüber Forderungen der Bürger/-innen, insbesondere gegenüber den Interessen weniger wohlhabender Haushalte sind, wird zunehmend skeptisch betrachtet (Achen/Bartels 2016), denn schließlich kann man Veto-Spieler und organisierte Interessengruppen für wichtiger halten. Der demokratietheoretische Optimismus der Einstellungsforschung ist evt. zu weitreichend und der Einfluss des theoretisch mächtigen Medianwählers auf Umverteilungspolitik nicht gegeben. Der Beitrag fragt daher, inwieweit der Umfang an Umverteilung, den die Sozial- und Steuerpolitik verschiedener Länder erzielt, sich mit der politischen Nachfrage des Mittelschicht- bzw. Medianwählers erklären lässt" (2017, S.485),

formuliert DALLINGER die Einwände gegen das Konzept des Medianwählers und die Leitfrage ihrer empirischen Untersuchung. Aufgrund ihrer international vergleichenden Studie kommt DALLINGER zum Schluss:

"Der geringe Einfluss des Medianwählers dürfte auch das Resultat dessen sein, dass diese Gruppe weder politisch noch sozial so homogen ist, wie der Begriff suggeriert, denn die Mittelschicht und mehr noch das Medianwählerkonstrukt umfassen breite Gruppen mit heterogenen politischen Präferenzen. (...). Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass der Medianwähler einheitliche Forderungen stelle." (2017, S.508)

Leider gibt es in Deutschland nur eine rudimentäre empirische Forschung zum Thema. Vorurteile ersetzen auch in der Forschung die Empirie. Schließlich repräsentieren die Leitartikel in Mainstreamzeitungen nicht die Bevölkerungsinteressen, sondern spiegeln lediglich die politisch-medialen Machtverhältnisse wieder. 

BRANDSTETTER, Barbara (2018): Mehr Geld im Alter.
Die Vermögensfrage: Freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung rechnen sich aktuell nicht nur für Frührentner. Auch Selbständige, Hausfrauen und -männer oder Beamte profitieren. Einzahlungen für 2017 sind noch möglich,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.03.

PAPON, Kerstin (2018): Die deutschen Aktienmuffel scheinen mutiger zu werden.
Niedrige Zinsen machen erfinderischer. Trotzdem scheuen viele Anleger noch die Risiken der Aktienanlage,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.03.

BMAS (2018): Renten steigen zum 1. Juli im Westen um 3,2 Prozent, im Osten um 3,4 Prozent,
in: Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums
v. 20.03.

"Auf Basis der vorliegenden Daten ergibt sich (...) ab dem 1. Juli 2018 eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 31,03 Euro auf 32,03 Euro und eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) von gegenwärtig 29,69 Euro auf 30,69 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung von 3,22 Prozent in den alten Ländern und von 3,37 Prozent in den neuen Ländern. Der aktuelle Rentenwert (Ost) erreicht damit 95,8 Prozent des Westwerts. Zum Vergleich: Mit einer Anhebung gemäß dem ersten Schritt der Rentenangleichung wäre der aktuelle Rentenwert (Ost) um 3,33 Prozent angepasst worden und läge bei 30,68 Euro. Die Berücksichtigung der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost bei der Rentenanpassung in den neuen Ländern führt also zu einem geringfügig günstigeren Ergebnis. Damit kommt in diesem Jahr die mit dem Rentenüberleitungsabschlussgesetz eingeführte Vergleichsprüfung zum Tragen",

meldet das Bundesarbeitsministerium, das durch die positive Rentenentwicklung 1,82 Milliarden Euro gespart hat, denn diese Summe wurde als Kosten des Gesetzes für das Jahr 2018 ursprünglich veranschlagt.

CREUTZBURG, Dietrich (2018): Rentner bekommen gut 3 Prozent mehr Geld.
Renten steigen stärker als die Löhne - doch die "Mütterrente II" wird künftige Erhöhungen dämpfen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.03.

"Zusammen mit den vier vergangenen Rentenerhöhungen ergibt sich nun eine Gesamterhöhung um 13,8 Prozent (West) und 19,2 Prozent (Ost) innerhalb von fünf Jahren",

rechnet uns Dietrich CREUTZBURG vor. Inwiefern diese Rentenerhöhung aufgrund des Alterseinkünftegesetzes geschmälert wird, bleibt dabei unbeachtet.

"Den Senioren im Osten kommt (...) eine Sonderklausel des 2017 beschlossenen Gesetzes zur Ost-West-Angleichung des Rentenrechts zugute: Mit genau 3,37 Prozent fällt deren neue Rentenerhöhung sogar etwas stärker aus, als in dem Gesetz eigentlich vorbestimmt ist. Mit den dort vorgesehenen festen Angleichungsschritten wären die Ostrenten diesmal um 3,33 Prozent gestiegen; weil die übliche Berechnung mit den Lohn- und Arbeitsmarktdaten aber sogar zu einem höheren Ergebnis führt, wird nun dieses umgesetzt",

schreibt CREUTZBURG zu den Auswirkungen des Rentenüberleitungs-Abschlussgesetzes.

Der Nachhaltigkeitsfaktor sollte eigentlich dafür sorgen, dass die demografische Entwicklung die Rentenhöhe dämpft. Da sich der demografische Wandel jedoch nicht an die Prognosen gehalten hat, sorgt der Nachhaltigkeitsfaktor nun für satte Rentenerhöhungen:

"Da es derzeit (...) immer mehr Beitragszahler gibt, läuft es umgekehrt: Der Nachhaltigkeitsfaktor treibt die Renten hoch. Ohne ihn wäre die aktuelle Erhöhung um 0,29 Prozentpunkte kleiner."

Auch der Beitragssatzanstieg sollte eigentlich die Rentenerhöhungen dämpfen. Auch hier ist das Gegenteil der Fall, was CREUTZBURG jedoch verschweigt. Lieber spekuliert er, was passieren könnte, wenn die Mütterrente II eingeführt würde. Dazu greift er auf den noch unveröffentlichten Konjunkturbericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zurück, der nicht als solcher bezeichnet wird. Dort findet sich auf Seite 33 ein kleiner Kasten mit der Überschrift Wer trägt die Kosten der Mütterrente II? Dabei wird angenommen, dass für die Mütterrente die Rentenkasse aufkommt, worüber jedoch noch zu streiten wäre. Dort heißt es:

"Für den Riesterfaktor kann man in etwa abschätzen, dass ein um 0,1 Prozentpunkte höherer Beitragssatz die Ausgaben der Rentenversicherung durch eine entsprechend geringere Rentenanpassung um knapp 0,4 Mrd. Euro mindert. Unterstellt man einen Anstieg des Rentenbeitragssatzes von etwa 0,2 Prozentpunkten, ergeben sich geringere Ausgaben im Umfang von 0,7 Mrd. Euro. Die verbleibenden 3 Mrd. Euro lassen sich langfristig durch einen höheren Beitragssatz von rund 0,2 Prozentpunkten finanzieren, wobei dies für die Beitragszahler eine Mehrbelastung von 2,3 Mrd. Euro bedeutet. Der Bundeszuschuss, der in Teilen vom Beitragssatz abhängt, wäre langfristig um 0,7 Mrd. höher. Insgesamt verteilen sich somit die 3,7 Mrd. Euro auf drei Schultern, wobei aber Beitragszahler, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, den größten Anteil zu tragen haben. Kurzfristig dürfte eine Folge der Mütterrente II und weiterer Leistungsausweitungen in der Rentenversicherung sein, sofern diese wie von uns erwartet im Jahr 2019 eingeführt werden, dass eine andernfalls gebotene Beitragssatzsenkung in der Rentenversicherung unterbleibt."

Weder die demografische Entwicklung, noch das Inkrafttreten der rentenpolitischen Reformen muss sich an diese Annahmen halten, weswegen es hier rum Spekulationen geht.

Die entscheidende Frage ist, inwiefern der Eingriff in die Rentenformel erfolgt, denn im Koalitionsvertrag ist nur das Rentenniveau und die Beitragsobergrenze vorgegeben. Ob dafür die Dämpfungsfaktoren gestrichen werden müssen, ist keineswegs sicher. Genauso gut könnte so verfahren werden wie bei der Ostrentenangleichung, also mittels Meistbegünstigungsklausel.

PETER, Tobias (2018): Kräftiges Plus für Rentner.
Bezüge steigen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 21.03.

Tobias PETER verkauft uns das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz, das auf Drängen der SPD durchgesetzt, aber von der CDU/CSU so verwässert wurde, dass es eher einem Placebo gleich kommt, als Erfolg. Dass die Rentenanpassung 2018 ohne das Gesetz genauso erfolgt wäre, das verschweigt uns PETER deshalb lieber. Stattdessen wird wie üblich die Rentnerinvasion durch die Babyboomer beschworen. Und am Ende werden uns noch FDP-Ansichten serviert. Was ist nur aus der einstigen linksliberalen Zeitung geworden?  

SIEVERS, Stefan (2018): Rentner in Arbeit.
Zahl der Beschäftigten im höheren Alter steigt,
in:
Frankfurter Rundschau v. 26.03.

Seine Interpretation zum Grund Altersarmut untermauert SIEVERS mit Zahlen der Instituts für ozial-ökologischen Wirtschaftsforschung (ISW), einem Verein, der sich als Alternative zum neoliberalen Mainstream versteht:

"Nach Berechnungen des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung erhöhten sich die Renten in Westdeutschland von 2000 bis einschließlich 2015 um 18,29 Prozent. Im Osten um 25,98 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Teuerung aber um 26,73 Prozent zu, so dass die reale Kaufkraft der Renten sank."

Nimmt man die Rentenanpassungen gemäß Deutscher Rentenversicherung zur Hand, dann ergibt sich von 2000 bis 2015 eine Rentenerhöhung von 23,1 % im Westen und von 32,92 Prozent im Osten. Wie also kommt das ISW zu seinen Zahlen?

THISSEN, Stefan (2018): 18 Prozent der EM-Rentner begünstigt.
Bundesregierung: Etwa 326.000 der 1,8 Millionen Frührentner kassieren bereits wegen des Rentenpakets von 2014 höhere Bezüge,
in:
ihre-vorsorge.de v. 27.03.

DESTATIS (2018): 1.059.000 Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Dezember 2017,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts v. 28.03.

"Im Dezember 2017 bezogen in Deutschland knapp 1.059.000 Personen ab 18 Jahren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren das 3,2 % mehr Leistungsberechtigte als im Dezember 2016. Damals hatten rund 1.026.000 Personen Leistungen der Grundsicherung gemäß Sozialgesetzbuch XII erhalten.
Im Dezember 2017 hatten rund 544.000 beziehungsweise 51,4 % der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII erreicht oder überschritten und erhielten Grundsicherung im Alter. Personen, die vor dem Jahr 1947 geboren sind, erreichten die Altersgrenze mit 65 Jahren. Für Personen, die im Jahr 1947 oder später geboren sind, wird die Altersgrenze seit dem Jahr 2012 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Im Dezember 2017 lag die Altersgrenze bei 65 Jahren und 6 Monaten.
Rund 515.000 beziehungsweise 48,6 % der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung waren im Alter von 18 Jahren bis unter die Altersgrenze. Sie erhielten diese Leistungen aufgrund einer dauerhaft vollen Erwerbsminderung. Voll erwerbsgemindert sind Personen, die aufgrund einer Krankheit oder einer Behinderung für einen nicht absehbaren Zeitraum täglich keine drei Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können.
Der Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII wurde bis 2014 in einer jährlichen Statistik zum 31.12. erfasst. Seit 2015 werden diese Leistungen in einer vierteljährlichen Statistik zum letzten Monat des Quartals erhoben", meldet das Statistische Bundesamt.

BRANDSTETTER, Barbara (2018): So reduzieren Ruheständler die Steuerlast.
Die Vermögensfrage: Immer mehr Rentner müssen mit dem Finanzamt abrechnen. Doch viele können den Staat über die Steuererklärung 2017 an einer Reihe von Ausgaben beteiligen und von Freibeträgen profitieren,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 31.03.

TÜRK, Erik/BLANK, Florian/LOGEAY, Camille/WÖSS, Josef/ZWIERNER, Rudolf Zwiener (2018): Den demografischen Wandel bewältigen. Die Schlüsselrolle des Arbeitsmarkts, IMK-Report Nr.137, April

Die Studie benutzt einen Abhängigenquotienten statt des Altersquotienten, um die Auswirkungen des demografischen Wandels zu beschreiben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Prognosen bis 2060 nichts als Kaffeesatzleserei sind. Die Autoren greifen zudem auf eine Projektion der EU-Kommission für Deutschland aus dem Jahr 2014 (vgl. S.384) mit völlig überholten Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung zurück. So wird eine Geburtenrate von 1,45 ab 2020 angenommen (tatsächliche Geburtenrate 2016: 1,59). Der Wanderungssaldo wird mit unter 250.000 angenommen!

STEFFEN, Johannes (2018): Rentenanpassung 2018.
Lohn- und Beschäftigungsplus lassen Renten um gut drei Prozent steigen,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 03.04.

KROHN, Philipp (2018): Viele Deutsche verstehen ihre Renteninformation nicht.
Die Verwirrung ist groß. Deshalb soll eine einheitliche Darstellung aller Ansprüche her. Die Koalition unterstützt das. Den Prototyp könnte es schon bald geben,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.05.

Ein Lieblingsprojekt neoliberaler Verfechter des Mehrsäulensystems der Alterssicherung ist eine umfassende Renteninformation, die einen Überblick über die zukünftige Rente geben soll. Die CDU hat mit Carsten BRODESSER sogar einen "Berichterstatter zum Thema Altersvorsorge", so wird er zumindest von Philipp KROHN bezeichnet. BRODESSER sitzt im Finanzausschuss des Bundestags. KROHN bringt einen neoliberalen Klüngelverein ins Spiel, der das Projekt vorantreiben soll:

"Als wahrscheinlicher Partner hat sich die Deutsche Renten Information ins Spiel gebracht. Diesem Verein zur Förderung der Transparenz in der Altersversorgung steht der Frankfurter Finanzprofessor Andreas HACKETHAL von der Goethe-Universität vor. Er kooperiert mit Vertretern von Banken, Versicherern, Fondsgesellschaften und der Technologiebranche sowie Wissenschaftlern."

Die Verbraucherschützer werden nicht genannt, was KROHN als Lobbyist der Finanzdienstleister ausweist.

Transparenz ist ein Schlagwort, das gerne missbraucht wird, um die eigentlichen Probleme zu verschleiern: die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Alterssicherung. Bemängelt wird ja gerade, dass die jetzige Renteninformation darüber nur mangelhaft Auskunft gibt. Der neoliberale Klüngelverein setzt auf einen "Indikator (...), der verrät, ob man genug getan hat"! Dass es einen solchen Indikator gar nicht geben kann, weil die Zukunft offen ist, zeigt das Illusionäre und die Augenwischerei, die damit betrieben werden soll. Man könnte aber auch sagen: Genug ist nie genug! Das ist die Losung der Finanzdienstleister.

Und wer soll bitte schön so unparteilich sein, dass der Indikator hält, was er verspricht. KROHN schließt Behörden schon mal aus, weil die Bürger denen misstrauen. Ob sie den Finanzdienstleistern und deren willigen Helfern jedoch trauen, diese Frage stellt sich hier nicht. Schließlich hat die Renteninformation ja eine ganz parteiliche Zielsetzung: Nämlich die kapitalgedeckte Altersvorsorge der Bevölkerung zu steuern. Wer also ist da überhaupt unparteiisch?

Als letzter Gegner einer solchen Renteninformation wird die ABA ausgemacht:

"Die Interessenvertretung der Einrichtungen der Betriebspensionen (...) warnt davor, sich von mehr Transparenz zu viel zu erwarten. Sie scheut sich auch, angesichts komplexer Daten für zukunftsgerichtete Aussagen haftbar gemacht zu werden."

Damit wird der wahre Haken an der Geschichte deutlich gemacht, zu der auch der Kommentar Mündiger Verbraucher von KROHN passt. Das Risiko von Falschaussagen zur zukünftigen Höhe der Rente soll nämlich der mündige Verbraucher zahlen:

"Wenn man das Leitbild des mündigen Verbrauchers ernst nimmt, muss man von ihm auch erwarten, dass er sich auf den nötigen Informationsstand bringt. Sieht man sich die Rechtsprechung in Deutschland an, wird allzu oft denen recht gegeben, die sich ihrer eigenen Verantwortung entziehen und eine schlechte Entscheidung in finanziellen Fragen allein schlechten Beratern zuschreiben.

BOEHRINGER, Simone (2018): Neue Konzepte, dringend.
Altersvorsorge: Deutschlands Sparer sitzen auf Forderungen - bei null Zinsen führt das in die Altersarmut,
in: Süddeutsche Zeitung v. 17.05.

Simone BOEHRINGER, Jahrgang 1971, will die kapitalgedeckte Altersvorsorge weiter ausbauen, d.h. die Finanzdienstleister noch stärker subventionieren und die Geringverdiener damit noch stärker dem Kapitalmarkt ausliefern. Lebensversicherer sollen dadurch gerettet werden, dass sie die Infrastruktur unseres Landes noch günstiger erwerben können. Tatsächlich bieten die von den Finanzdienstleistern mitgeschriebenen Gesetze jede Menge Schlupflöcher, um sich ihrer Lasten zu entledigen. Was BOEHRINGER fordert, ist nichts anderes als das, was der GDV schon lange auf seiner Forderungsliste hatte und längst in der Umsetzung begriffen ist.

Im Jahr 2012 gab Simone BOEHRINGER das Buch Der private Rettungsschirm heraus. Darin wurde der heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Peter BOEHRINGER, Jahrgang 1969, hofiert. Er schrieb in dem Buch passenderweise über die geistige Vorbereitung! Er ist zudem Mitglied in der wirtschafts- bzw. neoliberalen Friedrich A. von Hayek Gesellschaft, die von der AfD unterwandert wird.

Fazit: Das Gegenteil dieser neoliberalen Politik wäre notwendig, nämlich den Staat nicht noch weiter zum Sklaven des Finanzkapitalismus zu machen.

KROHN, Philipp (2018): Wissen fördert Altersvorsorge.
Ein Studienergebnis mit politischer Sprengkraft: Sparer legen gezielter Geld zurück, wenn sie über ihre Ansprüche im Alter Bescheid wissen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.06.

Schlagzeilendichter und Artikelschreiber haben offenbar völlig verschiedene Ansichten zum Inhalt des Artikels. Philipp KROHN berichtet über eine nicht-repräsentative Studie von Andreas HACKETHAL u.a., die von zwei großen Banken unterstützt wurde. Das Ergebnis ist eher als Schlag ins Gesicht derjenigen zu sehen, die von einer säulenübergreifenden Renteninformation träumen, denn von 20.000 Teilnehmern blieben lediglich 1.061 übrig, die sich der Prozedur, die dafür nötig ist, unterzogen haben. Da es sich dabei um besser gebildete und einkommensstarke Personen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt handelte, ist davon auszugehen, dass Geringverdiener sich kaum der Mühe unterziehen werden.

WASCHINSKI, Gregor (2018): Denn eins ist nicht sicher: Die Rente.
Leidartikel: Die Stärkung der gesetzlichen Rentensäule wird angesichts des demografischen Wandels nicht reichen,
in: Handelsblatt v. 07.06.

"Während heute vier Beitragszahler zwei Rentner finanzieren, werden es im Jahr 2030 nur noch drei Beitragszahler sein, Tendenz sinkend",

behauptet Gregor WASCHINSIKI. Dass dieser Altenquotient keine Aussagekraft hat, zeigt sich, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre betrachtet. Bereits heute finanzieren keine zwei Beitragszahler die Renten eines Rentners, worüber der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel Auskunft gibt. Dieses Verhältnis gibt die Situation viel besser wieder als der Altenquotient, denn in diesen Faktor fließt auch die Höhe der Beitragszahlungen mit ein. Der Quotient 1,93 zeigt, dass der heutige Arbeitsmarkt aus vielen Niedrigverdienern besteht. Steigende Löhne könnten dieses Verhältnis drastisch verbessern. Dies ist das eigentliche Problem!

WASCHINSKI geht es jedoch nicht um die Stärkung der Rentenversicherung, sondern um die Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge:

"Staaten mit starkem kapitalgedecktem Anteil an der Alterssicherung wie die Niederlande und Dänemark gelten international als Vorbild für ein nachhaltiges Rentensystem - und bescheren ihren Ruheständlern zugleich auch nocht deutlich höhere Leistungen als in Deutschland."

Diese Aussagen gehören ins Reich neoliberaler Mythen. Beide Länder haben aufgrund der neoliberalen Reformen mit dem Problem starker rechtspopulistischer Parteien zu kämpfen. Deutschland steht dies noch bevor! Wer glaubt, dass die deutschen Versicherer ein geeigneter Partner für die kapitalgedeckte Altersvorsorge seien, der sollte sich den gestrigen FAZ-Artikel eines ihrer dreisten Repräsentanten durchlesen!    

STOCKER, Frank (2018): Inflation führt zu Ungleichheit.
Viele glauben, der Graben zwischen Arm und Reich werde immer größer, obwohl die Daten der Ökonomen das nicht hergeben. Nun stellt sich heraus: Es ist doch was dran,
in: Welt v. 07.06.

Frank STOCKER berichtet über die Ergebnisse der Studie Pro-Rich Inflation in Europe: Implications for the Measurement of Inequality, in der die Inflation als Motor der Ungleichheit untersucht wurde. Die Studie offenbart, dass der einheitliche Preisindex die Ungleichheit in Europa verschleiert:

"Fast 70 Prozent der Produkte, für die die ärmsten Bevölkerungsschichten ihr Geld ausgeben, haben sich zwischen 2001 und 2015 stärker verteuert als der Durchschnitt. Bei den reichsten zehn Prozent trifft dies dagegen nur auf rund 50 Prozent der Produkte zu."

Der in ökonomischen Studien so beliebte Gini-Koeffizient als Maßstab für die Ungleichheit berücksichtigt diesen Aspekt nicht, sodass die Ungleichheit als niedriger erscheint als sie tatsächlich für die Armen ist. 

GERTH, Martin (2018): Garantiert viel weniger.
Der Niedrigzins setzt der Betriebsrente zu. Allein Dax-Unternehmen haben Pensionsverpflichtungen über 380 Milliarden Euro. Pensionskassen müssen Leistungen kürzen. Beschäftigte checken mithilfe von acht Kriterien, wie es um ihre Rente steht,
in: WirtschaftsWoche Nr.24 v. 08.06.

Martin GERTH propagiert Pensionsfonds als lukrativere Alternative zu Pensionskassen als Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge. Als Kriterien für die mangelhafte Nachhaltigkeit einer Pensionskasse werden folgenden Aspekte aufgeführt:

1) Hoher Anteil an Zinspapieren, den man aus einer Tabelle eines Vermögensverwalters ersehen kann
2) Zu viele Rentenanwartschaften in ferner Zukunft
3) Zu viele Verträge mit Zinsgarantien
4) Zu viele Firmen, die als Träger einer Pensionskasse fungieren (Negativbeispiel BVV)
5) Zu hohe Altlasten ehemaliger Staatsunternehmen (Negativbeispiel Lufthansa)
6) Pensionskassen, die ihr Neugeschäft an klassischen Verträgen eingestellt haben (Negativbeispiel Bayer Pensionskasse)

An den grundsätzlichen Problemen, der Unsicherheit an den Kapitalmärkten, ändert dies nichts. Der Anleger trägt das Kapitalmarktrisiko ganz allein! Man sollte sich eher fragen, warum Unternehmen dieses Risiko nicht (mehr) tragen wollen.

SPECKMANN, Guido (2018): Auch Zahlen sind politisch.
Der Autor Oliver Schlaudt kritisiert die scheinbare Objektivität von Statistiken,
in: Neues Deutschland v. 13.06.

Guido SPECKMANN stellt das Buch Die politischen Zahlen von Oliver SCHLAUDT vor, in dem der naiven Zahlengläubigkeit entgegen getreten wird:

"Evaluationen, Leistungsindikatoren, Rankings und Benchmarks - überall bestimmen Ziffern unsere Lebensrealität. Die zugrundeliegenden Vorentscheidungen und Annahmen werden aber kaum problematisiert",

schreibt SPECKMANN über ein Problem, das auf dieser Website schon seit langem als Demografisierung gesellschaftlicher Probleme kritisiert wird. Statt wie allgemein üblich die Berechnungen neoliberaler Organisationen anders zu interpretieren wie das die Linke in der Verkennung ihrer Lage immer noch tut, hilft nur die Kritik der Annahmen und Vorentscheidungen solcher Berechnungen weiter.

Gerade demografische Fakten, die uns als unabwendbares Schicksal verkauft werden, sind eine Säule des Neoliberalismus, die jedoch mit jeder neuen Fehleinschätzung und den Folgen ihrer Auswirkungen z.B. im Schulbereich, beginnt zu bröckeln. Die Linke mit ihrem Motto, dass die Welt nur anders interpretiert werden muss, um sie zu ändern, hat in ihrer neoliberalisierten Kurzsichtigkeit allzu lange den falschen Hebel bedient. Statt die Grundlagen zu hinterfragen, versucht sie irrsinnigerweise lediglich die Berechnungen in Frage zu stellen, aber nicht deren Vorentscheidungen und impliziten Annahmen. Dies geschieht nur ganz selten, z.B. wenn der Altenquotient durch einen ökonomischen Abhängigkeitsquotienten in Frage gestellt wird. Durch die Änderung eines Indikators werden plötzlich ganz andere politische Maßnahmemöglichkeiten sichtbar.

HANK, Rainer (2018): Kontrollverlust.
Deutschland hat zu viel Sozialstaat, aber zu wenig Staat. Das rächt sich gerade,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.06.

Deutschland hat zu viele Neoliberale wie Rainer HANK, das rächt sich! Der Artikel ist ein Lehrbeispiel für die Demagogie Neoliberaler. Um die Verfettung des deutschen Sozialstaats zu belegen, wird uns eine Grafik präsentiert, die suggerieren soll, dass wir seit 1991 einen immensen Anstieg der Sozialausgaben in Deutschland hatten. Wer sich von der Steilheit der Kurve jedoch nicht beeindrucken lässt, der sieht anderes: Innerhalb von 27 Jahren ist der Anteil der Sozialausgaben am BIP lediglich um 4 Prozent gestiegen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum der Sozialausgaben um gerade einmal 0,15 Prozent und dies trotz der Lasten der Wiedervereinigung, der Massenarbeitslosigkeit und der Rentnerheere! Nur stramme Neoliberale können darin eine Verfettung sehen! Dieses geringe Wachstum spiegelt im Gegenteil die radikalen Kürzungen wider, die es bei der Sozialversicherung in den letzten 25 Jahren gab.

Eine Studie soll belegen, dass der verfettete Sozialstaat ruhig weiter abgebaut werden kann, weil die Leistungen des Sozialstaats bei der Bevölkerung die niedrigste Priorität von allen Staatsaufgaben hätten. Dass die gefundene Hierarchie genau den Vorstellungen Neoliberalen über die Aufgaben des Staats entspricht, ist wenig verwunderlich, da es stramme Neoliberale waren, die diese Ergebnisse aufgrund des Studiendesigns herausgeholt haben. Es wurden nämlich beim Sozialstaat nicht die Leistungen zum Maßstab gemacht, sondern nur die Höhe der Sozialausgaben!

Zum verfetteten Sozialstaat gehört für HANK insbesondere der Mindestlohn. Noch Fragen?    

KROHN, Philipp (2018): Altersvorsorge wird für Arbeitnehmer immer wichtiger.
Hohes Vertrauen in Arbeitgeber. Skepsis gegen Zielrente,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.06.

Philipp KROHN interpretiert Umfrageergebnisse der Unternehmensberatung Willis Towers Watson ("Global Benefits Attitudes") im Interesse der Anbieter im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge.

Arbeitgeber werden (noch) als kompetente Instanz betrachtet, wenn es um die richtige Altersvorsorge geht, während die Finanzdienstleister ein Eigeninteresse unterstellt wird, das mit den Interessen der Arbeitnehmer nicht im Einklang steht. Andererseits sind die Arbeitnehmer gegenüber der Zielrente skeptisch.

KROHN geht es jedoch in erster Linie um Argumente für Arbeitgeber, die für eine Betriebsrente sprechen. Dabei geht es um Betriebsrenten als Rekrutierungs-, Bindungs- und Motivationsinstrument. Da Willis Towers Watson auf diesem Gebiet tätig ist, ist die Umfrage nicht uneigennützig.

BOEHRINGER, Simone (2018): Beliebte eigene vier Wände.
Die Deutschen setzen weniger auf Lebensversicherungen und mehr auf Immobilien,
in: Süddeutsche Zeitung v. 19.06.

FERBER, Michael (2018): Weltweite Rentenkrise im Anzug.
Der demografische Wandel und die Niedrigzinsen führen zu grossen Lücken in den Pensionssystemen,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 19.06.

Michael FERBER hat ein Diskussionspapier des WEF wieder herausgekramt, das vor einem Jahr als "Globale Zeitbombe" medial eingespeist und von den neoliberalen Mainstreammedien gerne aufgegriffen wurde. In den Nuller Jahren kündigte Frank SCHIRRMACHER bereits die globale Apokalypse für 2010 an, die dann ausfiel wie so manch andere Horrorvision der Demografiehysteriker. Nun also tritt FERBER in die Fußstapfen dieser Demagogen. Diesen Neoliberalen geht es um die Zerstörung der staatlichen Rentensysteme. Dazu ist jede Apokalypse recht. Nicht etwa die kapitalgedeckte, sondern nur die umlagefinanzierten Pensionssystemen erscheinen in dieser Sicht ein Problem:

"Den politischen Entscheidungsträgern gelingt es nicht, die sozialen Sicherungssysteme wetterfest für die Zukunft zu machen. Wie die Grafik zeigt, ist der Staat für rund drei Viertel der Unterfinanzierung der Rentensysteme weltweit verantwortlich. Martin Janssen, Leiter der Pensionskassenberatung Ecofin und emeritierter Professor an der Universität Zürich, spricht deswegen auch weniger von einer Pensionskrise als von einer politischen Krise bzw. einer Krise des Sozialstaats."

Das Papier des WEF, das FERBER zitiert, bezieht sich weder auf Deutschland, noch auf die Schweiz. Es geht darin lediglich um die Rentensysteme von Australien, Kanada, China, Indien, Japan, den Niederlanden, Großbritannien und den USA. Dies aber sind meist Länder, in denen nicht die gesetzliche, sondern die private Altersvorsorge im Vordergrund steht.

"Da die Rentensysteme nicht nachhaltig finanziert sind, muss es zu erheblichen Kürzungen kommen – die man freilich ebenfalls als Beitrag zu einer verbesserten Finanzierung der Systeme sehen kann. Die Bank Berenberg geht in ihrer Studie jedenfalls davon aus, dass die durchschnittliche staatliche Pro-Kopf-Rentenzahlung in der EU und in den USA in den kommenden Jahrzehnten um rund 30% sinken dürfte",

erklärt uns FERBER. Diese Entwicklung beruht auf der Annahme, dass sich gegen die neoliberalen Reformen kein wirksamer Widerstand entwickeln kann. Ob das jedoch stimmt, das werden wir erst in zwei, drei Jahrzehnten tatsächlich wissen.  

Natürlich lauten die neoliberalen Lösungen wie üblich: Länger Arbeiten und mehr private Altersvorsorge betreiben. Die Finanzdienstleister bedanken sich für diese finanzielle Bildung durch FERBER!   

FRAUNE, Burkhard (2018): Altersvorsorge wird Sanierungsfall.
In dünn besiedelten Regionen fallen die Eigenheimpreise - Verkäufe werden zum Problem,
in: Neues Deutschland v. 20.06.

"Insgesamt zwölf Millionen Deutsche leben in dünn besiedelten ländlichen Kreisen - von Dithmarschen und Vorpommern über das Emsland, die Lüneburger Heide, den Harz und die Lausitz, den Thüringer Wald und Franken bis in den Bayerischen Wald",

berichtet Burkhard FRAUNE, um dann mit dem Soziologen Rolf HEINZE, Jahrgang 1951, die Erosion der Mitte der Gesellschaft in den Dörfern zu beklagen. Zielgruppe sind die gut situierten Rentner, die ihr Häuschen auf dem Lande verkaufen und gegen eine Wohnung in der nächsten Stadt eintauschen wollen. Dies sei nun nicht mehr möglich. Wie viele dieses Bedürfnis überhaupt haben und warum das nicht möglich ist, bleibt unbelegt. Stattdessen werden Münster und München als Beispiele genannt. Da stellt sich eher die Frage, für wen das die nächste größere Stadt ist. Doch wohl nur für jene Rentner im Speckgürtel und nicht auf dem Lande.

Um welche Interessen es tatsächlich geht, das wird klar, wenn die neoliberale Lobbyorganisation IW Köln zitiert wird.

"Mit Bauland zu Dumpingpreisen lieferten sich schrumpfende Gemeinden einen ruinösen Wettbewerb. Jedes dritte Neubaugebiet sei langfristig unwirtschaftlich, das geplante Baukindergeld werde die Zersiedelung noch verstärken. Besser sei es, wenn Städte Familien fördern, die in leer stehende Häuser im Ortskern ziehen oder an deren Stelle neu bauen",

wird der Lobbyist Ralph HENGER zitiert. Man darf daran erinnern, dass Anfang der Nuller Jahre Baupolitik per Abrissbirne betrieben wurde. Dabei ging es nicht um sinnvollen Abriss, sondern abgerissen wurde in erster Linie was in öffentlicher Hand war. Nur 10 bis 15 Jahre später rächte sich diese Politik und statt ewigem Schrumpfen waren Wachstumsschmerzen und Wohnungsnot die neuen Themen.

Fazit: Heute müssen wir das ausbaden, was uns die Schrumpfungsideologen in den Nuller Jahren eingebrockt haben, weil ihre Prognosen sich in kürzester Zeit überholt hatten. Es wird Zeit, andere Kriterien als die Demografie zur Richtschnur von Politiken zu machen. 

ELFLEIN, Christoph/JANEVSKA, Aleksandra/KOWALSKI, Matthias/THEDENS, Nina/WEBER, Herbert (2018): Wann haben Sie das letzte Mal davon geträumt, nicht mehr arbeiten zu müssen? So geht's!
Titel Früher in Rente: Raus aus dem Job. Das Leben im Ruhestand genießen. Und das, ohne auf Geld zu verzichten. Das funktioniert trotz Minizinsen oder Rentenabschlägen. Aber nur mit einem guten Plan,
in: Focus Nr.26 v. 23.06.

SCHERFF, Dyrk (2018): So sparen Rentner Steuern.
Am 1. Juli steigen die Renten kräftig. Dadurch werden viele Rentner steuerpflichtig. Was ist jetzt zu tun?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 24.06.

"(M)it der Anhebung am 1. Juli rutschen etwa 54.000 Ruheständler zusätzlich in die Steuerpflicht, schätzt das Bundesfinanzministerium. Schon jetzt müssen 4,4 Millionen von 21 Millionen Rentner Steuern zahlen. Denn Renten sind seit der Reform 2005 nur noch zum Teil steuerfrei. Der steuerpflichtige Teil fällt umso größer aus, je später man in Rente geht",

erklärt uns Dyrk SCHERFF anlässlich der anstehenden Rentenanpassung die Wirkung des Alterseinkünftegesetzes, mit dem das Rentenniveau seit 2005 gesenkt wird, ohne dass dies mit dem Begriff des "Nettorentenniveaus vor Steuern" sichtbar würde. Bis zum Jahr 2040 wird jede neue Rentnergeneration stärker besteuert, wodurch das Nettorentenniveau umso mehr geschmälert wird. In keiner Statistik wird dieser Aspekt sichtbar, weshalb die Debatte um die Stabilisierung des Rentenniveaus hier ihren zentralen blinden Fleck besitzt.

Fazit: Neoliberale haben mit dem Begriff "Nettorentenniveau vor Steuern" die wahre Absenkung des Rentenniveaus bisher erfolgreich vertuscht. Dass sie das können, liegt auch an einer fehlenden Lobby für die gesetzliche Rente. Nicht einmal Gewerkschaften oder Linkspartei bringen diese heimliche Absenkung des Rentenniveaus zur Sprache, obwohl sie angeblich die gesetzliche Rente stärken wollen. Offenbar ist ihnen nicht wirklich daran gelegen!

REZMER, Anke & Peter THELEN (2018): Die Angst vor Altersarmut.
Immer mehr Menschen fürchten, im Ruhestand zu verarmen, zeigt eine Umfrage. Statt mehr zu sparen, rufen sie nach dem Staat. Die Versicherer wollen mit besseren Produkten reagieren,
in: Handelsblatt v. 26.06.

PENA, Paulo & Harald SCHUMANN (2018): Achtung, Rentenfresser.
Lobbyismus: Der US-Konzern Blackrock will Europas Pensionen privatisieren. Die EU-Kommission macht sich zur willigen Helferin,
in: Freitag Nr.26 v. 28.06.

PENA & SCHUMANN berichten darüber wie der weltgrößte Fondsverwalter Blackrock die EU als Einfallstor benutzt, um die nationalen Altersvorsorgemärkte aufzumischen. Während sich die Lebensversichererbranche in Deutschland noch Abwehrkämpfe um Marktanteile am lukrativen Altersvorsorgemarkt liefert, soll dieser Markt per EU-Politik zugunsten der Fondsverwalter gestaltet werden. Die Neugestaltung trägt den Namen PEPP und ist ein europaweites Altersvorsorgeprodukt - ohne Garantien, aber mit Qualitätssiegel. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde bereits eingebracht.

PENA & SCHUMANN berichten darüber wie im neoliberalen Vorzeigeland Großbritannien seit 2015 der Grundstein für bessere Bedingungen für Blackrock gelegt wurde und die verantwortlichen Politiker sich ihren Einsatz durch lukrative Posten bei Blackrock ließen. Auch in Deutschland war der Wechsel von verantwortlichen Politikern und Politikberater, die die Teilprivatisierung der Altersvorsorge durchsetzten, in die Finanzleistungsbranche eine Selbstverständlichkeit.

Als Kritiker von PEPP werden der EU-Abgeordnete Martin SCHIRDEWAN (Linkspartei) und Margrethe VESTAGER, Chefin der EU-Kartellbehörde, genannt.

Den EU-Altersvorsorgeproduktmarkt, der auf die besserverdienende Mittelschicht abzielt,  beziffern PENA & SCHUMANN auf 2,1 Billionen Euro im Jahr 2030 (derzeit 700 Milliarden Euro). Geringverdiener sehen sie dagegen außen vor. Denen würde nach Meinung der Autoren Reformen nach dem Vorbild von Schweiz oder Österreich helfen:

"Dort sind anders als in Deutschland alle Einkommen beitragspflichtig, auch jene von Selbständigen und Führungskräften. Darum können die Rentenkassen dort auch bei niedrigen Geburtenraten auskömmliche Renten zahlen."

DPA (2018): Wenn die Altersvorsorge bröckelt.
Sinkende Hauspreise auf dem Land gefährden die Finanzpläne vieler Senioren,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.06.

Die Agenturmeldung war bereits am 20. Juni in der Zeitung Neues Deutschland zu lesen.

BRAUNBERGER, Gerald (2018): Das Zittern hat sich gelohnt.
Trotz aller Kursrückgänge hat eine langfristige Anlage in den Dax eine hübsche Rendite gebracht,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.

Das Deutsche Aktieninstitut hat ein neues Dax-Rendite-Dreieck veröffentlich, mit dem alljährlich die Anlage in Aktien schöngerechnet wird.

"Als vor 30 Jahren, zur Jahresmitte 1988, der Dax an den Start ging, umfasste er einige Unternehmen, die noch heute in ihm enthalten sind (...). Aber eine beachtliche Zahl von Unternehmen, die im Jahre 1988 dem Dax angehörten, existiert heute gar nicht mehr, oder aber ihre Aktien fristen ein Dasein in weniger prominenten Indizes",

berichtet Gerald BRAUNBERGER über die Instabilität der 30 Unternehmen, die angeblich zu der Aktienprominenz gehören.

Das Deutsche Aktieninstituts (DAI) berechnet seine Renditen so, dass zwar auf der einen Seite alle positiven Aspekte (Wertentwicklung und Dividenden) einfließen, aber auf der andere Seite alle Kosten eines realen Anlegers ausgeblendet werden:

"Das sind allerdings Bruttorenditen: In der Praxis wären mit den Käufen und der Verwaltung von Wertpapieren auch Kosten und auf den Wertzuwachs Steuern angefallen",

erklärt BRAUNBERGER zu dieser Schönrechnerei des DAI.      

JUNG, Marcus  (2018): Gericht erlaubt Negativzinsen in Riester-Verträgen.
Nach einem Urteil in Tübingen ist das Zustandekommen der Verzinsung transparent. Für Riester-Sparer soll das zu keinem Nachteil führen - Verbraucherschützer entsetzt,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.

ATZLER, Elisabeth (2018): Riester-Verträge mit Minuszinsen erlaubt.
Schlechte Nachrichten für Riester-Sparer: Bleibt die Gesamtverzinsung positiv, darf der Grundzins ins Minus rutschen, zeigt ein Urteil,
in: Handelsblatt v. 02.07

BORTENLÄNGER, Christine (2018): Die Rente wirklich sicher machen.
Mit Aktien lässt sich der Generationenvertrag stabilisieren. Schweden zeigt, wie das geht,
in: Süddeutsche Zeitung v. 02.07.

Christine BORTENLÄNGER, Lobbyistin der Finanzdienstleister, verbreitet Fake-News in Sachen Aktien. Wie üblich wird die gesetzliche Rentenversicherung schlechtgeredet und die Aktien-Rendite schöngeredet.

Das DAX-Rendite-Dreieck verklärt die Renditen, indem die Renditen hervorgehoben, aber die Kosten für reale Anleger verschwiegen werden. Und es kommt sogar noch schlimmer: Die angeblich hohen Renditen, die über lange Zeiträume erzielt werden können, sind rein fiktiv und entsprechen nicht der Realität der historischen Börsenentwicklung des DAX. Da der DAX, der erst 1988, also nach dem großen Börsencrash 1987, eingeführt wurde, wird eine Rückrechnung vorgenommen, als ob er schon seit 50 Jahren bestehen würde. Diese fiktive Vergangenheit, die so für reale Anleger nie existierte, wird uns nun als Argument dafür geliefert, dass Aktien besonders gut - und ohne jegliches Risiko - für die Altersvorsorge geeignet seien:

"Da über lange Anlagezeiträume - wie bei der Altersvorsorge - das Risiko mit einer breit gestreuten Aktienanlage Verlust zu machen, gegen null tendiert, ist eine Beitragsgarantie ohnehin nicht erforderlich".

Wer diesen Unsinn glaubt, dürfte spätestens dann ein böses Erwachen erleben, wenn seine Altersvorsorge aufgrund eines Börsencrashs ausgerechnet in dem Moment einen Absturz erlebt, in dem er sich damit seinen Ruhestand finanzieren wollte. Beim DAX gibt es auch nicht wirklich eine breite Streuung, wie BORTENLÄNGER behauptet.

Fazit: Wer 20 Jahre lang sparte, so das DAI, den erwartete im schlechtesten Fall (falscher Einstiegszeitpunkt!) eine Rendite von 4,7 Prozent. Was davon nach Abzug der Kosten und Steuern noch übrig bliebe, das verschweigt das DAI lieber! Man hätte das Geld genauso gut auf ein einfaches Sparkonto legen können und das wird uns ernsthaft als Erfolg verkauft.

KANNING, Tim (2018): Wo die Aktionäre wohnen.
In Ostdeutschland besitzt kaum jemand Wertpapiere,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.07.

Es kann wohl kaum erstaunen, dass Aktienbesitz dort am weitesten verbreitet ist, wo die Vermögenden wohnen.

GURK, Christoph (2018): Ihm reicht's.
Rente mit 40 - ohne Erbschaft? Für die Anhänger der Fire-Bewegung ist genau dies das Ziel. Mit Träumerei hat das wenig zu tun. Eher schon mit Finanz- und Lebensplanung,
in: Süddeutsche Zeitung v. 07.07.

Anfang des Jahrtausends war man ein Außenseiter, wenn man nicht wie alle andere Millionär per Start-up werden wollte, nun wird aus zwei Deutschen gleich eine Bewegung, die passend zur Privatisierung der Altersvorsorge früh aus dem Berufsleben aussteigen will. Die diversen Wirtschaftsblätter rechnen uns bereits seit Jahren vor, wie easy es angeblich ist, mit 40 in Rente zu gehen - so zumindest wenn man nur die Schlagzeilen liest und nicht das Kleingedruckte des Artikels. Auch der SZ-Artikel hat keine wirklichen Alternativen für Normalos zu bieten. "Finanzielle Unabhängigkeit" heißt das Zauberwort, mit dem sich offenbar vor allem Selbstausbeuter der IT-Branche ihre Lebenslügen zusammenbasteln.

"Der Ruhestand hängt nicht mehr vom Lebensalter ab, sondern von einem Betrag, den es zu erreichen gilt",

heißt es zum neuen Hamsterrad, das uns der Finanzkapitalismus bereitstellt. Ein angeblicher Vorreiter der Fire-Bewegung (Akronym für "Financial Independence, Retire Early") ist schlichtweg ein typischer Rentier, der sich sein Leben durch Immobilienbesitz finanziert. Die einzige Innovation der neuen Rentiers: das Schreiben von Blogs und die Bedienung der Medienöffentlichkeit - bevor die Sensationslust vorbei ist und ein neuer Medienhype die Illusion namens "Fire-Bewegung" ablöst .

In ihrem aktuellen Buch Bereicherung beschreiben Luc BOLTANSKI & Arnaud ESQUERRE die Wiederkehr des Rentiers als Beispiel für die Bereicherungsgesellschaft.   

GAMMELIN, Cerstin (2018): Der Staat bist du.
Steuern: Die Mär vom gefräßigen Fiskus ist Humbug. Und sie ist gefährlich,
in: Süddeutsche Zeitung v. 18.07.

Cerstin GAMMELIN nutzt den Steuerzahlergedenktag des Bund der Steuerzahler, einer von einem Nazi gegründeten Verein, um ihre eigenen neoliberalen Vorstellungen von den Staatsaufgaben zu präsentieren. Der Bund der Steuerzahler sei eine "Lobbyorganisation der Steuerzahler" behauptet GAMNELIN. Das aber ist falsch, denn es ist eine Lobbyorganisation der Arbeitgeber und der FDP-nahen Mehr-Netto-vom-Brutto-Fraktion.

Bei der Steuerpolitik ersetzt inzwischen die Leerformel "Nachhaltigkeit" den früheren Begriff "Allgemeinwohl". Nachhaltigkeit suggeriert Zukunft, womit auch gleich das Feinbild, nämlich der Sozialstaat, impliziert ist.

"Mehr als zwei Drittel der Bürger quer durch alle Altersklassen und nahezu alle Einkommensgruppen wollen, dass sich der Staat um ein auskömmliches Einkommen im Alter kümmert",

meint GAMMELIN. "Nahezu alle Einkommensklassen" ist hier das Stichwort, das die Differenz macht, um die es geht: Nicht um Generationengerechtigkeit ("Nachhaltigkeit"), sondern um Klassenunterschiede geht es in der Steuerpolitik wie in allen anderen Verteilungsfragen. 

WIEBE, Frank (2018): Eine gefährliche Lücke im Alter.
Die Rente ist sicher, aber reicht sie auch? Das herauszubekommen erfordert eine ganze Menge Arbeit. Es eröffnet aber auch die Chance, noch mehr vorsorge zu betreiben, wenn sich ein Defizit abzeichnet,
in: Handelsblatt v. 20.07.

Die Rentenlücke ist zu klein? Kein Problem für die willfährigen Helferlein der Finanzdienstleister:

"Manchmal liest man als Richtwert, dass 80 Prozent des bisherigen Nettogehalts genug sein sollten. (...).
Wirklich? Wieso sollte man im Ruhestand auf einmal weniger Geld benötigen?"

stellt Frank WIEBE die rhetorische Frage. Achtzig Prozent? Wieso so viel, denn manche sagen gar, dass 60 Prozent des letzten Arbeitseinkommen völlig ausreicht. Wie immer ist das aber in erster Linie eine Frage, ob man glaubt, dass die gesetzliche Rente tatsächlich derart schlecht dasteht wie die Neoliberalen auf der einen und manche Vertreter der Sozialinteressen auf der anderen Seite behaupten. Wenn es um das zukünftige Rentenniveau geht, dann existiert eine merkwürdige Allianz von Interessengruppen, die jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen die Altersarmut dramatisiert.

"Die derzeitige Regierung verspricht, das Niveau der gesetzlichen Rente stabil zu halten. Aber wie lange schafft sie das noch?"

fragt WIEBE. Schließlich ist entscheidend, wer sich im Machtkampf durchsetzt und ob die demografische Entwicklung tatsächlich das wahre Problem der Sozialversicherung ist. Weil aber die Angst vor Altersarmut nicht groß genug zu sein scheint, wird auch noch die steigende Lebenserwartung ins Spiel gebracht:

"Die Lebenserwartung ist heute ziemlich hoch. Auch wer mit 67 in Rente geht, kann locker noch 25 oder sogar 30 Jahre leben. Laut Statistik werden heute 67-Jährige Männer im Durchschnitt 83, die Frauen sogar 86 Jahre alt."

Mit der ferneren Lebenserwartung ist das so eine Sache, denn gemäß Statistisches Bundesamt kann ein 65-jähriger Mann zwar fast 83 Jahre alt werden. Ist ein Mann jedoch 80 Jahre alt, dann kann er sogar 88 Jahre alt werden. Die Lebenserwartung wird also für die überlebenden Menschen umso höher, je älter sie werden (zumindest bis zu einem gewissen Alter). Auf der anderen Seite heißt das aber auch, dass z.B. 55-jährige Männer eine geringere Lebenserwartung haben als ein 67-Jähriger. Es besteht hinsichtlich der Länge des eigenen Lebens eine sehr große Ungewissheit für jeden Einzelnen. Von daher ist das Wissen um die durchschnittliche Lebenserwartung nur ein vager Anhaltspunkt, relevanter ist der individuelle Gesundheitszustand.

Fazit: Hinsichtlich der Rentenlücke haben wir es mit vielen unterschiedlichen Interessengruppen zu tun, die jeweils vorgeben das Beste für uns zu wollen.

NESTLER, Franz (2018): Die Jugend spart - das Alter konsumiert.
Hierzulande legen die Menschen viel Geld zurück. Die Motive für das Sparen sind dabei so unterschiedlich wie das Sparverhalten in der Bevölkerung zwischen Jung und Alt sowie Arm und Reich,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.07.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Wirtschaftsserie: Die Spuren der Finanzkrise (Teil 1)

REXER, Andrea (2018): Die rechten Nutznießer.
Vor zehn Jahren bracht die Finanzkrise aus. Auch wenn sich die Wirtschaft wieder erholt hat, sind die Auswirkungen bis heute zu spüren. Sieht man sich an, wer profitiert und wer verloren hat, tun sich überraschende Erkenntnisse auf,
in: Süddeutsche Zeitung v. 26.07.

Andrea REXER berichtet über den Zeitschriftenartikel Going to Extremes: Politics after Financial Crises, 1870-2014 von Christoph TREBESCH, Manuel FUNKE und Moritz SCHULARICK aus dem Jahr 2016:

"Eine brisante Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) stellt einen direkten Zusammenhang zwischen Finanzkrisen und dem Erstarken populistischer Parteien am rechten und linken Rand her. Die AfD, die österreichische FPÖ, die italienische Lega oder der amerikanische Präsident Trump - ihr Erfolg überrascht nicht, wenn man die historischen Daten der Ökonomen sieht."

Aus den Ergebnissen werden jedoch - wie für Neoliberale typisch - keine Konsequenzen gezogen, sondern REXER macht sich zum Sprachrohr des Lobbyverbandes der Aktienverkäufer, die nur ein einziges Ziel haben: uns noch stärker den Kapitalmärkten - vor allem bei der Altersvorsorge - auszuliefern. Was passiert, wenn erneut Tausende Mensche ihr Vermögen an den Börsen verlieren, darüber macht sich der Artikel keine Gedanken. Einzig ein Konjunktureinbruch wird als Problem gesehen:

"Man kann sich (...) vorstellen, was passiert, wenn sich die Konjunktur in absehbarer Zeit eintrübt: Es entsteht ein guter Nährboden für weiteres Wachstum extremer Parteien.

PETER, Tobias (2018): "Die Politik hat unsoziale Entscheidungen getroffen".
Rentenexperte Tim Köhler-Rama über das Risiko, im Alter zu verarmen, den Arbeitsauftrag für die neue Rentenkommission und den Preis für sozialen Ausgleich,
in: Frankfurter Rundschau v. 28.07.

Tim KÖHLER-RAMA möchte mehr Umverteilung zwischen den Beitragszahlern. Warum aber sozialer Ausgleich eine Sache der Steuerfinanzierung wäre, diese Frage wird ausgeblendet, stattdessen wird die Stabilisierung des Rentenniveaus in Frage gestellt. Dazu werden wieder unsinnige Unterstellungen bezüglich des Rentenniveaus in Umlauf gebracht, gegen die da dann angegangen wird. Tatsächlich ist das Rentenniveau eine Kennziffer, die aus der Rentenformel resultiert. Dass diese Kennziffer nur ein sehr ungenauer Indikator für die Entwicklung der Altersarmut ist, wird gerne zum Anlass genommen, um eine Stabilisierung des Rentenniveaus für völlig unsinnig zu erklären. Bei der Debatte um das Rentenniveau geht es nicht wirklich in erster Linie um Altersarmut wie Neoliberale immer wieder erklären, sondern um die Frage, inwiefern die gesetzliche Rente weiterhin die entscheidende Säule der Altersvorsorge sein soll. Die Gewerkschaften sprechen von Lebensstandardsicherung und von Akzeptanzsicherung.

KÖHLER-RAMA hat Recht, wenn er sagt, dass sich im Rentenniveau nicht alle Kürzungen der vergangenen Jahre niederschlagen:

"Die verminderte Anerkennung von Ausbildungszeiten wirkt sich nicht negativ auf das Rentenniveau aus. (...). Genau dasselbe gilt für die Tatsache, dass heute für Arbeitslose in der Rentenversicherung weniger getan wird als früher. Die Politik hat hier unsoziale Entscheidungen getroffen, die das Altersarmutsrisiko der Betroffenen zwar erhöht, zugleich aber keinen Einfluss auf das Rentenniveau haben".

Was aber KÖHLER-RAMA vergisst zu sagen: Die Verschiebung der Relevanzen hinsichtlich dessen, was das Rentenniveau ausmacht, ist eine bewusste politische Strategie. So wurden Aspekte jenseits der Erwerbsarbeit wie Erziehungs- und Pflegezeiten immer stärker zu Lasten von erwerbsarbeitzentrierten Aspekten wie Ausbildungs- und Bildungszeiten sowie Arbeitslosigkeit höherbewertet. Dahinter steht ein implizit nationalkonservativer Paradigmenwechsel. Rentenpolitik wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker Teil einer mehr oder weniger impliziten Bevölkerungspolitik, die letztendlich auf eine Rente nach Kinderzahl hinausläuft.

HANDELSBLATT-Titelgeschichte: Anlagenotstand

SPECHT, Frank & Peter THELEN (2018): Zinsnot bei Rente und Co..
HB-Titelthema Anlagenotstand: Langfristig lässt sich der Sozialstaat nur sichern, wenn das Geld der Beitragszahler auch Rendite abwirft. Doch angesichts der Nullzinspolitik wandeln sich viele Anlagen der Renten- und Krankenversicherung zum Verlustgeschäft,
in: Handelsblatt v. 30.07.

SPECHT & THELEN verdummen uns heute wieder mit Scheinproblemen. Die Zinsverluste der Rentenversicherung sind im Vergleich zu anderen Aspekten der deutschen Geldpolitik Peanuts. Zudem sind Zinsverluste ein Problem, das die Kehrseite des Schlagworts "Nachhaltigkeit" zeigt und damit ein hausgemachtes Phänomen neoliberaler Politik ist, bei der ständig neue Geldtöpfe erfunden werden, die uns im Namen von Generationengerechtigkeit und demografischem Wandel als alternativ dargestellt werden.

DÖRNER/STEUR/VOLKERY (2018): Erträge für den Wohlfahrtsstaat.
Anlagen im Ausland,
in: Handelsblatt v. 30.07.

DÖRNER/STEUR/VOLKERY verklären Norwegen, die USA und Großbritannien zu Vorbildern der Anlagepolitik, wobei sie deren andersartigen Voraussetzungen bzw. deren Nachteile ausblenden.

WASCHINSKI, Gregor (2018): Rufe nach Entlastung.
Sozialkassen und Nullzins,
in: Handelsblatt v. 31.07.

Bereits gestern hat das Handelsblatt das Scheinproblem zum Titelthema aufgeblasen. Das Problem der Negativzinsen muss im Kontext der Gewinne in Sachen Staatsverschuldung und kommunaler Schulden gesehen werden. Im Vergleich zu den riesigen Gewinnen des Finanzministers und der Stadtkämmerer aufgrund der Nullzinspolitik sind die Verluste bei der gesetzlichen Rentenversicherung Peanuts.

SCHÄFER, Daniel (2018): Ohne Not in der Zinsnot.
Kommentar zur Rentenversicherung: Mit einer freieren Anlagepolitik könnte die Rentenversicherung künftig Verluste vermeiden,
in: Handelsblatt v. 31.07.

Daniel SCHÄFER möchte die Mindestreserve der gesetzlichen Rentenversicherung für die Profitgier der Finanzdienstleister öffnen. Gerne wird dafür auf die angeblichen Erfolge des norwegischen Staatsfonds hingewiesen, obgleich dessen Funktion eine völlig andere ist als die einer Mindestreserve. Dabei existieren in Norwegen zwei Fonds, wobei nicht der norwegische Staatsfonds (Government Pension Fund Global), sondern der norwegische Rentenreservefonds (Government Pensions Fund Norway) der deutschen Mindestreserve entspräche. Dieser ist jedoch ungleich weniger rentabel, weshalb ihn Neoliberale wie SCHÄFER gerne außen vor lassen.

ZSCHÄPITZ, Holger (2018): Geldpolitik der EZB untergräbt deutsches Sozialsystem.
Kranken- oder Rentenversicherung horten Milliarden Euro Beitragsgelder. Doch die anhaltenden Negativzinsen zehren kräftig an den Reserven,
in: Welt v. 31.07.

Holger ZSCHÄPITZ zitiert den gestrigen Handelsblatt-Titel,

KAUFMANN, Stephan (2018): Eine märchenhafte Rechnung.
Analyse: Deutschland ist hochverschuldet, wird gerne behauptet. Doch guckt man genau hin, entpuppt sich das als Milchmädchenrechnung,
in: Frankfurter Rundschau v. 03.08.

Stephan KAUFMANN kritisiert die Sicht auf die Staatsverschuldung wie sie u.a. heute auch im Handelsblatt daherkommt. Statt die Verschuldung einfach dem Bruttoinlandsprodukt gegenüberzustellen, verweist KAUFMANN darauf, dass auch das Staats- und Privatvermögen in die Betrachtung miteinbezogen werden muss. Dadurch relativiert sich die angeblich zu hohe Staatsverschuldung.

CREUTZBURG, Dietrich (2018): Sozialausgaben in Deutschland steigen auf eine Billion Euro.
Sozialstaat wächst im Aufschwung stärker als die Wirtschaft,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.08.

Die Meldung, dass die Staatsverschuldung unter eine Billion gesunken ist, war der FAZ zu positiv, weshalb sie - anders als im Handelsblatt - weggelassen wird. Die Magie der Zahlen ist das eigentliche Thema des Artikels, denn:

"Betrachtet man anstelle der Auszahlungen die Finanzierung, dann ist die Billionengrenze sogar schon überschritten."

Neoliberale lieben große Zahlen und erst Recht, wenn sie als Zäsur interpretiert werden können. Große Zahlen schüchtern ein, weil sie im Alltag der meisten Bürger nicht vorkommen und deshalb kein Gefühl dafür existiert. Vom Supermarkt kennt man allenfalls das Gegenteil: Da werden Waren mit 9,99 Euro ausgezeichnet, weil das wesentlich günstiger aussehen soll als 10 Euro. Magische Zahlen sind Schwellwerte, die einprägsam sind, auch wenn deren Überschreiten oder Unterschreiten in Wirklichkeit völlig belanglos wäre. In der neoliberalen Zahlenmagie gibt es jede Menge Zahlen, die zu heiligen Kühen stilisiert werden. Rote Linien, die nicht überschritten werden sollen (40 Prozent Sozialabgaben ist so eine heilige Kuh). Seltener geht es um Unterschreitungen, das ist eher die Sache der defensiv argumentierenden Sozialverbände. Wer Untergrenzen etablieren muss, der steht argumentativ ganz anders da als diejenigen, die Obergrenzen einziehen dürfen. Die Machtverteilung ist asymmetrisch.

WASCHINSKI, Gregor & Thomas SIGMUND (2018): Zukunftsrisiko Sozialstaat.
Das Soziale wird ein immer größerer Kostenfaktor. Arbeitgeber, FDP und der Wirtschaftsflügel der Union fordern ein Umsteuern,
in: Handelsblatt v. 06.08.

"Erstmals seit Jahren ist die Staatsverschuldung unter die Zwei-Billionen-Marke gefallen. Laut Statistischem Bundesamt waren Bund, Länder und Gemeinden und Sozialversicherung 2017 nur noch mit 1,97 Billionen Euro verschuldet",

erklärten uns GREIVE & WASCHINSKI vor 3 Tagen ("GroKo-Reformen treiben die Sozialausgaben"). Solche positiven Nachrichten sind schlecht, weshalb sie von Neoliberalen immer mit angeblichen Negativmeldungen gekoppelt werden, die sich zudem auf Spekulationen gründen:

"Nach neuen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums, die dem Handelsblatt vorliegen, sind die Ausgaben für Soziales im Vorjahr auf 965,5 Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von 3,9 Prozent",

hieß es noch vor drei Tagen. Dies war anscheinend nicht drastisch genug, weshalb WASCHINSKI & SIGMUND anlässlich des nun veröffentlichten Sozialbericht 2017 schreiben:

"Laut aktuellen Zahlen (...) erhöhte sich die Summe aller Sozialleistungen 2017 auf den Rekordwert von 965,5 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 3,9 Prozent im Vergleich zu 2016."

Offenbar haben die Leser vor drei Tagen nicht verstanden, warum sich die Handelsblatt-Journalisten so empörten, weshalb nun der Begriff "Rekordwert" fällt, damit es auch dem Letzten klar wird, dass er sich zu empören hat!

Das Motto der Neoliberalen lautet: Überschüsse sind kein Segen, sondern ein Fluch. Wenn man sie nicht verstecken kann, dann lautet die Alternative zu "üppigen Sozialausgaben" für Transferempfänger, dass Steuerentlastung für Besserverdienende und Reiche bzw. die Subventionierung der Wirtschaft (deklariert als Investitionen) gefordert wird. Das kommt wenigstens der eigenen Klientel zugute.

Nachdem Neoliberale Jahrzehnte unter der Fahne des schlanken Staates gegen den fetten Staat mit seinen unnützen Verwaltungen gehetzt haben , entdecken sie plötzlich einen Investitionsstau:

"Weil der Staat jahrelang seine Investitionen zurückgefahren hat, sind die Bauverwaltungen in Ländern und Kommunen ausgedünnt, Milliarden an Investitionsgeldern fließen deshalb nicht ab."

Kein Satiriker könnte diese geschickte Umformulierung des Problemsachverhaltes besser erfinden! Personalausgaben laufen bekanntlich im neoliberalen Jargon nicht unter Investitionen, sondern unter "konsumtiven Ausgaben", weshalb nun der Begriff "konsumtive Ausgaben" für die Argumentation störend wäre. Um das zu erreichen, muss der faule Beamte/öffentlich Bedienstete zum Arbeitstier werden, dessen liegen gebliebene Arbeit uns nun als Investitionsstau entgegentritt.

Fazit: Wenn es der neoliberalen Argumentation dient, werden "konsumtive Ausgaben" schon mal zum Investitionsstau umdeklariert! Hauptsache es merkt niemand, dass sich dahinter eine 180 Grad-Kehrtwende (schönfärberisch: Opportunismus, der uns als Pragmatismus verkauft wird ) verbirgt.

NECKEL, Sighart (2018): Völlig losgelöst.
Eine globale Finanzelite hat sich ihre eigene Parallelgesellschaft erschaffen. die Bewohner dieser entgrenzten Welt - höchstbezahlt, kosmopolitisch, gesellschaftlich entkoppelt - sind nirgendwo zu Hause außer in den Refugien ihrer eigenen Piivilegierung,
in: Wirtschaftswoche Nr.33 v. 10.08.

Der Soziologe Sighart NECKEL rechnet mit der globalen Finanzelite ab:

"Als Wirtschaftssektor betrachtet, sind die Finanzmärkte zu einem globalen Leitmarkt aufgestiegen, der den Branchen der »Realwirtschaft« die Kennziffern und Konjunkturen vorgibt. Gesellschaftlich haben die Finanzmärkte eine massive Vertiefung sozialer Ungleichheit in praktisch allen OECD-Ländern hervorgebracht. Die hohen Profite im Finanzgeschäft ließen eine Klasse von Superreichen entstehen. Zudem bildete sich (...) eine neue Sozialkategorie der »working rich« (Andrew Sayer), die zu den Hauptgewinnern des Aufstiegs des Finanzwesens zählt."

NECKEL hält am Begriff der "globalen Elite" fest, weil geografische Mobilität für deren Existenz an Bedeutung verloren hat und die Existenz eines globalen Finanzmarktes entscheidender ist:

"Wechsel ins Ausland (sind) nicht mehr der wichtigste Faktor in der Globalisierung des Finanzmanagements. Inzwischen ist hierfür die Transnationalisierung der Berufspraxis selbst, die weltweite Standardisierung ihrer zentralen Methoden, Kategorien, Geschäftsmodelle und Anschauungsweisen weitaus bedeutender geworden."

Best-Practice-Modelle stellen für NECKEL Einfallstore für die globale Vereinheitlichung dar.

WELT-Themenausgabe: Die Würde des Alters

STOCKER, Frank (2018): Zehn-Punkte-Check vor der Rente.
Mit der Altersvorsorge sollte man zwar nicht zu spät beginnen. Trotzdem kann kurz vor dem Ruhestand noch viel geklärt werden,
in: Welt v. 10.08.

Von der Wiege bis zur Bahre, dafür ist im Neoliberalismus nicht mehr der Sozialstaat zuständig, sondern der Bürger, schließlich sind die Älteren für unseren Finanzkapitalismus eine sprudelnde Profitquelle, wie der Artikel von Frank STOCKER beweist.

STEFFEN, Johannes (2018): Bruttobedarf in der Grundsicherung nach SGB XII.
Gesetzliche Neuregelung senkt den Durchschnittsbetrag,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 13.08.

"Der durchschnittliche Bruttobedarf, bei dem es sich der Sache nach um eine Nettogröße handelt, dient vielfach als Referenz für die Entwicklung des Leistungsniveaus der Rentenversicherung – etwa zur typisierenden Bestimmung der erforderlichen Lohnhöhe Vollzeitbeschäftigter zur Erlangung einer Altersrente oberhalb der Grundsicherung (Mindestlohnhöhe). Über die vergangenen Jahre haben sich Nettostandardrente und Grundsicherungsbedarf einander bedenklich genähert – ein Prozess »systemischer Verschmelzung«. Mit der neuen Berechnung des Bedarfs ist dieser Prozess nicht außer Kraft gesetzt; aufgrund der nun gesunkenen Referenzgröße erscheint er jedoch in einem etwas weniger bedrohlichen Licht",

erklärt uns Johannes STEFFEN über eine neue statistische Trickserei bei der Alterssicherung.

RÜRUP, Bert (2018): Fehlalarm bei der Rente.
Chefökonom: Die Niedrigzinspolitik der EZB macht die Beitragszahler nicht ärmer,
in: Handelsblatt v. 13.08.

"Journalisten der führenden deutschen Wirtschaftszeitung hatten vor Kurzem herausgefunden, dass die gesetzliche Rentenversicherung im letzten Jahr als Folge der Negativverzinsung von minus 0,4 Prozent auf Einlagen bei der Bundesbank erstmals einen Verlust verbucht hatte (...).
Die Zinsverluste sind unstrittig. Dennoch war die Folgerung, dass deshalb das Geld der Beitragszahler schleichend an Wert verliert, vorschnell. Aber angesichts der Nachrichtenarmut griffen auch andere Medien das Thema auf. »Die Welt« etwa titelte: »Geldpolitik untergräbt deutsches Sozialsystem«. Und ein Kapitalmarktexperte des Handelsblatt kommentierte, das gesetzliche Anlagekorsett für die Sozialkassen sei viel zu eng geschnürt",

erklärt uns Bert RÜRUP. War etwa der Chefökonom gerade in Urlaub, damit das Handelsblatt den Unsinn sogar zur Titelgeschichte aufgeblasen konnte? Was RÜRUP nun kritisiert, das war längst auf dieser Website zu lesen. Mit "Journalisten der führenden deutschen Wirtschaftszeitung" meint RÜRUP das Handelsblatt. Es soll also verschleiert werden, dass das eigene Blatt diesen Unsinn überhaupt erst in die Welt gesetzt hat, um das Thema dann einen Tag später noch einmal mit einem Artikel - den RÜRUP verschweigt - und dem oben erwähnten Kommentar - aufzugreifen.

Fazit: Es ist beschämend, dass das Handelsblatt ein Scheinproblem zum Titel aufblasen kann und zwei Wochen später vom Chefökonom den Unsinn dann dementieren lässt, ohne dass diese Zusammenhänge klar offen gelegt werden. Man könnte dahinter aber auch etwas anderes erkennen: nämlich die Dominanz des Finanzkapitalismus, durch den die Sozialversicherung zu dessen Profitcenter degradiert werden soll - und das auch noch als Interesse der Beitragszahler verkauft werden kann.

SCHWENN, Kerstin (2018): Die Mütterrenten treffen Steuerzahler immer härter.
Die Beiträge für die Kindererziehungszeiten steigen in Milliardenschritten. 2019 muss der Bundesfinanzminister schon 15,4 Milliarden Euro an die Rentenkasse überweisen. Gleichzeitig kommen immer mehr Babys in Deutschland auf die Welt,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.

CREUTZBURG, Dietrich (2018): Rentengarantie bringt Älteren bis zu 33.000 Euro.
Wer sich schon im Ruhestand befindet, kann sich über die aktuellen Debatten freuen. Die Jüngeren zahlen drauf,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.08.

Mit den Jüngeren sind nicht die Neugeborenen oder Schulanfänger gemeint, die wirklich draufzahlen, weil mit der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme, zu der auch diese Rentendebatte zählt, vom gravierenden Mangel an Erziehern und Lehrern abgelenkt wird. Die Debatte um die Rente ist nämlich lediglich die Kehrseite der nichtgeführten Debatte über die interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen der letzten beiden Jahrzehnte.

"Von einer (...) Garantie würden laut Prognos alle Jahrgänge bis 1991 profitieren",

erzählt uns CREUTZBURG. Für die Jahrgänge 2010 und folgende dürfte das wie Hohn klingen. Denn diese Jahrgänge werden die ganze Wucht der interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen im Kinderbetreuungs- und Schulsystem zu spüren bekommen. Deren Altersarmut wird nicht das Problem einer fehlenden Rendite der gesetzlichen Rente sein wie uns die Neoliberalen derzeit erklären, sondern ihnen werden die Versäumnisse der Bildungspolitik zum Verhängnis werden!

BRINKMANN, Bastian (2018): Ungerechte Rente.
Kommentar zur Altersvorsorge: Die Last der Sozialabgaben ist für Geringverdiener viel zu hoch,
in: Süddeutsche Zeitung v. 30.08.

"Bis zum Grundfreibetrag sollten überhaupt keine Sozialabgaben anfallen. Dann sollte die Belastung wie bei den Steuern langsam und stetig steigen (...). Um das zu finanzieren, müssten die Sätze für Besserverdiener auf mehr als 20 Prozent stetig steigen oder die Steuerzuschüsse erhöht werden",

meint Bastian BRINKMANN, der das Sozialversicherungssystem zu einem Fürsorgesystem umbauen möchte. Begründet wird diese Politik damit, dass "Absicherung gegen Altersarmut und Krankheit essenziell für die Demokratie" ist. Es ist erstaunlich, welche Politik inzwischen mit Gefahren für die Demokratie propagiert wird. Bereits Olaf SCHOLZ hatte seinen Stabilisierungsvorstoß damit begründet.

Mit Geringverdienern meint BRINKMANN aber Frauen, die dem Arbeitsmarkt verstärkt zur Verfügung stehen sollen. Der Vorschlag soll also neoliberale Politik in Zeiten der AfD überlebensfähig machen.

SCHWENN, Kerstin (2018): Ungerechte Garantie.
Kommentar,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.08.

Kerstin SCHWENN ruft gerne Zäsuren aus, wenn ihr die Rentenpolitik nicht passt. Nun soll die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025 eine neue Zäsur in der Rentenpolitik sein. Dabei war schon die Rente ab 63 eine Zäsur. Zäsuren sind alle Maßnahmen, die der neoliberalen Schwächung der gesetzlichen Rente entgegenlaufen. Die Stabilisierung ist jedoch keine Stärkung der gesetzlichen Rente, sondern öffnet Manipulationen der Rentenniveauberechnung Tür und Tor. Eine Stabilisierung lässt sich kostenlos erhalten, wenn man z.B. die Standardrente neu definiert. Bereits die im Gesetzesentwurf vorgenommene Neuberechnung des Rentenniveaus erschwert Vergleiche mit der Vergangenheit.

Fazit: Die Stabilisierung des Rentenniveaus könnte sich für die SPD als Schuss in den Ofen erweisen, wenn deren Augenwischerei in den nächsten Jahren sichtbar wird.

NIEJAHR, Elisabeth (2018): Angst vor den Grauen.
Jeder Zweite mit hoher Bildung will bis 65 oder länger arbeiten. Doch Regierung und Tarifpartner drücken sich vor der Debatte über den Rentenbeginn - und quälen sich lieber mit Detailproblemen,
in: WirtschaftsWoche Nr.36 v. 31.08.

Wäre es nach Elisabeth NIEJAHR gegangen, dann gäbe es die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland nicht mehr, denn sie war eine glühende Verehrerin des Diktators in Chile, der einfach die Kapitaldeckung voll durchsetzen konnte und nicht einfach nur eine Teilprivatisierung wie Deutschland.

"Viele Babyboomer haben während der Finanzkrise Ersparnisse verloren, oft wollen sie nicht nur länger arbeiten, sondern müssen es auch",

erklärt uns NIEJAHR mit Blick nach Amerika, wo im Gegensatz zur Chile die private Altersvorsorge nicht die einzige Säule ist.

Auch heute ist Elisabeth NIEJAHR wieder eine glühende Verehrerin, diesmal im Kampf für ein höheres Renteneintrittsalter. Es solle cool werden, länger zu arbeiten? Das wäre gar kein Problem, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden: die Gesundheit muss mitspielen, gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sind notwendig. Beides ist heutzutage vielfach nicht der Fall. Manche denken deshalb eher an die Rente mit 40 als an eine mit 67. 

FRIESER, Michael (2018): Auf Kosten der künftigen Generationen?
Die Gegenwart: Der demographische Wandel ist keine Floskel. Die Alterung der Bevölkerung wirkt sich auf viele Bereiche von Gesellschaft und Staat aus. Das ist jedoch kein Grund zu verzagen. Denn wer stets nur negative Szenarien darstellt, der gestaltet nicht die Zukunft. Ergreifen wir die Chancen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.

SIEDENBIEDEL, Christian (2018): Was die Altersvorsorge in Deutschland so schwer macht.
Einmal im Jahr blickt ein großer Vermögensverwalter auf die Rahmenbedingungen für den Ruhestand in aller Welt. Deutschland fällt 2018 im Vergleich zu anderen Ländern deutlich zurück,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.09.

Christian SIEDENBIEDEL blickt mit seiner einseitig neoliberalen Brille auf den Global Retirement Index 2018 des französischen Vermögensverwalter Natixia Investment, der sich aus einer Vielzahl von Statistiken einen Index zusammengebastelt hat, der den eigenen Geschäftsinteressen dient. Der Gesamtindex besteht aus 18 Variablen, die auf 4 Dimensionen verteilt wurden, dessen Aussagekraft zweifelhaft ist.

SIEDENBIEDEL greift sich aus diesem Gesamtindex einzig den Altersquotienten heraus, um die angeblichen demografischen Probleme von Deutschland herauszustreichen:

"Mit 32,5 Prozent weist Deutschland in dieser Kategorie zum zweiten Mail in Folge den fünftschlechtesten Wert aller untersuchten Länder auf",

zitiert SIEDENBIEDEL einen Befund der Studie, der aus dem Zusammenhang gerissen, das Gegenteil dessen zeigt, was in der Studie tatsächlich als Problem dargestellt wird. Dort werden nämlich jene Länder aufgelistet, die zwischen 2016 und 2015 die höchste Steigerung des Altenquotienten aufweisen. Deutschland fehlt darunter, stattdessen steht China mit 30 % Steigerung an der Spitze, gefolgt von Japan mit 27,3 %. Danach kommt Brasilien (24,9 %) und die Schweiz mit 22,8 Prozent (vgl. Grafik S.11). Auch eine Publikation der US-Statistikbehörde sieht Deutschland nicht unter den Ländern mit dem größten Alterungsproblem. 

WENIG, Mirko (2018): Bundesfinanzminister Olaf Scholz will Rente neu berechnen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will laut einem Zeitungsbericht die Rente neu berechnen lassen. So soll die sogenannte Standardrente auf Grundlage von 47 Beitragsjahren festgelegt werden. Bisher sind 45 Jahre die Basis. Am Ende hätte kein Ruheständler einen Cent mehr im Portemonnaie - aber das Rentenniveau würde deutlich steigen,
in: versicherungsbote.de v. 07.09.

Auf den Taschenspielertrick, mit dem das Rentenniveau kostenlos gesteigert werden kann, wurde auf dieser Website bereits öfters hingewiesen (mehr z.B. hier)

REZMER, Anke (2018): Die Lücke stopfen.
Ruhestand: Reichen Rente und Erspartes für das Alter? Experten empfehlen einen Mix aus verschiedenen Einkommensquellen und Durchhaltevermögen,
in: Handelsblatt v. 10.09.

Anke REZMER hat im Vorfeld der zu erwartenden DIW-Studie alte Daten aus der Union Investment-Auftragsstudie Vorsorgeatlas 2017 des Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN herausgekramt, um eine steigende Vorsorgelücke für drei Altersgruppen (20 - 34 Jahre; 35 - 49 Jahre; 50 - 65 Jahre) zu propagieren. Wie wenig aussagekräftig solche Zahlen sind, zeigt ein Vergleich des Vorsorgeatlas 2017 mit seinem 4 Jahre älteren Vorgänger.

Obwohl sich die private Altersvorsorge von nur 4 Jahren im Vergleich zur gesetzlichen Rente drastisch verschlechtert hat, wird uns die private Altersvorsorge  (fast) als Allheilmittel zur Schließung der Vorsorgelücke empfohlen, was an den befragten Experten liegt, die ihr Geld mit Finanzdienstleistungen verdienen. Als Alternative wird inzwischen aber auch die freiwillige Einzahlung in die Rentenversicherung propagiert - eine Vorstellung, die noch vor 10 Jahren als undenkbar erschienen wäre! Neoliberale wie RAFFELHÜSCHEN müssten das eigentlich als Schlag ins Gesicht empfinden - hätten sie so etwas wie ein Gewissen.

THELEN, Peter (2018): Zusätzlich einzahlen lohnt fast für alle.
Gesetzliche Rentenversicherung: Immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit, durch Zusatzbeiträge die Rente aufzubessern. Und noch viel mehr sollten es tun, sagen die Politiker,
in: Handelsblatt v. 10.09.

"So machten 2014 gerade einmal 967 Versicherte von der Möglichkeit Gebrauch, der Rentenversicherung die Abschläge abzukaufen. 2015 waren es 1.499 und 2016 bereits 4.479. Das Beitragsvolumen stieg von 23 Millionen Euro 2014 auf 86 Millionen Euro 2016. Für 2017 ist die Zahl der Einzahler noch nicht ermittelt, aber die Summe der eingezahlten Beiträge. Sie steig auf 207 Millionen Euro - neunmal so viel wie 2014",

erzählt uns Peter THELEN zur Entwicklung der freiwilligen Einzahlungen in die Rentenversicherung. Dass die Grünen als Partei der Besserverdienenden die Möglichkeit von Einzahlungen für alle fordern und nicht erst ab dem 50. Lebensjahr, wundert wenig, denn die Einzahlungen muss man sich erst einmal leisten können. Geringverdiener werden durch diese Praxis in Zukunft noch stärker benachteiligt. Aber möglicherweise soll diese Praxis auch den schnellen Weg zum Umbau der gesetzlichen Rentenversicherung zur Armenfürsorge ebnen. Spätestens in 10 oder 20 Jahren könnte sich diese Praxis nämlich zum Problem für die Rentenversicherung entwickeln. 

DIW-Wochenbericht 37/2018

GRABKA, Markus M./BÖNKE, Timm/GÖBLER, Konstantin/TIEFENSEE, Anita (2018): Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards,
in: DIW-Wochenbericht Nr.37 v. 12.09.

DIW (2018): Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke bei der Sicherung ihres Lebensstandards im Ruhestand.
Mehr als der Hälfte der 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen reichen derzeitige Rentenanwartschaften nicht, um aktuellen Konsum vollständig zu decken – Private Versicherungen reduzieren diesen Anteil nur geringfügig – Potentielle Versorgungslücke beträgt durchschnittlich rund 700 Euro im Monat,
in: Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung v. 12.09.

STOCKER, Frank (2018): Wachstum trotz alternder Gesellschaft.
Obwohl der demografische Wandel fortschreitet, kann der Wohlstand steigen - wenn Regierung und Industrie vorsorgen,
in:
Welt v. 12.09.

BROST, Marc (2018): Darum verlasse ich den Bundestag.
Der Grünen-Politiker Gerhard Schick gründet eine Bürgerbewegung, um die Banken zu bändigen. Warum geht das nicht im Parlament,
in:
Die ZEIT Nr.38 v. 13.09.

Die verschobene Deckelung der Provisionen bei Lebensversicherern und das Durchwinken von Entlastungen für die Branche zeigen, dass die Lobby des Finanzkapitalismus in der Politik keinen ernstzunehmenden Gegner besitzt, der die Interessen der Kunden vertritt. Es geht dabei keineswegs nur um die Regulierung der Banken, sondern um die Eindämmung des Finanzkapitalismus. Die Partei von Gerhard SCHICK setzt bei der Altersvorsorge auf Kapitaldeckung, obwohl die Auslieferung von Schlechtverdienern bei der Altersvorsorge an die Kapitalmärkte grundsätzlich problematisch ist. Als Grundproblem beschreibt Gerhard SCHICK:

"Den Kunden werden provisionsgetrieben die für sie unpassenden Produkte verkauft: Es gibt nach wie vor keine unabhängige Finanzberatung".

Eine unabhängige Finanzberatung kann für Gutverdienende eine Lösung sein, aber Schlechtverdiener ist damit nicht gedient. Nichtsdestotrotz könnte eine "Bürgerbewegung Finanzwende" wenigstens einige der schlimmsten Auswüchse des Finanzkapitalismus beseitigen helfen, wobei die Ausführungen von SCHICK in dem Artikel zwangsweise oberflächlich bleiben müssen:

"Dass viele Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden und potenzielle Wohnungskäufer sich keine Wohnungen mehr leisten können, hat mit Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten zu tun. Wir reden zu viel über Symptome - ich will an die Ursachen ran."

Fazit: Jede Initiative, die gegen den derzeitigen Finanzkapitalismus mobil macht, ist zu begrüßen! Wie die konkrete Gegenwehr aussehen soll, das umreißt SCHICK nur kurz:

"Vor allem (...) brauchen wir die Möglichkeit, viele aktiv anschreiben und einbinden zu können, wenn ein wichtiges Gesetz zur Abstimmung steht und die Finanzlobby wieder mal dabei ist, es zu entkernen. Denn dann sollen die Bürger über uns die Möglichkeit haben, dazu Stellung zu nehmen."

SCHWENN, Kerstin (2018): Vielen Arbeitnehmern droht eine Versorgungslücke im Alter.
DIW: Gesetzliche Rente reicht nicht aus,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.09.

Kerstin SCHWENN lässt den CDU-Politiker Peter WEIß die DIW-Studie Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards kritisieren. Der Maßstab, wonach die Rente einen 100prozentigen Lohnersatz gewähren soll, steht unter Beschuss. Tatsächlich wird jedoch in der ganzen Studie dieser Maßstab nirgends erwähnt, sondern kann nur implizit erschlossen werden. Der Begriff "Versorgungslücke" wird - obwohl zentraler Begriff des Beitrags - im Beitrag nirgends definiert, was für eine wissenschaftliche Arbeit selbstverständlich sein sollte. Aber in Auftragsstudien gelten leider selten wissenschaftlichen Standards!

"Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen aus rentennahen Jahrgängen im Alter von 55 bis 64 Jahren kann ihren derzeitigen Lebensstandard nicht halten, wenn sie jetzt in den Ruhestand gingen.
(...).
Eine der zentralen Funktionen der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ist der Lohnersatz. Bei Wegfall des Erwerbseinkommens nach Renteneintritt sollen die Leistungen der GRV zu einem bestimmten Prozentsatz diese Lücke schließen. In der Vergangenheit wurde das Sicherungsziel in der GRV mit einem Netto-Rentenniveau von 70 Prozent festgelegt.
(...).
Wird wie eingangs erwähnt ein Sicherungsziel von 70 Prozent des bisherigen Konsums angestrebt, so fällt die potentielle Versorgungslücke mit nur noch 28 Prozent (320 Euro) deutlich geringer aus." (S.810 und 816)

heißt es in der Studie. Das Netto-Rentenniveau, das nur bedingt mit dem Nettoeinkommen des Rentners vergleichbar ist, weil zum einen die nachgelagerte Besteuerung ausgeblendet wird und zum anderen ein fiktiver Durchschnittsrentner konstruiert wird, wird also in der Studie in Relation gesetzt zum Konsumniveau der betrachteten Altersgruppe der Erwerbstätigen. Aus der Berichterstattung über die Studie dürfte wohl kaum ein Leser die Problematik der Annahmen erkennen dürfen. Aufklärung sieht anders aus! 

SCHWENN reiht sich zudem ein in die Falschinformation über die Studie durch die Qualitätspresse, wenn sie von "heute 55 bis 64 Jahre alten Erwerbstätigen" spricht. In der Studie heißt es dagegen:

"Im Folgenden werden nur rentennahe Jahrgänge im Jahr 2012 betrachtet, dies sind Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren, also die Jahrgänge 1948 bis 1957, die aber zu dem Zeitpunkt nicht bereits verrentet, arbeitslos oder anderweitig nicht erwerbstätig waren."

Im Jahr 2018 handelt es sich also um die heute 61 bis 70-Jährigen, zu denen die Studie eine Aussage trifft, wobei bestimmte Personengruppen sogar ausgeklammert wurden.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Wirtschaftsthema: Vier Länder, vier verschiedene Rentensysteme.
Was Deutschland von den Nachbarländern lernen kann

ROSSBACH, Henrike (2018): Ewige Baustelle.
Auch in Zukunft wird es in Deutschland Rentenreformen geben, die Demografie macht das unumgänglich. Das deutsche System hat Schwachstellen. Chancen liegen in einer besser funktionierenden Zusatzvorsorge,
in: Süddeutsche Zeitung v. 18.09.

Henrike ROSSBACH präsentiert uns die neoliberale OECD-Sicht auf das deutsche Rentensystem. Für Neoliberale ist Österreich ein Ärgernis, weil es (noch) Alternativen zum deutschen System jenseits neoliberaler Vorstellungen aufzeigt. Von den vier Ländern wird neben Österreich nur noch die Niederlande genannt, dessen starke Betriebsrentensäule als vorbildlich propagiert wird. Thomas ÖCHSNER wettert in seinem Länderporträt gegen Österreich. Frankreich wird uns als abschreckendes Beispiel vorgeführt. Die Niederlande erscheint dagegen als Paradies:

"Die australische Beratungsfirma Mercer untersucht seit Jahren die Rentensysteme aller Staaten der Welt. Die Niederlande lagen lange Zeit auf Platz ein, 2017 rutschten sie mit hauchdünnem Abstand hinter Dänemark",

erklärt uns das Länderporträt. Es wundert deshalb kaum, dass Dänemark als viertes Land vorgestellt wird. Die Unternehmensberatung Mercer verdient ihr Geld global in erster Linie mit der betrieblichen Altersvorsorge, weshalb das Ranking mehr über Mercer aussagt als über die einzelnen Rentensysteme. Mit seiner Präferenz für die Kapitaldeckung ist die Sicht von Mercer einseitig. 

SIEMS, Dorothea (2018): Generation Mitte spart sich das Sparen.
Die Bürger legen Wert auf finanzielle Unabhängigkeit. Sie wissen auch um die Probleme der gesetzlichen Rente. Doch Konsum geht ihnen vor Vorsorge,
in:
Welt v. 20.09.

Bei Dorothea SIEMS zeigt sich die herrschende neoliberale Doppelmoral, bei der Alterssicherung und Konsum gegeneinander ausgespielt werden, um die Profite der Finanzdienstleister zu steigern. Die Allensbach-Umfrage Generation Mitte 2018 ist von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegeben worden. Damit ist nicht etwa die Mittelschicht gemeint, sondern die Altersgruppe der 30-59-Jährigen als Zielgruppe für die Produkte der Lebensversicherer. Bezeichnenderweise wird nicht zwischen den einzelnen Einkommensklassen unterschieden, sodass gar nicht unterschieden werden kann, ob neben dem Konsum, zu dem auch die steigenden Wohnkosten gehören, überhaupt Geld für die Subvention der Finanzdienstleister ("Altersvorsorge") übrig ist.

MATZIG, Gerhard (2018): Fette Welt.
Mangel durch Reichtum: In Deutschland sind Wohnungen auch deshalb so knapp, weil jeder Einzelne immer mehr Raum beansprucht,
in: Süddeutsche Zeitung v. 21.09.

Während Kosmopoliten wie Gerhard MATZIG uns mit absurden Thesen zur Wohnungsnot daherkommen und daher zum Hass auf unsere Eliten beitragen, werden die tatsächlichen Ursachen der heutigen Wohnungsnot in Deutschland vernachlässigt: Die Renditegier der institutionellen Anleger insbesondere ausländischer Investoren und die Immobilie als Altersvorsorge treibt die Wohnungsnot an. Dagegen will uns MATZIG mit folgender These verdummen:

"Die Wohnungen in Deutschland sind in der Regel nicht zu klein, sondern im Gegenteil viel zu groß. Folglich gäbe es gar keine Wohnungsnot, würde man nicht auf zu großem Fuß und in quantitativ üppig bemessenen (qualitativ aber of miserabel organisierten Grundrissen leben."

Den einzigen Beleg für diese Behauptung formuliert MATZIG folgendermaßen:

"(S)eit (...) 1972 (...) hat sich die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf, die in Deutschland in Anspruch genommen wird, mal eben verdoppelt. Bald werden es fünfzig Quadratmeter sein. Pro Mensch. Zum Vergleich. Nur in den USA lebt es sich noch monumentaler, in (...) Nigeria (kommt man) mit sechs Quadratmetern aus."

Wer so argumentiert, benutzt Statistik, um sie als Waffe, satt als Argument zu verwenden. Daran stimmt wenig, denn nach letzter Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2014 betrug die Wohnfläche pro Person 45,6 qm und die Wohnfläche ging zurück (was auch mit den Erhebungsmethoden zusammenhängt), während MATZIG eine Steigerung suggeriert. 

Die durchschnittliche Wohnfläche ist nicht aussagekräftig, denn entscheidend ist, wo sich die großen Wohnungen befinden und ob es sich dabei um Miet- oder Eigentumswohnungen handelt. Die Wohnungsfläche ist dort am höchsten, wo es keine Wohnungsnot gibt und sie ist bei Eigentumswohnungen höher als bei Mietwohnungen. Der Datenreport 2016 beschreibt die Situation zum Zeitpunkt des Zensus 2011 folgendermaßen:

"Ein weiteres wichtiges Merkmal für die Wohnsituation ist die durchschnittliche Wohnfläche, die jeder Person zur Verfügung steht. Sie betrug am 9. Mai 2011 in Deutschland 43 Quadratmeter. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person war im selbst genutzten Eigentum mit 47 Quadratmetern deutlich größer als in Mietwohnungen (38 Quadratmeter)."

Für Stadt-Land-Unterschiede unterscheidet der Datenreport nur nach Bundesländern, aber auch daraus lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Stadtstaaten und den ländlich geprägten Bundesländern bei der Wohnfläche festmachen: Hamburg und Berlin wiesen 39 qm pro Person auf, während es in Rheinland-Pfalz 47 qm pro Person waren. Da die Daten noch aus einer Zeit stammen, in der die Wohnungsnot noch kaum ein Thema war, ist von einer Verschärfung auszugehen.

Fazit: Im Gegensatz zum durchschnittlichen Wohnflächenverbrauch pro Person, der nicht zwischen Miete und Eigentum differenziert, ist die Privatisierung der Altersvorsorge und der damit verbundene Run auf Immobilien und Investitionen der institutionellen Anleger entscheidender für die Wohnungsnot in Deutschland.

BERNAU, Patrick (2018): Die Rente ist ungerecht.
Die Jungen müssen zu viel zahlen, die Alten kriegen zu wenig Geld. Alle ärgern sich über die Rente. Wer hat recht, und wie kann die Altersvorsorge künftig funktionieren?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.09.

Die Rente erscheint den Lesern der FAS als dringendstes Problem in Deutschland. Patrick BERNAU hat jedoch nur die üblichen neoliberalen Parolen dafür übrig, wobei z.B. die Intention der DIW-Studie Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des Lebensstandards ins glatte Gegenteil verkehrt wird:

"60 Prozent der älteren Arbeitnehmer können sich in der Rente sogar höhere Ausgaben leisten, als sie heute haben, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ausgerechnet",

wird uns erzählt, aber nicht unter welchen Annahmen dies der Fall sein soll, was BERNAU in Erklärungsschwierigkeiten bringen würde. Aus neoliberaler Sicht gibt es keinerlei Probleme. Altersarmut? Eine Fake-News von Linken. Die Besteuerung der Alterseinkünfte:

"Nur das Geld einiger unglücklicher Rentner wird tatsächlich doppelt besteuert."

Die Ansprüche der Rentner werden als ungerechtfertigte "Wohltaten" diffamiert, da sind sich FAS/FAZ und Springer-Presse einig.  Es geht in der Rentenpolitik

 "nur zum Teil (um) eine Auseinandersetzung der Rentner gegen die Beitragszahler. Es ist ein Kampf der Babyboomer gegen ihre wenigen Kinder. Würde der aktuelle Stand der Rente beibehalten, würden nicht die Babyboomer für ihre Kinderlosigkeit bezahlen, sondern die arbeitende Bevölkerung",

behauptet dreist BERNAU und versucht damit das gesellschaftliche Problem auf einen Konflikt von Eltern gegen Kinderlose zu reduzieren, was z.B. die Arbeitgeber und ihren Anteil am Problem ganz außen vor lässt.

Fazit: Neoliberale wie BERNAU versuchen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, um die wirklichen Probleme des sozialstaatlichen Gesellschaftsvertrags zu verschleiern.

RÜRUP, Bert (2018): Individuell rational, kollektiv fatal.
Chefökonom: Mit freiwilligen Beiträgen lassen sich keine nachhaltig höheren Rentenansprüche erwerben,
in:
Handelsblatt v. 24.09.

Bert RÜRUP kritisiert Forderungen nach der Ausdehnung der Möglichkeit von  freiwilligen Einzahlungen in die Rentenversicherung, die aufgrund ihrer Rendite gegenwärtig die Renditen privater Altersvorsorge übertrifft. RÜRUP warnt davor, dass die gesetzliche Rentenversicherung dadurch Gefahr laufe immer mehr einem Schneeballsystem zu ähneln. Dass der vor zwei Wochen erschienene Handelsblatt-Artikel zu den meistgelesenen Online-Artikeln gehört, ist für ihn Anlass zur Sorge.

Was an dieser Sorge stört, das ist die Naivität, mit der die Nachhaltigkeit privater Altersvorsorge propagiert wird. Warum diese nachhaltiger als die gesetzliche Rente sein soll, kann RÜRUP nicht erklären, sondern redet sich andersweitig heraus, nämlich dass:

"private Versicherungen einen privatrechtlich geschützten Eigentumsanspruch auf den Kapitalstock und die laufenden Auszahlungen gewähren".

Was nützt einem Versicherten aber das, wenn dieses Unternehmen pleite geht oder gar der ganzen Branche der privaten Altersvorsorge der Kollaps droht? Darauf hat RÜRUP keine Antworten. Alarmzeichen gibt es jedoch zuhauf, was die drohende Instabilität der privaten (inkl. betrieblicher) Altersvorsorge betrifft.

BLANK, Florian (2018): Renten rauf, Riester runter!
Alter: Die Finanzkrise hat auch die private Vorsorge zerschossen. Doch das Beispiel Österreich zeigt: Ein nachhaltiges öffentliches Rentensystem ist möglich,
in: Freitag Nr.39 v. 27.09.

Ist Österreich ein rentenpolitisches Vorbild für Deutschland? Neoliberale bestreiten dies, Gewerkschaftler und Sozialverbände schwören darauf. Beide Seiten lassen den Machtkampf um das Rentensystem in Österreich außen vor. Was sind Debatten wert, die sich Rosinen aus landesspezifischen Sozialsystemen herauspicken, während die landesspezifischen Verhältnisse ignoriert werden? Unterstützt diese Strategie nicht falsche Vorstellungen, die von der historischen Gewachsenheit der Systeme und den spezifischen Machtverhältnissen abstrahiert? Die Übernahme der neoliberalen "Best Practise"-Rhetorik unter entgegengesetzten Vorzeichen stärkt nur die neoliberale Ideologie, dass sich Elemente aus Systemen ohne Rücksichten auf deren Verschiedenheit, einfach übernehmen lassen. Scheitern nicht Firmenübernahmen in erster Linie daran, dass die Firmenkulturen unvereinbar sind? Bei Sozialsystemen ist das nicht anders.

Fazit: Politik, Medien und Wissenschaft verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn sie die besonderen Verhältnisse bei internationalen Vergleichen außen vor lassen und stattdessen mit selektiver Auswahl falsche Alternativen vorgaukeln. Schon gar nicht können Gegner der Neoliberalen damit punkten, dass sie deren Argumentationsmuster einfach übernehmen und nur die Inhalte austauschen. Der Neoliberalismus muss grundsätzlicher bekämpft werden, indem die Grundstruktur seiner Argumentation in Frage gestellt wird. Ein Beispiel, das jedoch nicht weit genug geht, nennt Florian BLANK:

"Rentenpolitisch ist nicht das Verhältnis von Jung zu Alt die relevante Größe, sondern das Verhältnis von Beitragszahlerinnen  und -zahlern zu Leistungsempfängerinnen und -empfängern. Dieses Verhältnis kann durch eine gute Arbeitsmarktpolitik beeinflusst werden, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fördert und brachliegende Potenziale nutzt."

Hier wird das Kriterium "Altenquotient" als unbrauchbar für die Beurteilung des demografischen Wandels dargestellt. Was aber nützt dies, wenn sich beide Seiten auf die gleichen oder ähnliche Prognosen berufen, deren Grundannahmen bereits fragwürdig sind? Die Interessen hinter diesen Prognosen aufzudecken ist notwendig. Es zeigt sich ja inzwischen, dass interessengeleitete Bevölkerungsvorausberechnungen ganz gravierende Folgen in anderen Politikbereichen zeitigen. Nur die Zusammenschau verschiedener Politikbereiche kann das simple neoliberale Theoriengebäude zum Einsturz bringen!  

ÖCHSNER, Thomas (2018): Ab heute wird gespart.
Viele reden darüber, wenige handeln: Menschen schieben Unangenehmes auf, auch beim Geldanlegen, etwa fürs Alter. Wie sich der innere Schweinehund überlisten lässt,
in: Süddeutsche Zeitung v. 02.10.

Die Finanzdienstleister wollen an das Geld der Deutschen, denn das ist angeblich nicht richtig angelegt. Die Verhaltensökonomie, ein Zweig der Konsumpsychologie, die den Behaviorismus, also das berüchtigte Pawlow'sche Hund-Schema, marktgerecht weiterentwickelt hat, soll nun dafür sorgen, dass die Deutschen sich endlich altersvorsorgegerecht verhalten. Thomas ÖCHSNER stellt 10 Tricks der Selbstüberlistung vor. Für das gewünschte Ergebnis (Rendite!) haftet jedoch nicht der Journalist oder die Psychologie, sondern allein der Anleger.

BUCH, Claudia M. (2018): Die Abwehrkräfte des Finanzsystems stärken.
An den Kosten der Rettung seiner Banken trägt Deutschland immer noch doppelt so schwer wie an den Hilfen für die Euroländer. Und trotz guter Konjunktur und höherer Kapitalpuffer haben sich neue Verwundbarkeiten aufgebaut. Es ist an der Zeit, ausreichend Eigenkapital aufzubauen. Finanzstabilität beginnt zu Hause,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.10.

Claudia M. BUCH, bei der Bundesbank zuständig für das Politikziel der Finanzstabilität, beschreibt in einem ganzseitigen Artiken die Reformen in Sachen Finanzmärkte als Erfolg, wobei sie jedoch weitere Reformanstrengungen anmahnt. Die Schäden für deutsche Steuerzahler durch die Finanzmarktkrise des Jahres 2008 machen 10 Jahre später immer noch 5,9 Prozent des BIP aus und es drohen neue Gefahren, so BUCH, denen mit einem "antizyklischen Kapitalpuffer" entgegengewirkt werden soll. Für BUCH werden die Risiken im Falle eines Wirtschaftsabschwungs unterschätzt.

Was unter den neuen Verwundbarkeiten zu verstehen ist, das bleibt unterbelichtet. Dagegen nervt, dass BUCH Metaphern aus dem Gesundheitswesen benutzt, womit die Ökonomen zu Ärzten stilisiert werden. Eine solche Überhöhung der eigenen Zunft ist eher Zeichen eines Größenwahns, der Anlass zur Skepsis geben sollte. Offenbar ist die Krise des Finanzkapitalismus schlimmer als sie derzeit noch scheint. Was passiert, wenn nicht nur Banken, sondern auch die Lebensversicherer und die Pensionskassen in den Strudel gerissen werden? Welche Folgen hat es, dass große Teile der privaten Altersvorsorge in ETF-Fonds und Immobilien angelegt werden?

Fazit: Die kapitalgedeckte Altersvorsorge könnte bei der nächsten Krise des Finanzkapitalismus großen Schaden nehmen angesichts der Dominanz von international verflochtenen Vermögensverwaltern und Investoren. Wenn ein Dominostein fällt, dann reißt das viele andere Dominosteine mit sich. Die Krise des Jahres 2008 könnte also nur ein Vorgeschmack auf die kommende Krise gewesen sein. Die Reformen, die vor allem die Banken im Blick haben, aber das ganze vernetzte System nicht in den Blick nehmen, könnten sich schnell als untauglich erweisen! 

KROHN, Philipp (2018): Union Investment schlägt Riester-Reform vor.
Der Marktführer regt eine einfachere Zulage an. Dabei soll nicht das Produkt, sondern die Förderung simpler werden,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.10.

Die Fondsgesellschaft Union Investment hat 1,9 Millionen Verträge in ihrem Bestand. Ihre Zielgruppe sind zwar die Besserverdienenden, nichtsdestotrotz argumentiert sie mit den angeblichen Belangen der Geringverdiener, um ihre Interessen zu vertreten.

CREUTZBURG, Dietrich & Andreas MIHM (2018): Höherer Pflegebeitrag treibt den Rentenbeitrag hoch.
Eine seltsame Folge der versprochenen Rentengarantie,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.10.

CREUTZBURG & MIHM hetzten gegen die Stabilisierung des Rentenniveaus. Ihre Argumentation zeigt aber eher unfreiwillig auf, dass die Rentner bislang gewaltig im Nahmen der Generationengerechtigkeit geschröpft wurden. Das Rentenpaket zeitigt Auswirkungen, weil Union und SPD in der Regierung zutiefst uneinig sind und deshalb gegeneinander arbeiten.

"Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund liegt das im konkreten Fall daran, dass Rentner traditionell den vollen Pflegebeitrag von bisher 2,55 Prozent zahlen, während für die Beschäftigten zur Hälfte der Arbeitgeber zahlt. Die Anhebung des Pflegebeitrags drückt deswegen etwas stärker auf die Nettorente als auf den Nettolohn",

erklären uns CREUTZBURG & MIHM, die den Sachverhalt natürlich aus neoliberaler Sicht kommentieren, um diesen Aspekt zu verschleiern, indem sie absurde Begründungen dafür liefern, dass dies gerecht sein soll. Die Pflegeversicherung war 1995 also vor 23 Jahren nicht als Zweig der Sozialversicherung, sonder als Teil des Pflegemarkts eingerichtet worden. Weil dies so spät geschehen sei, wird uns das als Ungerechtigkeit verkauft. Faktisch wird jedoch jeder später eintretende Geburtsjahrgang immer ungerechter behandelt, denn er zahlt immer länger ein und muss trotzdem genauso lang wie die vorhergehenden Geburtsjahrgänge seinen Rentnerpflegebeitrag zahlen. Unseren Neoliberalen könnte also ihre Generationengerechtigkeit bald um die Ohren fliegen.

Noch verrückter wird es, bei der Arbeitslosenversicherung, die auf Druck der Union eine stärkere Beitragssenkung hinnehmen muss:

"(D)er niedrigere Arbeitslosenbeitrag entlastet nur die Nettolöhne, nicht aber die Nettorenten."

Uns wird nun erklärt, dass dies beschleunigte Rentenanpassungen zur Folge hätte. Das aber steht in den Sternen, denn die Berechnungen wurden im Zuge des Rentenpakets geändert, sodass eine Vergleichbarkeit erschwert wird. Die diversen Wechselwirkungen, die die FAZ nur selektiv darstellt, also nur insofern dies zu ihrer neoliberalen Argumentation passt, könnten sich ganz anders niederschlagen als jetzt noch propagiert.

Fazit: Sobald die Rentenanpassungen vorliegen, werden die Deutungskämpfe beginnen. Es ist dabei mit Schlammschlachten zur rechnen. Die FAZ gibt mit diesem Artikel bereits einen Vorgeschmack.   

HOFFMANN, Timo (2018): Knausern für die Rente mit 30.
Frugalisten suchen Glück in der Genügsamkeit und sparen, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Die Philosophie kommt aus den USA und verbreitet sich im Netz. Aber kann man tatsächlich nach 10 bis 15 Jahren Arbeit ausgesorgt haben?
in: TAZ v. 08.10.

Über die Fire-Bewegung berichtete bereits die SZ vor einem Monat. Das sind Leute, die den Propheten der ETF-Fonds auf den Leim gehen und mit unrealistischen Renditen rechnen. Das Konzept stammt aus den 1990er Jahren und fußt deshalb auf Überzeugungen der Vergangenheit. Ein Profiteur dieser Bewegung ist auf alle Fälle ihr Wegbereiter. Das ist so wie beim Schneeballsystem: Wer zuerst dabei war, der kassiert den Rest ab!

Im Gegensatz zur neuen Bescheidenheit (Juli ZEH) zu Beginn des Jahrtausends, schließen die Anhänger eine Wette auf die Zukunft ab. Finanzdienstleister können diesem neuen Geiz natürlich kaum etwas abgewinnen, die sollen schließlich von Leuten profitieren, die sehr lange sparen und dafür lange arbeiten, weshalb deren Kritik nicht in erster Linie auf den Gefahren der Auslieferung an den Kapitalmarkt fußt, sondern den Geiz und die Unlust an der Erwerbstätigkeit anprangert. Der Finanzmedienkonzern Bloomberg warnt dagegen:

"Frugalisten könnten »genauso enttäuscht enden wie Sparer, die auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase imstande waren, in Rente zu gehen - bis sie platzte«"

RÜRUP, Bert (2018): Zwei mal drei macht vier...
Leidartikel: Die gesetzliche Rente kann auf Dauer keine höhere Rendite als Kapitalmarktanlagen abwerfen,
in: Handelsblatt v. 08.10.

Bert RÜRUP hat zuletzt die freiwilligen Einzahlungen in die Rentenkasse kritisiert, da die Rendite der Einzahlungen derzeit höher ist als auf dem privaten Altersvorsorgemarkt. Nun fügt er dieser Kritik neue Argumente zu, die wenig plausibel sind, aber zur neoliberalen Strategie der Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung bei weiterer Stärkung der Privatisierung der Altersvorsorge beitragen. RÜRUP hegt die Hoffnung, dass in Zukunft die Kapitalmarktrenditen steigen, während die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung sinkt. Ein Kollaps des Aktienmarkts könnte diese Zuversicht ins Wanken bringen.

FERBER, Michael (2018): Bremsspuren am Immobilienmarkt.
Die Lieblings-Anlageklasse der Schweizer Pensionskassen in den vergangenen Jahren kommt unter Druck,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 09.10.

REZMER, Anke (2018): Mehr Geld fürs Alter.
Immer mehr Menschen werden im Alter von ihrem Ersparten leben müssen. Denn die gesetzliche Rente schmilzt ab. Die Kunst ist, dem Vermögen etwas zu entnehmen, ohne dass es zu stark dezimiert wird. Es gibt verschiedene Wege zur Extra-Rente,
in: Handelsblatt v. 12.10.

HOYER, Niklas (2018): Nicht alle sind schlecht.
Geringe Erträge, hohe Kosten: Lebensversicherungen haben einen zweifelhaften Ruf - und Niedrigzinsen konsolidieren die Branche. Ein exklusives Rating zeigt, welche Anbieter der Krise standhalten,
in: WirtschaftsWoche Nr.42 v. 12.10.

"Scharnhauser Park in Ostfildern (...). Auf einem ehemaligen US-Militärgelände südlich von Stuttgart sollen bis 2022 insgesamt 145 Mietwohnungen in grauen Blöcken mit lang gezogenen weißen Balkonen entstehen.
Das Besondere an dem Vorhaben: Die Bewohner werden mit ihrer Miete, geplant sind 13 Euro pro Quadratmeter, die Renditen von vier Millionen Kunden der R+V Lebensversicherung absichern. Die R+V ist Eigentümerin des Wohnprojekts. Sie hat einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag investiert - und baut ihr Engagement in Immobilien massiv aus",

erklärt uns Niklas HOYER. Was als Beruhigungspille gedacht ist, ist eher beängstigend, denn die nächste, und deutlich größere Finanzkrise, wird nicht mehr allein durch eine Immobilien- und Bankenkrise ausgelöst werden, sondern von der Altersvorsorgebranche, die mit ihrem Kapital nicht wer weiß wohin und deshalb nicht nur in einen überteuerten Immobilienmarkt investiert, sondern auch in viele andere gefährliche Abenteuer Geld investiert.

"Wohnraum bleibt in den Städten vorerst knapp, was die Nachfrage selbst bei steigenden Zinsen - und teueren Krediten - kaum einbrechen lassen dürfte.
Auch Marktführer Allianz setzt neue Akzente, um seine Zinsversprechen einzuhalten: auf Investments in Immobilien, in Infrastruktur (Autobahnen in Frankreich, ein Abwassertunnel in London) und erneuerbare Energien (...). Die Lebensversicherer wollen den Vorteil ausspielen, dass Kunden ihnen, im Gegensatz zu den Banken, langfristig Geld anvertrauen",

meint HOYER. Ob die Lebensversicherer dieses Vertrauen der Kunden nicht mit ihren Abenteuern gefährden, das werden die nächsten Jahre zeigen.

SCHÜRMANN, Christof (2018): Längeres Leben drückt die Rendite.
Unternehmen stellen Milliarden für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zurück. Weil die immer länger leben, wird das Vermögen von Aktionären zunehmend belastet, besonders bei Dax-Firmen,
in: WirtschaftsWoche Nr.42 v. 12.10.

Christof SCHÜRMANN spielt die Aktionäre und Pensionäre bei den DAX-Firmen gegeneinander aus. Angeblich geht die Verwendung von neuen Sterbetafeln zu Lasten der Aktionäre, obwohl deren Effekte minimal sind. Obwohl 160 Unternehmen untersucht wurden, werden in einer Grafik nur 31 Firmen aufgelistet, wobei die Auswahlkriterien intransparent sind. Dass nun plötzlich die Belastungen von Aktionären herausgestrichen werden, könnte mit dem Irrwitz zusammenhängen, dass die private und betriebliche Altersversorgung immer mehr von ETF-Fonds und ihren Vermögensverwaltern dominiert werden. Unternehmen wie Blackrock haben durch ihre Marktmacht einen großen Einfluss.

Fazit: Das Risiko, dass die Altersvorsorge von vielen Menschen auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird und bei einem Finanzcrash ganz andere Risiken bedeutend sind, das fällt bei diesem Artikel unter den Tisch. 

KROHN, Philipp (2018): Fondsbranche will Garantien in Riester-Rente kippen.
Die Debatte über ein Standardprodukt für die Altersvorsorge wird immer intensiver geführt. Fondsanbieter wollen einen Nachteil im Wettbewerb mit den Versicherern beheben,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.10.

Philipp KROHN berichtet über das Positionspapier des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI), in dem die drei großen Riester-Profiteure Union Investment, DWS und Deka ihr Lobbygeschäft gebündelt haben. Bereits vor einer Woche hat KROHN über ein Positionspapier der mächtigen Union Investment berichtet, das sich auch im BVI-Papier wiederfindet. KROHN beschreibt die hessische Staatsfondslösung als Konkurrenzprodukt zur BVI-Position.

KROHN, Philipp (2018): Flexible Garantien.
Kommentar,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.10.

Philipp KROHN macht sich zum Sprachrohr des BVI-Lobbyverbands.

GERTH, Martin/SCHWERDTFEGER, Heike/SCHÜRMANN, Christof (2018): Nur bedingt flüssig.
Auf der Jagd nach Rendite investieren Versicherer und Pensionskassen in Infrastruktur, Asien-Immobilien und schwer handelbare Schuldpapiere. Im Crash wären sie in illiquiden Anlagen gefangen - so wie in der Finanzkrise,
in: WirtschaftsWoche Nr.43 v. 19.10.

GERTH&SCHWERDTFEGER/SCHÜRMANN berichten darüber wie leichtfertig Lebensversicherer und Pensionskassen mit dem Geld der Versicherten umgehen, nur um möglichst hohe Profite herauszuholen. Geht es schief, dann sind nicht die Investoren, sondern diejenigen betroffen, die auf ihre Altersvorsorge angewiesen sind.

Fazit: Finanzkrise 2008 war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die nächste Krise, in der die Altersvorsorge besonders betroffen sein wird, da die Teilprivatisierung in Deutschland nicht mehr in den Anfängen steckt wie 2008, sondern immer mehr forciert wird. Und nicht nur das: Immer mehr Demografiefonds bunkern Gelder, die angelegt werden wollen. Dieser nächste Crash wird kommen, nur der Zeitpunkt ist noch ungewiss. Mit steigenden Zinsen rückt das Risiko immer näher. 

REZMER, Anke (2018): Alle einbeziehen.
Altersvorsorge: Das deutsche Rentensystem gilt einer Studie zufolge aktuelle als das "angemessenste" weltweit, zeigt aber Mängel für die Zukunft,
in: Handelsblatt v. 24.10.

Anke REZMER präsentiert uns die Ergebnisse des Melbourne Mercer Global Pension Index, in den lediglich 34 Alterssicherungssysteme eingehen. Wer den Bock zum Gärtner macht, der darf sich über die Ergebnisse nicht wundern. Die Unternehmensberatung Mercer verdient ihr Geld mit der kapitalgedeckten Altersvorsorge, weshalb sie die Schwächung der gesetzlichen Rente und die Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge betreiben muss. Alles andere würde gegen ihre Profitinteressen verstoßen.

Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist ein neoliberaler Kampfbegriff zur Durchsetzung von kapitalgedeckten Alterssicherungssystemen, mit denen die globale Finanzklasse ihre Machtstellung ausbaut. Niederlande, Dänemark und Schweden werden uns als Vorzeigesysteme vorgestellt, während Italien, Österreich und Spanien als problematisch gelten.

Die Überschrift zielt nicht auf die Etablierung einer Erwerbstätigenrentenversicherung ab, sondern im Gegenteil auf einen Zwang zur betrieblichen Altersvorsorge, bei denen die Finanzdienstleister absahnen können, während die Versicherten das Risiko alleine tragen.  

MÜLLER, Hans Christian (2018): Real bleibt weniger.
Grafik des Tages: Wenn es um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geht, ist es üblich, die Teuerung der Preise aus dem Wachstum herauszurechnen. Nicht so, wenn es um Börsen- und Unternehmensdaten geht. Dabei ist es ja gerade für Anleger interessant, was ihnen am Ende an realer Rendite bleibt. Das Handelsblatt hat daher die Entwicklung der wichtigsten Indizes bereinigt - mit erstaunlichen Ergebnissen. Gerade im sonst so starken US-Markt gehen viele Gewinne durch die üppige Inflation verloren,
in: Handelsblatt v. 25.10.

Den Deutschen werden von den Verfechtern der kapitalgedeckten Altersvorsorge sagenhaft hohe mögliche Renditen am Aktienmarkt versprochen. Indexfonds gelten als problemlose Gewinnbringen. Davon bleibt jedoch weit weniger übrig als so mancher glaubt.

BRUMM, Nicole/LANGELÜDDEKE, Anne/ZANKER, Dagmar (2018): Der Generationenvertrag.
Ein Plädoyer für eine differenzierte Betrachtungsweise,
in: Deutsche Rentenversicherung, Heft 3
, S.209-227

Anlässlich der Einsetzung der Rentenkommission "Verlässlicher Generationenvertrag" steht der "Generationenvertrag" erneut im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER holen deshalb weit aus, um die verschiedenen Debatten um die Existenzberechtigung des Umlageverfahrens in der Rentenversicherung seit Beginn der Sozialversicherung Ende des 19. Jahrhunderts zu skizzieren. Denn von Anfang an, war das Umlageverfahren umstritten, erlebte jedoch aufgrund von gesellschaftlichen Problemen immer wieder Phasen, in denen sich die Überlegenheit gegenüber der Kapitaldeckung zeigte. Die Verengung des Generationenvertrags auf das Umlageverfahren ist jedoch problematisch, weil es zwei Ebenen des Generationenvertrags zu beachten gibt: zum einen die Generationenbeziehungen (familiäre Ebene bzw. "kleiner Generationenvertrag") und das Generationenverhältnis ("großer Generationenvertrag").

"Das Umlageverfahren ist (...) ein Teilaspekt, eine Ausprägung des umfassenderen Generationenvertrags, in welchem die solidarischen Beziehungen zwischen der jeweiligen Erwerbs- mit den zeitgleichen Nicht-Erwerbsgenerationen realisiert werden (S.211)",

behaupten BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER. Tatsächlich handelt es sich beim Sozialstaat jedoch um einen viel umfassenderen Gesellschaftsvertrag, d.h. die Debatten um einen "Generationenvertrag" sind immer schon verengt auf den "demografischen Aspekt". Diese Einengung der Debatte führt dazu, dass auch bei den Autorinnen der Blick auf die Probleme des Sozialstaats im Zeichen der neoliberalen Weltordnung nicht umfassend genug ist. Doch werden in dem Artikel auch die umfassenderen Implikationen zumindest sichtbar.

"Der Erste Weltkrieg zeigte (...) erstmals die Nachteile des Kapitaldeckungsverfahrens in der Rentenversicherung auf. Der von den Beitragszahlern aufgebaute Kapitalstock wurde weitestgehend vernichtet, da ein großer Teil in Kriegsanleihen des Deutschen Reiches investiert wurde. Der verbliebene Kapitalstock wurde im Anschluss durch die Inflation der Nachkriegsjahre bis 1923 nahezu komplett entwertet. (...). Da die Auszahlung von Renten allerdings essenziell war, um der Verelendung der Arbeiter und Angestellten im Alter entgegenzutreten, erfolgte nun ein eher notgedrungenes Aufweichen des Kapitaldeckungsverfahrens zugunsten einer, wenn auch zeitlich begrenzten, Umlagefinanzierung" (S.213),

schreiben BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER über den ungeliebten Anfang der Einführung. Die Rolle des Kapitaldeckungsverfahrens nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wirft ein bezeichnendes Licht auf die Probleme dieses heutzutage so gehypte Verfahren:

"Das Vermögen der Rentenversicherung wurde (...) zur Finanzierung des Kriegs und dessen Vorbereitung genutzt. Im Gegensatz zu den Vorgängen im Rahmen des Ersten Weltkriegs wurde dieses Vorgehen nun offensiv begründet: Es galt als legitim, das Vermögen der Rentenversicherung für die Kriegsfinanzierung aufzuwenden, da dies ja eine Anlage in die Zukunft wäre. Dementsprechend stellte die nationalsozialistische Sozialpolitik eine Argumentation bereit, die auf den »investiven Stellenwert« (...) abstellte und somit sozialpolitische Instrumente als wirtschaftlichen Impuls in den Fokus nahmen". (S.213)

Man könnte also die NS-Rhetorik mit ihrer Rechtfertigung der Kapitaldeckung als Vorläufer der heutigen neoliberalen Argumentation begreifen. Rüstung statt Bildung als Investition in die Zukunft.

Während vor der Einführung der Teilprivatisierung der Alterssicherung der Geburtenrückgang als zentrales Problem für die Rechtfertigung der Kapitaldeckung gegen das Umlageverfahren angeführt wurde, rücken BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER ganz andere Aspekte der Debatte um die Kapitaldeckung in den Mittelpunkt: die historischen Erfahrungen mit der Zweckententfremdung des Vermögensbestandes der Rentenversicherung sprach damals für und nicht gegen das Umlageverfahren. Dass dies heutzutage vergessen ist, ist eine der Verdrängungsleistungen. Gegenwind für das Umlageverfahren sehen die Autorinnen bereits Mitte der 1980er Jahre, der in den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung, die noch als Glanzstunde des Umlageverfahrens galt, seinem Höhepunkt zustrebte:

"Ein zentrales Argument der Kapitaldeckungsbefürworter führte dabei Renditevergleiche ins Feld, in denen auf den zu erwartenden höheren Ertrag des Kapitaldeckungsverfahrens im Vergleich zum Umlageverfahren verwiesen wurde (zum Beispiel The World Bank 1994; Birg und Börsch-Supan 1999; Breyer 2000; kritisch disktuiert in Rabe und Langelüddeke 1999)." (S.215)

Daneben spielten Anreize auf dem Arbeitsmarkt ("Lohnnebenkosten") und die vorteilhaften Auswirkungen auf die Ersparnis eine Rolle als Argumente, mit denen alle Zweifel aus dem Weg geräumt wurden:

"Zweifel theoretischer wie empirischer Art an diesen Argumenten (zum Beispiel Orszag und Stiglitz 1999; Rabe und Langelüddeke 1999) wurden im historischen Kontext der damaligen Kapitalmarktsituation, der Erwartungen auf eine hohe Rendite weckte, beiseitegeschoben und zugunsten des Paradigmenwechsels in der Alterssicherungspolitik aufgegeben." (S.216)

Der Hauptteil des Artikels befasst sich mit der Akzeptanz des Alterssicherungssystems in der Bevölkerung, bei der zwischen der Zieldimension (Umfang staatlicher Zuständigkeit, Ausmaß der Eigenverantwortung und Höhe der Staatsausgaben) und der Mitteldimension (Institutionalisierung und Reformen). Die Autorinnen sehen die Akzeptanzforschung wenig kritisch, sondern referieren hauptsächlich deren Ergebnisse, wobei die Einschätzungen für den Leser nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Die demografische Problemstellung und darauf beruhende Einschätzungen werden vorausgesetzt, statt problematisiert. Wie üblich wird deshalb ein Informationsdefizit bei der Bevölkerung unterstellt. Es wird deshalb dafür plädiert, das "Wissen zum Generationenvertrag" durch Studien zu erheben, um der Bevölkerung anstehende Reformen besser schmackhaft machen zu können, denn es bestehe NOCH keine Einigkeit über die zukünftige Ausgestaltung des Alterssicherungssystems:

"Werden (...) Analysen zu diversen Reformvorschlägen - von Steuer- und Beitragserhöhungen über Leistungskürzungen bis hin zur Erhöhung des Renteneintrittsalters - herangezogen, so ist in diesen bisher keine mehrheitlich getragende Unterstützung ersichtlich." (S.221) 

LOOMAN, Volker (2018): Männer sind keine Altersversorgung,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.

Volker LOOMAN sieht die Altersvorsorge für junge Frauen nicht als dringendste Herausforderung an:

"Viel wichtiger ist, sich in jungen Jahren auf die Gegenwart zu konzentrieren, und da sind nach meinem Empfinden fünf Dinge zu erledigen. Erstens: Verwirklichung des Lebenstraums. Zweitens: Arbeit und Verdienst. Drittens: Abschluss der Privat-Haftpflicht-Versicherung. Viertens: Absicherung bei Berufsunfähigkeit. Fünftens: Aufbau eines Notgroschens".

CAPITAL-Titelgeschichte: Genug Geld für später.
Viele fragen sich: Reicht meine Rente? Ein Leitfaden für Ihre Vorsorge

PACHE, Timo & Lukas ZDRZALEK (2018): Der Raubzug.
Etliche Reformen hatten die gesetzliche Rente abgesichert. Jetzt baut die Regierung alles wieder um und schürt neue Verunsicherung. Besser also, Sie sorgen selbst für sich vor. Hier ist ein Leitfaden,
in: Capital, November

LANGENBERG, Britta (2018): Geld oder Leben?
Wenn es auf den Ruhestand zugeht, stehen viele Anleger vor derselben Frage: Wie wandeln sie ihr Vermögen in ein sicheres Einkommen um? Ein Leitfaden,
in: Capital, November

MANNWEILER, Antonia & Gerald BRAUNBERGER (2018): Nicht nur Blackrock und die DWS haben zu kämpfen.
Den großen Fondsgesellschaften fließt immer weniger Geld zu. Führt die Hebelwirkung in der Fondsbranche zu einer Abwärtsspirale?
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.11.

Antworten erhält der Leser von MANNWEILER & BRAUNBERGER nicht auf die Frage nach einer Abwärtsspirale, sondern eher darauf, warum Friedrich MERZ als geplanter Statthalter von Blackrock in der CDU so wichtig ist:

"(I)m Falle von Blackrock scheint die Quelle neuen Geldes zunehmend zu versiegen. Dies betrifft vor allem die aktiv verwalteten Investmentfonds. Institutionelle Investoren zogen insgesamt rund 25 Milliarden Dollar ab. Das sind ernüchternde Zahlen, schließlich legten die gleichen Anleger im Vorjahr noch 16 Milliarden Dollar neues Geld an. Die jüngsten Abflüsse (...) konnten nur über Zuflüsse in die ETF-Sparte aufgefangen werden. Dort erhielt die auch in Deutschland stark vertretene Tochtergesellschaft (...) immerhin noch 34 Milliarden Dollar - damit aber dennoch 18 Milliarden Dollar weniger als im Vorjahr."

Blackrock darf darauf hoffen, dass Friedrich MERZ die Tür für das Unternehmen weit aufstoßen wird, denn der deutsche Altersvorsorgemarkt wird als das wichtigste Profitcenter des US-amerikanischen Unternehmens betrachtet:

"Auch wenn es immer wieder zu starken Abflüssen kommt, würden diese durch stetige Zuflüsse für die Altersvorsorge ausgeglichen werden, sagt Stotz. Dorthin fließe systematisch Geld",

zitieren MANNWEILER & BRAUNBERGER einen Finanzwissenschaftler.   

HÄRING, Norbert (2018): Wenn der Schuldenabbau ärmer macht.
Haushaltspolitik: Der IWF wirbt dafür, öffentliches Vermögen bei der Beurteilung der Staatsfinanzen zu berücksichtigen, Darüber gibt es Streit,
in: Handelsblatt v. 05.11.

Norbert HÄRING berichtet über die kosmetische Rhetorikkorrektur der neoliberalen Lobbyorganisation IWF. Nach dem Brückeneinsturz von Genua wird offensichtlich, dass die neoliberale Politik mit ihrer jahrzehntelangen Vernachlässigung der Infrastruktur zu katastrophalen Ergebnissen führt. In Deutschland sieht die Lage dramatisch aus, denn nun müssen horrende Preise für die Vernachlässigung von Sanierungen gezahlt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Wohnungspolitik:

"Viele Wohnungen in Staatsbesitz wurden aus (...) schuldenkosmetischen Gründen verkauf, was heute den Handlungsspielraum in der Wohnungspolitik einschränkt. Umgekehrt wird eine staatliche Bodenvorratspolitik (...) schwierig, wenn eine Schuldenbremse die Finanzierung auf Kredit verhindert."

Die Einsichtigkeit der Neoliberalen in ihre falschen Prioritätensetzungen ist jedoch beschränkt, was daran liegt, dass bei der Bewertung des Staatsvermögens die falsche Unterscheidung von "investiven" und "konsumtiven" Ausgaben (zu denen z.B. die Einstellung von Lehrern gehört) zu Fehleinschätzungen zu Lasten des Staatsvermögens geht:

"Der IWF rechnet zu den Schulden der öffentlichen Hand auch aufgelaufende Pensionsverpflichtungen für öffentliche Bedienstete. Auf der Vermögensseite berücksichtigt er den Wert von unbebauten Grundstücken nicht und von bebauten nur den Gebäudewert."

Der IWF hält also an der "Kürzung von Transferausgaben und von sogenannten konsumtiven Ausgaben" fest. Pensionsverpflichtungen sind jedoch fiktive Luftbuchungen, deren Entwicklung für die Zukunft als unsicher gelten. Nichtsdestotrotz werden sie von Generationengerechtigkeitskriegern wie Bernd RAFFELHÜSCHEN missbraucht, um Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. HÄRING weist dagegen auf die Probleme hin:

"Pensionsverpflichtungen für Staatsbedienstete zählt der IWF zu den Verbindlichkeiten, mit dem Argument, diese stünden fest - anders als zum Beispiel Rentenzahlungen im privaten Bereich. Als Abzinsungsfaktor werden die drei Prozent verwendet, die auch das Statistische Bundesamt für eine ähnliche Rechnung gebraucht. Das Statistikamt betont dabei allerdings, dass die Höhe der Pensionen sich ändern könne und in der Vergangenheit auch immer wieder geändert habe. Das steht im Widerspruch zur Begründung des IWF für die Berücksichtigung der Pensionsverpflichtungen. Ließe man sie weg, oder berücksichtigte man einen Schätzwert für staatlichen Grundbesitz, so würde der Befund eines negativen Nettovermögens seltener."

Der IWF sieht ein "negatives Nettovermögen" als Problem an, doch ob dieses vorhanden ist, hängt in hohem Maße von den berücksichtigten Faktoren ab. Es ist offensichtlich, dass das IWF insbesondere solche Länder abstrafen will, die ihre Altersvorsorge noch nicht umfangreich den Kapitalmärkten ausgeliefert haben oder die neoliberalen Kernbestände, gemessen an fragwürdigen Kennzahlen, nicht ausreichend beachten, dass dazu neoliberale Musterknaben wie Großbritannien gehören, könnte stutzig machen. In der Mehrzahl sind es jedoch Länder wie Österreich, Deutschland und Frankreich, denen weitreichende Reformen des Sozialstaatsabbaus verordnet werden sollen.

"Dadurch, dass der Abzinsungsfaktor für die Pensionsverpflichtungen niedriger ist als etwa der von künftigen Rohstoffeinnahmen, wird das Nettovermögen gedrückt",

berichtet HÄRING über die Art und Weise wie neoliberale Lobbyorganisationen die Vermögenswerte von Ländern schlecht rechnen, um ihre Empfehlungen zu rechtfertigen. Staaten sollen wie Unternehmen funktionieren, doch Staaten sind keine Unternehmen, sondern müssen politische Aufgaben erfüllen.

ARNDT, Heinz-Peter (2018): Mehr Rendite für Wechselwillige.
Ranking: Fondsgebundene Rentenversicherungen können gute Erträge fürs Alter abwerfen. Ein Ranking zeigt, welche Produkte sich besonders lohnen. Doch neben der Fondsqualität zählt auch die Wachsamkeit der Anleger,
in: Handelsblatt v. 06.11.

Heinz-Peter ARNDT stellt ein Ranking der Assekurata vor, dessen Ergebnis für Anleger eher wenig aussagekräftig ist, denn es werden bis zu über 100 Fonds einer Versicherungsgesellschaft zusammengefasst, als ob es zwischen den einzelnen Fonds keine große Kluft geben könnte. Die Stabilität der Unternehmen geht ebenfalls nicht in die Bewertung ein.

KROHN, Philipp (2018): Altersvorsorge als günstiges Finanzierungsinstrument.
Unterstützungskassen erfreuen sich wieder einer wachsenden Beliebtheit,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.11.

PFEIFFER, Hermannus (2018): Die neuen Finanzakteure.
Werner Rügemer sieht in Blackrock und Co. die heimlichen Herrscher des Kapitalismus - linke Ökonomen bezweifeln das,
in: Neues Deutschland v. 08.11.

Hermannus PFEIFFER verkürzt das Buch auf die Rolle von Blackrock, ein Unternehmen, das gar nicht im Mittelpunkt des Buches von RÜGEMER steht. PFEIFFER verteidigt den Vermögensverwalter Blackrock gegen den "Verschwörungstheoretiker" Werner RÜGEMER und will in Blackrock einen ganz gewöhnlichen Finanzdienstleister sehen:

"61 Prozent des verwalteten Vermögens (kommt) von institutionellen Anlegern (...), also von Banken und Unternehmen, Pensionsfonds und Stiftungen (...). Die institutionellen Kunden suchen bei Fink und seinen 2.500 Anlagespezialisten weniger Machtprojektion als Rendite. Und zwar sicherer Rendite: Entsprechend ist die Strategie (...) eine breite Streuung des eingesammelten Kapitals unter den führenden Aktiengesellschaften in aller Welt. Nichts anderes tun auch erfolgreiche öffentliche Vermögensverwalter wie die Staatsfonds von Norwegen oder Neuseeland, die für kommende Generationen ansparen."

Möglicherweise ist es aber genau diese unkritische Lesart der neoliberalen Weltordnung, die das eigentliche Problem ist. Dass für "kommende Generationen" angespart wird, wird uns als hehre Aufgabe gepriesen. Für welche Zwecke jedoch Kapitalstöcke angespart werden, das kann sich jederzeit ändern, wenn die Rendite es erfordert. Und ob die Rendite "sicher" ist, das wäre die andere Frage. Das Prinzip des ETF-Fonds, mit dem Blackrock sein Geld verdient, könnte sich bei einem Börsencrash auch als Verhängnis erweisen. Vor allem ist es mit der Streuung nicht besonders weit her, denn Blackrock setzt in erster Linie auf US-Aktiengesellschaften. Ein dortiger Einbruch hätte enorme Auswirkungen weltweit.

Fazit: Nicht die Macht im konventionelle Sinne wie PFEIFFER es darstellt, ist das Problem bei Blackrock, sondern die strukturelle Dominanz im System der neoliberalen Weltordnung. Fällt der Dominostein Blackrock, dann reißt es möglicherweise viel mehr mit sich als die Fans der kapitalgedeckten Altersvorsorge glauben. Auch institutionelle Anleger sind vor Irrtümern nicht gefeit!       

BRANDSTETTER, Barbara (2018): Früher in den Ruhestand.
Die Vermögensfrage: Dem Arbeitsleben früher den Rücken zukehren, als der Gesetzgeber es vorsieht, geht ins Geld. Doch es gibt Möglichkeiten, sich einen früheren Ausstieg aus dem Berufsleben zu ermöglichen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.11.

ÖCHSNER, Thomas (2018): Rechnen mit der Lücke.
Reicht das Geld für ein gutes Leben im Alter? Beim Kassensturz sollten sich Sparer nicht in die Irre führen lassen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 12.11.

In der Debatte um die Stabilisierung des Rentenniveaus giften Neoliberale gerne gegen den Standardrentner, weil dieser Rentner keine Realität, sondern nur Fiktion sei. Andererseits greifen Neoliberale bei der Erklärung von Rentenlücken genau auf diesen Standardrentner zurück, der nur eine Fiktion ist. So auch Thomas ÖCHSNER:

"Beispiel: Die alleinstehende Hertha Müller, 60 Jahre, verdient monatlich 3.156 Euro brutto, so viel wie ein Durchschnittsverdiener in der gesetzlichen Rentenversicherung. Netto kommen so bei ihr etwa 2.000 Euro heraus. Nach 45 Beitragsjahren erhält sie voraussichtlich 1.400 Euro, ohne Rentensteigerungen gerechnet."

Die Angaben zur Rente sind völlig illusorisch, denn Frau MÜLLER müsste 45 Jahre lang ihr jetziges Gehalt bekommen (haben), um die angegebenen 1.400 Euro (was nur eine Rundung ist, weil sich west- und ostdeutsche Renten unterscheiden!) zu erhalten.

Fazit: Es ist eine merkwürdige Doppelmoral, wenn Neoliberale einerseits darauf beharren, dass der Standardrentner nur eine Fiktion sei, andererseits aber bei der Rentenlücke, d.h. bei der notwendigen privaten und betrieblichen Altersvorsorge genau auf diesen Standardrentner zurückgreifen, der angeblich nur eine Fiktion ist. Wenn also Neoliberale das Konzept der Standardrente ablehnen, dann dürften sie das Konzept auch nicht mehr für ihre eigenen Darstellungen benutzen! 

 
     
 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 08. Februar 2019
Update: 11. Februar 2019